Kunst in Holderbank

Kunst in Holderbank

Begegnungen mit großen Künstlern und ihren Werken - 20 Kunstausstellungen

Derrick Widmer


EUR 19,90
EUR 11,99

Format: 15 x 22 cm
Seitenanzahl: 302
ISBN: 978-3-99048-074-8
Erscheinungsdatum: 30.06.2015
Wie aus einem Zementkonzern in der Schweiz ein Mekka für Kunstinteressierte wurde. Derrick Widmer arbeitete bei Holderbank (Holcim) und verwirklichte dort seine Vorliebe für Kunst. In diesem Buch schildert er unter anderem, wie er die Künstler gefunden und überzeugt hat, in Holderbank auszustellen.
Vorwort

Es geht mir bei der Schilderung dieser höchst spannenden persönlichen Begegnungen mit bekannten Künstlern und ihren Werken darum, zu zeigen, wie solche Beziehungen anderer Art auch für einen Geschäftsmann äußerst fruchtbar sind und noch Jahre danach anregende Impulse vermitteln; vielleicht sogar nachhaltiger sind als viele geschäftliche Begegnungen im beruflichen Leben. Die Künstler können in der modernen Management-Sprache als die Verkörperung von „Changemanagement“ bezeichnet werden, weshalb man von ihnen lernen kann.

Im vorliegenden Buch habe ich vor allem die Bekanntschaften und Freundschaften mit Künstlern festgehalten, die sich in den von mir organisierten Kunstveranstaltungen bei der Firma „Holderbank“ (heute „Holcim“) in Holderbank (Kanton Aargau) in den Jahren 1981 bis 2000 – also bis zu meiner Pensionierung – und dann nochmals im Jahr 2005 ergeben haben. Natürlich traf ich viele Kunstschaffende an Vernissagen, in Museen und Galerien. Meistens waren diese Beziehungen aber nicht von der gleichen Intensität wie diejenigen, die sich in Holderbank ergaben. Diese Beziehungen wurden im Verlaufe einer Ausstellung immer enger, sodass sich daraus in vielen Fällen echte Freundschaften entwickelten. Dadurch, dass wir die Ausstellungen an einem Ort organisierten, der überhaupt nicht dafür gedacht war, konzentrierten sich die ganzen Vorbereitungsarbeiten personell auf meine Assistentin und mich sowie auf zwei kunstinteressierte Mitarbeiter.

Weder in meiner Stellenbeschreibung (job description) noch in derjenigen meiner kunstinteressierten Mitarbeiter – Willi Walser, Klaus Kayatz und Heidi Häfeli (ab September 1984) – stand irgendetwas von Kunst. Wir alle merkten aber nach den ersten Ausstellungen, dass wir bei diesen nebenamtlichen Tätigkeiten kurzfristig in eine andere Welt eintauchen konnten, und wir empfanden dabei eine große Befriedigung und innere Bereicherung.

Beim Schreiben dieser Erinnerungen konnte ich mich auf zwei von mir herausgegebene Bücher über diese zwanzig Holderbank-Ausstellungen, auf die begleitenden Kataloge, auf sonstige Publikationen und auf die Korrespondenz mit den Künstlern sowie persönliche Erinnerungen stützen.

Im Jahre 1994, zum 25-jährigen Bestehen der „Holderbank“ Management und Beratung AG (HMB) – später Holcim Group Services (HGRS) genannt – erschien ein von mir herausgegebenes Buch „Holderbank“-Kunstausstellungen mit Schuber, als Rückschau auf die vergangenen vierzehn Jahre. Nach dieser ersten Publikation folgten sechs weitere Ausstellungen. Die erste Ausstellung im neuen Millennium 2000 mit Anthony Cragg – war gleichzeitig die letzte von mir als aktivem „Holderbank“-Mitarbeiter organisierte.
Das zweite, im Jahr 2000 ebenfalls von mir herausgegebene Buch „Kunstausstellungen ‚Holderbank‘/2“ wurde den zwischen 1995 bis 2000 ausgestellten Künstlern gewidmet, ergänzt durch einen Rückblick auf die vierzehn früheren Ausstellungen.

