Grünlandbetonte Milchviehhaltung

Grünlandbetonte Milchviehhaltung

Veredelung des Grünlandes über Wiederkäuer zu vollwertigen Nahrungsmitteln

Dr. agr. Karl-Heinz Neuner und Dr. agr. Siegfried Kalchreuter


EUR 31,90

Format: 17,5 x 24,5 cm
Seitenanzahl: 476
ISBN: 978-3-99131-997-9
Erscheinungsdatum: 19.09.2023
Wer die Zusammenhänge der grünlandbetonten Milchviehhaltung verstehen und ein ganzheitliches Denken in diesem Betriebszweig umsetzen will, wird in diesem Buch fündig. Es zeigt auf, wie Grünlandmanagement, Futterbasis und Tiergesundheit optimiert werden können.
Einführung

Bekanntlich verehren Naturvölker ihre „Muttererde“ über alles, weil sie die Grundlage jeglichen Lebens bietet. Eine solche Wertschätzung sowie der Umgang mit und in der Schöpfung drückte der römische Staatsmann Cicero (106–43 v. Chr.) mit folgenden Worte aus: „Nichts ist besser als die Landwirtschaft, nichts ergiebiger, nichts angenehmer, nichts eines freien Mannes würdiger.“ Von Josef von Utzschneider (Bürgermeister von München 1818–1821) ist folgendes Zitat bekannt: „Bayerns größter Reichtum … liegt in seinem Grund und Boden. Die Kultur und verständige Bearbeitung ist die Hauptaufgabe der bayerischen Nation.“ Solche tiefe Verehrung symbolisiert die Prägung der 50-Pfennig-Münze der einstigen DM-Währung, auf der eine Frau auf dem Boden kniend liebevoll ein Bäumchen einpflanzt (Abb. 1).
Vor Millionen von Jahren wurde die Erdoberfläche infolge von Vulkanausbrüchen in verschiedenen Regionen mit wertvollen Mineralien bedeckt, die das Entstehen verschiedenster Pflanzen (Flora) ermöglichten, was wiederum Voraussetzung für die Tierwelt (Fauna), speziell für die Pflanzenfresser, war. Allerdings bestehen weltweit große Unterschiede in der Güte der Erdkruste, die sich bodenkundlich in einerseits fruchtbare Böden (z. B. Lößlehm, Schwarzerde) und andererseits in weniger fruchtbare Böden (Moränen-, Moor- und Sandgebiete), je nach Gesteinszusammensetzung, einteilen lässt mit entsprechenden Folgen für die jeweilige regionale Vegetation und Ernährung der Wildtiere.
Im Zuge der Evolution entwickelte sich der „Homo sapiens“, der sich zunächst mit pflanzlichen Nahrungsmitteln versorgte. Erst in der Mittelsteinzeit 10. bis 4. Jahrtausend vor der Zeitrechnung machte der Mensch Jagd auf Wildtiere, um sich ganzjährig vollwertiger zu ernähren. In dieser Zeit erfolgte die Haustierwerdung („Domestikation“), indem führendes Mutterwild erlegt und deren Jungen gezähmt wurden (Unterbringung, Füttern, Vermehren, Nutzung und Pflege). Die gezähmten Tiere boten den Menschen lebende Fleischvorräte. Alle Haustiere (Rind, Schwein, Huhn, Hund, Pferd) entstammen, worauf schon Aristoteles (384–322 v. Chr.) in seinem „Buch der Tiere“ hinwies, den Wildtierbeständen. Hierbei ist besonders die kulturhistorische Bedeutung des Rindes als Grünlandverwerter für die Ernährung des Menschen zu erwähnen. Dank seines Vormagensystems (siehe Bild 105 auf Seite 378) mit einer Vielzahl an Mikroben verschiedenster Zusammensetzung vermag der Wiederkäuer große Mengen Rauhfutter zu Milch und Fleisch verwerten und ist somit kein wesentlicher Nahrungskonkurrent zum Menschen im Gegensatz zum Schwein mit einhöhligem Magen, das in der Mast auf hochwertige Futtermittel angewiesen ist.
Die Haustierherden zwangen somit die Menschen zur Sesshaftigkeit in der Nähe von Waldgrenzen, an fischreichen Gewässern und Weideplätzen. Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass in manchen Regionen und Standorten die Menschen an Stoffwechselstörungen litten als Folge unzureichender bzw. fehlender Spurenelemente im Boden.
