Kann ich nicht = Will ich nicht

Kann ich nicht = Will ich nicht

Sigrid Alberti


EUR 14,90
EUR 11,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 78
ISBN: 978-3-99131-115-7
Erscheinungsdatum: 08.08.2022
Wie man es trotz einer das Leben stark beeinträchtigenden Diagnose, nämlich Morbus Addison, schafft, nicht aufzugeben und Schicksalsschläge als Chance zu begreifen? Das verrät diese Mut machende, besondere Biografie in lyrischer Form.
Vorwort

Eine Biografie zu schreiben, bedeutet vieles: Rückschau halten, schonungsloses Erinnern und Stellung beziehen. Konventionell würde das als Prosatext Form nehmen. Liebe Leserinnen und Leser, konventionell könnt ihr von mir nicht erwarten! So gerne ich heute schreibe, mindestens ebenso sehr missfällt mir das Vorhersehbare, das bereits Dagewesene und Modellhafte. Das Leben ist schließlich bunt, also sollten es unsere Ausdrucksformen auch sein!
Nein, Prosa, das ist nicht meine Welt. Ich fühle mich bei den Querdenkern der Dichtung daheim, diesen Träumern und genauen Beobachtern, die in wenigen Zeilen die Welt offenlegen und hinterfragen können. Doch all jene, die nun romantische Zeilen und ein vorgefertigtes Reimschema erwarten, muss ich enttäuschen. Meine Dichtung kennt keinen formellen Rahmen und stellt nicht den Anspruch, die Realität durch eine rosarote Brille zu betrachten. Dichtung geht auch anders, direkter, ehrlicher – vielleicht sogar gnadenloser. Mich beschäftigen so viele Themen, bei denen es notwendig ist, die Scheuklappen abzulegen und genau hinzusehen: Politische und gesellschaftliche Verwerfungen sind mir ebenso Herzensthemen wie die Integration von benachteiligten Menschengruppen. Dichten heißt auch, den Finger in die offenen Wunden unserer Gemeinschaft zu legen. Heilung ist nur dann möglich, wenn wir über Verwerfungen und Missstände ins Gespräch kommen.
Meine Biografie ist eine Krankheitsgeschichte. Manch einer würde es wohl gar als Leidensgeschichte titulieren. Während es zutreffend ist, dass ich viel Schmerz erfahren habe, sehe ich mein Leben unter einer anderen Überschrift stehend: Hoffnung. Zuversicht und Kampfgeist sind darüber hinaus jene Wörter, die meinen Weg wohl am ehesten abbilden. In der Politik und im Kampf für mehr Gerechtigkeit bin ich widerspenstig. Ebenso im Umgang mit meiner Krankheit. Nicht aufgeben wurde mir zum Mantra, zum Motto, zur Devise. Die Menschen in meinem Umfeld haben mir viel nicht zugetraut, gesagt: „Das kannst du ja gar nicht!“ – Ihnen möchte ich heute zurufen: „Kann ich nicht ist weitergleich, will ich nicht!“ Damit meine ich, dass der Wille ein entscheidender Motor ist. Wenn er eingerostet ist, bleibt das Lebensschiff mitten im Ozean des Schicksals stehen. Es liegt an uns allen, diesen Motor frei von Schäden zu halten, indem wir ihn warten und pflegen. Statt auf konventionelles Motoröl, das Sinnen nach Geld oder Macht, habe ich stets auf das Prinzip Hoffnung gesetzt. Rückschläge im Leben passieren, sie können uns dazu zwingen, dass wir uns neu orientieren müssen. So war es auch bei mir. Mein Leben ist anders verlaufen, als ich es mir in Kindertagen am Schoß meiner geliebten Oma sitzend erträumt hätte. Ihre Güte und Liebe strahlten so stark, dass sie bis heute in meinem Herzen einen Quell gebildet haben, der mich speist und antreibt. Ihr widme ich dieses Buch.
Ein Buch, das anders ist – so wie ich. Widerspenstiger, als man es von Dichtung vielleicht gewohnt ist. Gleichzeitig schlummert in ihr jedoch vor allem eins: der Keim der Zuversicht. Ich lade euch ein, liebe Leserinnen und Leser, mit mir auf eine Reise zu gehen, die neben Schicksalsschlägen, schwierigen Beziehungen und Seeleneinblicken vor allem einem Thema untergeordnet ist: der menschlichen Courage. Lasst uns gemeinsam ausziehen und Mut beweisen! Mut zum Anderssein. Mut zum Querdenken. Und in Erinnerung an meine Oma: Mut zur bedingungslosen Liebe.