2004 erarbeitete ich auf Wunsch des Holcim-CEOs, Markus Akermann, nochmals eine Ausstellung. Die Gruppe „Holderbank“ wurde 2001 in Holcim umbenannt.

In einem Gespräch mit dem Direktor des Kunstmuseums Bern, Matthias Frehner, entstand die Idee, die großen Formate chinesischer Malerei der Sammlung Sigg – für die kein Platz im Kunstmuseum Bern vorhanden war – in den beiden großen Lagerhallen in Holderbank 2005 zu zeigen. Es fanden deshalb zwei Ausstellungen chinesischer Gegenwartskunst aus der Sammlung Sigg fast gleichzeitig statt: in Holderbank und im Kunstmuseum Bern.

André Kamber, der langjährige Leiter des Kunstmuseums Solothurn, hat mich bei einigen dieser Ausstellungen künstlerisch beraten und an der Herausgabe der beiden großformatigen Bücher mitgewirkt.

Der bekannte Fotograf Leonardo Bezzola – Verfasser von Kunstbüchern und vielfacher Teilnehmer an Einzel- und Gruppenausstellungen – hat über all die Jahre nicht nur die Kunstwerke und ihre Künstler, sondern auch die Gäste an den Vernissagen mit großem Einfühlungsvermögen fotografiert und so die Stimmung und die Atmosphäre der jeweiligen Ausstellungseröffnungen in diesen beiden Kunstbüchern hervorragend eingefangen.

Tobia Bezzola, der Sohn von Leonardo Bezzola, Kunsthistoriker und Philosoph, hat über die einzelnen Künstler der Ausstellungen jeweils ausgezeichnete Zusammenfassungen geschrieben. Diese präzisen Beschreibungen des ehemaligen Kurators des Kunsthauses Zürich und heutigen Direktors des Kunstmuseums Folkwang in Essen verwende ich im vorliegenden Buch erneut.

***

Erste Begegnungen mit der Kunst

Am Ende des Zweiten Weltkriegs, als meine kleine Schwester Silvia sechs und ich neun Jahre alt waren, bat unser Vater den Künstler Albert Neuenschwander (1902–1984), von dem er bereits ein Ölbild gekauft hatte und der nur einige Minuten von unserem Haus in Bern entfernt wohnte, uns Mal- und Zeichnungsunterricht zu erteilen. Zum Anfangen erhielten wir einen Stapel braunes, 50 mal 50 Zentimeter großes Packpapier.

Dann ging es los: Wir mussten zur Lockerung unserer Finger einige Gegenstände mit Bleistift abzeichnen. Es dauerte lange, bis auf dem riesigen Blatt vernünftige Konturen zu sehen waren. Neuenschwander verstand es ausgezeichnet, uns anzuregen und immer lockerer mit Bleistift und Farbstiften umgehen zu lassen. Mit der Zeit hatten wir große Freude an diesem Malunterricht und wurden recht gute Zeichner. Von der Primarschule bis zur Matura hatte ich jedenfalls immer gute Noten im Zeichnungsunterricht! Und meine Schwester durchlief später als ausgebildete Sekundarlehrerin noch ein dreijähriges Studium an der Schule für Gestaltung in Bern und wurde dann Zeichnungslehrerin an einem Gymnasium.

Unser Vater zeichnete und malte als Hobby. Er stellte an der Weihnachtsausstellung 1964 in der Kunsthalle Bern eine Zeichnung mit einem alten Jauchewagen aus. Einer meiner Freunde meinte, man könne – beim Betrachten der Zeichnung – die Jauche noch förmlich riechen. Vater hatte eine eigenständige Art, mit den Mitteln der Malerei eine exakte Wiedergabe der Wirklichkeit zu erreichen. Er strebte nach einer Kunstform, die 1972 an der 5. Kasseler „documenta“ in verschiedenen ähnlichen Formen bekannt wurde (Fotorealismus).
Mit dem Vater und meinem Onkel Max Widmer, der im Aargau als Maler lebte, konnte ich von Zeit zu Zeit auch Kunstausstellungen besuchen, was mir neue Anregungen und mehr und mehr Freude an der Kunst vermittelte. In seiner Malerei wählte Max Widmer die Aargauer Landschaft zu seinem Thema, schilderte Bauerndörfer, die Wynenauen, das Wynental.