Grundsätzlich gilt: Was im Boden unzureichend oder nicht vorhanden ist, kann auch in der Pflanze nicht sein und folglich auch nicht in tierischen Nahrungsmitteln. So waren in sonnenarmen Alpentälern der Schweiz, in den Pyrenäen, in Skandinavien, Böhmen, Bayern und im Schwarzwald aufgrund von Jodmangel die Folgen von Schilddrüsenunterfunktion wie Zwergwuchs, mangelnde Geschlechtsentwicklung, geistige Schwäche bis zur völligen Idiotie und Vergrößerung der Schilddrüse (Kropfbildung) weit verbreitet. Natürlich litten auch die Nutztiere unter diesem Mangel und reagierten mit Leistungseinbußen verschiedenster Art.
Weitere Beispiele sollen deutlich machen, welchen Einfluss die Bodengüte auf Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Nutztieren hat. So ist auf Verwitterungsböden des Granits, den diluvialen Sanden und auf Moorstandorten der Gehalt an Spurenelementen wie Kupfer, Kobalt und Selen am schlechtesten und somit auch im Futter ungenügend vorhanden. Mangelerkrankungen sind weltweit verbreitet. Betroffene Rinder magern ab, sind in einem schlechten Zustand, bleiben im Wuchs zurück mit gestörter Fruchtbarkeit.
In einem tierärztlichen Lehrbuch zur Mineralstoffversorgung des Rindes ist folgender Satz zu lesen: „Früher war eine Besserung der Mangelerscheinungen nur durch Verstellen der kranken Tiere in gesunde Gehöfte möglich“ (Rosenberger, 1978). So kam beispielsweise das Blutharnen oder die Stallrot (Hämaturia vesicalis bovis) vorwiegend in Milchviehbetrieben im Erzgebirge und im Schwarzwald auf phosphorarmen Gneisverwitterungsböden in 400 bis 600 m Höhe vor. Die Ursache war minderwertiges, saures und phosphatarmes Futter. So erwies sich der Phosphatgehalt von Boden und Futter als einziger Unterschied zwischen „gesunden“ und „kranken“ Höfen. Im Volksmund hießen diese kranken Höfe „Rothöfe“. Beim Wiederkäuer Schaf ist seit über 100 Jahren die sog. Heidemoorkrankheit mit Koordinationsstörungen bekannt.
Nicht zu unterschätzen sind die gesundheitlichen Auswirkungen des weltweiten Selen-Mangels, wovon rund eine Milliarde Menschen betroffen sind. Analog zu Jod sind es überwiegend die meeresfernen Regionen. Selenarme Böden in Europa gibt es in Deutschland (vor allem in Südbayern/Alpenvorland und im Allgäu), in den Balkanstaaten, Indien und China. Der Süden Südamerikas sowie der Südwesten der USA sind nicht minder betroffen. Da es pflanzenbaulich nicht ertragsrelevant ist, wurde es durch Jahrhunderte langes Ernten dem Boden entzogen, aber nicht entsprechend zugeführt. Selen ist Bestandteil zahlreicher Schutzsysteme, bedingt eine effektivere Antikörperbildung, macht Körperzellen stabiler und wirkt Entzündungen entgegen (s. Kap. Spurenelemente 3.2.1).
Mit der besseren Nahrungsversorgung (pflanzliches und tierisches Eiweiß) wuchs die Bevölkerung und das Durchschnittsalter nahm zu. Aus Einödhöfen entstanden Dörfer und Siedlungen sowie Städte. Aus einer Dreifelderwirtschaft, bei der im Wechsel jährlich ein Drittel der bewirtschafteten Fläche „ruhen“ durfte (Winter-, Sommergetreide, Brache) wurden durch intensive Nutzung die landwirtschaftlichen Böden zur Ernährungssicherung der wachsenden Bevölkerung „ausgelaugt“. Allerdings nahm die Bevölkerung schneller zu als der Bedarf an Nahrungsmitteln, sodass regional Hungersnöte zu beklagen waren. So sanken Ende des 18. Jahrhunderts in Europa die Felderträge infolge Nährstoffmangel (insbesondere P-Mangel). Die Engländer begannen deshalb, menschliche Skelette wegen ihres Gehaltes an Calciumphosphat zu Knochenmehl zu vermahlen und als Dünger zu nutzen. Die Gebeine stammten aus großstädtischen Friedhöfen oder später verstärkt aus den Knochen gefallener Soldaten (z. B. der Völkerschlacht bei Leipzig von 1813). „Wahrlich, wenn diese Böden schreien könnten wie eine Kuh oder ein Pferd, denen man ein Maximum an Milch oder Arbeit mit geringstem Aufwand an Futter abquälen wollte, für diese Landwirte würde die Erde schlimmer als die Dantesche Hölle sein“ (Justus von Liebig, 1803–1873). Erst mit der Einführung von Mineraldünger und Pflanzenschutzmittel sowie dank kontinuierlicher Züchtung im Pflanzenbau und bei den Nutztieren stiegen die Erträge. Somit konnten Hungersnöte vorübergehend abgewendet werden.


