Kraft des Herzens

Kraft des Herzens

Ein Weg zum Selbst und zur Liebesfähigkeit

Walid Daw


EUR 24,90
EUR 19,99

Format: 15 x 22,5 cm
Seitenanzahl: 256
ISBN: 978-3-99130-112-7
Erscheinungsdatum: 22.06.2023

Leseprobe:

Vorwort


Walid Daw hat ein humanistisches Buch über den Menschen und seine Psyche geschrieben. Er setzt damit eine Tradition fort, die in der introspektiven Psychologie, die wesentlich von Freud und Jung und ihren Adepten geprägt ist, im Zentrum der Bemühung um das Verstehen unserer seelischen Verfassung steht.

Walid Daw erläutert in seinem Buch ein Modell der Psyche sowie dessen Entstehung und Verfeinerung, das Core Development. Die besprochenen Konzepte sind durch psycho- und körpertherapeutische Interventionen untermauerte Erfahrungsbereiche unseres Umgangs mit uns selbst und der Welt. (Er-)Klärungsmodell und (Be-)Handlungsmodell sind aneinander gereift und aufeinander bezogen.

Walid Daw ist seit vielen Jahrzehnten ein gefragter, versierter und kreativer Therapeut mit multikulturellem Hintergrund, der einen ganzheitlichen Ansatz pflegt. Er ist in bester psychotherapeutischer Tradition ein Freund, der uns dabei hilft, wenn wir uns selbst meinen, zu uns selbst zu werden und nachhaltig wir selbst bleiben wollen.

Psychologie als eine geisteswissenschaftliche Disziplin ist und bleibt fraglich, weil sie fundamental subjektiv ist. Umso empathischer muss darum der Psychotherapeut arbeiten, umso gereifter muss er im Umgang mit den existenziellen Erfahrungen seines Klienten sein.

Walid Daw ist eine solche Persönlichkeit.

Dr.med. Adrian Fröhlich
Psychiater und Psychotherapeut,
Autor des Buches «Die erschöpfte Begeisterung»



Zu diesem Buch


Seit jeher war das Bestreben der Psychotherapie darauf angelegt, psychische Störungen zu erfassen, zu differenzieren, deren Entstehungsbedingungen aufzudecken, nach tauglichen Behandlungsmethoden zu suchen und diese anzuwenden. Eine wesentliche Frage, die mich in meiner therapeutischen Arbeit in der Psychiatrie stets begleitete, war: Wonach strebten meine Vorgänger, was wollten sie bei den Patienten erreichen? Die Antwort lautete: Sehr auffällig war das Bestreben, offensichtlich vorhandene Störungen zu bekämpfen und Krankheitssymptome zu managen, um auf diese Weise den Gesundheitszustand der Patienten zu verbessern.

Meine Ausbildung in verschiedenen Therapierichtungen half mir, ein umfassenderes Verständnis für das menschliche Dasein zu entwickeln. Mir wurde klar, dass viele Patienten, die unter depressiven Verstimmungen, Angstzuständen, Bindungsproblemen, Kontaktstörungen und Paarkonflikten leiden, mehr benötigen als die ausschließliche Auseinandersetzung mit ihren Konflikten und Problemen. Es schien mir vielversprechender, vorhandene Ressourcen zu stärken und Positives zu fördern. Wenn ein Patient ständig an einem geringen Selbstwertgefühl leidet, muss man ihn mit den positiven Seiten seiner Persönlichkeit verbinden, damit er ein stabileres und belastbares Selbst aufbauen kann.

Ich komme aus einer Tradition, die sich nicht nur mit Therapie, sondern darüber hinaus mit Heilung und ganzheitlicher Persönlichkeitsentwicklung befasst. Körper, Psyche, Energie und Verstand stehen gleichermaßen im Zentrum. Bei diesem Ansatz geht es um Gesundheit, Wachstum, Autonomie, Selbstverantwortung, Freude und Lebendigkeit. Um ein besseres Verständnis für uns selbst und für andere, um unsere Lebensgestaltung und unsere Umwelt.

Die moderne Richtung der „lebendigen Psychologie“ zielt darauf ab, zunächst den Menschen und seinen individuellen Lebenskampf zu akzeptieren, um dann sein Potenzial zum Erwachen und zur Entfaltung zu bringen. Dabei werden starre körperliche, emotionale und kognitive Muster aufgelöst und heilsame Qualitäten wie Liebe, Mitgefühl, Offenheit und Weisheit freigelegt und gefördert. Die Schulung des Gewahrseins, Emotionsarbeit, Verbesserung des Selbstbezugs und der Selbstfürsorge sind im sogenannten Core Development – der Entwicklung des menschlichen Kerns – zentrale Anliegen.

Dieses Buch ist eine Einführung in die Grundlage der Core-Development-Therapie, die danach strebt, den Körper und die ihm innewohnende Energie mit seelischer und kognitiver Dynamik zu verbinden. Dieser Ansatz integriert zwar östliche Ansichten, ist im Wesentlichen aber westlich orientiert. Das bedeutet: sich besser verstehen zu lernen und sich weiterzuentwickeln, die Selbstzuwendung zu fördern, achtsam mit sich umzugehen und in Selbstakzeptanz gewahr zu sein über körperliche und emotionale Prozesse. Insgesamt geht es darum, einengende Kognitionen aufzulösen und dem Leben einen tieferen Sinn zu geben.

