November 2032

November 2032

"Solch ein Gewimmel möcht ich sehn! Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn!" (J.W. Goethe)

Günter Buhlke


EUR 15,90
EUR 9,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 218
ISBN: 978-3-95840-094-8
Erscheinungsdatum: 02.03.2016
Aus dem Geschichtsverlauf heraus entwickelt Günter Buhlke detaillierte Vorschläge in 20 Lebensbereichen. Sein Buch deutet den Weg, dass Deutschland 2032 zu den leistungsstarken Industrienationen gehört, gepaart mit Gemeinsinn und ökologischer Verantwortung. Es weckt Neugier und bietet Denkanstöße.
1. Konturen der sozialen Alternative in Deutschland anno 2032

Der Versuch, die kommende Entwicklung in einem schmalen Buchband zu schildern, ist gewiss ein Wagnis. Die Größe der gesellschaftlichen Probleme im Land rechtfertigt jedoch das Anliegen. Mehrere handfeste Gründe stützen das Vorhaben: Ein Zeitraum von zwanzig und mehr Jahren liegt im unteren Bereich für Zukunftsabschätzungen wissenschaftlicher Vorschauen. Bestärkt haben Politiker das Vorhaben bei den letzten Landeswahlen in Deutschland, die grundsätzliche Veränderungen für notwendig hielten; jedoch haben sie es nicht wirksam vollzogen. Die berechtigten Kritiken am bestehenden System nehmen nicht ab. Dem Buchvorhaben kommt entgegen, dass geschichtliche Erfahrungen für Veränderungsversuche vorliegen. Positive und negative.
Wissenschaftler verschiedener Gesellschaftsbereiche beschreiben öffentlich das Ende des Zeitalters der kapitalistischen Finanzmarktlogik und warnen vor Chaos, wenn die Verhältnisse so bleiben. Hohe Moralinstanzen und die bürgerlichen Politiker selbst mahnen den Politikwechsel an. „Wenn es so bleibt, schrieb schon Brecht, seid ihr verloren.“
Gesellschaftliche Veränderungsprozesse brauchen lange Zeiten. Sie kündigen sich Jahre vorher an. Ideen, wie die Zukunft im Detail zu gestalten ist, werden öffentlich debattiert. Dennoch: Schwer ist es, gegen Bilder anzugehen, die die Herrschenden zur Erhaltung ihrer Macht bewusst zeichnen. Den Deutschen soll es so gut wie nie gehen, verkünden die politischen Medien.

Hilfreich für den Blick nach vorn sind Parteiprogramme, Konzepte der sozialen Massenbewegungen und Zielstellungen von Stiftungen und Vereinen. Mahnungen moralischer Instanzen bis hin zu Papst Franziskus I. geben zu bedenken, dass die Ethik des Zusammenlebens nicht im Geld liegt, sondern im solidarischen Miteinander, mit Pflichten für alle. Reines Geldwachstum in Händen weniger Besitzer zerstöre die Natur und den Frieden mit der Gesellschaft.
Die Zukunft lässt sich nur in groben Umrissen darstellen. Ohne jeden Zweifel wecken Gedanken an die Zukunft die Neugier. Fantasien werden lebendig. Schließlich fördert der Blick auf die kommende Wegstrecke den Dialog in der Familie, mit den Freunden und Bekannten.

Die groben Konturen einer sozialen Alternative lassen sich für das Jahr 2032 annähernd realistisch beschreiben.
Nach einer Übergangsperiode von mehreren Jahren haben sich die sozialen Verhältnisse und die wirtschaftlichen Kreisläufe wieder in einem wünschenswerten Gleichgewicht eingependelt. Eine neu sortierte Wirtschaft und die veränderte Sozialpolitik sind im praktischen Leben schon spürbar. Noch gibt es sieben Jahre nach der Schicksalswahl viel zu tun, um die Einkommensdifferenzen auszugleichen sowie die Renten auf ein sorgenfreies Niveau zu heben. Die Gleichstellung der Geschlechter lässt sich allein mit Gesetzesänderungen nicht vollziehen. Sie muss in den Köpfen verankert werden. Das braucht Fristen über Generationen. Die Bürger haben, gestützt auf Gesetze, das gleiche Recht in allen öffentlichen Angelegenheiten. In direkter Weise oder über eine breite und gesicherte Repräsentation im Parlament.
Die Berufsbiografien blieben erhalten, abgesehen vom Zwang, den die Digitalisierung in die Arbeitswelt brachte. Die Chancen der prekär Lebenden haben sich deutlich verbessert. Die Wirtschaft, vor allem der Mittelstand, schätzen die neuen Rahmenbedingungen, die ein annäherndes krisenfreies Wirtschaften ermöglichen. Die Regierung sieht sich zunehmend als Verwaltungsorgan, das die Quellen und die Abflüsse der Mittel des Staatshaushaltes zum Wohle der Gemeinschaft hütet und gesellschaftlichen Disproportionen entgegensteuert.