Unaufhaltsames Wachstum der Weltbevölkerung

Trotz Kriege und Seuchen wuchs die Weltbevölkerung, sodass regional wertvolle Flächen (fruchtbare Böden) dem Entstehen gigantischer Großstädte geopfert wurden („Flächenfraß“) und noch werden („Urbanisierung“). Für den Großstadtmenschen, der tagtäglich nichts anderes zu sehen bekommt als Asphalt, Wohnblöcke und Blechlawinen, erfüllt der Boden im Wesentlichen nur infrastrukturelle Funktionen. Während der Schutz von Wasser, Luft und Klima der Gesellschaft wichtig ist, wurde anscheinend die Bedeutung des Bodens mit seiner funktionalen Biodiversität von der Politik bislang nicht entsprechend nachhaltig berücksichtigt.
Die notwendige Züchtung ertragreicherer Getreidesorten bzw. die häufigere Schnittnutzung des Grünlandes zur Futterversorgung der Rinder verursachte jedoch eine merkliche Abnahme der Gehalte an Spurenelementen je Gewichtseinheit.
Auch in der Rinderzucht war man gezwungen, beste Genetik einzusetzen, um die Leistungen zu erhöhen. Betrug die Milchleistung je Kuh und Jahr vor rund 100 Jahren etwa 2500 Liter, so hat sie sich inzwischen fast vervierfacht und Leistungsgrenzen sind noch nicht in Sicht. Der infolge gestiegener Milchleistung erforderliche höhere Nährstoff- und Mineralstoffbedarf, der allein aus dem Grundfutter nicht mehr zu decken war, musste über Kraftfutter (hofeigen, meist zugekauft) ergänzt werden. Wog eine Kuh im Mittelalter durchschnittlich 350 kg, so hat sich ihr Gewicht inzwischen verdoppelt. Den züchterisch fest verankerten Bedarf an Mineralien für Wachstum (Skelett) und Fleischbildung, insbesondere jedoch für den Output über die Milchleistung, gilt es auch unter dem ökonomischen Gesichtspunkt einer langen Nutzungsdauer in der Produktionstechnik mittels Mineralfutterergänzung zu berücksichtigen, denn „Boden und Düngung machen das Tier“ (Voisin, 1959). Dieser Grundsatz für die Nachhaltigkeit in der tierischen Veredlung wurde schon vor Jahrzehnten formuliert und praktiziert:
Was nicht im Boden bzw. für die Nutzpflanze verfügbar ist, steht folglich für die Fütterung der Nutztiere nicht zur Verfügung mit allen Konsequenzen für die Ernährung der Menschen.
Für den Landwirt ist der Boden nicht nur Standort im Sinne von Flächen- und Ausgleichszahlungen, sondern Grundlage eines verantwortungsvollen Wirtschaftens für die Tiergesundheit mit möglichst langer Nutzungsdauer in Verbindung mit der Erzeugung gesunder Nahrungsmittel.