In der Core-Development-Therapie lernen wir, Leid als unausweichlich zu sehen und Verständnis für unsere existenziellen Ängste und unsere menschlichen Eigenheiten zu entwickeln. Die Arbeit am Körper hilft uns, die körperlichen und energetischen Prozesse zu verstehen und besser damit umzugehen. Sie ermöglicht uns, innere Widerstände weich und durchlässig zu machen und mit unserer inneren Lebendigkeit in Kontakt zu treten, sodass wir tiefer im Prozess des Daseins ankern können. Wir schulen uns im Betrachten, ohne sofort zu reagieren. Das Gewahrwerden unserer Prägungen und instinkthaften Reaktionen hilft uns zu erkennen, was ist, um nicht gleich wieder in unsere Fallen zu laufen. Nicht nur das Stabilisieren, Regulieren und Integrieren von verschiedenen Aspekten unserer Persönlichkeit ist hier gefragt, sondern die Förderung und tiefe Verbindung mit dem Lebendigen in uns.

Auch das Nichtanhaften wird kultiviert: Distanz schaffen und Bearbeiten von Themenbereichen, mit denen unser Ego sich zu sehr identifiziert und die uns von unserem Innenleben trennen. Meditationstechniken helfen uns, zum Core (zum innersten Kern) vorzudringen, um dort im Sein (im Raum der Stille) anzukommen und zu ruhen. Denn in diesem Raum können wir uns wieder sammeln, da herrschen weder Probleme noch Ego-Ansprüche noch zermürbende Gefühle. In diesem Raum ist alles auf Distanz, und wir sind im Sein: zu Hause angekommen.

Heil sein und Gesundheit gehören zur Natur des Menschen. Das zentrale Anliegen in der Arbeit des Core Development (CD) ist es, den Weg der Heilung zu unterstützen. Psychotherapeutische Arbeit soll zum Wohl des Menschen eingesetzt werden. Wer sich auf diesen Weg macht, erforscht und erfährt sein Selbst, lernt und wächst, wird sich seiner selbst und seiner Umgebung gewahr, kann Beziehungen entwickeln und positive Gefühle und Lebenseinsichten kultivieren.

Dieses Buch richtet sich in erster Linie an Therapeuten und Therapeutinnen, Coaches, Trainer und Studierende, die neue Wege in der Begleitung von Menschen anstreben. Es thematisiert Aussagen, Axiome und Konzepte, die auf tiefem philosophischem, spirituellem und jahrzehntelang erprobtem und erweiterten psychologischem Wissen beruhen. Es beantwortet über die Grenzen verschiedener Fachbereiche hinweg grundsätzliche Fragen, vernetzt vorhandenes Wissen und zeigt die Bedeutung der Energie auf, die uns als Grundlage aller Lebensprozesse Veränderungen zum Positiven ermöglicht.

Das Buch richtet sich aber auch an Interessierte, die sich über neue Ansätze in der Psychologie informieren, mehr über die Landkarte ihrer Seele erfahren, ihr Inneres verfeinern und ihre Persönlichkeit entwickeln möchten. Er soll eine Stütze sein für Leser*innen, die sich auf den Weg zu sich selbst gemacht haben. Die verstehen wollen, wie Körper, Verstand, Seele und Energie sich zu einem Geschehen verflechten, das unsere Lebensprozesse und Selbstentfaltungsdynamik formt und beeinflusst.

Die eingestreuten Beispiele aus der Praxis zeigen, dass wir nicht allein sind in unserem Erleben, Erleiden und permanenten Hinterfragen. Das ist tröstlich und erleichternd. Das bessere Verständnis der Zusammenhänge hilft, eigene schmerzvolle Erfahrungen und Verletzungen nochmals zu empfinden und besser zu verarbeiten. Die aufgezeigten Techniken ermöglichen es, aus leidvollen Situationen auszusteigen, wieder vermehrt positive Gefühle zu entwickeln und die Kraft des Herzens als Ressource und Qualität zu nutzen.

Kurzum: Es geht um Selbsterkenntnis, Selbstentwicklung und Selbstheilung. Und darum, unsere Verhaltensweisen auf den unterschiedlichsten Ebenen besser verstehen zu können. Warum wehren wir im Alltag bestimmte Situationen immer wieder ähnlich ab, verhalten uns in wiederkehrenden Mustern und Schlaufen? Was bedeutet solches Verhalten für uns und für andere Menschen? Warum können manche Beziehungen so schwierig sein? Auch da können wir vieles verändern, wenn wir verstehen, wie wir Situationen wahrnehmen und interpretieren.

Gewiss: Jeder Lebensteppich ist anders gewoben. Doch in jedem Leben stellt sich eine Vielzahl grundsätzlicher Fragen. Dieses Buch soll helfen, sie zu beantworten.



Gesundheit – Wohlbefinden auf allen Ebenen des Seins


Zu jedem Geburtstag bekommen wir Wünsche für eine gute Gesundheit. Verreist ein Freund für längere Zeit, wünschen wir ihm beim Abschied von Herzen, er möge gesund wiederkommen. Eine gute Gesundheit gehört zum Wichtigsten in unserem Leben. Dessen werden wir uns immer dann bewusst, wenn wir krank sind, denn eine Krankheit beeinträchtigt unsere Lebensqualität spürbar. Aber was ist denn diese „Gesundheit“, die wir unseren Freunden immer wieder wünschen und die wir auch selber nicht missen wollen?

Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert Gesundheit als einen Zustand vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens. Ich möchte noch einen Schritt weitergehen und sagen: Gesundheit ist das Wohlbefinden auf allen Ebenen des Seins – physisch, mental, energetisch, emotional, sozial und spirituell.

Um gesund zu bleiben, bedarf es unserer Achtsamkeit, wir müssen uns aktiv darum bemühen. Gesundheit ist nicht ein stabiler Zustand, in dem man ist oder nicht ist, sondern ein Kontinuum mit fließenden Übergängen. Wie gesund wir sind, wird einerseits durch die individuelle Stabilität beeinflusst. Andererseits wirken sich unser inneres Gleichgewicht (Homöostase) und unsere Interaktionen mit der Mit- und Umwelt auf unser Wohlbefinden aus.

