Ich bin dann mal wieder da

Ich bin dann mal wieder da

Holger Seuß


EUR 15,90

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 72
ISBN: 978-3-99146-149-4
Erscheinungsdatum: 28.09.2023
Vom Komapatienten bis zum beruflichen Wiedereinstieg: Holger Seuß schildert, wie er nach einer schweren Herzoperation langsam wieder auf die Beine gekommen ist – trotz etlicher ärztlicher Fehler und Irrtümer.
Widmung


Dieses Büchlein widme ich meiner geliebten Frau Doris, die als Co-Autorin und Lektorin superfleißig war, meinen geliebten Kindern Jan-Philip, Johanna und Frederik sowie allen, die mich in der Zeit meiner Abwesenheit ehrlich vermisst haben und uns in Gedanken, Gebeten und Hilfestellungen für meine Frau unterstützt haben!
Weiterhin muss ich dem Kardiologischen OP-Team des Klinikums Bayreuth von Herzen danken. Was sie an mir geleistet haben, es verdient Hochachtung!
Meine Mädels von der Praxis haben wie selbstverständlich Mehrarbeitsstunden in Kauf genommen, um den Betrieb weiter am Laufen zu halten und meine Frau mit Optimismus unterstützt, als noch nicht sicher war, ob ich jemals wieder auf die Beine kommen würde. Ihr seid toll! Ich bin so glücklich, dass ich mit Euch noch kommunizieren darf!
Euch allen sei von ganzem Herzen gedankt!



Einleitung


Dies ist der Versuch einer Verarbeitung der Geschehnisse, die mich seit Oktober 2021 verfolgen und mein Leben, speziell mein Gefühlsleben, komplett umgekrempelt haben. Bei der Niederschrift und bei jedem Korrekturlesen schießt mir selbst immer wieder das Wasser in die Augen. Die Erlebnisse, die meine liebe Frau Doris und ich in den Zeiten der intensivmedizinischen Betreuung aus so unterschiedlicher Perspektive beschreiben, scheinen manchmal widersprüchlich zu sein, entsprechen aber unserer persönlichen Wahrnehmung und den Aufzeichnungen meiner Frau. Um einen objektiven Rahmen zu schaffen, habe ich die mir zugänglichen Fakten aus den Unterlagen der Kardiologischen Klinik ergänzend eingefügt.
Ich möchte nicht als „Klugscheißer“ verstanden werden, wenn ich auf Erlerntes, Erfahrungen, Gelesenes und Beobachtungen aus über 35 Jahren Berufspraxis zurückgreife, die mein Leben und meine Wahrnehmung geprägt und beeinflusst haben. Allerdings glaube ich, dass Mitmenschen mit unterschiedlichsten Hintergründen etwas mit dieser Niederschrift anfangen können und daraus Anregungen, Hoffnung und Erfolgsorientierung mitnehmen. Ich würde mir wünschen, dass an entsprechenden Stellen ein Umdenken und eine Neuorientierung stattfinden, um ähnlich Betroffenen gleichartige Erfahrungen zu ersparen!
Die „Zeit der Dunkelheit“ bitte ich langsam und bewusst wirken zu lassen, um die einzelnen Gedanken, die mein Gehirn, als es wieder aus dem Koma zurück war, zermartert haben, wurden entsprechend Leerzeilen eingefügt. Es könnte sein, dass Sie ein paar Taschentücher benötigen werden!