Die Verantwortung des Menschen

Das bedeutet ganzheitliches Denken und gegenseitige Achtung. Als negatives Beispiel ist im vergangenen Jahrhundert der Missbrauch der Mutter Erde durch amerikanische Farmer zu sehen, die Böden „ausgelaugt“ hatten und anschließend mit der gleichen Absicht weiter in andere Regionen gezogen sind. Als negativ muss auch eine einseitige Düngung des Grünlandes mit Stickstoff zum Zwecke höchster Massenerträge gesehen werden, wenn dadurch der Wiederkäuer verdauungsphysiologisch ein Problem mit gesundheitlichen Folgen hat (siehe Kapitel Eiweißstoffwechsel 3.4.1).
Die vorweg angedeuteten Beispiele sollen erahnen lassen, wie notwendig Anstrengungen sind, um dauerhaft die Harmonie zwischen Boden, Pflanze, Tier und Mensch (vollwertige Nahrungsmittel) unter Berücksichtigung von Ökonomie und Ökologie sowie der sozialen Komponente zu gewährleisten. Leider wird die Landwirtschaft immer wieder von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen kritisiert. Die Landwirte verdienten eigentlich viel mehr Anerkennung und Respekt für ihre alltäglichen Leistungen, die sie im Stall oder auf dem Feld bzw. auf Wiesen und Weiden erbringen, und dies mit einer 7-Tage-Woche und in der Regel ohne Urlaub. Dank ihrer Wirtschaftsweise erhalten sie letztlich eine naturnahe und vielseitige Landschaft zum Wohle der Menschen. Leider müssen auch in Zukunft nicht wenige landwirtschaftliche Betriebe aus ökonomischen Gründen um ihre Existenz bangen.
Der biblische Auftrag an die Menschen „Machet euch die Erde untertan“ (Gen. 1, 28) wäre falsch interpretiert, wenn der Mensch egoistisch und respektlos aus Habgier und Leidenschaft die Schöpfung missbrauchen würde. Dann träfe das Wort des Reformators Philipp Melanchton (1497–1560) zu: „Ein Mensch, der ohne Bildung lebt und handelt, rennt wie ein Schwein in die Rosen.“ Vielmehr sollte er sich von der Weisheit des römischen Philosophen und Staatsmannes Seneca (4 v.Chr.–65 n.Chr.) leiten lassen: „Was auch immer du tust, mache es klug, bedenke aber das Ende.“ Denn: „Früher oder später, aber gewiss immer, wird sich die Natur an allem Tun der Menschen rächen, was wider sie ist“ (Pestalozzi, 1746–1827). Dies betrifft auch den Umgang mit der Gruppe der „Seltenen Erden“ wie zum Beispiel Kupfer, Kobalt und Nickel seit den globalisierungs- und rationalisierungswütigen 90er-Jahren, da sie quer durch alle Branchen gebraucht werden. Ob es E-Autos, Satelliten, Chips oder Windräder sind; es gibt inzwischen kein Produkt in der technisierten Gesellschaft, das ohne diese Spurenelemente auskommt. Einschlägiger Bedarf für überwiegend unnötige Luxusgüter steht im Zeichen weltweiter Abnahme von Bodenvorräten. Historisch wäre es keineswegs neu, wenn Staaten die Kontrolle über derartige Rohstoffe als Waffe nutzten, womöglich in Konkurrenz mit der Ernährungssicherheit der eigenen Bevölkerung.
Den Menschen als letztes Glied in dieser Schöpfungskette kommt also die existenzielle Verantwortung zu, durch ganzheitliches Denken und verantwortliches Handeln die Wechselwirkungen der genannten Beziehungsgrößen gewissenhaft und demütig in Harmonie zu halten. Hierbei ist auch die Legislative durch entsprechende Maßnahmen gefordert. Von Otto von Bismarck (1815–1898), Gründer des Deutschen Reiches (1871), ist folgendes Zitat bekannt: „Wenn die Landwirtschaft nicht besteht, kann auch der Staat nicht bestehen.“ Selbstherrlichkeit und Egoismus sind fehl am Platz. Ständiges Reflektieren und Korrigieren mit offenen Augen und Verstand sind überlebensnotwendig. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von spezialisierten, fachorientierten Institutionen und Organisationen in den Bereichen der Landwirtschaft, Ernährung und Medizin muss als selbstverständlich erwartet werden und ist unabdingbar. Dazu sind gesundheitliche Aspekte in den einzelnen Kapiteln berücksichtigt. Der Weltbevölkerung sollte aber auch klar sein, dass in nicht wenigen Teilen der Erde ein Überleben sehr schwierig, um nicht zu sagen, unmöglich ist.