Wenn wir von Gesundheit reden, sollten wir uns auch über unser Menschenbild Gedanken machen. In der Core-Development-Lehre (Kernentwicklung) betrachten wir den Menschen als psychosomatische Einheit: Körper, Seele und Geist sind unzertrennlich. Aber es geht nicht nur um Körper, Seele und Geist, vielmehr ist alles mit allem verbunden. Trinke ich morgens eine Tasse Kaffee, verbindet mich dies mit der Kassiererin im Supermarkt, wo ich meinen Kaffee kaufe, und dem Arbeiter auf der Kaffeeplantage, der die Bohnen geerntet hat. Wurden die Kaffeepflanzen mit viel Insektizid und Dünger gezogen, hat dies ungünstige Auswirkungen auf die Umwelt. Alles, was existiert, ist miteinander verbunden und entwickelt sich ständig weiter, und wir – als Teil all dessen – entwickeln uns auch ständig weiter. Entwicklung heißt Veränderung. Veränderungen brauchen Regulation und Neu-Balancierung, damit wir gesund bleiben.

Das Wichtigste, um überhaupt existieren zu können, ist Energie. Das Leben stellt uns zahlreiche Energiequellen bereit, die wir nutzen können. Die Nahrung ist dem Element Erde zugeordnet, die Atmung dem Element Luft und die Bewegung dem Element Wasser, was wir daran erkennen, dass sportliche Betätigung unseren Organismus belebt. Eine weitere Energiequelle ist das Feuerelement Licht; denken wir nur daran, wie viel lebendiger wir uns an sonnigen Tagen fühlen, verglichen mit dem lichtarmen, nebelverhangenen Winter. Es gibt auch eine zelluläre Energie, die Vitalität spendet. Die Samen- und Ovar-Energie ist die Schöpfungskraft unseres Lebens. Schließlich steht uns als siebente Energiequelle überall und jederzeit die universelle Energie zur Verfügung.

Die bloße Existenz dieser Energiequellen genügt jedoch nicht, um gesund zu bleiben. Wir müssen in der Lage sein, uns diese Quellen zu erschließen und die Energien tatsächlich zu nutzen. Das gelingt nur, wenn wir uns auf allen Ebenen des Seins regulieren können. Dazu gehört, Spannungen und Konflikte auszuhalten und soziale Ungereimtheiten aufzulösen.

Die Salutogenese lehrt uns, dass wir unsere Gesundheit langfristig nur aufrechterhalten können, wenn wir die Ereignisse in unserem Leben verstehen, ihnen eine Bedeutung geben und sie in einen Zusammenhang mit unserem Leben bringen können. Und wenn wir Möglichkeiten finden, mit diesen Ereignissen umzugehen.

Core-Development fördert das Wohlbefinden und die individuelle Gesundheit. Damit trägt es zum individuellen und gesellschaftlichen Wohlergehen bei. Wir definieren Gesundheit nicht als Funktionsfähigkeit und Krankheit als Störung derselben, die nur belastend ist. Sondern wir sehen Gesundheit als Prozess, in dem viele Elemente im Körper und Umfeld reguliert und ins Gleichgewicht gebracht werden müssen. Unsere Arbeit bietet Wege und Möglichkeiten an, um Belastendes, Erstarrtes zu lösen und das negative Lebensskript in ein positives zu wandeln. So wird der Bezug zu uns selber intensiver, tiefer und ehrlicher.


Resilienz, persönliche Prägung, Empowerment und Coping

Resilienz ist die Fähigkeit, auf schwierige Lebenssituationen wie Gewalt, den Tod nahestehender Menschen oder schwere Erkrankungen flexibel zu reagieren, keine schweren psychischen Schädigungen oder anhaltende Beeinträchtigungen davonzutragen und den eigenen Seelenfrieden trotz allem zu wahren.

In der Medizin hatte das Thema die Wirkung, dass neben der klassischen Krankheitslehre plötzlich eine „Gesundheitslehre“ ins Zentrum des Interesses rückte. Gerade unter psychotherapeutischen und sozial rehabilitativen Gesichtspunkten ist der Begriff der Resilienz von praktischer Bedeutung, weil die vorhandenen Ressourcen ausgelotet und weiter ausgebaut werden können.

Das Wort „Resilienz“ leitet sich aus dem Lateinischen „resilire“ ab und bedeutet „zurückspringen“, „abprallen“. In der Physik sind damit Materialien gemeint, die sich unter hohem Druck verbiegen, aber nicht brechen, sondern zu ihrer ursprünglichen Form zurückkehren, sobald der Druck nachlässt. Als wegweisend auf dem Forschungsgebiet der Resilienz gilt eine Studie über 700 Kinder auf der Hawaii-Insel Kauai, die unter schwierigsten Bedingungen aufgewachsen waren und dennoch als Erwachsene erfolgreich und psychisch gesund leben konnten. Resiliente Menschen können durchaus von Depressionen, Angststörungen oder Schizophrenie betroffen sein. Im Gegensatz zu „vulnerablen“ – weniger widerstandsfähigen – Personen gehen sie aber anders mit diesen Beeinträchtigungen um.

