Mystik der Sinne

Mystik der Sinne

Versuch einer Spurensuche nach einer geerdeten politischen Spiritualität

Ndubueze Fabian Mmagu


EUR 15,90
EUR 12,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 228
ISBN: 978-3-99131-218-5
Erscheinungsdatum: 28.03.2022
Wie wäre es um unsere Welt bestellt, wenn das Verbindende in Freiheit den Charakter der Verbindlichkeit erlangen würde? Die Frage nach dem alle Menschen dieses einen blauen Planeten Verbindenden ist dringend unerlässlich…
UTOPIE DER HOFFNUNG ODER „DER TRAGISCHE OPTIMISMUS“


Im Angesicht mehrfacher Bedrohungen in unserem 21. Jahrhundert mit dem Hintergrund einer Welt, die mit dem Fall der Berliner Mauer zu einem neuen hoffnungsvollen Bewusstsein einer wachsenden Solidarweltgemeinschaft erwacht war, befindet sich die Menschheitsfamilie wieder einmal in einer extrem beunruhigenden Situation nicht nur einer unübersichtlichen Gewaltspirale, sondern darüber hinaus einer neuen Realangst vor einer atomaren kriegerischen Auseinandersetzung. Allein schon der islamistische Terrorismus, der seit dem apokalyptischen Attentat auf das World Trade Center in New York mit den darauf folgenden Kriegen in Irak und Afghanistan viele Länder und Kulturen verwüstet und für den das Menschenleben seine Würde längst verloren hat, verweist uns beständig auf eine „gekränkte Weltgesellschaft“. Die Kränkung ist offensichtlich wie ein Pulverfass, das unberechenbar auf den Zeitpunkt einer tödlichen Explosion wartet. Für den Vorarlberger Psychiater, Neurologen, Psychotherapeuten und Gerichtsgutachter Reinhard Haller ist der Faktor „Kränkung“ nicht ohne Bedeutung bei der Analyse der Kriegsursachen. „Bei manchen Kriegen bleiben die Ursachen ein Rätsel. Die sonst üblichen Gründe wie Herrschaftsinteressen, Territorialansprüche, ethnisch-kulturelle Heterogenität, soziale Ungerechtigkeiten oder Machtkonkurrenz liefern keine stimmige Erklärung. In vielen Fällen wird man bei Demütigungen und Kränkungen fündig, die vielleicht nicht das ganze Drama verursacht, aber zumindest ausgelöst und den letzten Ausschlag gegeben haben.“ Deshalb wäre die Einbeziehung einer historischen Betrachtung beim Verständnis der um sich greifenden Kriege unseres 21. Jahrhunderts von besonderer Bedeutung für das gedeihliche Zusammenleben der Völker. Exemplarisch greift er die sogenannte „Ur-Katastrophe“, den Ersten Weltkrieg, auf: „Historiker können die Ursachen von Kriegen differenziert beurteilen. Kränkungen, besonders massenpsychologischer Natur, spielen aber innerhalb des komplexen Bedingungsgefüges eine bedeutende Rolle. So hat eine Stimmung aus geschichtlich gewachsener Rivalität, Eifersüchtelei, gegenseitigen Demütigungen, unausgesprochenen Drohungen und zum Teil irrealen Befürchtungen wesentlich zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs beigetragen.“ Vielleicht ist es überhaupt nicht unbedingt notwendig, eine lange Reise in die Vergangenheit zu unternehmen. Die Gegenwart ist bedrohlich genug und bringt uns das Fürchten bei! In seinem Buch Ethik der Hoffnung greift Jürgen Moltmann einen Aspekt dieser Bedrohung auf: „Die Gemeinschaft der modernen Gesellschaft zerfällt in Gewinner und Verlierer, ‚the winner takes it all‘ führt zu grenzenloser Lebensgier und unersättlichem Machthunger. ‚Geiz ist geil‘ und ‚Gier ist cool‘ wird schon den Jugendlichen gesagt, die sich Markenkleidung anschaffen sollen. Es sind nicht die Grundbedürfnisse des Lebens, um deren Befriedigung der Wettbewerb in modernen Gesellschaften geht, sondern es ist das soziale Prestige, die Anerkennung in der eigenen sozialen Klasse. Weil die moderne Existenzangst den Menschen sagt ‚Du bist nichts, du hast nichts – mach selbst was aus dir, sonst wirst du verachtet und gewinnst kein Ansehen‘, entstehen die sozialen Kämpfe. Jeder konkurriert mit jedem, es ist ein Streit aller mit allen.“