Wozu brauchen wir die Milchkuh?

Diese Frage stellt sich zu Recht. Aber sie neigt auch zur Provokation und erfordert daher eine provokative Antwort. Um den Erhalt der über 100 Jahre gewachsenen Kulturlandschaft mit Grünland zu gewährleisten, was ja auch in der Gesellschaft sehr hohe Priorität genießt, müssen konkrete Lösungsansätze und Zielvorgaben her, deren Umsetzung unbedingt realistisch sind. Viele davon sind es eben leider nicht.
Die Verwertung von Grünlandaufwüchsen z. B. ohne den Wiederkäuer bzw. den Raufutterfresser ist sicherlich nicht realistisch. Dieser teilweise längst schon im relativ kleinen Stil praktizierte Weg (z. B. über Biogassubstrat und im NonFood-Bereich) würde im äußersten Extremfall in der reinen Schnittnutzung münden, überwiegend mit intensiver Bewirtschaftungsweise. Entscheidend aber ist, dass unwegsames Gelände davon sowieso ausgeschlossen wäre (Müller, 2023).
Die Idee, Milchkühe und Rinder bei uns langfristig einfach abzuschaffen, weil sie klimaschädliches Methan in die Umwelt freisetzen, ist ebenfalls unrealistisch und zudem kurzsichtig (siehe dazu auch Kap. 3.4.2). Wie soll denn nur der Erhalt unserer Kulturlandschaft ohne die Wiederkäuer und Raufutterfresser gelingen? Dazu gehören übrigens auch Schafe und Ziegen. De facto setzen Wiederkäuer und natürlich auch unsere Milchkühe bzw. Rinder Methan frei. Zudem ist Methan als „Klimakiller“ noch viel schädlicher einzustufen als das Kohlendioxid (CO2). Methan macht gut 10 % aller klimaschädlichen Treibhausgase aus. Die Viehhaltung ist daran maßgeblich mit mehr als der Hälfte beteiligt.
Doch Methan stoßen auch alle Gazellen, Elefanten, Giraffen, so gesehen eben alle Pflanzenfresser unter den Säugetieren dieser Erde aus, weil sie eben auch Wiederkäuer sind. Darüber spricht man aber nicht. In der EU liegt der aktuelle Rinderbestand bei rund 75 Mio., davon sind etwa 20 Mio. Milchkühe. Allein in Indien dagegen gibt es weit über 300 Mio. Rinder. Tendenz steigend. Wo bleibt da der Aufschrei? Weltweit sind es sogar etwa 1,6 Mrd. Rinder und Büffel. Gibt es darüber massive Empörung? „Rinder und Kühe als Klimakiller“: Dieses meist in ideologischen Kreisen benutzte Totschlagargument gegen das heimische Zuchtrind bzw. die Milchkuh entbehrt sozusagen jeder reellen Grundlage. Kleine Stellschrauben sind ja durchaus sinnvoll. Doch weder wir Deutsche alleine noch ganz Europa zusammen könnten damit die Welt retten, d. h. den weltweiten Klimawandel verhindern, indem wir bei uns die Milchkuh bzw. die Rinder abschaffen würden.
Unsere Gesellschaft möchte im Freien allerdings lieber auch mal weidende Kühe oder andere Wiederkäuer sehen. Darin liegt doch der moderne, aktuelle Trend in der Viehhaltung. Reine Weidehaltung würde in trockenen Landstrichen zu deutlich mehr Extensivgrünland führen; dort jedoch, wo Grünland genügend Wasser hat, auch intensiv geführt werden. Grünlandbewirtschaftung muss auch Rentabilität in diesem Betriebszweig garantieren. Die Gesellschaft ist nicht immer bereit, ihren verantwortungsvollen Beitrag dazu zu leisten. Natürlich können andere Wiederkäuer neben dem Rind diese Funktion auch übernehmen, wenngleich sicherlich nicht in diesem Umfang. Sobald jedoch das Argument mit Methan ins Spiel kommt, ist das Rind bzw. die Milchkuh keineswegs schlechter zu beurteilen als jede andere GVE einer alternativen Wiederkäuerart. Mehr Extensivierung und Artenvielfalt wären zwar die Folge, aber klimaneutral kann sicherlich kein Wiederkäuer sein.