Weshalb überstehen resiliente Menschen in Krisensituationen den damit verbundenen Stress, emotionale Belastungen und Überforderung unbeschadet, während andere krank werden, die Vergleichbares erleben? Studien belegen, dass Erstere die Krise als Herausforderung annehmen können und genügend Strategien zur Verfügung haben, um die kritische Situation zu bewältigen. Vulnerable Personen verhalten sich unter Druck eher passiv, resignativ, ängstlich und depressiv. Weiter wurde festgestellt, dass die resilienten Personen diese besonderen Eigenschaften und Verhaltensmöglichkeiten im Verlauf ihrer Entwicklung erlernt hatten. Deshalb gelang es ihnen, nicht nur schwierige Situationen adäquat einzuschätzen, sondern auch ihre eigenen Fähigkeiten, damit fertigzuwerden. Sie waren in der Lage, mit ihren Gefühlen umzugehen und eine Strategie zu wählen, die sie beschützte und zu einer Lösung beitrug.

Resilienz – dies lässt sich daraus ableiten – hat viel mit der Ausprägung der Persönlichkeit zu tun. Sechs Grundfaktoren der menschlichen Psyche stehen dabei im Vordergrund: Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung, Übernahme von Verantwortung, Netzwerkorientierung und Zukunftsplanung.

Im Folgenden sind eine Reihe von Prägungen und Rahmenbedingungen aufgeführt, welche die Bildung resilienten Verhaltens stärken:

- Eine stabile emotionale Beziehung zu mindestens einem Elternteil oder einer anderen Versorgungsperson.
- Soziale Unterstützung innerhalb und außerhalb der Familie, z B. durch Verwandte, Nachbarn, Lehrer und Gleichaltrige.
- Ein emotional warmes, offenes, strukturierendes und normorientiertes Erziehungsklima.
- Soziale Modelle, die zu konstruktivem Bewältigungsverhalten ermutigen, z. B. Eltern, Geschwister, Lehrer.
- Dosierte soziale Verantwortlichkeit und klare Leistungsanforderungen, z. B. Sorge für andere Verwandte, Pflichten in der Schule.
- Kognitive Kompetenzen, z B. ein mindestens durchschnittliches Intelligenzniveau, kommunikative Fertigkeiten, realistische Zukunftsplanung, Temperament.
- Eigenschaften, die eine effektive Bewältigung begünstigen, z. B. Flexi­bilität, Annäherungsverhalten, Impulskontrolle.
- Erfahrungen von Selbstwirksamkeit, internale Kontrollüberzeugungen, Selbstvertrauen und ein positives Selbstkonzept.
- Die Art und Weise, wie das Individuum mit Belastungen umgeht, insbesondere das aktive Bemühen um Problembewältigung.
- Die Erfahrung von Sinn, Struktur und Bedeutung in der eigenen Entwicklung, z. B. religiöser Glaube, Ideologie.

Das therapeutische Bemühen, Menschen zu resilientem Verhalten zu befähigen, heißt in der Fachsprache „Empowerment“. Es geht darum, die Sicherheit der Betroffenen zu erhöhen, ihnen zu helfen, den Kontakt zu sich selbst zu vertiefen, eine positive Lebenshaltung zu fördern und sie beim Aufbau des Selbstvertrauens und Selbstwertgefühls zu unterstützen.
Die Art und Weise, wie eine Person in einer Krisensituation eigene Fähigkeiten und Kreativität einsetzt, um eine positive Lösung zu finden und diese zu integrieren, nennt man „Coping“. Folgende Eigenschaften begünstigen den Bewältigungsprozess:

- Die Fähigkeit, Verständnis für die Situation zu entwickeln.
- Eine angemessene Einschätzung der eigenen Fähigkeiten.
- Die Fähigkeit, äußere Situationen einschätzen zu können.
- Die Fähigkeit, die beiden Einschätzungen vergleichen zu können und daraus Strategien zu entwickeln, die einen beschützen und zu einer Lösung beitragen.



Übergeordnete Lehren der Heilung


Heilung lässt sich nicht erzwingen, sie kann geschehen, wenn vielseitige Vorbedingungen erfüllt sind. Die in diesem Kapitel erwähnten Heilungsgrundsätze, begleitet von Lebensprinzipien, sind den Spuren der jahrhundertelangen menschlichen Heilungsforschung und -geschichte entnommen. Wenn man sie näher betrachtet, erkennt man darin philosophische und spirituelle Grundhaltungen, welche die Heilungsprozesse bis heute begleiten und unterstützen. Keiner dieser Grundsätze steht isoliert da, denn die Ursachen von Gesundheit und Krankheit können nicht losgelöst vom Lebenskontext betrachtet werden. Sie fügen sich zu einer Symphonie des positiven Lebens zusammen. Im Folgenden möchte ich vier Grundlehren vorstellen: die Lehre der Schwingung, die Lehre der Einheit und der Fragmentierung, die Lehre der Befreiung und die Lehre des inneren Reichtums.


I Die Lehre der Schwingung

Alles, was lebt, pulsiert, vibriert und schwingt. Die pulsierende Bewegung besteht aus Expansion (sich ausdehnen) und Kontraktion (sich zusammenziehen). Sie findet sich in vielen physiologischen und organischen Prozessen, zum Beispiel bei den Herzaktivitäten: Systole und Diastole, in der Darmkontraktion und in der pulsatorischen Bewegung der Gehirn- oder Rückenmarkflüssigkeit (Liquor).

Vibration und Schwingung erschaffen ein Feld, das einerseits die innere Atmosphäre und andererseits die persönliche Ausstrahlung bewirkt. Jede Schwingung hat eine Frequenz, die in der Stärke variiert, hoch oder niedrig ist. Wenn solche Felder sich berühren oder überlappen, vermischen sie sich und tauschen Energie aus. Begegnen sich zwei Felder in gleicher Frequenz, entsteht Resonanz, Sympathie und Anziehung. Differieren die Schwingungen, ergeben sich Dissonanz, Antipathie, Abstoßung. Wenn die Energie der Gefühle zur Energie der Gedanken in Dissonanz steht, kommt es zu Konflikten und Spannungen, die zu Ängsten und Somatisierungen wie Kopf- oder Bauchschmerzen führen können.