Mein Vater sammelte auch Bilder von zum Teil bekannten Malern. Abgesehen von meinem privaten Zeichnungslehrer Neuenschwander, der oft in unserem Haus verkehrte, lud mein Vater ab und zu andere Künstler zum Essen nach Hause ein und unterstützte diese durch den Kauf von Bildern.

So auch Anton Räderscheidt (1892–1970) aus Köln, ein deutscher Künstler, der zu den bedeutendsten Vertretern der „Neuen Sachlichkeit“ zählt. Als die Nationalsozialisten die deutschen Modernen als entartet ansahen und ihre Bilder aus den Museen verbannten, vernichteten oder verkauften, verließ Räderscheidt seine Familie in Köln und flüchtete mit seiner neuen Lebensgefährtin, die Jüdin war, nach Paris ins Exil. Er lebte dort ständig in der Furcht, dass die Nationalsozialisten auch in Frankreich die Macht übernehmen könnten. Nach einer längeren Internierung im Lager „Les Milles“ gelangte er nach einer dramatischen Flucht mit seiner neuen Familie in die Schweiz. Hier war er ein unbekannter Maler und deshalb sehr auf moralische und finanzielle Unterstützung angewiesen. So porträtierte Anton Räderscheidt zum Beispiel meinen damals zweijährigen Bruder Max mitsamt seinen Spielsachen, und mein Vater kaufte ihm immer wieder Bilder ab, die der Künstler in Paris oder der Schweiz gemalt hatte.

Auch Heinrich Wassmuth (1870–1959) aus Wien ging zu dieser Zeit bei uns ein und aus. Dieser hatte 1915 ein Gemälde von Kaiser Franz Joseph (1830–1916) gemalt, das heute in der Hofburg in Wien ausgestellt ist. In Perchtoldsdorf bei Wien wurde später eine Straße nach ihm benannt. Auch Werke von Wassmuth kamen in die Sammlung meines Vaters. Er beauftragte ihn zudem mit Porträts meiner Eltern und meiner Schwester Silvia. In einer Notiz vom 3. August 1953 schrieb Wassmuth meinen Eltern: „Habe Fräulein Silvia Widmer, sechzehn Jahre, ein sehr liebes, reizendes Mädchen, auch nach dem Leben gemalt, und zwar in meinem dreiundachtzigsten Jahr. Heinrich Wassmuth, Akad. Maler aus Wien.“

Einem handschriftlichen Brief Wassmuths ist zu entnehmen, dass dieser meinem Vater ein Foto eines seiner Aquarelle beigelegt hatte und dazu Folgendes schrieb: „Sollte Herr Widmer die Ansicht gefallen, so würde ich die Original-Aquarelle einsenden oder persönlich im Frühjahr (1954) mitbringen! Der Ort Dürnstein an der Donau (fünfhundert Einwohner) ist die kleinste ‚Stadt‘ Österreichs. Ein altes Privilegium! Die Ruine (auf dem Aquarell) ist der Überrest der Burg, in der seinerzeit (1193) der englische König Richard Löwenherz gefangen war und durch seinen Sänger Blondel gefunden wurde! Bitte, lieber Herr Widmer, lassen Sie es mich gelegentlich wissen, ob Ihnen die Motive gefallen.“

In meiner Jugend hing in unserer Wohnung in Bern – neben Gemälden verschiedener Zeitepochen – auch ein größeres Landschaftsbild von Cuno Amiet. Meine Schwester Silvia entdeckte 1985 ein zusammengefaltetes handschriftliches Schreiben – eingeklemmt in den Bilderrahmen – von diesem heute berühmten Künstler:

„Oschwand, 9. August 1945

Sehr geehrter Herr Widmer!
Für Ihren soeben empfangenen freundlichen Brief danke ich Ihnen bestens. Bei meinem nächsten Besuch in Bern werde ich Ihrer Einladung gerne Folge leisten.

Zum Voraus möchte ich Ihnen sagen: Es ist unmöglich, dass alle Bilder eines Malers die gleiche Qualität haben können. Ich kann Ihnen aber auch sagen, dass ich kaum je ein Bild ohne Begeisterung gemalt habe. Auch bei geringerer Qualität wird ein solches Bild Wertvolles enthalten. Ein Mensch und seine Äußerung werden immer Für und Wider hervorrufen. Ein guter Kenner wird die Sache lieber haben, die ein anderer guter Kenner weniger schätzt.
Wenn man etwas erworben hat, soll man dazu stehen und sich von anderer Leute Urteil nicht beirren lassen.