Getreu dem Motto: Wenn mal das eine Argument nicht zieht, habe ich noch ein besseres in petto. Es geht um die Verträglichkeit von Milch und Milchprodukten.
Sicherlich ist richtig, dass Lactose-Intoleranz weltweit stark verbreitet ist, vor allem auf der Südhalbkugel, nicht dagegen so sehr in Eurasien und Nordamerika (siehe dazu Anhang 8). Unter dieser Zusammenfassung und über Links findet die Leserschaft noch sehr viel mehr über Milch und deren Produkte, was zu einer eigenen Meinung führen darf. Für die Autoren indes steht fest, und dies nicht nur aufgrund der dort nachzulesenden Informationen, dass die Milch von Kuh und auch anderen milcherzeugenden Nutztieren nach wie vor ein qualitativ hochwertiges Lebensmittel ist.
Sicherlich darf man aber nicht verschweigen, dass in Zentral- und Nordeuropa, also dem Gebiet mit der geringsten Lactose-Intoleranz unter der Bevölkerung, etliche Millionen Menschen mehr oder minder stark davon betroffen sind (nach breit angelegten Internet-Recherchen der Autoren schätzungsweise 5-10 Mio., das entspricht 1-2 % der Gesamtbevölkerung in dieser Weltregion. Das ist eine klare Minderheit. Indes sind auf diesem Kontinent immerhin etwa 500 Millionen Menschen nicht von der Lactose-Intoleranz geplagt. Für diejenigen kann Milch durchaus ein sehr wertvolles Nahrungsmittel darstellen. Weshalb also sollte sich eine so deutliche Mehrheit beugen? Ebenso voll berechtigt ist unter diesen Voraussetzungen nun selbstverständlich auch die Erzeugung von Kuhmilch für diesen Bevölkerungsanteil, und sogar weit darüber hinaus, an alle Menschen der Welt, die Kuhmilch, Milchprodukte und Magermilchpulver vertragen. Im Übrigen findet Milchviehhaltung nicht nur hierzulande oder in Mitteleuropa statt, sondern z. B. in den USA und Russland, aber dort meist noch viel intensiver als bei uns in Deutschland.
Wer Kuhmilch oder Milchprodukte, egal welcher Wiederkäuerart, nicht verträgt oder aus ideologischen Gründen ablehnt, hat heutzutage viele Möglichkeiten an Ersatzprodukten (z. B. Kokusmilch, Hafermilch). Sogar künstliche Milch gibt es schon. Sie hat den anspruchsvollen Namen Kulturmilch. Die Molkereien sind auf dem Gebiet zudem sehr innovativ, indem sie Trinkmilch und Milchprodukte aus lactosefreier Milch auf den Markt bringen. In solchen Produkten übernimmt ein vorher zugeführtes Enzym namens Lactase die Spaltung des Milchzuckers in Glucose und Galaktose, sodass die Lactose-Intoleranz des Menschen keine Rolle mehr spielt. Nur diese Milch ist etwas süßlicher, da Glucose viel süßer ist als Lactose. Allerdings ist der Rohstoff auch hier die Kuhmilch. Auch die mittlerweile „berühmt“ gewordene und – da sie so gesund ist – sehr begehrte Heumilch nichts anders als Kuhmilch.
Ein weiteres Totschlagargument gegen die Milch, das von Milchgegnern derzeit im Zusammenhang mit angeblichen Gesundheitsbeschwerden wie z. B. Krebs, Diabetes, Herz- und Kreislauf, ständig benutzt wird, ist in seinen Details ziemlich konfus und weitgehend unbewiesen (siehe Anlage 8). Was wäre bloß mit den vielen Menschen passiert, die vor vielen Jahrzehnten, manchmal notgedrungen, Milch in deutlich größeren Mengen konsumiert haben als das heute der Fall ist. Für sie waren Kuhmilch und Milchprodukte wertvolle Standard-Lebensmittel. Im Leben des einen Autors gab es ein Schlüsselerlebnis zur Milch. Er leidet öfter mal an Sodbrennen. Der Tipp der Schulmediziner hieß: „Da hilft ein Glas Milch“. Es ist tatsächlich wahr.
Der fachliche Teil des vorliegenden Buches ist insofern auch ein klares Plädoyer der Autoren für die Milchkuh und das Grünland.