Vorwort


Walid Daw hat ein humanistisches Buch über den Menschen und seine Psyche geschrieben. Er setzt damit eine Tradition fort, die in der introspektiven Psychologie, die wesentlich von Freud und Jung und ihren Adepten geprägt ist, im Zentrum der Bemühung um das Verstehen unserer seelischen Verfassung steht.

Walid Daw erläutert in seinem Buch ein Modell der Psyche sowie dessen Entstehung und Verfeinerung, das Core Development. Die besprochenen Konzepte sind durch psycho- und körpertherapeutische Interventionen untermauerte Erfahrungsbereiche unseres Umgangs mit uns selbst und der Welt. (Er-)Klärungsmodell und (Be-)Handlungsmodell sind aneinander gereift und aufeinander bezogen.

Walid Daw ist seit vielen Jahrzehnten ein gefragter, versierter und kreativer Therapeut mit multikulturellem Hintergrund, der einen ganzheitlichen Ansatz pflegt. Er ist in bester psychotherapeutischer Tradition ein Freund, der uns dabei hilft, wenn wir uns selbst meinen, zu uns selbst zu werden und nachhaltig wir selbst bleiben wollen.

Psychologie als eine geisteswissenschaftliche Disziplin ist und bleibt fraglich, weil sie fundamental subjektiv ist. Umso empathischer muss darum der Psychotherapeut arbeiten, umso gereifter muss er im Umgang mit den existenziellen Erfahrungen seines Klienten sein.

Walid Daw ist eine solche Persönlichkeit.

Dr.med. Adrian Fröhlich
Psychiater und Psychotherapeut,
Autor des Buches «Die erschöpfte Begeisterung»



Zu diesem Buch


Seit jeher war das Bestreben der Psychotherapie darauf angelegt, psychische Störungen zu erfassen, zu differenzieren, deren Entstehungsbedingungen aufzudecken, nach tauglichen Behandlungsmethoden zu suchen und diese anzuwenden. Eine wesentliche Frage, die mich in meiner therapeutischen Arbeit in der Psychiatrie stets begleitete, war: Wonach strebten meine Vorgänger, was wollten sie bei den Patienten erreichen? Die Antwort lautete: Sehr auffällig war das Bestreben, offensichtlich vorhandene Störungen zu bekämpfen und Krankheitssymptome zu managen, um auf diese Weise den Gesundheitszustand der Patienten zu verbessern.

Meine Ausbildung in verschiedenen Therapierichtungen half mir, ein umfassenderes Verständnis für das menschliche Dasein zu entwickeln. Mir wurde klar, dass viele Patienten, die unter depressiven Verstimmungen, Angstzuständen, Bindungsproblemen, Kontaktstörungen und Paarkonflikten leiden, mehr benötigen als die ausschließliche Auseinandersetzung mit ihren Konflikten und Problemen. Es schien mir vielversprechender, vorhandene Ressourcen zu stärken und Positives zu fördern. Wenn ein Patient ständig an einem geringen Selbstwertgefühl leidet, muss man ihn mit den positiven Seiten seiner Persönlichkeit verbinden, damit er ein stabileres und belastbares Selbst aufbauen kann.

Ich komme aus einer Tradition, die sich nicht nur mit Therapie, sondern darüber hinaus mit Heilung und ganzheitlicher Persönlichkeitsentwicklung befasst. Körper, Psyche, Energie und Verstand stehen gleichermaßen im Zentrum. Bei diesem Ansatz geht es um Gesundheit, Wachstum, Autonomie, Selbstverantwortung, Freude und Lebendigkeit. Um ein besseres Verständnis für uns selbst und für andere, um unsere Lebensgestaltung und unsere Umwelt.

Die moderne Richtung der „lebendigen Psychologie“ zielt darauf ab, zunächst den Menschen und seinen individuellen Lebenskampf zu akzeptieren, um dann sein Potenzial zum Erwachen und zur Entfaltung zu bringen. Dabei werden starre körperliche, emotionale und kognitive Muster aufgelöst und heilsame Qualitäten wie Liebe, Mitgefühl, Offenheit und Weisheit freigelegt und gefördert. Die Schulung des Gewahrseins, Emotionsarbeit, Verbesserung des Selbstbezugs und der Selbstfürsorge sind im sogenannten Core Development – der Entwicklung des menschlichen Kerns – zentrale Anliegen.

Dieses Buch ist eine Einführung in die Grundlage der Core-Development-Therapie, die danach strebt, den Körper und die ihm innewohnende Energie mit seelischer und kognitiver Dynamik zu verbinden. Dieser Ansatz integriert zwar östliche Ansichten, ist im Wesentlichen aber westlich orientiert. Das bedeutet: sich besser verstehen zu lernen und sich weiterzuentwickeln, die Selbstzuwendung zu fördern, achtsam mit sich umzugehen und in Selbstakzeptanz gewahr zu sein über körperliche und emotionale Prozesse. Insgesamt geht es darum, einengende Kognitionen aufzulösen und dem Leben einen tieferen Sinn zu geben.

In der Core-Development-Therapie lernen wir, Leid als unausweichlich zu sehen und Verständnis für unsere existenziellen Ängste und unsere menschlichen Eigenheiten zu entwickeln. Die Arbeit am Körper hilft uns, die körperlichen und energetischen Prozesse zu verstehen und besser damit umzugehen. Sie ermöglicht uns, innere Widerstände weich und durchlässig zu machen und mit unserer inneren Lebendigkeit in Kontakt zu treten, sodass wir tiefer im Prozess des Daseins ankern können. Wir schulen uns im Betrachten, ohne sofort zu reagieren. Das Gewahrwerden unserer Prägungen und instinkthaften Reaktionen hilft uns zu erkennen, was ist, um nicht gleich wieder in unsere Fallen zu laufen. Nicht nur das Stabilisieren, Regulieren und Integrieren von verschiedenen Aspekten unserer Persönlichkeit ist hier gefragt, sondern die Förderung und tiefe Verbindung mit dem Lebendigen in uns.