Dieses Buch

Dass ich ein Buch schreibe, hätte ich nie gedacht!
Ich weiß doch gar nicht, wie man das macht!
Doch die Neugier wurde so groß,
also legte ich los!
Ich dachte im Stillen bei mir:
„Keine Panik, das Internet hilft dir!“
Ich fing an, Google zu fragen,
und wurde von den Suchergebnissen fast erschlagen.
Habe mir viele angeschaut
und erfahren, was man zum Schreiben so braucht:
Da war von Plots und Mindmaps die Rede,
die ich natürlich vorher anlege.
Von festen Zeiten, an denen man schreiben soll …
„Nee, das ist nicht das, was ich will!“
Und irgendwann merkte ich,
Bücherschreiben ist wohl nichts für mich.
Eines Tages fielen mir meine Gedichte ein,
die mussten doch noch irgendwo sein!
„Wer suchet, der findet“, dachte ich mir,
und fand sie handgeschrieben auf Papier.
Wie man Gedichte schreibt, habe ich nicht gelernt,
habe das Talent wohl von meiner Mutter geerbt.
In Gedichten drücke ich Gefühle aus
– die müssen ja irgendwie raus!
Ich schreibe darüber, was mich bewegt …
… was man so alles im Leben erlebt!
Manchmal habe ich sie jemandem vorgelesen.
Manche haben sie bewegt.
Jemand sagte zu mir:
„Schreib doch ein Buch über das Leben von dir!“
„Ich kann nur Gedichte.“
Er sagte: „Na und? Such fürs Kneifen einen besseren Grund!“
Ich dachte viel darüber nach,
und mein Bauch sagte: „Mach!“
Normalerweise höre ich auf meinen Verstand,
jetzt hatte mein Bauch das Zepter in der Hand!
Ohne Plot und Mindmap fing ich an,
schreibe nicht zu festen Zeiten.
Ich schreibe nicht auf Knopfdruck
und setze mich nicht unter Druck.
Ich schreibe eine etwas andere Biografie
– in Gedichten, das gab’s noch nie!
Ich möchte die Leser motivieren,
mal neue Dinge auszuprobieren!
Wenn man will, schafft man so vieles.
„Also? Los! Probiert es!“