Kapitel I
Boden

Mit dem Fokus auf die Grünlandböden und schwerpunktmäßig aus bayerischer bzw. süddeutscher Sicht

1.1 Der Boden als bioexistentielle Grundlage

Der Boden bietet die Grundlage jeglicher Landbewirtschaftung. Die Erdkruste (Boden) liefert im Allgemeinen die Voraussetzung für das Pflanzenwachstum und somit für die Ernährung von Tier und Mensch. Seit dem 18. Jahrhundert ist bekannt, dass Mineralstoffe notwendig sind für die Pflanzenernährung. Es ist für 16 Elemente oder auch Nährstoffe eindeutig nachgewiesen, dass sie für das Pflanzenwachstum essentiell sind (LAD, 2017). Weitere acht Elemente sind es, die für das Pflanzenwachstum Begleitnährstoffe darstellen, aber teilweise für die tierische und menschliche Ernährung essentiell sind, zum Beispiel Selen oder Jod. Summa summarum sprechen wir somit von 24 Mineralstoffen, die uns in der Ernährung beschäftigen. Manche sprechen auch von 31 solchen Elementen, wobei die Bedeutung mancher Elemente wie z. B. Arsen, Vanadium, Zinn, Nickel und Chrom für die Ernährung umstritten ist (Hoffmann, 2021; Kirchgeßner 1987). Sie bleiben hier unberücksichtigt. Wir unterteilen in Haupt- oder Makronährstoffe (N, P, K, Mg, S, Ca) sowie in Spuren- oder Mikronährstoffe. Darunter fallen hauptsächlich Fe, Mn, Zn, Cu und Bor.
Eine aktive Flora und Fauna bauen die organische Substanz des Bodens und den Ton-Humuskomplex nachhaltig auf. Daher muss sich unser Hauptaugenmerk bei der Bewirtschaftung bzw. der Bodennutzung einerseits auf die Beschaffenheit und andererseits auf die Entwicklung der Böden durch pflanzensoziologisch orientierten Anbau und Pflege richten.
Erfolgreicher Pflanzenbau ist nur möglich, wenn den Pflanzen während der gesamten Vegetationszeit eine optimale Nährstoffversorgung angeboten wird. Ein exakt gesteuertes Stickstoffangebot und ein ständig ausreichender Vorrat an Grund- und Spurennährstoffen auf der Basis einer optimalen Kalkversorgung sind Grundvoraussetzung dafür, dass auch moderne Sorten, z. B. von wertvollen Futtergräsern oder Weißklee, ihr hohes Leistungspotential voll ausschöpfen können. Die Düngung muss hier zunehmend mit dem heute teils rasanten Züchtungs- und Technologiefortschritt mithalten (Hartmann, 2014).
Der Gießener Agrikulturchemiker Professor Konrad Mengel hat das anschaulich definiert: „Für Hochleistungssorten muss immer das Prinzip vom vollen Tisch gelten.“ Dabei lassen sich ökonomische und ökologische Aspekte durchaus in Einklang bringen. Was hier für die Neuzüchtungen auf pflanzenbaulicher Ebene gefordert wird, trifft natürlich ebenso zu für hochgezüchtetes Tiermaterial, z. B. bei der Hochleistungskuh, der 10 000-Liter-Kuh (Lebensleistung 100 000 l).


