Mein Potenzial entwickeln – Das Pendel als Navigator

Mein Potenzial entwickeln – Das Pendel als Navigator

Friedel Marksteiner


EUR 17,90
EUR 14,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 206
ISBN: 978-3-99131-797-5
Erscheinungsdatum: 09.02.2023
Mithilfe des Pendels bekommen wir Zugang zu unseren Potenzialen – im Besonderen zu Charaktereigenschaften und Bedürfnissen. Wir können sie identifizieren, ihre Energien messen und Wege finden, sie zu stärken. Das führt zu innerer Klarheit und neuem Sinnerleben.
Vorwort

Zur Potenzialarbeit, also zur Arbeit an den geistigen Potenzialen, kam ich über die Erfahrung aus der jahrzehntelangen Beschäftigung mit Yoga, Pendeln und Psychologie. Mit Yoga konnte ich Zustände des Verbundenseins und der Freude erfahren, die weit über das hinausgingen, was ich mir davor vorstellen konnte. Daraus resultierte Entspannung, eine Stärkung meiner Konzentrationsfähigkeit und ein besseres Umgehen mit mir selbst und meinen Mitmenschen. Meine Einstellungen und Verhaltensmuster änderten sich allerdings nur wenig. Es blieben Abweichungen von dem, was ich mir als Verhalten gewünscht hätte, vielleicht in etwas abgeschwächter Form. Da ich den Grund für diese Abweichungen nicht kannte und weder durch Yoga noch durch Psychologie kennenlernen konnte, blieben sie über die Jahre meine ständigen Begleiter. Nicht, dass diese Abweichungen schlimm gewesen wären. Aber ich habe gemerkt, dass sie mich in meiner Entwicklung gebremst haben, indem ich immer wieder in alte Muster zurückgefallen bin. Dieselbe Feststellung habe ich bei vielen Menschen gemacht, mit denen ich als Yoga-Trainer zu tun hatte.

Zum Pendeln kam ich über mein Interesse an Fragen der Gesundheit. Aus immer neuen Fragestellungen an das Pendel entwickelte sich allmählich die Einsicht, dass unsere geistigen Energien einen starken Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden haben. Meine Beschäftigung mit dem Enneagramm gab schließlich den Ausschlag dafür, mich direkt mit den geistigen Potenzialen zu befassen. Das Enneagramm bringt uns die Qualitäten unserer Potenziale, vor allem der Charaktereigenschaften näher und versetzt uns in die Lage, besser einschätzen zu können, wie wir mit ihnen, also mit geistiger Energie im weitesten Sinne, umgehen. Von da aus war es nur noch ein kleiner Schritt zur Beschäftigung mit einzelnen Energien, Potenzialen, wie wir sie beispielsweise in unseren Charaktereigenschaften und Bedürfnissen haben. Dabei konnte ich feststellen, a) dass man mit dem Pendel tatsächlich geistige Energien messen kann, b) dass Yoga recht hat, wenn es sagt, dass man geistige Energien mit Bewusstsein, Ausrichtung und Willen beeinflussen kann und c) dass die systematische Definition unserer geistigen Energien als Charaktereigenschaften, wie sie die experimentelle Psychologie vornimmt, stimmig ist.

Nach und nach konnte ich diese drei Bereiche zu einer Einheit zusammenführen und möchte sie nun in dieser Einheit als einen Weg der Entwicklung unseres Selbst präsentieren.



