TAO – Ein harmonischer Weg im Einklang mit der Natur

TAO – Ein harmonischer Weg im Einklang mit der Natur

Gunawan Wibisono, Marion Haustermann, Glen Kieran Hummel, Dr. med


EUR 26,90
EUR 21,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 272
ISBN: 978-3-99131-713-5
Erscheinungsdatum: 04.04.2023
TAO – Kann diese jahrtausendealte Lehre heute noch eine Bedeutung haben? Auch für uns Menschen aus dem Westen? Dem Tao zu folgen bedeutet, seinen individuellen Weg zu gehen, ohne festgelegte Vorschriften, und wieder in Kontakt mit sich selbst zu kommen.
Das Herz leeren („unsichtbarer Rucksack“)


Das Dao dauerhaft
zu bewahren ist nicht möglich,
wenn es nur durch Worte vermittelt
oder mündlich überliefert wird.

Leere dein Herz
und lass deinen Geist still werden,
dann wird das Dao von selbst
seine Wohnstatt in dir nehmen.

Die Narren, die das nicht wissen,
erschöpfen ihren Körper, lassen ihr Herz leiden,
versklaven ihren Willen und irritieren ihren Geist.

So entfernt sich das Dao immer weiter,
und der Geist wird immer betrübter.
Sie wenden dem Dao den Rücken zu,
während sie es suchen.
Du solltest hier äußerst umsichtig sein!


Neiguan jing

Tao; Wege der taoistischen Lebenskunst;
Martina Darga
– Die Schrift über die Innenschau (S.5b) –



Die Beziehung zwischen Körper, Geist und Herz


Das Herz ist die Verbindung zwischen dem Körper (bzw. dem Verstand) und dem Geist. Man kann es sich vorstellen wie ein „Tor“ zwischen diesen beiden Instanzen.

Das Bauchgefühl ist die „Stimme“ unseres Geistes.

Nehmen wir wieder ein Bild zur Hilfe und stellen uns einen Palast vor, der durch eine ihn umgebende Mauer geschützt ist. Alles, was von draußen nach drinnen und umgekehrt von drinnen nach draußen möchte, muss das Tor passieren.

Unseren Bauch rund um den Bauchnabel kann man sich wie einen Palast vorstellen.

Der Bereich außerhalb des Tores ist also unsere Umwelt mit all ihren Formen, aber auch unser Verstand, der sämtliche Eindrücke bewertet. Das Herz als Tor ist die Grenze zwischen deiner Innenwelt und der Außenwelt.

Nur durch das Tor kannst du Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen und die Außenwelt mit dir. Das Tor kann geöffnet oder geschlossen sein. Wenn es geöffnet ist, wenn dein Herz offen ist, kannst du in Austausch treten, was dich auf der einen Seite verletzlich macht, auf der anderen Seite aber das Licht in deinem Palast für andere scheinen lässt. Du kannst empfangen, kannst deine Reserven auffüllen und bist in echtem Kontakt.
Wenn es geschlossen ist, bist du zwar geschützt, aber du kannst deinen eigenen „Müll“ nicht entsorgen. Mit der Zeit beginnt er zu stinken und du leidest darunter.
Außerdem kann nichts zu deinem Palast vordringen und du fühlst dich langfristig einsam und unglücklich.

Je nach Situation kann es sinnvoll sein, das Tor entweder zu öffnen oder auch mal geschlossen zu halten. Normalerweise sollten wir unser Herz offen lassen, um Wärme geben und von anderen aufnehmen zu können. Wir spüren dabei auch, ob jemand eine gute oder schlechte Ausstrahlung hat. Haben wir es mit einem Qi-Räuber und schlechtem Qi zu tun, sollten wir unser Herz bewusst schließen, um uns zu schützen.

Wichtig ist, dass das Tor frei ist, damit es beweglich bleibt. Der Corona-Shutdown ist ein Beispiel dafür, was geschieht, wenn – von außen auferlegt – das Tor zu lange geschlossen bleiben muss: Kontakte werden unterbunden, die eigenen Reserven sind aufgebraucht, was zu Aggressionen und Depressionen führen kann.