Die soziale Alternative hat Deutschland nicht von null an umgebaut. Die für die Gemeinschaft historisch erfolgreichen Werte wurden weitergeführt. Die Grundregeln des republikanischen Staatsaufbaus blieben nach einigen qualitativen Verbesserungen der Demokratie erhalten. Die Wirtschaft dreht sich weiter in multiplen und vernetzten Kreisläufen von Investition, Produktion und Bedarfsbefriedigung. Sie wird von gemischten Eigentumsformen geprägt. 2025 leitete eine Schicksalswahl den Machtwechsel ein. So wurde ein erwartbares Chaos infolge von Krisen vermieden. Die Abgeordneten der Parteien und Massenorganisationen erfüllen im Parlament den Willen der Wähler. Die Arbeit hat wieder den ihr gebührenden Platz in der oberen Gruppe der Werte der Gemeinschaft eingenommen. Werte wie Freiheit, Unantastbarkeit der Würde, die Menschenrechte oder Gleichheit werden im neuen System hochgehalten und gestärkt. Die Demokratie hat eine qualitative Stärkung erfahren. Ein verändertes Rechtssystem befindet sich auf dem Weg, das Zusammenleben der Bevölkerung, die Verhältnisse in Wirtschaft und Verwaltung gerecht zu regeln. Es schützt die Bedingungen der sozialen Logik. Entwicklungsfreiräume bieten Platz für den Fortschritt in Wirtschaft und Gesellschaft. Es geht für die Alternative nicht um die Zerstörung des Alten, sondern um die Bewahrung und Weiterentwicklung der positiven Leistungen vorangegangener Epochen. Große Anstrengungen sind auch 2032 notwendig, um die Natur wieder in ein Gleichgewicht zu bringen.

Ähnlich verlaufende alternative Entwicklungen in anderen Ländern Europas und in der Welt haben ohne Zweifel zur Etablierung der sozialen Alternative in Deutschland beigetragen. Die Europäische Union ist an ihren inneren Widersprüchen und den irreparablen Defekten der kapitalistischen Logik zerbrochen. Deutschland konnte seine Währungssouveränität mit der D-Mark festigen. Eine eigene Zentralbank lenkt gemeinsam mit Parlament und Regierung die Geld- und Währungspolitik des Landes.

Gewonnen hat die Bevölkerung nach den Wahlen. Sie hat es durch hohe Wahlbeteiligungen honoriert. Die Wähler gaben der Mitte-Links-Wahlverbindung mit einer Zweidrittelmehrheit die Chance zu beweisen, dass sie fähig ist, nachhaltige Veränderungen einzuleiten. Die Wähler, vor allem die Jugend, haben das Experiment einfach mal unterstützt. Eine der Wahllosungen lautete „Fürchtet euch nicht“. Schon Martin Luther hat damit die im Allgemeinen demütigen Bauern und Handwerker zur Reformation der damaligen Verhältnisse motiviert. Die Abgeordneten der Gewerkschaften und anderer sozialer Massenbewegungen schufen gemeinsam mit den Mandatsträgern der Parteien gesetzliche Rahmenbedingungen, die mehr Gerechtigkeit in die Arbeitswelt und in das Alltagsleben der Mehrheiten brachte. Der zweite Gewinner war die qualitativ veränderte Demokratie. Es lohnte sich wieder, an Wahlen teilzunehmen und ehrenamtlich in kommunalen Angelegenheiten Einfluss auf die notwendigen Veränderungen zu nehmen. Ein bedeutender Gewinner war die Gesellschaft als Ganzes. Die struktuellen Veränderungen der Wirtschaft und der Bankenwelt haben eine Epoche der Gerechtigkeit und Krisenfreiheit eingeleitet. Erst die längere Zukunft wird nachweisen, ob das Experiment dauerhaft gelungen ist.
Der Vertrauensvorschuss des Wahlvolkes trägt 2032 schon beachtliche Früchte, steht aber weiter auf dem Prüfstand der Bevölkerung und der Medien.