Rück- und Ausblick


Hintergrund für das Schreiben dieses Büchleins war die Tatsache, und da klopfe ich auf Holz, dass es mir mittlerweile knapp ein Jahr nach meiner Operation so gut geht, dass ich es im Grunde kaum fassen kann. Was mir an Lebenszeit noch zur Verfügung steht, ich weiß es natürlich nicht! Meine Frau bat mich, meine aktuelle Situation im Vorfeld zu schildern, um nicht die geneigte Leserschaft durch Schilderung der Geschehnisse abzuschrecken, sondern auf eine Perspektive zu verweisen. Zur Beschreibung meiner momentanen Verfassung muss ich etwas weiter ausholen. Ich bin seit über 35 Jahren in der Physiotherapie tätig, anfänglich als Masseur und medizinischer Bademeister, auch in leitender Lehrtätigkeit, seit 1997 als Physiotherapeut, und ich betreibe Osteopathie seit über 20 Jahren, seit 1999 in eigener Praxis. Bereits im Jahr 2002 rutschte ich morgens um halb sechs über eine Stufe in unserem Haus. Die von mir selbst vor Ort und später röntgenologisch bestätigte Diagnose lautete Tibiaspiralfraktur, also ein Drehbruch des Schienbeinknochens, wegen meiner eigenen Einschätzung hatte ich keinen Versuch aufzustehen unternommen, also lagen alle Knochenfragmente an Ort und Stelle. Fünf Monate nach der Operation stellte sich eine Blutvergiftung heraus, die auf Eiter gelagerte Metallplatte wurde entfernt, sechs weitere Eingriffe mit Spülung und Antibiose folgten und nach vier weiteren Monaten war mein Schienbeinknochen trotz wöchentlich zweier Nachbehandlungstermine immer noch ohne Hautüberzug, es verblieb eine spindelförmige Öffnung von etwa zwölf Zentimeter Länge. Ich nahm die Behandlung selbst in die Hand und nach zwei Umschlägen mit desinfizierendem Teebaumöl und zweimaliger Honigauflage ist die Wunde seitdem verschlossen. Es verblieb eine hässliche eingezogene Narbe, aber immerhin besser, als keinen Unterschenkel mehr zu haben! Heute würde ich das nicht mehr operieren lassen, aber in jenen Tagen hatte ich noch mehr Vertrauen in ärztlich verordnete Maßnahmen.
Mein gesundheitlicher Zustand in den letzten Jahren verschlechterte sich zunehmend, ein großes Arbeitspensum und die Unfähigkeit, nein zu sagen, prägten mein Berufsleben. Mit der Zeit nahmen allgemeine Lustlosigkeit, Nachlassen der Kreativität, Antriebslosigkeit und bleierne Müdigkeit immer mehr zu. Zwar hatte ich grundsätzlich noch Freude an der Arbeit, aber insgeheim wünschte ich mir ein halbes oder dreiviertel Sabbatjahr, um in Büro, Haus und Garten dringend anstehende Arbeiten planvoll erledigen zu können. Von Familienleben wollen wir hier nicht sprechen! Unsere wohlgeratenen Kinder Jan-Philip, Johanna und Frederik können ein Lied davon singen, dass der Papa teilweise von 7 bis 22 Uhr in der Praxis arbeitete, die Nächte mit Büroarbeit verbrachte und nur am Wochenende für den einen oder anderen Familienausflug zur Verfügung stand. Diese Beobachtungen mögen wohl der Grund dafür sein, dass keines meiner Kinder beruflich in meine Fußstapfen getreten ist. Ein zweiwöchiger Urlaub pro Jahr und unzählige Wochenenden mit anspruchsvollem Fortbildungsprogramm ohne Freizeitausgleich waren die Normalität. Zeit fürs notwendige Lernen für zum Beispiel das Examen in der Osteopathie war nicht vorhanden. Außerdem stand und steht ein schon zehn Jahre altes alternatives Rückenschulkonzept kurz vor der Fertigstellung. Inzwischen wird es durch ein Beckenstabilisationsprogramm ergänzt, das mir wegen schmerzhafter Eigenerfahrung nun besonders am Herzen liegt. Aber durch chronischen Personalmangel und das irrige Gefühl, in der Praxis unentbehrlich zu sein, schlitterte ich auf ein, den Begriff verwende ich nur ungern, Burnout-Syndrom zu. Wahrscheinlich war ich schon jahrelang davon betroffen, aber ich habe den Absprung einfach nicht geschafft, konnte aus der Tretmühle nicht entkommen, weil ich mich gar nicht mehr richtig einzuschätzen verstand. Ich würde mir sehr wünschen, vielen Menschen ähnliche Erfahrungen ersparen zu können!