Auch das Nichtanhaften wird kultiviert: Distanz schaffen und Bearbeiten von Themenbereichen, mit denen unser Ego sich zu sehr identifiziert und die uns von unserem Innenleben trennen. Meditationstechniken helfen uns, zum Core (zum innersten Kern) vorzudringen, um dort im Sein (im Raum der Stille) anzukommen und zu ruhen. Denn in diesem Raum können wir uns wieder sammeln, da herrschen weder Probleme noch Ego-Ansprüche noch zermürbende Gefühle. In diesem Raum ist alles auf Distanz, und wir sind im Sein: zu Hause angekommen.

Heil sein und Gesundheit gehören zur Natur des Menschen. Das zentrale Anliegen in der Arbeit des Core Development (CD) ist es, den Weg der Heilung zu unterstützen. Psychotherapeutische Arbeit soll zum Wohl des Menschen eingesetzt werden. Wer sich auf diesen Weg macht, erforscht und erfährt sein Selbst, lernt und wächst, wird sich seiner selbst und seiner Umgebung gewahr, kann Beziehungen entwickeln und positive Gefühle und Lebenseinsichten kultivieren.

Dieses Buch richtet sich in erster Linie an Therapeuten und Therapeutinnen, Coaches, Trainer und Studierende, die neue Wege in der Begleitung von Menschen anstreben. Es thematisiert Aussagen, Axiome und Konzepte, die auf tiefem philosophischem, spirituellem und jahrzehntelang erprobtem und erweiterten psychologischem Wissen beruhen. Es beantwortet über die Grenzen verschiedener Fachbereiche hinweg grundsätzliche Fragen, vernetzt vorhandenes Wissen und zeigt die Bedeutung der Energie auf, die uns als Grundlage aller Lebensprozesse Veränderungen zum Positiven ermöglicht.

Das Buch richtet sich aber auch an Interessierte, die sich über neue Ansätze in der Psychologie informieren, mehr über die Landkarte ihrer Seele erfahren, ihr Inneres verfeinern und ihre Persönlichkeit entwickeln möchten. Er soll eine Stütze sein für Leser*innen, die sich auf den Weg zu sich selbst gemacht haben. Die verstehen wollen, wie Körper, Verstand, Seele und Energie sich zu einem Geschehen verflechten, das unsere Lebensprozesse und Selbstentfaltungsdynamik formt und beeinflusst.

Die eingestreuten Beispiele aus der Praxis zeigen, dass wir nicht allein sind in unserem Erleben, Erleiden und permanenten Hinterfragen. Das ist tröstlich und erleichternd. Das bessere Verständnis der Zusammenhänge hilft, eigene schmerzvolle Erfahrungen und Verletzungen nochmals zu empfinden und besser zu verarbeiten. Die aufgezeigten Techniken ermöglichen es, aus leidvollen Situationen auszusteigen, wieder vermehrt positive Gefühle zu entwickeln und die Kraft des Herzens als Ressource und Qualität zu nutzen.

Kurzum: Es geht um Selbsterkenntnis, Selbstentwicklung und Selbstheilung. Und darum, unsere Verhaltensweisen auf den unterschiedlichsten Ebenen besser verstehen zu können. Warum wehren wir im Alltag bestimmte Situationen immer wieder ähnlich ab, verhalten uns in wiederkehrenden Mustern und Schlaufen? Was bedeutet solches Verhalten für uns und für andere Menschen? Warum können manche Beziehungen so schwierig sein? Auch da können wir vieles verändern, wenn wir verstehen, wie wir Situationen wahrnehmen und interpretieren.

Gewiss: Jeder Lebensteppich ist anders gewoben. Doch in jedem Leben stellt sich eine Vielzahl grundsätzlicher Fragen. Dieses Buch soll helfen, sie zu beantworten.



Gesundheit – Wohlbefinden auf allen Ebenen des Seins


Zu jedem Geburtstag bekommen wir Wünsche für eine gute Gesundheit. Verreist ein Freund für längere Zeit, wünschen wir ihm beim Abschied von Herzen, er möge gesund wiederkommen. Eine gute Gesundheit gehört zum Wichtigsten in unserem Leben. Dessen werden wir uns immer dann bewusst, wenn wir krank sind, denn eine Krankheit beeinträchtigt unsere Lebensqualität spürbar. Aber was ist denn diese „Gesundheit“, die wir unseren Freunden immer wieder wünschen und die wir auch selber nicht missen wollen?

Die Weltgesundheitsorganisation WHO definiert Gesundheit als einen Zustand vollkommenen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens. Ich möchte noch einen Schritt weitergehen und sagen: Gesundheit ist das Wohlbefinden auf allen Ebenen des Seins – physisch, mental, energetisch, emotional, sozial und spirituell.

Um gesund zu bleiben, bedarf es unserer Achtsamkeit, wir müssen uns aktiv darum bemühen. Gesundheit ist nicht ein stabiler Zustand, in dem man ist oder nicht ist, sondern ein Kontinuum mit fließenden Übergängen. Wie gesund wir sind, wird einerseits durch die individuelle Stabilität beeinflusst. Andererseits wirken sich unser inneres Gleichgewicht (Homöostase) und unsere Interaktionen mit der Mit- und Umwelt auf unser Wohlbefinden aus.