Einleitung

Selbstverwirklichung ist in unserer Gesellschaft ein starker Begriff. Für viele Menschen ist sie ein echtes Bedürfnis. Gemeint ist nicht die flache Form des Ego-Trips, der sein Heil im äußeren Erfolg sucht, sondern das Bemühen, in die Welt zu bringen, was uns im Innersten ausmacht. Selbstverwirklichung bedeutet, uns selbst, unsere Identität mit allen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Begabungen zu verwirklichen und den eigenen, unverwechselbaren Charakter auszubilden. Da wir – bei allen Gemeinsamkeiten – unglaublich verschiedene Wesen sind, bedeutet das aber auch, dass wir Verschiedenes zu entwickeln haben. Aber was? An dieser Frage haben sich die Weisen von alters her ebenso abgearbeitet wie die umfangreiche Ratgeberliteratur in jüngerer Zeit. Der Beantwortung dieser Frage am ehesten auf der Spur ist nach meiner Überzeugung die östliche Spiritualität, Yoga, Buddhismus und Daoismus, um einige zu nennen. Sie rücken die Introspektion ins Zentrum, und damit das Erforschen und Kennenlernen des eigenen Grundes. Wir können ja nur verwirklichen, was wir kennen, womit wir vertraut sind.
Ich schlage in diesem Buch einen energetisch-messenden Weg vor. Zum Vermessen unserer inneren Welt und als Navigationsgerät zur Orientierung auf dem Weg der Entwicklung nehmen wir dabei das Pendel zu Hilfe – neben den Methoden und Techniken, die es für diese Entwicklung auch braucht. Dieses Buch richtet sich also an diejenigen, die sich schon auf den Weg der Entwicklung des eigenen Selbst begeben haben oder die neugierig sind, einen solchen zu begehen. Dass der hier vorgeschlagene Weg vielversprechend ist, bestätigten mir zahlreiche meiner Freunde, die das Manuskript zu diesem Buch mit großem Gewinn gelesen haben, obwohl sie mit dem Pendel keine Erfahrung hatten.
Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Pendeln – anfangs hauptsächlich zu Gesundheitszwecken – und bin dabei in Bereiche vorgestoßen, die mit den geistigen Grundlagen der Gesundheit zu tun haben. Daraus ist der Gedanke entstanden, direkt mit den geistigen Potenzialen zu arbeiten – insbesondere mit den Bedürfnissen und Charaktereigenschaften. Mit diesem Vorgehen konnte ich zunächst die eigenen und dann auch die Potenziale anderer Menschen in ihrer aktuellen Ausprägung identifizieren und messen. Daraus resultierten erstaunlich präzise und zutreffende, oft – auch in eigener Sache – überraschende Ergebnisse. Erst durch das Pendelergebnis wurde mir beispielsweise klar, dass ich nicht gelernt habe, meine eigenen Bedürfnisse ausreichend gut wahrzunehmen. Dass solche Ergebnisse in einem Bereich erzielt werden, der uns normalerweise nicht bewusst zugänglich ist, deutet darauf hin, dass wir hier bislang ungenutzte Möglichkeiten zur Entwicklung und Verwirklichung unserer Potenziale haben.
Tatsächlich können wir die menschliche Grundfrage des ‚Wer bin ich?‘ auf eine ganz neue, einfache und systematische Art stellen und beantworten, wenn wir die Welt unserer geistigen Potenziale mit dem Pendel für uns erschließen. Wir können unsere Stärken und Schwächen zielgenau identifizieren und wir können durch Messung feststellen, ob wir mit unseren Potenzialen in einem kohärenten Zustand sind, im ‚Flow‘, wie es der Psychologe M. Csikszentmihalyi genannt hat. Um diese Potenziale gezielt in einen kohärenten Zustand zu bringen, braucht es natürlich mehr. Davor liegt die Aufgabe, unsere geistigen Potenziale kennenzulernen, ihre Funktion und Wirkungsweise zu verstehen, sowie Möglichkeiten zu finden, mit ihnen energetisch zu arbeiten. Die Summe all dieser Aktivitäten möchte ich als Potenzialarbeit bezeichnen. Das Verständnis dafür werde ich in den folgenden Kapiteln anhand von Beispielen der Potenziale der Charaktereigenschaften und der Bedürfnisse vermitteln. Das sind diejenigen Potenziale, die den inneren Kern unserer Persönlichkeit, unsere Identität beeinflussen und steuern. Ganz allgemein gesprochen sind unsere Bedürfnisse das, was unsere Aufmerksamkeit nach außen lenkt und uns im Leben vorwärtstreibt. Unsere Charaktereigenschaften dagegen machen das Wie unseres Seins und Tuns aus. Sie prägen unser Verhalten, unsere Einstellungen, die Art und Weise, wie wir unsere Bedürfnisse erfüllen und wie wir mit uns selbst und mit anderen Menschen umgehen.