Gerade mit den obigen Hintergründen lässt sich die Frage in ihrer Dringlichkeit stellen: Gibt es eine glaubwürdige Grundlage für eine ebenfalls glaubwürdige Hoffnung auf ein gedeihliches Zusammenleben aller Menschen dieser Welt? Wenn ja, wie ich geneigt bin zu bejahen, was wäre diese positive Grundlage jenseits aller Grenzen der Religionen und jenseits aller Versuche einer gutgemeinten religiösen Ökumene? Ich hebe noch einmal hervor, dass mir diese Frage seit Jahrzehnten unter den Nägeln brennt! Ich suchte bewusst die Antworten mit einem hohen Plausibilitätsfaktor 1993–1994 in meiner Dissertation. Das Herz blieb weiterhin unruhig! Dieses Buch ist mein Versuch, auf einem „religionsneutralen Boden“ die gleiche Frage zu stellen und meinen Antwortversuch zu wagen. Ich bin von der Hoffnung getragen, dass es eben eine glaubwürdige Hoffnung auf das gedeihliche Zusammenleben aller Völker der einen Welt geben kann! Ich teile die feste Überzeugung des freischaffenden Philosophen und Schriftstellers Michael Schmidt-Salomon, dass diese gesuchte Hoffnung der Mensch selbst ist und sein muss. Wortwörtlich heißt es in seinem Buch Hoffnung Mensch: „Brennende Geduld – das ist es auch, was heute gefordert ist, wenn wir eine Lösung der großen Weltprobleme ins Auge fassen: Wir müssen einerseits geduldig genug sein, um Rückschläge verkraften zu können, andererseits jedoch nicht so duldsam, dass alles beim Alten bleibt. Unsere Geduld darf nicht träge, kraftlos, mutlos sein, sondern drängend, fordernd, eben: ‚brennend‘. Denn ein Großteil der Probleme lässt sich in der Tat nicht auf die lange Bank schieben.“ Das schwere Gewicht der Dringlichkeit dieser Herausforderung ruht allerdings auf den Schultern aller Menschen guten Willens. Diese Verantwortung für diese brennende Herausforderung darf nicht länger nur den Politikern und Politikerinnen in die Schuhe geschoben werden! Die Zeit der zivilgesellschaftlichen Verantwortung ist jetzt! Es gibt eine politische Spiritualität und sie ist ein Antidot zu einer jedweden Form eines religiösen Absolutismus. Diese politische Spiritualität besitzt eine enorme Sprengkraft für das gute Zusammenleben aller Menschen und liegt in der jedem Menschen angeborenen Fähigkeit zum Staunen begründet. Diese Hoffnung ist unschätzbar und lädt alle Menschen aller Länder dieser Welt zu einem mutigen Gang auf der Brücke der Mystik der Sinne ein. Mein Buch erhebt sicherlich keinen Anspruch darauf, ein Patentrezept für die Bewältigung aller weltpolitischen und religiösen Spannungen in unserer gegenwärtigen Weltgesellschaft zu sein. Es will nichtsdestotrotz ein eigener Beitrag zu den vielen anderen Gehversuchen sein, wenn es darum geht, beim brennenden Projekt „Wie Menschen Zukunft gestalten“ ein Wort mitzureden. Ich war bei der Entstehungsgeschichte dieses Buches aufgrund meiner Erfahrung der Unmittelbarkeit bei etlichen Naturphänomenen davon überzeugt, dass die Fähigkeit zum Staunen eine Potentialentwicklung für den Weltfrieden besitzt. Diese Überzeugung bleibt! Denn das Natürliche ist oft das Wertvollste. Und das Wertvollste darf unserem Blick nicht