Wenn wir von Gesundheit reden, sollten wir uns auch über unser Menschenbild Gedanken machen. In der Core-Development-Lehre (Kernentwicklung) betrachten wir den Menschen als psychosomatische Einheit: Körper, Seele und Geist sind unzertrennlich. Aber es geht nicht nur um Körper, Seele und Geist, vielmehr ist alles mit allem verbunden. Trinke ich morgens eine Tasse Kaffee, verbindet mich dies mit der Kassiererin im Supermarkt, wo ich meinen Kaffee kaufe, und dem Arbeiter auf der Kaffeeplantage, der die Bohnen geerntet hat. Wurden die Kaffeepflanzen mit viel Insektizid und Dünger gezogen, hat dies ungünstige Auswirkungen auf die Umwelt. Alles, was existiert, ist miteinander verbunden und entwickelt sich ständig weiter, und wir – als Teil all dessen – entwickeln uns auch ständig weiter. Entwicklung heißt Veränderung. Veränderungen brauchen Regulation und Neu-Balancierung, damit wir gesund bleiben.

Das Wichtigste, um überhaupt existieren zu können, ist Energie. Das Leben stellt uns zahlreiche Energiequellen bereit, die wir nutzen können. Die Nahrung ist dem Element Erde zugeordnet, die Atmung dem Element Luft und die Bewegung dem Element Wasser, was wir daran erkennen, dass sportliche Betätigung unseren Organismus belebt. Eine weitere Energiequelle ist das Feuerelement Licht; denken wir nur daran, wie viel lebendiger wir uns an sonnigen Tagen fühlen, verglichen mit dem lichtarmen, nebelverhangenen Winter. Es gibt auch eine zelluläre Energie, die Vitalität spendet. Die Samen- und Ovar-Energie ist die Schöpfungskraft unseres Lebens. Schließlich steht uns als siebente Energiequelle überall und jederzeit die universelle Energie zur Verfügung.

Die bloße Existenz dieser Energiequellen genügt jedoch nicht, um gesund zu bleiben. Wir müssen in der Lage sein, uns diese Quellen zu erschließen und die Energien tatsächlich zu nutzen. Das gelingt nur, wenn wir uns auf allen Ebenen des Seins regulieren können. Dazu gehört, Spannungen und Konflikte auszuhalten und soziale Ungereimtheiten aufzulösen.

Die Salutogenese lehrt uns, dass wir unsere Gesundheit langfristig nur aufrechterhalten können, wenn wir die Ereignisse in unserem Leben verstehen, ihnen eine Bedeutung geben und sie in einen Zusammenhang mit unserem Leben bringen können. Und wenn wir Möglichkeiten finden, mit diesen Ereignissen umzugehen.

Core-Development fördert das Wohlbefinden und die individuelle Gesundheit. Damit trägt es zum individuellen und gesellschaftlichen Wohlergehen bei. Wir definieren Gesundheit nicht als Funktionsfähigkeit und Krankheit als Störung derselben, die nur belastend ist. Sondern wir sehen Gesundheit als Prozess, in dem viele Elemente im Körper und Umfeld reguliert und ins Gleichgewicht gebracht werden müssen. Unsere Arbeit bietet Wege und Möglichkeiten an, um Belastendes, Erstarrtes zu lösen und das negative Lebensskript in ein positives zu wandeln. So wird der Bezug zu uns selber intensiver, tiefer und ehrlicher.


Resilienz, persönliche Prägung, Empowerment und Coping

Resilienz ist die Fähigkeit, auf schwierige Lebenssituationen wie Gewalt, den Tod nahestehender Menschen oder schwere Erkrankungen flexibel zu reagieren, keine schweren psychischen Schädigungen oder anhaltende Beeinträchtigungen davonzutragen und den eigenen Seelenfrieden trotz allem zu wahren.

In der Medizin hatte das Thema die Wirkung, dass neben der klassischen Krankheitslehre plötzlich eine „Gesundheitslehre“ ins Zentrum des Interesses rückte. Gerade unter psychotherapeutischen und sozial rehabilitativen Gesichtspunkten ist der Begriff der Resilienz von praktischer Bedeutung, weil die vorhandenen Ressourcen ausgelotet und weiter ausgebaut werden können.

Das Wort „Resilienz“ leitet sich aus dem Lateinischen „resilire“ ab und bedeutet „zurückspringen“, „abprallen“. In der Physik sind damit Materialien gemeint, die sich unter hohem Druck verbiegen, aber nicht brechen, sondern zu ihrer ursprünglichen Form zurückkehren, sobald der Druck nachlässt. Als wegweisend auf dem Forschungsgebiet der Resilienz gilt eine Studie über 700 Kinder auf der Hawaii-Insel Kauai, die unter schwierigsten Bedingungen aufgewachsen waren und dennoch als Erwachsene erfolgreich und psychisch gesund leben konnten. Resiliente Menschen können durchaus von Depressionen, Angststörungen oder Schizophrenie betroffen sein. Im Gegensatz zu „vulnerablen“ – weniger widerstandsfähigen – Personen gehen sie aber anders mit diesen Beeinträchtigungen um.

Weshalb überstehen resiliente Menschen in Krisensituationen den damit verbundenen Stress, emotionale Belastungen und Überforderung unbeschadet, während andere krank werden, die Vergleichbares erleben? Studien belegen, dass Erstere die Krise als Herausforderung annehmen können und genügend Strategien zur Verfügung haben, um die kritische Situation zu bewältigen. Vulnerable Personen verhalten sich unter Druck eher passiv, resignativ, ängstlich und depressiv. Weiter wurde festgestellt, dass die resilienten Personen diese besonderen Eigenschaften und Verhaltensmöglichkeiten im Verlauf ihrer Entwicklung erlernt hatten. Deshalb gelang es ihnen, nicht nur schwierige Situationen adäquat einzuschätzen, sondern auch ihre eigenen Fähigkeiten, damit fertigzuwerden. Sie waren in der Lage, mit ihren Gefühlen umzugehen und eine Strategie zu wählen, die sie beschützte und zu einer Lösung beitrug.