Schicksalsfügung

1981 fieberte die ganze Welt mit, als Lady Diana mit ihrer schier endlosen Schleppe Richtung Altar schritt. Das Jahr stand unter den Vorzeichen der Liebe und des Friedens. Kundgebungen in ganz Europa forderten ein Ende des Kalten Krieges, geopolitische Entspannung, die Rückkehr zur Normalität. 1981 war für mich das Jahr, in dem mir eröffnet wurde, dass es Normalität für mich nie wieder geben würde. 16-jährig saß ich in der Universitätsklinik Münster und das, was mich anders machte, bekam zum ersten Mal einen Namen: Morbus Addison. Nebennierenrindenunterfunktion. Zur damaligen Zeit eine Erkrankung, die den wenigsten Menschen ein Begriff war. Der behandelnde Arzt war sichtlich mitgenommen, als er meine Mutter und mich wissen lassen musste, dass ich wohl zum permanenten Pflegefall werden würde. Meine Frage, wie lange ich noch leben würde, löste ein nervöses Zittern bei ihm aus. „Willst du das wirklich wissen?“, fragte er mich schließlich. Ja, das wollte ich –, nein! – musste ich wissen. Die zwei Jahre, die er mir prognostizierte, konnte ich seither zwanzigmal überdauern.
Am Heimweg von der Klinik wusste ich das noch nicht. Vor meinem geistigen Auge brach jene Zukunft zusammen, die ich mir herbeigesehnt hatte. Zu den Fragen, die mich nicht zur Ruhe kommen ließen, gehörte, ob ich überhaupt die Schule würde abschließen können. (Später stellte sich heraus: Ja, konnte ich.) All die Szenarien, die sich mir aufdrängten, nahmen mich so dermaßen in Beschlag, dass ich den Entschluss fasste, mich auf eine einzige Frage, die wohl essenziellste, zu konzentrieren: Bleiben oder Gehen? Während Gassen, Häuser und später Wiesen und Felder außerhalb des Autos an mir vorbeizogen, zählte ich an zehn Fingern ab, ob mein Weg einer des Kämpfens oder der ultimativen Kapitulation sein würde. Liebe Leserinnen und Leser, die Zeilen dieses Büchleins können am besten Zeugnis darüber ablegen, wie meine Entscheidung schließlich ausfiel.
In der ersten Zeit nach der Diagnose hielt meine Mutter mich unter Verschluss. Mein Zimmer, maximal das Innere unseren Hausen, bildeten den Dreh- und Angelpunkt meiner Existenz. Sehr wohl durfte ich vor die Tür, allerdings nur nachts und an der Hand meiner Mutter von ihr geleitet. Sie schämte sich, wollte mich vor den Blicken der Nachbarn bewahren. Vermeiden, dass diese ins Reden kommen würden. Man möge glauben, ich hätte über Nacht einen zweiten Kopf aus meinem Hals wachsen lassen, so agierte sie.
Die Realität ist eine andere: Der menschliche Körper kann mit einem Turm verglichen werden, dessen Fundament aus essenziellen Eckpfeilern, den Botenstoffen, gezimmert ist. Fällt einer dieser Grundbausteine weg, wird das Fundament wackelig. Bei mir fehlt Cortison, das Stresshormon. Krisen, Anspannung, ja selbst die kleinste Überhitzung können zu Bruchlinien werden, die im äußersten Fall zum Totalkollaps führen.
Durch den Mangel an Cortison sind meine Gelenke nicht richtig ausgebildet, die Hände verkrümmt. Der medizinische Name dafür birgt seine eigene Poesie: Schwanenhalsdeformität. Nach der Diagnose wurde mein Leben gezwungenermaßen vorsichtiger als das anderer Menschen. Stressfaktoren und Infekte muss ich tunlichst vermeiden. Kommt es zur Überladung des Systems, ist es nur der Griff zur Cortisonspritze, der das Schlimmste abzuwenden vermag. Heute ist die Erkrankung ein Teil von mir und dieser Körper, der mich als anders ausweist, der die argwöhnischen und missgünstigen Blicke anderer auf sich zieht, einer, in dem ich mich wohlfühle.
Meine Entscheidung damals war nicht bloß die, am Leben zu bleiben. Vielmehr noch war es ein bewusstes Sich-Entschließen zur Teilhabe am Leben. Die Welt und die Menschen zu erfahren, in all ihren Widersprüchen und Facetten, war das, das ich mir damals ins Stammbuch meines Daseins schrieb. Seither habe ich den Stift nicht mehr beiseitegelegt.