entschwinden, wenn wir mit allen Menschen guten Willens können wollen. Mir und allen Leserinnen und Lesern dieses Buches möge das lebenstherapeutische Konzept vom „tragischen Optimismus“, wie der vier Konzentrationslager überlebende Viktor E. Frankl, gelehrt und gelebt hat, stets ein Herzensanliegen sein. Wer, wenn nicht geradezu dieser leidgeprüfte Mann, kann ein glaubwürdiges Zeugnis davon ablegen, welche lebenserhaltende, motivierende und sinnstiftende Kraft die Hoffnung besitzt? Ich persönlich verstehe Hoffnung in ihrem Spannungsverhältnis zwischen Realität und Projekt. Das „Noch-Nicht“ im Sinne des Philosophen Ernst Bloch ist nicht irrational! Ganz im Gegenteil! Die Hoffnung hat damit zu tun, dass wir Menschen davon ausgehen, dass das scheinbar oder sogar offensichtlich Unmögliche nicht wirklich unmöglich sein müsste, solange die Menschen die Bereitschaft dazu aufbringen, nach Sinnalternativen sowie Sinnverwirklichungswürdigem zu fahnden. Zwar kein leichtes Unterfangen, aber das Leben macht uns keine Versprechungen, dass wir es „leicht“ haben werden. Nein! Das Leben stellt uns in der jeweiligen Einzigartigkeit unserer Individualität stets die Frage nach unserer unvertretbaren Verantwortung. Und wieder Viktor E. Frankl, der als unvergleichlicher Anwalt für jeden konkreten Menschen charakterisiert werden kann. Als ein Überlebender von vier Konzentrationslagern und in der Erschütterung und Hoffnungslosigkeit angesichts der Liquidierung fast seiner gesamten Familie erkannte und vollzog er in seinem Leben eine Art „kopernikanische Wende“. Diese tat er in folgender zum Nachdenken anregenden Formulierung: „Wir müssen lernen und die verzweifelnden Menschen lehren, dass es eigentlich nie und nimmer darauf ankommt, was wir vom Leben noch zu erwarten haben, vielmehr lediglich darauf: was das Leben von uns erwartet!“ Seiner Ansicht nach sind wir als Menschen, die stets vom Leben Befragten, „diejenigen, an die das Leben täglich und stündlich Fragen stellt – Fragen, die wir zu beantworten haben, indem wir nicht durch ein Grübeln oder Reden, sondern nur durch ein Handeln, ein richtiges Verhalten, die rechte Antwort geben. Leben heißt letztlich eben nichts anderes als: Verantwortung tragen für die rechte Beantwortung der Lebensfragen, für die Erfüllung der Aufgaben, die jedem Einzelnen das Leben stellt, für die Erfüllung der Forderung der Stunde.“ Im vorliegenden Buch ist mir daran gelegen, eine mich seit nun einigen Jahrzehnten begleitende Hoffnung auf ein friedvolleres Zusammenleben aller Menschen der einen Menschheitsfamilie aufzuzeigen. Dabei war ich davon überzeugt, dass ein solch friedliches Zusammenleben der Menschen ganz elementar sein müsste, nachdem die Erfahrung uns leider traurig genug gelehrt hat und bedauerlicherweise immer noch unaufhörlich lehrt, dass es beim Versuch eines Auf- bzw. Ausbaus des Friedens an den genannten Dingen scheitert, zumal sie stets mit ökonomischen Fragen verbunden waren und sind. Wenn ich mein Grundanliegen flapsig formuliere: Es wäre vielleicht höchste Eisenbahn, von der destruktiven Ökonomisierung zu einer Ästhetisierung (sprich Kunst!) überzuwechseln! Wer kann denn wirklich so schnell vergessen haben, dass Michael Jackson und Lionel Richie den Song „We are the world“ 1985 komponiert und gemeinsam mit vielen Rock- und Popsängern im Kontext des großangelegten Hilfsprojekts „USA für Afrika“ aufgeführt haben? Jene Künstler und Künstlerinnen haben mit einer verstehbaren