Im ersten Schritt der Potenzialarbeit geht es darum, dass wir uns im Rahmen einer Bestandsaufnahme durch gezielte Abfragen und Messungen einen Überblick über unsere Potenziale verschaffen, insbesondere darüber, wo Entwicklungsbedarf besteht, wir also das in uns angelegte Potenzial nicht ausgeschöpft haben. Wir werden auch der Frage nachgehen, welche von den Potenzialen ‚störanfällig‘ sind, d. h. mit Situationen von Stress im Zusammenhang stehen.
Um Potenziale zu entwickeln, müssen wir sie auch beeinflussen können. Hier gibt es eine ganze Reihe von Methoden, psychologische, energetische, geistige. In den Abschnitt zur laufenden Potenzialarbeit habe ich Übungen aufgenommen, die sich für mich bewährt haben. Diese können durch eigene ähnliche Übungen ergänzt oder ersetzt werden. Entscheidend ist, dass der Zweck der Übungen erreicht wird, den Energiefluss zu verbessern und die Energie der Potenziale zu stärken. Mit dem Pendel können wir bereits vorab testen, ob eine bestimmte Übung für uns und den gewünschten Zweck geeignet ist. Wenn wir unsere Potenziale immer besser verstehen und steuern lernen, schaffen wir die Voraussetzung für ihre Verwirklichung und damit für unser Glück. Carl-Friedrich von Weizsäcker hat diesen Zusammenhang sehr schön auf den Punkt gebracht: „Ich glaube, dass Glück letzten Endes ein Indikator der Stufen der Selbstverwirklichung ist.“1 Das Thema Glück ist deshalb Gegenstand eines eigenen Kapitels.
Was wir hier über Potenzialarbeit sagen, handelt zwar vom Geist, hat aber viel mit Naturwissenschaft zu tun. Es bewegt sich im Rahmen des Weltbilds, das sich aus der neuen Naturwissenschaft – in der Folge der Quantenrevolution – ergibt. In unser Verständnis des Kosmos gehen die weitergehenden Vorstellungen der Quantenwissenschaften ein, dass die Natur und damit auch wir von Potenzialfeldern, also von Information und daraus abgeleiteter Energie gesteuert werden. Daraus ergibt sich für uns ein starkes Moment des Verbundenseins, da wir unsere geistigen Potenziale mit allen Menschen teilen. Dieses Verbundensein wird uns auch von der Anthropologie bestätigt, die uns zeigt, dass die Charaktereigenschaften für alle Menschen die gleichen sind, ohne dass sie in den Genen oder Instinkten angelegt wären.
Zum neuen Verständnis unserer Geistigkeit tragen auch die Humanwissenschaften bei. Psychologie, Neurowissenschaften und Verhaltensökonomie haben zuletzt gezeigt, dass die Geistigkeit nicht auf das Gehirn beschränkt ist und dass unsere Gefühle eine viel größere Rolle spielen als bisher angenommen. Anthropologie und Neurowissenschaften zeigen, dass der Mensch von seiner Prägung her altruistisch und prosozial ist, er wendet sich gerne und aufmerksam anderen zu. Anthropologie und Soziologie weisen uns darauf hin, dass im Wirtschaftsleben partnerschaftliche Strategien nicht nur erfolgreicher sind, sondern sich in unseren großen, vernetzten Gesellschaften zwangsläufig durchsetzen.
Aus all dem entsteht ein neues Welt- und Menschenbild. Es liegt auf einer geistigen Linie mit den im nächsten Abschnitt präsentierten Vorstellungen zur Potenzialwelt. Deshalb wird diese Entwicklung vom alten zum neuen Welt- und Menschenbild in geraffter Form in Anhang 1 dargestellt. Am Ende des Buchs findet sich ein Verzeichnis weiterführender Literatur.
Dass wir über unsere Potenziale geistig mit dem Kosmos verbunden sind und mit unserem Bewusstsein diese Potenziale auch beeinflussen können, stellt eine neue menschliche Grunderfahrung dar. Die Potenzialarbeit schafft einen Zugang zu ihr und damit ein neues Sinnerleben und einen Zugewinn an persönlicher Erfüllung. Das sollte Motivation genug sein, um uns mit ihr näher zu beschäftigen.