Warum sollten wir das Herz leeren?


Sei vorsichtig und bringe den Herz-Geist
der Menschen nicht durcheinander.

Der Herz-Geist der Menschen kann unterdrückt
und überfordert werden;
sowohl Unterdrückung als auch Überforderung
engen ihn ein und töten ihn ab,
verwandeln all seine Bescheidenheit und Zartheit
in Härte und Halsstarrigkeit.

Wird er beschnitten, durchstochen,
wird an ihm geschnitzt oder herumgehämmert,
entfacht seine Hitzigkeit Feuer
und lässt seine Eiseskälte erstarren.

Er wechselt so schnell zwischen Anpassung
und Überheblichkeit,
als könne er zwischen zwei Augenaufschlägen
die Vier Meere umrunden;
wenn er ruht, ist er tief und still;
bewegt er sich, schwebt er im Himmel.

Auffahrend und stolz, durch nichts zu binden –
so ist der Herz-Geist der Menschen.


Lao Dan (Lao Tse)

Zhuang Zi – Das Buch der daoistischen Weisheit
Kapitel 11.2
Aus dem Chinesischen von Viktor Kalinke

Bleiben wir bei dem Bild mit dem Palast: Vor dem Tor – nicht direkt vor dem Palast – stehen die Mülltonnen, die dort platziert werden, weil sie vor allem dreckige, stinkende Abfälle enthalten.
Stell dir also eine große grüne Mülltonne vor, die alle negativen Erfahrungen und abgespeicherten Emotionen enthält, die wir aus unserer älteren und jüngeren Vergangenheit mit uns herumschleppen. Darüber hinaus landen dort auch schöne Erlebnisse, die wir festhalten wollen. Alles, was wir in uns ansammeln, besitzen oder einfach nicht loslassen können oder wollen, ist dieser Müll.
Der ganze Müll, ob positiv oder negativ, sammelt sich im Herzen. Wenn wir sie nicht leeren, wird die Tonne bald überladen sein und es werden sich zusätzlich Abfälle neben den Mülltonnen anhäufen, die immer mehr stinken und das Tor verstopfen. So lässt sich das Tor, unser Herz, nicht mehr öffnen und aufgrund des Gestanks will auch niemand mehr zu uns hinein. Wir verströmen ein schlechtes Qi. Der Geruch dringt langfristig auch zum Palast vor, sodass wir übellaunig, aggressiv, unglücklich werden und uns in Gedankenkreiseln verlieren. Wie sollten wir so das Tao empfangen?

Es ist also wichtig, das Herz oft zu leeren und uns von dem Ballast zu befreien, der es verstopft, aber es ist nicht immer einfach. Die grüne Mülltonne ist schwer zu leeren, weil wir wegen unseres Besitzgefühls oft zu sehr anhaften, besonders an den positiven Gefühlen oder Gedanken. Wir identifizieren uns mit unserer Vergangenheit, unseren Emotionen (den guten wie den schlechten) und können oder wollen sie nicht loslassen. Dabei ist es entscheidend, beides loszulassen, um unser Herz (das Tor) öffnen und schließen zu können.

Doch das Tor gehört zwar zum Palast, aber es ist viel näher am Außen als an unserem Inneren. Vom Palast aus haben wir immer ein Stück zu laufen, während die Außenwelt und unser Verstand direkten Kontakt haben und deswegen auch jede Menge Müll an unserem Tor hinterlassen. Deshalb können wir das Bauchgefühl schlechter hören als unsere Gedanken. Außerdem hat die Außenwelt (unsere Gedanken, Erlebnisse, Erfahrungen) einen direkten Einfluss auf das Tor (das Herz). Wenn das Außen nicht zufrieden, nicht glücklich oder auch genau das Gegenteil ist, entwickelt das Herz dementsprechende Gefühle.