Sprache auf die Emotionen von Abermillionen Menschen gedrückt und ihre Spiegelneuronen dermaßen erreicht, dass die Mitmenschlichkeit nicht mehr zur Debatte gestanden war! Sie zeigten uns, was positive Emotionen im Stande sind oder besser gesagt wären, wenn es darum geht, verdeckte Möglichkeiten für eine Kultur gelebten [Welt-]Friedens aufzuspüren und im Geist der Selbst- und Kollektivverantwortlichkeit umzusetzen. Die an der Universität von Chicago lehrende Professorin Martha Nussbaum hat bei ihren Auseinandersetzungen mit dem Phänomen der Angst auf den Bürgerrechtskämpfer Martin Luther King Jr. verwiesen und Folgendes über die Macht der kleinen Schritte zur Hoffnung im Alltag geschrieben: „King fordert uns dazu auf, an die Möglichkeit unscheinbarer Handlungen der Brüderlichkeit im Alltag der Menschen zu glauben, nicht an eine perfekte Welt. Die Wirklichkeit wird verschönert: Das ist es, worauf die Hoffnung setzt. Utopismus geht häufig der Verzweiflung voraus; deshalb müssen Glaube und Hoffnung Schönheit in den kleinen Dingen des Alltags finden.“ Die Natur spiegelt uns ununterbrochen ergreifende Momente vor, die uns eine unbändige Kraft für Neues sein könnten, ja, sollten! Dieses Buchprojekt möchte eine Einladung an seine Leserinnen und Leser sein, das freie Geschenk der Natur anzunehmen und geradezu dieses Geschenk als einen Auftrag für den Frieden zu betrachten. Ich war und bin von der tiefen Überzeugung getragen, dass der Friede, ob nun in familiären Kreisen, in Freundschaftskreisen, in den Dörfern und Ländern und in der großen Weltpolitik, nur dann möglich sein wird können, wenn die Individuen zu sich selbst gefunden haben und auch stehen können. Ich unterstreiche am Ende dieser geistigen Reise noch einmal, was meine Motivation und den Inhalt dieses Buchprojektes ausmacht: Der Friede beginnt mit dem Staunen! Staunen ist nach meiner Ansicht der neue und glaubwürdige Name für Spiritualität. Es ist kein Wunder, dass Jesus in seiner Verkündigung über das bereits angebrochene Reich Gottes immer wieder, ja, unentwegt auf die Bilder aus seiner Umwelt zurückgegriffen hat. Ja, echte christliche Spiritualität muss eine geerdete Spiritualität sein, oder sie geht am Wesen des Menschen vorbei. Michael Lehofer, der österreichische Psychiater, Psychotherapeut und erfolgreiche Autor, schreibt so schön über die natürliche Spiritualität, die mein großes Anliegen in diesem Buch ist, Folgendes: „Heute weiß ich, dass der ‚göttliche‘ Blick nur aus mir selber kommen kann. Das hat nichts mit einer Gottesvorstellung zu tun. Aber die Tatsache, dass ich mich jenseits meiner Selbstvorstellungen selbst betrachten kann, hat schon etwas Spirituelles. Was versteht man allerdings unter Spiritualität? Sie ist die Anerkennung des Zauberhaften im Leben. Religion im traditionellen Sinne ist damit nicht gemeint. Spiritualität ist die Einsicht, dass alles, was wir erleben, in sich mehr ist als das, was es ist. Alles hat einen Zauber, wenn wir uns nur ihm gegenüber öffnen. Was wäre das Leben ohne diesen Zauber?“ Und wenn „jedem Anfang ein Zauber innewohnt“, so wird der Friede nur dann möglich sein, wenn Menschen immer wieder diesen Zauber der Natur entdecken und schätzen, und wenn andererseits jeder Mensch als der zu entdeckende Zauber gilt, ganz unabhängig von seiner Rasse, Kultur, Ideologie- und Religionszugehörigkeit. Mein Buch will ein Denkanstoß für dieses nachhaltige Bemühen sein.

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