Der Erreger, der mein Herz befiel, stammt wahrscheinlich aus dem Mundraum, aber ich wüsste nicht, bei welcher Gelegenheit er in die Blutbahn hätte gelangen sollen. Chronische bleierne Müdigkeit machte mir schwer zu schaffen, aber auch die Schilddrüse war unauffällig. Sobald ich ohne Aufgabe oder Ansprache saß, schlief ich ein. Selbst im Stehen ertappte ich mich manchmal, ein paar Augenblicke weg gewesen zu sein. Längere Autofahrten überließ ich gerne meiner Frau, die in dieser Phase auch keinen Ausweg wusste, ebenso wenig wie der Hausarzt. Geschwollene Beine und beständige Unterschenkelentzündungen plagten mich außerdem.
Ärztliche Einschätzungen und Maßnahmen enttäuschen mich schon lange, haben mir schon in der Vergangenheit ordentlich körperlichen Schaden zugefügt und etliche medizinische Paradigmen halte ich nach eigenen Erfahrungen und kritischen Beobachtungen mittlerweile für ausgemachten Unfug, nicht logisch, der Physiologie widersprechend, auf Annahmen basierend, seit Generationen unreflektiert gelehrt und gelernt und an Körperverletzung grenzend, aber dieses Thema würde allein ein Buch füllen!
Nachdem ich eine Erklärung für meinen Zustand gesucht hatte, wobei mir mein seinerzeitiger Hausarzt nicht wirklich hilfreich war, nahm ich Kontakt zu einem Kardiologen auf, von dessen Engagement für seine Patienten mir von mehreren Seiten berichtet worden war. Anfang des Jahres wurde ich per Herzkatheter untersucht, wobei sich keine Engstellen der Herzkranzgefäße feststellen ließen, auch waren keine bedenklichen Ablagerungen zu erkennen. Bei dieser Gelegenheit wurden auch Proben aus dem Herzmuskel entnommen, weil eine seltene Stoffwechselerkrankung möglich schien, aber keine Bestätigung erfolgte. Fragen Sie mich nicht, was meine private Krankenversicherung dafür erstatten musste! Ich sollte eine umfangreiche Medikation zu mir nehmen, die definitiv nichts an meinem Zustand änderte, also setzte ich sie nach einem Vierteljahr ab, auch keine Veränderung! Pfingsten erhielt ich meine zweite Impfung gegen Covid-19, was mich aus der Bahn warf und zwei Wochen ans Bett fesselte. Wie mit angezogener Handbremse ging es weiter. Wahrscheinlich wäre es sinnvoll gewesen, die Impffolgen ärztlicherseits dokumentieren zu lassen, aber rückwirkend geht das jetzt nicht mehr. Mitte des Jahres bekam ich ein Zahnimplantat eingesetzt, mit antibiotischer Begleitung, um eine Infektion zu verhindern. Gegen Herbst allerdings verschlimmerte sich mein Zustand dermaßen, dass mich meine Frau aus dem Verkehr zog. Mein derzeitiger Hausarzt, zu dessen Praxis ich mich zwei Tage vor dem Zusammenbruch nur mit Mühe die Eingangsstufen hochhangeln konnte, verschrieb mir ein Nasenspray und einen Inhalator, um mögliche Erreger in den Nasennebenhöhlen zu töten! Das half mir natürlich nicht gegen die Erschöpftheit! An die folgenden Tage habe ich eine nur vage Erinnerung. Am Tag meiner Einweisung erinnere ich mich an einen Kollaps auf der Treppe im Haus und den Anruf meiner Frau, um einen Krankentransport zu bestellen. An diesem Tag war eine Urlaubsfahrt an die Ostsee geplant, meine liebe Frau hatte bereits das Auto bepackt, im Rückblick wäre ich wahrscheinlich bereits auf der Fahrt gestorben.