Die Welt der Potenziale

1.1 Die Logik der Potenziale

Wenn wir von Potenzialen sprechen, meinen wir im normalen Sprachgebrauch die Möglichkeiten, die in einem Menschen oder in einer Sache stecken. Potenziale haben aber noch eine weitergehende Bedeutung, in der sie vor allem in der Physik Anwendung finden. Danach sind Potenziale Felder, von denen Wirkungen, Energien ausgehen. Die bekanntesten Felder der Physik sind das Gravitationsfeld und das elektromagnetische Feld. In jüngster Zeit wurde der Feldbegriff der Physik erweitert um die sogenannten Quantenfelder, die den Aufbau der Materie steuern, etwa die Felder der Elektronen oder der Atome. Der Quantenchemiker Lothar Schaefer hat vor wenigen Jahren gezeigt, dass Potenziale – als Informationsfelder – ein allgemeines Instrument der Natur sind. Die Vorgänge bei der Molekülbildung, also der Synthese von Molekülen aus Atomen, werden durch sogenannte Potenzialfelder – mit kosmischem Wirkungsbereich – gesteuert. In diesen Potenzialfeldern sind die Regeln der Molekülbildung enthalten. Diese Regeln bestimmen, welche Moleküle aus den Wellenformen der an der Molekülbildung beteiligten Atome entstehen können. Das konnte Schaefer mithilfe der Wellengleichung von Schrödinger rechnerisch nachvollziehen. Er fand dabei Molekülformen, für die es zum Zeitpunkt der Berechnung experimentell noch keinen Nachweis gegeben hatte – die aber nachträglich gefunden wurden. Man kann die Existenz dieser Potenzialfelder nur aus ihren Wirkungen ableiten, messtechnisch sind sie nicht nachweisbar.
Potenzialfelder scheinen auch bei der Makroevolution der Pflanzen und Tiere eine Rolle zu spielen, bei der Bildung neuer Arten. Das lässt sich sehr schön an der parallelen Entwicklung von Säugetieren und Beuteltieren zeigen. Nach der Abtrennung des australischen Kontinents haben sich die Säugetiere und die ihnen verwandten Beuteltiere auf Australien aus einer gemeinsamen Vorform der Maus entwickelt – zu dieser Zeit weltweit die einzige Säugetierart. Dabei entstanden über die Jahrmillionen in Australien und auf den anderen Kontinenten unabhängig voneinander Tiere mit fast identischem Aufbau: Katzen, Wölfe, Ameisenbären, Maulwürfe, Flughörnchen. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass es sich einmal um Säugetiere und in Australien um Beuteltiere handelt. Das ist eigentlich nur zu erklären, wenn man ein gemeinsames Potenzialfeld annimmt, aus dem sich die Formen der verschiedenen Tiere entwickelt haben, und zwar nicht in zufälligen Mikroschritten, sondern in einem großen Entwicklungssprung – wie aus einer Blaupause. Als Ergebnis einer zufälligen Abfolge von einzelnen Mutationen ist es nicht plausibel zu erklären.
Felder scheinen also das universelle Werkzeug der Natur zu sein, das mithilfe von Informationen ihre Abläufe und Strukturen ordnet und organisiert. Mit den Molekülen und Atomen unseres Körpers sind wir unmittelbar in diese Feldstrukturen eingebunden. Von daher liegt es nahe, auch für unsere geistigen Potenziale eine feldartige Struktur anzunehmen, zumal sie mit den Feldern unserer Moleküle und Atome in einem gegenseitigen Austausch stehen. Unsere geistigen Potenziale geben z. B. in Form von Gefühlen Impulse an die Atome und Moleküle unserer Zellen und Organe weiter und empfangen umgekehrt von diesen Impulse, die sich dann als Gefühle manifestieren.