Auch wenn ich Ihr Bild eventuell weniger gut finden sollte, so sollen Sie sich deshalb nicht grämen, an irgendeinem andern Tag werde ich es vielleicht wieder besser finden. Sollte Ihnen Ihr Bild eines Tages nicht mehr so recht gefallen, so warten Sie ruhig ab, es kommt ein Tag, da es Ihnen wieder gefällt.

Ich freue mich Ihre Bekanntschaft zu machen, werde Sie vor meinem Besuch benachrichtigen und grüße Sie inzwischen hochachtungsvoll als

Ihr ergebener
C. Amiet.“

***

In einer Ansprache vom 4. Dezember 1983 sagte Heini Widmer (Direktor des Kunsthauses Aarau): „Da gab es Cuno Amiet, der als Grandseigneur auf der Oschwand lebte, sich virtuos seiner Kundschaft und den Zeitabläufen anpassend, Heiterkeit, bernische Solidität verkörperte, gastfreundlich alles, was Rang und Namen hatte, bei sich empfing …“

Anfangs der 1950er-Jahre flog unser Vater mit einem Freund, der Pilot war, vom kleinen Flugplatz Belpmoos bei Bern in einem nur mit zwei Sitzen versehenen einmotorigem Piper-Flugzeug nach Paris. Bei seiner Rückkehr hatte er hinten im Flugzeug als Rolle versteckt ein Ölbild, das er in Paris gekauft hatte. Es handelte sich um ein Bild mit ziemlich dick aufgetragenen Farben (ein Kotelett auf einem Teller und daneben ein großer und ein kleiner Krug) des berühmten Malers Maurice de Vlaminck (1876–1958). Das Bild hing bis 1967 in unserer Wohnung. Dann verkaufte ich es im Auftrag meines Vaters bei Jan Krugier in Genf für einen damals stolzen Preis. Krugier gilt als Weltklassespezialist für Picasso; er betreute seit 1973 die Sammlung der Picasso-Enkelin Marina. Ein Traum für jeden Händler. Mit einem Mal befand er sich in einer Liga mit Ernst Beyeler und Heinz Berggruen.

Mit meiner Frau Suzanne besuchten wir in den 70er-Jahren Vernissagen der damals noch wenigen international tätigen Galerien für moderne Kunst in Zürich. Gelegentlich kauften wir für bescheidene Summen kleinere Kunstwerke. Insbesondere mit der sympathischen Galeristin Anne Rotzler (Galerie Gimpel & Hannover) hatten wir eine enge Beziehung. Auch ihr Mann, der bekannte Kunstkritiker und Kunstbuchautor Willi Rotzler, hatte großen Einfluss auf unser Kunstverständnis der Moderne. Jedenfalls war damals unser Interesse an moderner Kunst endgültig entfacht, und es ließ mich bis heute nie mehr los.

Auf einer Geschäftsreise anfangs 1970 hatte ich Gelegenheit, im „Metropolitan Museum of Art“ in New York die Ausstellung „New York Painting and Sculpture: 1940–1970“ zu sehen. Ich war so überwältigt von dieser Ausstellung mit den zum Teil riesigen Formaten der amerikanischen Künstler – unter anderem von Willem de Kooning, Dan Flavin, Hans Hofmann, Jackson Pollock, Roy Lichtenstein, Frank Stella, Andy Warhol und Morris Louis –, die heute allesamt weltberühmt sind. Sogleich ging ich mit dem Ausstellungskatalog des Kurators Henry Geldzahler zu Willi Rotzler, um ihm davon zu erzählen. Für mich war damals klar: Die amerikanischen Künstler der Gegenwart hatten in der bildenden Kunst die Europäer überrundet (asiatische, afrikanische und auch lateinamerikanische Künstler standen zu dieser Zeit noch nicht im Vordergrund des Interesses der Kunstwelt). Die Europäer holten in den 80er-Jahren wieder auf.