Ein pragmatisches Herangehen hat, gestützt auf Erfahrungen früherer Jahre, die schweren Anfangsjahre gemeistert. Das zunächst Notwendige wurde getan. Kompetente Fachleute in der Staatsverwaltung und in der Wirtschaft erfüllen mit Engagement ihre Aufgaben. Wichtig war, vernünftige Bedingungen für die Realwirtschaft herzustellen. Noch ist 2032 nicht alles geschafft, wozu sich die regierende Mitte-Links-Koalition (M-K-L) der sozialen Alternative verpflichtet hat.
Die Bevölkerung erkannte den Wert der realen Selbstbestimmung bei der Entwicklung der eigenen Verhältnisse. Die hoch entwickelte Technologie der kapitalistischen Wirtschaftsweise mit ihrer Organisationsfähigkeit und ihren betriebswirtschaftlich sinnvollen Regeln wird in der Alternative gepflegt. Ihre Leistungsfähigkeit musste erhalten werden. Die positiven Erfahrungen der Vergangenheit sind nicht dem Untergang anheimgefallen.
Nach der Wahl standen im Konzept der M-K-L elf wichtige Zielbereiche, um dem historischen Projekt einer Alternative zum Durchbruch zu verhelfen:

1. Die Demokratie qualitativ stärken. Die drei zentralen Machtorgane Parlament, Regierung und Rechtswesen wurden strukturell bestätigt, die Machttrennung per Verfassung jedoch eindeutiger bestimmt. Das Parlament wurde in seiner Zusammensetzung verändert. Der Volkssouverän wird künftig per Wahl von Parteien und von sozialen Massenbewegungen vertreten, ohne lähmende Verhältnisse der Weimarer Republik im Parlament oder den bremsenden Egoismus der politischen Parteien zuzulassen.
2. Den Frieden in Deutschland sichern. Die alten Kräfte wollten ihren Machtverlust so nicht hinnehmen. Es bedurfte großer Anstrengungen der Friedensbewegung und der Regierung, unter Zuhilfenahme der internationalen Solidarität alle Konterversuche abzuwehren. Die Regierung setzt sich für eine dauerhafte und für eine handlungsfähige UN-Organisation ein, mit dem Ziel, das Völkerrecht gegen das Recht des Stärkeren zu gestalten. Kompliziert war, eine Übereinkunft mit der NATO herzustellen.
3. Dem profitgetriebenen Großkapital das Entscheidungsprimat entziehen und der Politik, dem Parlament ihre originären Rechte verschaffen. Ausgewählte Unternehmen der Grundversorgung wurden in das Gemeineigentum überführt. Mit ihrer Sozialisierung erfolgte auch eine Umwandlung der Banken- und Versicherungsgesellschaften in Dienstleistungsunternehmen, die künftig kostendeckend, aber nicht gewinnorientiert arbeiten. Es galt, das Primat der Politik wieder herzustellen. Ein Zentrum der Urheber der Defekte sollte dauerhaft verändert werden.
4. Das gemeinschaftliche und das genossenschaftliche Eigentum sowie das produktive Privateigentum sollten einheitliche neue gesetzliche Rahmenbedingungen erhalten, die ihren Reproduktionskreislauf auf erweiterter Grundlage und in eigener Verantwortung sicherten. Die Freiheit der wirtschaftlichen Tätigkeit war bei Einhaltung der Gesetze gewährleistet. Parlament und Regierung sollten die Rahmenbedingungen für alle drei Grundformen mit gleichen Bedingungen setzen. Demokratisch abgestimmte Staatsprogramme (Energie, Wasser, Verkehr, Wohnwesen, Forschung, Bildung, Gesundheit u. Ä.) sollten die Entwicklungsrichtungen vorzeichnen.
5. Frühere Defizite der Finanzierung im Bildungswesen (Kitas, Schulen), der Altenpflege, der Kultur, der Verkehrsinfrastruktur u. a. Bereiche werden über eine gerechte Fiskalpolitik schrittweise ausgeglichen. Die größeren Vermögen werden höher belastet. Die Ausgaben des Staatshaushaltes unterliegen im Parlament einer strikten demokratischen Kontrolle. Bürgerhaushalte verbessern das kommunale Umfeld. Die Lobbys in Parlament und Regierung sind verboten.
6. Das Übel der Korruption war auszumerzen. Die unermüdliche Aufklärung über die finanziellen Zusammenhänge, Transparenz und die eindeutige Fassung der Gesetze mit allgemein verständlichen Regeln sollte helfen. Gesetze mussten der sozialen Logik angepasst werden. Das Verantwortungsbewusstsein zur Bewahrung und Vermehrung des Gemeinschaftseigentums entwickelt sich. Die Überführung der kameralistischen Haushaltsführung der Ämter und in den öffentlichen Institutionen hin zu betriebswirtschaftlichen Prinzipien war geboten.
7. Die Digitalisierung hat die Wissens- und Informationsmonopole aufgelöst. Die Wirtschaft und Verwaltung brauchten angepasste Rahmenbedingungen, um den Produktivitätsschub für die Allgemeinheit zu unterstützen. Zu schützen waren die digitalen Arbeitnehmer als neue Aufgabe der Gewerkschaften.
8. Der Verbraucher- und Naturschutz war prinzipiell gesetzlich zu verbessern. Wirtschaftliche Argumentationen wurden zweitrangig oder nur zeitbefristet zugelassen.
9. Ein Wandel von der vorwiegend finanziell bestimmten in eine stoffliche, nach Gebrauchswerten bezogene Entwicklung war einzuleiten. Der Gebrauchswert befriedigt die realen Bedürfnisse der Bevölkerung (Wohnung, Ernährung, Verkehrssysteme, Kleidung, Energie, Kultur- und Sporteinrichtungen u. v. m.), der Wirtschaft (Rohstoffe, Energie, Anlagen usw.) und der öffentlichen Verwaltung (Technik, Räume, Energie, Material u. a.). Aus den stofflichen Verbrauchszahlen ist die Bedarfsbefriedigung der Bedürfnisse und der Eingriff in die Natur besser ablesbar.
10. Wirtschaftswissenschaftler, Abgeordnete und Regierungsverantwortliche sind dabei, die Zeitsysteme für den Regelarbeitstag zu überprüfen. Eine Zwanzigstundenwoche ist in der Diskussion. Die Konsequenzen daraus sind vielfältig. Sie gehen bis zur Fiskalpolitik, der Berufsbildung, dem Verkehrsangebot für Fahrten zur Arbeit. Die Arbeitsorganisation in den Unternehmen bedarf einer grundsätzlichen Veränderung. Die Regierung steht in der Pflicht, den verkürzten Regelarbeitszeiten Angebote für die Freizeit gegenüberzustellen.
11. Die Aufklärung über die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Natur, Verbrauch, Staatsverwaltung und Politik wird beharrlich vorangetrieben. Nur der wissende Mitbürger kann die partizipative Demokratie wirksam gestalten.