Welches sind nun unsere wichtigsten geistigen Potenziale? Das sind einmal die Potenziale der Möglichkeiten des Wissens und des Tuns, in Form unserer Anlagen, Begabungen, Fähigkeiten und Kenntnisse – wie z. B. Sprache, Literatur, Musik, Kunst, Handwerk oder Sport. Das sind Felder, die alle Möglichkeiten zu einem Themengebiet enthalten – realisierte wie noch nicht realisierte. Wir verbinden uns ganz selbstverständlich mit diesen Potenzialen und können unsere Möglichkeiten durch eigene Bemühungen erweitern: Wir lernen oder üben.
Dass diese Potenziale tatsächlich Feldcharakter haben, lässt sich aus den Forschungen der Psychologen und Neurowissenschaftler zum sogenannten Savant-Phänomen schließen. Der Entwicklungspsychologe Joseph Chilton Pearce hat in seinem Buch Der nächste Schritt der Menschheit ausführlich darüber berichtet. Als Savants werden Menschen bezeichnet, die über herausragende Spezialbegabungen verfügen, obwohl sie auf dem geistigen Niveau von Kleinkindern stehen und weder schreiben noch lesen können. Die Begabungen der Savants haben eine breite Streuung. Oft geht es um Musik. Bereits nach einmaligem Hören sind manche von ihnen in der Lage, minutenlange Stücke tongenau wiederzugeben und Transkriptionen in beliebige Tonarten sowie freie Improvisationen über diese Stücke auszuführen. Es wurde auch über Fälle von Spezialbegabungen berichtet, in denen Savants im Kopf numerische Berechnungen mit astronomisch großen Zahlenwerten durchführten. Ein Savant-Zwillingspaar in den USA konnte kalendarische Daten über Tausende von Jahren exakt ermitteln, ein anderer Savant konnte aus dem Kopf die technischen Daten sämtlicher aktueller Automobiltypen aufsagen. Diese Fähigkeiten deuten auf eine intensive Verbindung der Savants mit bestimmten Potenzialfeldern hin, auf Kosten der Potenziale für die ‚normalen‘ geistigen Fähigkeiten, die bei ihnen kaum ausgebildet sind.
In eine ähnliche Richtung gehen die Arbeiten von James Hillman, dem langjährigen Leiter des C. G. Jung-Instituts in Zürich. Er hat in seinem Buch Charakter und Bestimmung an einer Reihe von biografischen Beispielen eindrucksvoll gezeigt, dass große Begabungen ihre geistigen Potenziale schon als Kleinkinder und ohne Vorbildung zu erkennen geben. Judy Garland etwa als natürlich begabte Tänzerin und Sängerin, die bereits mit zwei Jahren öffentlich in Erscheinung trat, oder Ingmar Bergman, der früh seine Begeisterung zeigte, Filme zu machen, oder Jehudi Menuhin, der mit vier Jahren bereits wusste, dass er Konzertgeiger werden wollte, oder Mozart, der mit drei Jahren mehr musikalisches Verständnis zeigte als die meisten Menschen ihr ganzes Leben lang. Für Hillman ist klar, dass wir nicht als unbeschriebenes Blatt auf die Welt kommen, sondern mit Begabungen, die eine intensive Verbindung mit bestimmten Themenfeldern zeigen.