Die Nähe von Körper (Verstand) und Herz


Wie bereits oben erwähnt, sammeln sich alle Emotionen im Herzen. Sie entstehen dadurch, dass unser Verstand alle Eindrücke immerzu bewertet, was bei uns die unterschiedlichsten Emotionen auslöst. Erst durch die Bewertung erzeugen wir die entsprechenden Emotionen.

Ein zurückliegender Streit mit einem Freund beispielsweise bekommt nur deswegen viel Aufmerksamkeit von uns, weil er z. B. eine unerträgliche Wut, also eine Emotion, in uns hervorruft. In Gedanken spielen wir den Streit immer wieder durch. Vielleicht denken wir darüber nach, was wir falsch gemacht haben oder warum er sich uns gegenüber so verhalten hat.

Je stärker wir das Geschehene negativ bewerten, desto größer ist die eigene Verletzung und die negativen Gefühle. Das gedankliche Kreisen um den Vorfall verselbstständigt sich weiter und wir sind nur noch mit der Vergangenheit und der Zukunft beschäftigt, anstatt im Hier und Jetzt zu sein und das Leben zu genießen.



Wenn das Herz „überläuft“


Wenn wir zu viele Emotionen anhäufen, ohne loszulassen, dann ist das Herz irgendwann voll wie eine Teetasse, die bei weiterem Zugießen überlaufen würde. Auf der einen Seite sind dort Glücksgefühle z. B. hervorgerufen durch schöne Erlebnisse, auf der anderen Seite aber auch negative Emotionen wie Ängste oder Wut, zum Beispiel wenn wir uns geärgert haben. In Abhängigkeit der Lebensumstände jedes Einzelnen oder des Erlebten bzw. der Vergangenheit sammeln sich diese Gefühle in der Tasse.

Statt das Schöne emotional zu genießen und uns daran zu erfreuen, versinken wir dann oft in den negativen Emotionen und wissen nicht, wie wir das beenden können.

Auch die schönen Gefühle sollten wir nicht festhalten, denn sie wecken Erwartungen. Wir möchten mehr davon und entwickeln Besitzgefühl und Abhängigkeiten. So wird die Tasse voller und voller.

Wir haben dann keinen Platz mehr für das Tao. Deswegen ist es wichtig, diese Tasse regelmäßig zu leeren.

Dabei geht es nicht darum, nichts mehr zu fühlen, sondern die Gefühle loszulassen, statt sie festzuhalten. Je mehr ich denke, desto mehr Emotionen werde ich empfinden. Je mehr Emotionen ich durchlebe und festhalte, desto voller wird zwangsläufig der Speicher in meinem Herzen werden. Die Gedanken und das Herz stehen also in einer sehr engen Verbindung zueinander. Deswegen müssen wir aufpassen, dass wir nicht zu viel denken und unser Herz nicht zu sehr mit negativen Emotionen füllen.

Ein leeres Herz zu haben, bedeutet nicht, herzlos und gefühlskalt zu sein, sondern die Leere gibt den Raum dafür, den Zugang zu unserem Bauchgefühl zu erhalten und das Tao zu empfangen.

Auch wenn wir unsere Gefühle unterdrücken, statt sie zuzulassen und unser Bauchgefühl ignorieren, bringen wir unser Herz ins Ungleichgewicht.

Wir wollen unsere Gefühle oft nicht sehen und fühlen, z. B. weil sie gegen das verst0ßen, was uns beigebracht wurde. Sie widersprechen den Formen, die wir verinnerlicht haben. Wir denken dann, wir dürften diese Gefühle nicht haben und bewerten sie negativ. Wir lehnen sie innerlich ab, verdrängen sie und kämpfen gegen sie an. Doch das ist ein Kampf gegen unser Bauchgefühl und damit gegen uns selbst. Wir lehnen nicht nur den Wunsch unseres Bauchgefühls ab, sondern im Endeffekt auch unseren Geist selbst und schaden uns damit, weil wir uns selbst nicht mehr vertrauen können.