Resilienz – dies lässt sich daraus ableiten – hat viel mit der Ausprägung der Persönlichkeit zu tun. Sechs Grundfaktoren der menschlichen Psyche stehen dabei im Vordergrund: Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung, Übernahme von Verantwortung, Netzwerkorientierung und Zukunftsplanung.

Im Folgenden sind eine Reihe von Prägungen und Rahmenbedingungen aufgeführt, welche die Bildung resilienten Verhaltens stärken:

- Eine stabile emotionale Beziehung zu mindestens einem Elternteil oder einer anderen Versorgungsperson.
- Soziale Unterstützung innerhalb und außerhalb der Familie, z B. durch Verwandte, Nachbarn, Lehrer und Gleichaltrige.
- Ein emotional warmes, offenes, strukturierendes und normorientiertes Erziehungsklima.
- Soziale Modelle, die zu konstruktivem Bewältigungsverhalten ermutigen, z. B. Eltern, Geschwister, Lehrer.
- Dosierte soziale Verantwortlichkeit und klare Leistungsanforderungen, z. B. Sorge für andere Verwandte, Pflichten in der Schule.
- Kognitive Kompetenzen, z B. ein mindestens durchschnittliches Intelligenzniveau, kommunikative Fertigkeiten, realistische Zukunftsplanung, Temperament.
- Eigenschaften, die eine effektive Bewältigung begünstigen, z. B. Flexi­bilität, Annäherungsverhalten, Impulskontrolle.
- Erfahrungen von Selbstwirksamkeit, internale Kontrollüberzeugungen, Selbstvertrauen und ein positives Selbstkonzept.
- Die Art und Weise, wie das Individuum mit Belastungen umgeht, insbesondere das aktive Bemühen um Problembewältigung.
- Die Erfahrung von Sinn, Struktur und Bedeutung in der eigenen Entwicklung, z. B. religiöser Glaube, Ideologie.

Das therapeutische Bemühen, Menschen zu resilientem Verhalten zu befähigen, heißt in der Fachsprache „Empowerment“. Es geht darum, die Sicherheit der Betroffenen zu erhöhen, ihnen zu helfen, den Kontakt zu sich selbst zu vertiefen, eine positive Lebenshaltung zu fördern und sie beim Aufbau des Selbstvertrauens und Selbstwertgefühls zu unterstützen.
Die Art und Weise, wie eine Person in einer Krisensituation eigene Fähigkeiten und Kreativität einsetzt, um eine positive Lösung zu finden und diese zu integrieren, nennt man „Coping“. Folgende Eigenschaften begünstigen den Bewältigungsprozess:

- Die Fähigkeit, Verständnis für die Situation zu entwickeln.
- Eine angemessene Einschätzung der eigenen Fähigkeiten.
- Die Fähigkeit, äußere Situationen einschätzen zu können.
- Die Fähigkeit, die beiden Einschätzungen vergleichen zu können und daraus Strategien zu entwickeln, die einen beschützen und zu einer Lösung beitragen.



Übergeordnete Lehren der Heilung


Heilung lässt sich nicht erzwingen, sie kann geschehen, wenn vielseitige Vorbedingungen erfüllt sind. Die in diesem Kapitel erwähnten Heilungsgrundsätze, begleitet von Lebensprinzipien, sind den Spuren der jahrhundertelangen menschlichen Heilungsforschung und -geschichte entnommen. Wenn man sie näher betrachtet, erkennt man darin philosophische und spirituelle Grundhaltungen, welche die Heilungsprozesse bis heute begleiten und unterstützen. Keiner dieser Grundsätze steht isoliert da, denn die Ursachen von Gesundheit und Krankheit können nicht losgelöst vom Lebenskontext betrachtet werden. Sie fügen sich zu einer Symphonie des positiven Lebens zusammen. Im Folgenden möchte ich vier Grundlehren vorstellen: die Lehre der Schwingung, die Lehre der Einheit und der Fragmentierung, die Lehre der Befreiung und die Lehre des inneren Reichtums.


I Die Lehre der Schwingung

Alles, was lebt, pulsiert, vibriert und schwingt. Die pulsierende Bewegung besteht aus Expansion (sich ausdehnen) und Kontraktion (sich zusammenziehen). Sie findet sich in vielen physiologischen und organischen Prozessen, zum Beispiel bei den Herzaktivitäten: Systole und Diastole, in der Darmkontraktion und in der pulsatorischen Bewegung der Gehirn- oder Rückenmarkflüssigkeit (Liquor).

Vibration und Schwingung erschaffen ein Feld, das einerseits die innere Atmosphäre und andererseits die persönliche Ausstrahlung bewirkt. Jede Schwingung hat eine Frequenz, die in der Stärke variiert, hoch oder niedrig ist. Wenn solche Felder sich berühren oder überlappen, vermischen sie sich und tauschen Energie aus. Begegnen sich zwei Felder in gleicher Frequenz, entsteht Resonanz, Sympathie und Anziehung. Differieren die Schwingungen, ergeben sich Dissonanz, Antipathie, Abstoßung. Wenn die Energie der Gefühle zur Energie der Gedanken in Dissonanz steht, kommt es zu Konflikten und Spannungen, die zu Ängsten und Somatisierungen wie Kopf- oder Bauchschmerzen führen können.

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