Ethik und Moral sollten in der neuen Epoche wieder zentrale Werte werden. Auf dem Weg der Volksaufklärung versuchte die M-L-K das Wissen der Bevölkerung über die großen Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Staatshaushalt und Veränderungswünsche zu vertiefen. Die Phobie bestimmter Gesellschaftsgruppen gegenüber der Wirtschaft musste abgebaut werden.

Zunächst aber wollte die Mitte-Links-Koalition drei große Problemkreise lösen: Es galt erstens, allen Destabilisierungsversuchen der alten Machthaber erfolgreich zu begegnen. Öffentliches Chaos gefährdet das Fortschrittsprojekt. Die Sicherheit und der Erhalt des Friedens verlangten höchste Aufmerksamkeit. Zweitens war es prioritär, die Geldsouveränität nach Deutschland zurückzuholen und die Finanzausstattung für das öffentliche Leben (Bildungs- und Gesundheitsbereiche, Verkehr, Kultur und Sport, Universitären und Verwaltungsbereiche) aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig waren die Finanzkreisläufe der privaten Bereiche (Löhne, Gehälter, Renten, Betriebsmittel [Kredite] der Unternehmen u. v. m.) zu gewährleisten. Eine dritte Aufgabe bestand in der Personalbesetzung mit kompetenten Fachleuten in den Ämtern der Regierung sowie in den staatlichen Institutionen. Die Gemeinschaftsunternehmen waren mit qualifizierten und loyalen Personen auszustatten.

Die hauptsächliche Aufgabe, die sozialen Verhältnisse entsprechend dem Willen der Wähler und dem Regierungsprogramm der Koalition zu verändern, durfte keinen Augenblick aus den Augen verloren werden. Wege zur gerechten Verteilung der Wertschöpfung und zum schonenden Umgang mit den Ressourcen wurden gesucht. Ihre Richtung durfte nur demokratisch entschieden werden. Zwischen der früher oft ausufernden Üppigkeit für wenige und einer würdigen Bedarfsbefriedigung für viele wurde ein gerechtes Maß per Gesetz gefunden und nach finanzieller Haushaltslage bestimmt. Haltelinien der Koalition waren weniger ideologisch bestimmte theoretische Gesellschaftsmodelle, sondern praktische Erfordernisse für die jeweiligen Wegstrecken. Die Beachtung historischer Erfahrungen war aber stets hilfreich.