Wir sollten also unsere Emotionen zunächst bewusst wahrnehmen und akzeptieren, um den Wunsch unseres Bauchgefühls hören und ihm folgen zu können.

Auch ein traumatisches Erlebnis aus der Vergangenheit, das wir schon lange festhalten, nicht loslassen und nicht akzeptieren können, blockiert unseren Zugang zu unserem Bauchgefühl und den Glauben an unseren Geist. Er wird dadurch „traurig“ und „erschöpft“ und in Folge wird das Tor (Herz) geschlossen sein und die Mülltonne wird voll bleiben.

Je schwermütiger, suchender oder freudiger unsere Gedanken sind, desto voller wird das Herz mit Emotionen wie zum Beispiel Enttäuschung, übertriebene sexuelle Begierde, Einsamkeit, Liebe, Eifersucht, Wut, Sehnsucht, Angst usw.

Wenn wir so viel emotionalen Ballast mit uns herumtragen, hat das Folgen. Wir dürfen uns dann nicht wundern, dass sich Verspannungen in Nacken und Rücken einstellen, die auch mit heftigen Schmerzen verbunden sein können. Bei medizinischen Untersuchungen kann häufig keine körperliche Ursache festgestellt werden und uns wird gesagt, es handele sich um eine psychosomatische Erkrankung. Wir tragen einen sogenannten „unsichtbaren Rucksack“ voller negativer Erlebnisse und „Geschenke“ von anderen Menschen. Doch jeder Mensch entscheidet für sich selbst, wieviel Gewicht er tragen möchte.

Wir können uns nicht aussuchen, ob uns negative Erlebnisse oder Schicksalsschläge treffen, aber wenn es passiert, sollten wir das zunächst akzeptieren, ohne Fragen nach dem Sinn zu stellen. Danach können wir mit Hilfe der Tao-Meditation einen Weg finden.

Die Erinnerungen an negative Erlebnisse bleiben unter Umständen, bis wir den letzten Atemzug tun, aber sie verlieren durch die Hilfe des Tao an „Gewicht“. Wir sollten in die Gedanken keine übermäßige Energie stecken, sondern sie zwar registrieren, aber nicht fokussieren, d. h. die Aufmerksamkeit nicht darauf lenken.

Um einem Übermaß an Emotionen im Herzen vorzubeugen, ist es im Alltag immer wieder notwendig zwischen Gedanken und Bauchgefühl zu unterscheiden. Daher sollten wir uns immer wieder fragen: Woher kommt gerade der jeweilige Antrieb etwas zu tun oder zu lassen eigentlich? Kommt es aus meinem Kopf oder aus meinem Bauch? Das Bauchgefühl wägt nicht ab, es kennt keine Konsequenzen, sondern es ist einfach da und spricht zu dir, es leitet dich zu etwas hin oder es führt dich von etwas weg.



Aufmerksamkeit und Achtsamkeit


Wenn wir die äußerste Selbstenteignung erreicht,
die Stille unerschütterlich bewahren,
so mögen alle Wesen zugleich sich regen:
wir schauen zu, wie sie wiederkehren.

Der Wesen zahllose Menge entwickelt sich,
doch jedes wendet sich zurück zu seiner Wurzel.

Zurückgewandt sein zur Wurzel: das ist Stille.
Stille: das ist Rückkehr zur Bestimmung.
Rückkehr zur Bestimmung: das ist Weisheit.

Wer die Ewigkeit nicht erkennt,
der handelt blindlings und unheilvoll.

Erkenntnis der Ewigkeit bringen Duldsamkeit.
Duldsamkeit bringet Edelsinn.
Edelsinn bringet Herrschaft.
Herrschaft bringet himmlisches Wesen.
Himmlisches Wesen bringet den SINN.
Der SINN bringet Dauer.

Ist das Ich nicht mehr, so gibt es keine Gefahren.


Laotse

Kapitel 16
Tao Te King; Das Buch des alten Meisters
vom Sinn und Leben
Aus dem Chinesischen übersetzt und erläutert
von Richard Wilhelm

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