Mittlerweile bin ich wieder im Arbeitsleben angekommen. Ich arbeite nur noch vier Tage in der Woche und konnte die chronische Müdigkeit deutlich reduzieren.
Ich habe sogar das Gefühl, mir geht es besser als noch vor Jahren. Somit sind die Schilderungen im Kapitel „Zeit der Neuorientierung“ fast schon wieder überholt! Den verordneten Beta-Blocker, der mein Herz schonen sollte, habe ich nach Rücksprache abgesetzt und seither gehört das Schwindelgefühl beim Aufstehen der Vergangenheit an und das bei akzeptablen Blutdruckwerten; außerdem wurde dadurch die lästige Entwässerungsmaßnahme hinfällig. Ein Segen! So lässt sich wieder genussvoll das Leben leben! Ich habe eine halbwegs brauchbare Kondition, meine Kreativität ist zurück und ich arbeite an einer gesunden Work-Life-Balance! Zwar kämpfe ich immer noch mit einer Reihe von Handicaps, aber ich will alle in einer ähnlichen Situation befindlichen Menschen ermutigen zu kämpfen, es lohnt sich!



Der lange Weg zurück!
Erinnerungen der Ehefrau Doris


1. Teil

Nach einer langen Zeit der Erschöpfung, Abgeschlagenheit und Perspektivlosigkeit nimmt das Drama am 12.10.21 seinen Lauf. Holger kommt früher von der Praxis nach Hause, weil er total erschöpft ist und Schüttelfrost hat. Elf Tage verbringt er hier, schläft extrem viel, hat auch mal wache Momente, aber eher wenige. Er kann sich schwer bewegen, sein Becken und sein Rücken schmerzen.
Am Donnerstag, dem 21.10.21, bringe ich Holger zum Hausarzt. Er schleppt sich die vier Stufen zur Praxis mühevoll hoch. Andere wartende Patienten schauen ihn an, als ob er betrunken wäre. Diagnose? Fehlanzeige! Der Arzt verschreibt ihm ein Nasenspray und einen Inhalator.
Urlaub ist geplant, wir wollen an die Ostsee, mal das Hirn durchpusten lassen. Spazieren gehen, was anderes sehen und hören. Ich habe die Koffer gepackt, im Auto verstaut, Ad-Blue nachgefüllt, vollgetankt – alles bereit. Holger badet noch, will unbedingt mit, ich soll Krücken mit einpacken, da er sich kaum alleine aufrecht halten kann. Als er aus der Wanne kommt und die Treppe herunterläuft, klappt er dort zusammen. Mit Ricky beratschlage ich, was wir machen sollen und auch verantworten können. Ricky ist in solchen Momenten immer recht besonnen und kopfgesteuert – zum Glück!
Zuerst probiere ich es über den Bereitschaftsdienst – aber kein Durchkommen. Also dann doch die 112. Habe fast ein schlechtes Gewissen, ob es denn tatsächlich schlimm genug ist, um den Dienst in Anspruch zu nehmen.
Ich sage den Urlaub ab! Natürlich keine Versicherung abgeschlossen. Ganz toll!
Der Rettungswagen fährt vor. Ich berichte von den Symptomen – auch, dass er schon Sensibilitätsausfälle auf der linken Seite hat. Holger ist relativ gut ansprechbar. Er kann noch vor der Haustüre alleine auf die Liege steigen. Der Arzt erklärt mir, beim nächsten Mal könne ich ruhig früher anrufen. Also höchste Eisenbahn! Wie ist meine Wahrnehmung, irgendetwas in Anspruch zu nehmen?! Im Rettungswagen werden schon die ersten Untersuchungen durchgeführt. Der Wagen steht mindestens noch 15 bis 20 Minuten vor unserem Haus. Sie bringen Holger ins Kulmbacher Klinikum. Dort landet er sofort auf der Intensivstation.
Der erste Verdacht lautet: Endokarditis (Herzmuskelentzündung) oder eine Sepsis (Blutvergiftung).
Sonntag besuche ich Holger auf der Intensivstation. Er beschwert sich über eine Ärztin, die wohl recht grob irgendeinen Zugang gelegt hat. Er mault rum, dass er lieber nach Hause will oder wenigstens eine rauchen. Die Schwester gehört nicht zur freundlichsten Gattung, aber sie besorgt ein Nikotinpflaster und informiert den behandelnden Arzt, dass Holger etwas zur Beruhigung braucht, damit es ihm, wie der Arzt so schön sagt, im Klinikum besser gefällt.

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