Der Tag

Da gab es diesen einen Tag,
an den ich nicht mehr denken mag.
Es war der Tag, der meinem Leben
eine neue Richtung hat gegeben.
Der Tag, an dem ich die Diagnose bekam,
die mir plötzlich all meine Träume nahm.
Sie schlug wie eine Bombe ein –
und ich fühlte mich so allein!
Wie durch Watte hörte ich:
„Es bleibt nicht mehr viel Zeit für dich!“
Meine Gedanken kreisten wie wild –
und niemals vergesse ich das Bild:
der Arzt, er weinte.
Meine Mutter, sie schrie.
Und ich lag da und dachte mir,
„Verdammt, was passiert denn hier?“
Mein Leben sollte schon bald zu Ende sein,
das sollte ich akzeptieren, dazu sagte ich: „NEIN!“
Eine Entscheidung musste also her,
denn ich wollte vom Leben doch noch so viel mehr!
Schnell stand für mich fest:
I will do my very best!
Und so kämpfte ich mich – Stück für Stück –
mit all meiner Kraft in das Leben zurück …



Die Krankheit

Sie kam schleichend,
aber mit Macht.
Mein Leben änderte sich fast über Nacht.
Ich werde sie nie wieder los!
Das Entsetzen war erst groß …
Ich kann jederzeit daran sterben!
Den Umgang damit musste ich mühsam lernen …



Spaß haben

kann man auch trotz Krankheit.
Ganz egal, was andere sagen!
Kommt darauf an, was man darunter versteht
und dafür bis an seine Grenzen geht.
Ich muss nicht Mountainbike fahren
oder mit dem Jetski übers Wasser jagen!
Dass auch ich Spaß haben kann, hat erst keiner geglaubt.
Sogar die Ärzte haben es mir nicht erlaubt.
Moment mal! Heißt es nicht: „Lachen ist gesund“?
Und das ist doch wohl ein guter Grund!



Krank sein

ist nicht wirklich toll.
Auch ich habe die Nase davon manchmal voll!
Ich kann vor ihr nicht einfach weglaufen;
und Gesundheit, die kann man sich nicht kaufen.
So stellt sich die Frage,
welche Möglichkeiten ich noch habe.
Gut, ich könnte mich in mein Schicksal fügen …
oder die Krankheit in den Griff kriegen!
5 Sterne
Empfehlenswertes Buch - 17.09.2022
Heike Sander

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Der Aufbau der Kapitel in Versform gibt einen überschaubaren und gut zu lesende Biographie von Sigrid Alberti wieder. Die Texte sind gefühlvoll und ausdrucksvoll geschrieben. Ich persönlich habe mich in vielen Gedanken wiedergefunden und kann mir vorstellen. dass dies anderen ebenso er ergehtGerne empfehle ich dieses Buch weiter!

5 Sterne
So kraftvoll und lebensbejahend - 12.09.2022
Borkowski Renate

Die Autorin überträgt so viel Kraft und Lebensfreude auf den Leser, es hat auch mir in einer sehr schwierigen Situation geholfen. Ich finde mich in ihren Gedichten so oft wieder und das gibt Kraft und Zuversicht, ihr Buch ist nun mein ständiger Begleiter. Ich kann nur sagen 'Weiter so', ich warte auf mehr

5 Sterne
Mutig und kraftvoll - 20.08.2022
Jana Wagner

Ich habe das Buch von dieser grandiosen Autorin in Einem verschlungen.Eine kraftvolle Ansage an das Leben, nicht aufzugeben und den Kopf stetig aufrecht zu halten. Dabei schreibt Sigrid Alberti mit viel Witz und Herz, viele Themen und Gedichte sprechen mir direkt aus der Seele.Die Prosatexte haben mich besonders berührt und mir das ein oder andere Tränchen uns Auge gedrückt. Nicht, weil es mich mitleiden lässt - das würde die Autorin vermutlich auch nicht wollen - sondern weil mich ihre Lebensgeschichte und die daraus erwachsene Kraft tief beeindrucken.Ein tolles Erstlingswerk, sehr zu empfehlen. Ich möchte mehr lesen!

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