Von 1969–1972 arbeitete ich für die „Holderbank“ an der Talstraße 81 in Zürich, wo mein Chef, Anton E. Schrafl, sein Büro hatte. In dieser Zeit wurde ein bestehendes neueres Bürogebäude auf dem Areal der alten Zementfabrik Holderbank um einen Stock erweitert, und so musste ich wohl oder übel im Sommer 1972 ins „Exil“ nach Holderbank, was für mich hieß, im Vergleich zu Zürich in eine kulturelle Einöde zu ziehen. Vor diesem Ort hatte ich bereits in meiner frühen Jugend einen Schrecken, da man im Zug von Zürich nach Bern in Holderbank plötzlich alles grau in grau sah: graue Bäume, die wie abgestorben aussahen, und triste Häuserdächer, komplett grau vom vielen Zementstaub. Moderne Staubfilter wurden erst später entwickelt und eingebaut.

Die erste Zementfabrik der Holderbank Gruppe wurde 1912 in Holderbank erbaut und gab bis 2001 der weltweit operierenden Zementgruppe den Namen. Das Dorf Holderbank liegt am Westabhang des bewaldeten Kestenbergs im Kanton Aargau in unmittelbarer Nähe der Aare. Das Dorf säumt die Straße, die von Wildegg nach Brugg führt. Seinen Namen verdankt das Dorf seiner topografischen Lage. Dieser Name setzt sich aus den althochdeutschen Wörtern holuntar (Holunder) und wang (Abhang) zusammen und bedeutet nichts anderes als „Holunder-Abhang“.

Ab 1972 bis zu meiner Pensionierung im Jahr 2000 arbeitete ich in einem neueren Verwaltungsgebäude neben der alten Zementfabrik Holderbank in unmittelbarer Nähe der Aare. 1980 wurde die alte Fabrik abgerissen und durch eine neue, größere und wesentlich effizientere in Rekingen am Rhein ersetzt. Als Erstes wurde der hohe Kamin gesprengt, wobei Hunderte von Schaulustigen dem aufregenden Spektakel zuschauten. Leider legte sich dieser nicht genau am vorgesehenen Platz hin, sondern stürzte teilweise auf eine große Lagerhalle und zerstörte dort ein Drittel dieser schönen Holz-Lagerhalle. Just im betroffenen Teil hatte ich meine inzwischen recht große Sammlung an Kunstbüchern gelagert, weil ich zu Hause in Baden keinen Platz gefunden hatte. Durch die Wucht der heruntergefallenen Trümmer wurden alle Bücher zerstört. Die übrigen Gebäude und die ehemalige Werkstatt blieben unversehrt. Längere Zeit bestand kein Wille, das ganze riesige Gelände neu zu gestalten, mit Ausnahme eines neuen Trainingscenters in unmittelbarer Nähe des Hauptgebäudes.

***

Rolf Iseli
(1934 in Bern geboren)
Ausstellung 1981 – Nr. 1

Begrüßung und Einführung: Ernst Schegg; fotokopierter Katalog

Ende 1980 war dann das neue Trainingscenter fertig erstellt. Schon während des Baus dieses Ausbildungszentrums erkannte ich, dass die vielen leeren Wände in den Gängen und den Schulungsräumen eine nahezu ideale Möglichkeit für Kunstausstellungen darstellten. Ich hatte schon immer davon geträumt, selbst einmal Kunstausstellungen zu organisieren. Mit der feierlichen Eröffnung unseres Ausbildungszentrums im Januar 1981 bot sich Anlass, mir diesen alten Wunsch zu erfüllen. Ich hatte die Überzeugung gewonnen, dass die Begegnung mit zeitgenössischem Kunstschaffen zu einer Bereicherung werden könnte, für die Besucher unserer Trainingsprogramme und unsere Mitarbeiter. Die Förderung des lateralen Denkens, der Kreativität und des Ausbrechens aus den gewohnten Denkbahnen waren neben der fachtechnischen Management-Schulung schon damals unsere erklärten Schulungsziele. Und was konnte diesen Zielen besser dienen als die Nutzung der Möglichkeiten in unserem Gebäude!