Mit und nach der Wahl 2025 entschieden sich die Bürger Deutschlands für veränderte Regeln des Zusammenlebens. Sie stützten sich auf das verbriefte Recht, dass „jeder Mensch Anspruch auf eine soziale und internationale Ordnung hat, in der die Menschenrechte und Freiheiten voll verwirklicht werden“ (Artikel 28 der Allgemeinen Erklärung der UN-Menschenrechte). Die seit 2030 gültige Verfassung der sozialen Alternative legte die Ziele und die Werte fest und gab den Bürgern Rechtssicherheiten.
Einer der Garanten für die stabile künftige Entwicklung war die Weiterführung der modifizierten Grundwerte früherer Gesellschaftsepochen. So die Demokratie, die Freiheit, die Selbstbestimmung, das codierte Rechtssystem, die Teilung der Macht. Die Erfahrungen in der Unternehmensführung, der Betriebswirtschaft, der Wirtschaftsorganisation einschließlich ihrer Planung, der Staatsverwaltung etc. gingen nicht verloren. Auch nicht die Regelungen des Fiskalsystems sowie der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Förderungen.
Die Demokratie erfuhr qualitative Veränderungen. Die neue Verfassung hat Elemente der Partizipation und Mitbestimmung z. B. in kommunale Angelegenheiten aufgenommen. Erstrangig für den Ausbau der Demokratie war die Ergänzung der Verfassung, dass nicht nur politische Parteien, sondern auch soziale Massenbewegungen über Wahlen Mandate im Parlament erhalten, beispielsweise Gewerkschaften oder andere. Im Effekt hat sich der Repräsentationsgrad des Volkes im gesetzgebenden Parlament wesentlich erhöht. Das Parteien-, Abgeordneten- und Wahlgesetz erhielten entsprechende Veränderungen.
Das Wirtschaftsgefüge wird durch eine Mischung des produktiven Eigentums bestimmt. Alle Unternehmen mit Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge und ausgewählte Betriebe, die erheblich für das Wohl der Gemeinschaft tätig waren, wurden, gestützt auf die Artikel 14 und 15 des damaligen Grundgesetzes, in das Gemeineigentum überführt. Das Genossenschaftseigentum ist weiterhin in vielen Bereichen erfolgreich tätig. Handwerksbetriebe, Dienstleistungs- und Start-up-Unternehmen arbeiten als der größte Teil des Mittelstandes mit gutem Erfolg. Das Privateigentum ist in den traditionellen Branchen tätig. Die Regierung umwirbt die Privatwirtschaft zur Mitarbeit mit langfristigen Orientierungsprogrammen. Über Fördermittel und Lizenzen nimmt sie Einfluss. Der Warenmarkt als Ort des Wettbewerbs für die beste Qualität und des Preises sowie für die effektivste Einhaltung des Naturschutzes spielt als Verteilerstelle zwischen Angebot und Nachfrage in den Kreisläufen weiter seine Rolle. Nicht aber als Ort zur Spekulation und Manipulation.
Eine Wirtschaft mit einem Mix von Eigentumsformen ist keine Erfindung der Neuzeit (G. Fülberth). Das kapitalistische Realeigentum wird weiter seinen Weg gehen, aber nicht mehr beherrschend sein (J. Rifkin). Das Schreckgespenst einer landesweiten Enteignung fand nicht statt. Durch die langfristigen Abschreibungsprozesse im Buchwerk der Unternehmen haben sich die ursprünglich von den Besitzern bereitgestellten Geldkapitalien längst aufgelöst. Die neuen Buchwerte sind das Ergebnis der Arbeit der Gesamtbelegschaft. Die Buchwerte der Vorzugsaktien der Eliten wurden zunächst eingefroren. Die Buchwerte der Kleinaktionäre konnten auf Antrag ausgezahlt oder auf neue Werteinheiten umgeschrieben werden. Für Ärger sorgten die Überprüfungen, ob Unternehmenskapital durch Steuerbetrug, Korruptionshandlungen oder Manipulationen zustande gekommen war.
Die Wertedefinition aus der kapitalistischen Wirtschaft hat sich von der überwiegenden Positionierung des Gewinns zu einer Hervorhebung des Gebrauchswertes gewandelt (G. Krause).
Das Leistungsprinzip in Wirtschaft und Verwaltung und der sparsame Umgang mit den beschlossenen Haushaltsmitteln gehört zu den Prämissen der Alternative. Die Jugend hat ihr eigenes Motto entwickelt: „Work hard – play harder.“ Im wirtschaftlichen Bereich konzentriert sich die Regierung auf makroökonomische Fragestellungen, die für die Gesamtgesellschaft von Belang sind. Regierung und Wirtschaft aller Eigentumsformen sind Partner geworden.
Parallel zur Überwindung der sozialen Schieflagen in Deutschland ist die Regierung noch dabei, die Folgen der lang anhaltenden Migration aus afrikanischen und arabischen Ländern zu meistern.