Als weitere wichtige Potenzialarten sind unsere Bedürfnisse, Charaktereigenschaften und Gefühle zu nennen. Wir brauchen sie, um unsere Fähigkeiten und Anlagen aus der Möglichkeitsform in die Wirklichkeit zu bringen. Nur wenn wir das Bedürfnis haben zu musizieren und wenn es uns gelingt, die Disziplin aufzubringen zu üben, werden wir es zu einer Fähigkeit bringen, mit der wir an unserem Musizieren das Gefühl der Freude erleben. Diese Impulse erhalten wir von unseren Bedürfnissen, den Charaktereigenschaften und den Gefühlen.
Diese Potenziale machen unsere Identität, unseren Charakter aus. In ihnen steckt auch die Dynamik unserer Entwicklung. Sie gilt es freizulegen. Wenn es uns gelingt, uns mit den Feldern dieser Potenziale harmonisch zu verbinden, können wir uns aus dem Raum ihrer Möglichkeiten Inhalte zugänglich machen, die unsere Möglichkeiten erweitern.
Dass auch diese Potenziale einen feldartigen Charakter haben, lässt sich aus den Forschungsergebnissen der Anthropologie und der Psychologie ableiten. Die Forschungen der Anthropologen haben gezeigt, dass die Potenziale unserer Charaktereigenschaften und Gefühle, wie Vertrauen, Liebe, Zorn, Ärger etc. für alle Menschen – bei großen individuellen und manchen kulturbedingten Unterschieden – im Prinzip gleich sind, ohne dass sie in unseren Instinkten oder Genen verankert wären. Das lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass wir zu den Charaktereigenschaften und Gefühlen Zugang über nicht-lokale Felder haben.
Das wird durch die Ergebnisse der positiven Psychologie und der Persönlichkeitspsychologie im Ansatz bestätigt. Die positive Psychologie hat in den 90er-Jahren begonnen, ein Konzept von Tugenden und Stärken aufzubauen und dabei festgestellt, dass diese weltweit im Wesentlichen übereinstimmen. Die Persönlichkeitspsychologie kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Sie hat durch Sprachanalyse fünf bzw. sechs Haupttypen von Charaktereigenschaften herausgearbeitet, die sich auch im interkulturellen Vergleich als aussagekräftig und stabil herausgestellt haben. Sie hat diese unter den Begriffen ‚Big Five’ bzw. ‚Big Six‘ zusammengefasst und kann aus dem Vorhandensein bzw. der Stärke ihrer Ausprägung Wahrscheinlichkeiten für das künftige Verhalten einer Person ermitteln (s.a. Tabelle der Charaktereigenschaften in Anhang 3).

Eine weitere wichtige Potenzialart ist das Bewusstsein, als reine Energie. Mit dem Bewusstsein steuern wir die verschiedenen Potenziale an: Wir denken nach, wir musizieren, wir freuen uns. Im normalen Alltag ist diese Steuerung allerdings im Stand-by-Modus. Wir handeln meist gewohnheitsmäßig bzw. automatisch und auf die Außenwelt ausgerichtet. So nehmen wir auch nicht wahr, welche Potenziale wir gerade ‚aktiviert‘ haben, wie es uns im Inneren geht. Unsere Steuerung aktivieren wir nur, wenn wir eine schwierige Aufgabe zu erledigen oder eine Entscheidung zu treffen haben. Dann sind wir fokussiert und richten uns auf Potenziale aus, die wir für die Erledigung unserer Aufgabe brauchen. Das kann z. B. das Potenzial Mut sein, wenn wir in einer schwierigen Situation sind. Wenn wir mit unseren Potenzialen bewusst umgehen, können wir sie gezielt beeinflussen, wir sind sogar in der Lage, bei ihnen nachhaltige Veränderungen anzuregen. Der Neurowissenschaftler Richard Davidson konnte das in seinen Versuchen zeigen. Er stellte über die Messung von Gehirnströmen fest, welche Gehirnbereiche von bestimmten Potenzialen angeregt und entwickelt werden, dass z. B. ganz bestimmte Gehirnareale aktiviert werden, wenn wir glücklich sind. Durch Meditation mit dem Fokus auf liebevoller Zuwendung (loving kindness) konnten seine Probanden diese Bereiche messbar aktivieren, was zu dauerhaften Veränderungen im Gehirnaufbau führte. Achtsamkeitsmeditation allein hat diese Ergebnisse nicht erreichen können.

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