1.1.1 Ertragsfähigkeit von Böden

Ganz allgemein ist die Ertragsfähigkeit unserer Böden von einer Vielzahl von Einflüssen inklusive ihrer Wechselwirkungen abhängig (siehe auch Abbildung 1.15), von denen nachstehend die wichtigsten genannt sind (Übersicht 1.1):

Geologisches Ausgangsgestein
Bodenart
Anteil der organischen Substanz und von Humus
Bodengefüge oder Bodenstruktur
Porenvolumen, Wasserbindungs- und Wasserleitfähigkeit
Bodenmilieu, pH-Wert und Pufferkapazität
Bodenorganismen und biologische Aktivität, u. a. Regenwürmer
Wechselwirkungen zwischen Makro- und Mikronährstoffen
Pflanzenverfügbarkeit der Bodennährstoffe
Düngungs- und Nutzungsintensität
Klima- und Standortbedingungen
Bodengesundheit und Bodenfruchtbarkeit


1.1.1.1 Bodengesundheit und Bodenfruchtbarkeit

Unter Bodenfruchtbarkeit versteht man die natürliche Fähigkeit eines Bodens, Pflanzen zu ernähren. Nicht zu vergessen ist hierbei die vielfach unterschätzte Bedeutung aktiver Regenwürmer für die „Bodengesundheit“ (LfL). Einer Reihe von Untersuchungen zufolge produzieren Regenwürmer 40–100 t nährstoffreichen Kot pro Hektar und Jahr. Speziell auf die Weide bezogen produzieren etwa 3 t Regenwürmer bis zu 600 t Wurmkot pro Hektar und Jahr (Zürn, 1968). Zudem erleichtern Wurmgänge die Durchwurzelung der Pflanzen in tiefere Bodenschichten, wo sie das Gestein zersetzen und in Ton umwandeln.

5 Sterne
Deteiliert auf den Grund gekommen - 02.02.2024
sibylle Kreuter

Ich finde es grandios, wie viel recherschiert wurde, und das reale Wissen dargestellt offenbart wird, durch lückenlose aussagen der dem Realismuss im Einklang zutrifft. Der Landwirtschaft abgefordert viel zugemutet wird, welche real große Flächen und Tierhaltung haben ,angefochten zerstören wollendes ,antun! Laut diesem ,,Buch,, ist man mit Hausverstand sofort darin involviert, sich über diese Situation Gedanklich hinein zu versetzen. Um zu einem meinerseitigem Ergebniss meiner Gedanken hinzu zu geben: Die jegliche Massentierhaltung gehört (Gesetzlich)verboten, und das im Inland erzeugte Produkt, welch auch immer, von Tieren-Fleisch bis hin zum Obst Gemüse Kräuter soll im Inland bleiben, denn da Qualitätsansprüche und die Herstellung von Lebensmitteln sehr Hochwertig sind, sozusagen die Auflagen worunter oftmals die Erzeuger von Lebensmitteln ausgeliefert!!!! sind, oft schon an ihren Grenzen stehen. (Es wird immer Klimawandel geben, und es gab es schon immer)

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