Dass diese erste Ausstellung mit der Druckgrafik von Rolf Iseli stattfinden konnte, verdanke ich einem Zufall: Mein damaliger Mitarbeiter, Ernst Schegg, kannte Rolf Iseli und sammelte dessen Arbeiten. Er vermittelte mir den Kontakt zu dem Berner Maler und Grafiker, und Iseli war bereit für eine Ausstellung in der „Holderbank“ Management und Beratung AG (HMB, später Holcim Group Support genannt). Ernst Schegg (Galerie Schloss Greifenstein, Staad) verfasste den ersten der für die späteren Holderbank-Ausstellungen typischen, in Schwarz-Weiß und A4-Format kopierten Kataloge.

Anlässlich der Eröffnung des Ausbildungszentrums am 21. Januar 1981 erklärte Schegg unter anderem:

„Rolf Iseli begann als Maler, wandte sich dem Objektmachen zu, nahm sogar Plastiken in seine künstlerische Arbeit auf und ist heute wiederum Maler. In der internationalen Kunstszene hat er eine ganz eigene Position bezogen, sich kaum an eine Kunstströmung anzugliedern, sich nicht mit einem Zeitstil zu identifizieren. Und doch leben diese Bilder ganz aus unserer Zeit heraus – ja, sie sind vielleicht eine Antwort auf unsere Zeitsituation, in manchem sogar ein Warnzeichen an unsere Gesellschaft, welche dieses möglicherweise in seiner Bedeutung erst erkennen wird, wenn sie selbst ganz – mit einem Wort des Künstlers persönlich – „einbetoniert“ ist. Rolf Iseli malt seit einigen Jahren Erdbilder, das heißt Bilder, bei denen er Sand und Erde sowie Binsen und Nägel einsetzt. Und er kombiniert diese Erde mit Wasserfarben und überantwortet beides dem empfindlichen Papier als Träger. Transparenz und Materie verbinden sich zu einer Einheit. Er ist nicht figurativ, nicht naturalistisch, nicht abstrakt. Was ist Iseli? Er selbst. Er gibt Rätsel auf. Vielleicht gelingt es uns, sie zu beantworten.“

Die Eröffnung der Rolf-Iseli-Kunstausstellung wickelte sich in relativ bescheidenem Rahmen ab, da wir für solche Aktivitäten damals kein Budget hatten.

Rolf Iseli war gerade dreiundzwanzig Jahre alt, als ihm 1957 das Eidgenössische Kunststipendium zugesprochen wurde. Nicht bloß sein zartes Alter führte damals zu Kontroversen. Iseli vertrat einen Stil, der in den Fünfzigerjahren die Gemüter erhitzte: „Informel“ und „Tachismus“ lauteten die Bezeichnungen für eine Malerei, die die Ausdrucksmöglichkeiten der Farbe in der Fläche, jenseits formaler Referenzen oder räumlicher Illusionen auszuloten versuchte. Mit Strukturbildern und subtilen Variationen über Farben, plastisch-chromatischen Verfestigungen gestischer Expression, setzte sich der junge Iseli über die heimische Tradition hinweg an die Spitze der europäischen Avantgarde.

Rolf Iseli besuchte von 1950 bis 1954 die Kunstgewerbeschule in Bern und absolvierte eine Ausbildung zum Lithografen. Danach erhielt er 1955 ein Stipendium für einen einjährigen Aufenthalt in Paris. Durch die Vermittlung des damaligen Direktors der Berner Kunsthalle, Arnold Rüdlinger, den er auf einer Reise nach New York begleiten konnte, fand er Kontakte zu jungen amerikanischen Künstlern wie Sam Francis und anderen. 1957 hatte Iseli seine erste Einzelausstellung in der „Galerie 33“ in Bern.
5 Sterne
Kunst in Holderbank - 17.08.2015
Stefan Huber

Derrick Widmer's Schreibstil ist gewürzt mit Witz und einem unglaublichen Erinnerungsvermögen das mit zeitlicher und inhaltlicher Präzison die Geschehnisse schildert. Er wählt einen spannungsgeladenen Erzählstile, welcher den Leser mitten ins Geschehen bringt, so als wwürde es jetzt gerade geschehen.Notabene diese Ausstellungen kamen nur zu stande dank seiner einzigartigen Begabung Menschen zusammenzubringen und in Dialoge verwickeln.

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