Auf der Habenseite der Alternative stehen beachtliche Fortschritte im Rechtswesen, wenn auch bis dato noch nicht alle Gesetze der sozialen Logik und Demokratie angepasst werden konnten. Die Gleichberechtigung ist auf den meisten Gebieten hergestellt. Das Arbeitsrecht sieht für alle Stufen im Arbeitsprozess bis zur Vorstandsebene die gleichen Grundregeln vor. Die Vergütung richtet sich nach der Erfüllung der Arbeitsanforderungen aller sowie nach Ausbildung, Erfahrung und Schwierigkeitsgraden. Alle erhalten bei überdurchschnittlichen Leistungen Boni. Die Gewerkschaften haben eine großartige Leistung zur gerechten Behandlung der Arbeitnehmer geleistet. Hilfreich war für alle Seiten die Schaffung eines einheitlichen Arbeitsgesetzbuches. Dienstverträge der Vorstandsebene enthalten spezifische Aufgabenstellungen, wie sie in den Arbeitsverträgen der Belegschaft üblich sind. Die alten Steuergesetze erwiesen sich als gordischer Knoten, und sie wurden vom Grundsatz her neu aufgebaut. Sie beachten nun das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit und die Pflicht aller, zum Wohl der Gemeinschaft beizutragen. Wesentlich wirkungsvoller wurden die Regeln für den Verbraucher- und Naturschutz gefasst. Die Staatsanwaltschaften sorgen, gestützt von Moral und Ethik, für die Einhaltung der Gesetze. Die institutionelle Struktur im Rechtswesen wurde nur geringfügig verändert.
Die Grundstruktur der Machtteilung zwischen Parlament, Regierung und Rechtswesen blieb unverändert. Die Machttrennung dagegen wurde deutlicher geregelt. Eine Partei oder Parteikoalition ist nicht mehr in allen drei Machtorganen nach ihrem Wahlstimmenanteil allein bestimmend, wie es vor 2025 mit dem Parteienproporz üblich war. Im gleichen Zusammenhang wurden auch die Regeln zur Besetzung der Verwaltungs- und Kontrollorgane geändert.
Eine verfassungsgebende Versammlung mit Delegierten aus allen Schichten der Bevölkerung überprüfte das Grundgesetz. Nicht alle Artikel wurden neu gefasst. Die Verfassung der neuen Gesellschaft wurde nach einem längeren Findungsprozess mit einer Volksabstimmung angenommen. Die Rechte der Jugend und der Kinder erhielten z. B. Verfassungsrang, wie auch ausgewählte Themen des Naturschutzes. Ein Teil der Grundrechte der Bürger wurden mit direkter Wirkung ausgestaltet. Die individuelle Freiheit aller Bürger wurde als hohes Gut bestätigt, wie auch die Glaubensfreiheit.

Der Beginn der Alternative war zeitlich mit einer neuen revolutionären Triebkraft, der Digitalisierung verbunden. Sie hat 2032 alle wesentlichen Bereiche der Gemeinschaft durchdrungen. So wie die bürgerliche kapitalistische Gesellschaft ihren Weg mit dem massenhaften Gebrauch von Maschinen, der Elektroenergie, der Chemie und neuer Verkehrsträger bahnte, so verbindet sich der Fortschritt der Gegenwart nicht mehr mit den Namen von Krupp, Siemens, Benz, Hoechst und Bayer, sondern mit Microsoft, Google und Yahoo. Strukturell hat die Digitalisierung die Wirtschafts- und Verwaltungsprozesse, das Alltagsleben und die Forschung tief gehend verändert.

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