Pfeffer – Das schwarze Gold der Erde

Pfeffer – Das schwarze Gold der Erde

Die Geschichte des Pfeffers und die besten Pfeffer der Welt.

Marco Müller


EUR 19,90

Format: 18 x 27 cm
Seitenanzahl: 156
ISBN: 978-3-99146-479-2
Erscheinungsdatum: 13.03.2024
Zu einer ebenso spannenden wie lehrreichen Geschichte des Pfeffers lädt Marco Müllers Buch ein. Der Autor spannt einen weiten Bogen, er reicht von der Suche der Seefahrernationen nach dem begehrten Gewürz bis zu heutigen Feinschmecker-Rezepten.
Warum dieses Buch entstand

Als ich vor einiger Zeit „Das weiße Gold der Erde“ schrieb, ein Buch über die Natursalze und deren Geschichte, ermutigen mich meine Frau, Freunde und Geschäftspartner, als Gegenpart auch ein Buch über Pfeffer folgen zu lassen. Eigentlich eine logische Konsequenz, denn Salz und Pfeffer gehören unweigerlich zusammen. Gelegentlich wird Pfeffer gar als die bessere Hälfte des Salzes bezeichnet. Sie stehen als Duo vereint auf jedem Esstisch, werden meist in einem Atemzug genannt und bilden gemeinsam die würzende Basis jeder Küche. Historisch gesehen haben beide Produkte die Welt maßgeblich mitgeprägt und verändert. Beide Würzmittel wurden einst mit Gold und Edelsteinen aufgewogen und brachten denen, die sich die Handelsmonopole sichern konnten, Macht und Reichtum.

Seit mehr als 15 Jahren bin ich in kaufmännischer Tätigkeit bei verschiedenen Gewürzimporteuren und Händlern tätig. Natursalze und Pfefferspezialitäten sind mein Fachbereich und wurden so im wahrsten Sinne mein tägliches Brot. In all den Jahren durfte ich Gewürzplantagen und Farmen, Produzenten und Hersteller auf mehreren Kontinenten besuchen. Im Laufe der Zeit lernte ich zahlreiche Gewürzmühlen, Gewürzmanufakturen und Spitzenköche kennen und schätze den regelmäßigen Austausch mit echten Fachkennern.
Zuvor waren Pfeffer & Salz bereits die wichtigsten würzenden Zutaten in meiner 20-jährigen aktiven Laufbahn als Koch. Aus den beiden Produkten entwickelte sich nach und nach eine Leidenschaft, die bis heute nichts an ihrer Faszination eingebüßt hat. Mindestens so spannend wie die Gewürze selbst ist der Einfluss der Pfeffer auf unsere Geschichte, die mit dem Eroberungsfeldzug Alexander des Großen im Jahre 326 vor Christus richtig Fahrt aufnahm. Die Römer schließlich waren in der Antike an der Verschiffung und der Finanzierung der wertvollen Pfeffer beteiligt, wurden die größten Verbraucher und verbreiteten die Pfeffer und andere Gewürze in ganz Europa. Pfeffer stieg zum König der Gewürze auf. Auf den nachfolgenden Seiten betrachte ich, zugegebenermaßen sehr oberflächlich, die wichtigsten Daten der Pfeffergeschichte, vornehmlich aus der Sichtweise Mitteleuropas. Eine lückenlose Pfefferhistorie würde gewiss mehrere Bücher füllen, aber selbst ein kurzer Streifzug durch die bewegende Geschichte ist äußerst spannend und bringt mich immer wieder zum Erstaunen.
Im zweiten Teil des Buches stehen die Pfeffer selbst im Mittelpunkt. Ich möchte Ihnen einen guten Überblick über die enorme Artenvielfalt und Bandbreite der echten und unechten Pfeffer geben. Genaue Beschreibungen sowie zahlreiche Tipps und Anwendungen sollen Ihnen helfen, Ihren Alltag künftig genussvoller zu gestalten. Ich möchte also im wahren Sinne mehr Pfeffer in Ihr Leben bringen. Im Idealfall sehen Sie die kleinen Scharfmacher in Zukunft mit anderen Augen. Vielleicht denken Sie bei der nächsten Verwendung Ihrer Pfeffermühle an die großen Abenteurer und Entdecker, die sich im Namen des Pfeffers in unbekannte Welten begeben und ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben. Heute brauchen Sie bei einer Pfefferexpedition keinerlei Risiken mehr einzugehen, sieht man mal vom brennenden Gefühl im Mundraum ab, welches das in den kleinen Beeren enthaltene Piperin bewirken kann. Auch müssen Sie nicht mehr selbst dorthin reisen, wo der Pfeffer wächst. Gefahrlos können Sie über den Internethandel von zu Hause aus oder in einem gut sortierten Feinkostgeschäft oder Gewürzladen auf Entdeckungsreise gehen. Falls der Pfefferfunke überspringt, empfehle ich den Besuch eines Gewürz- oder Pfefferseminars. Gewürzmanufakturen, Kochschulen und Restaurants machen hier attraktive Angebote, manche davon können sogar online vom heimischen Sofa aus besucht werden.



Einleitung

Die Welt der Pfeffer und Gewürze in Deutschland und Europa hat sich etwa seit dem Millennium-Jahr 2000 grundlegend verändert. Nie war die Auswahl an Gewürzen größer, das Sortiment an Pfeffern breiter. Neue Gewürzmanufakturen schießen quasi wie Pilze aus dem Boden, Kochshows und Kochsendungen kämpfen auf allen Kanälen um die besten Einschaltquoten. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht irgendwo ein möglichst exotisches Gewürz oder eine geheimnisvoll klingende Würzmischung als der neue Star der Kochszene gehuldigt wird. Sterneköche werden inzwischen verehrt wie Popstars. All die neue Gewürzmagie hat die Anzahl an Gewürzen in der heimischen Küche binnen 20 bis 25 Jahren regelrecht explodieren lassen. Doch so sehr sich das Sortiment an würzenden Zutaten auch verändert haben mag, an Pfeffer führt nach wie vor kein Weg vorbei. Der Scharfmacher ist und bleibt das beliebteste und meistverwendete Gewürz in den Küchen der Welt.

Bereits seit Jahrtausenden macht man sich im südostasiatischen Raum die würzende wie heilende Eigenschaft des Pfeffers zunutze. Alte Schriften beweisen, dass im südlichen Indien bereits vor mehr als 4.000 Jahren Pfefferfrüchte als Gewürz Verwendung fanden. Über alte Karawanenhandelswege kam der Pfeffer in der Antike nach Europa und wurde mit Gold und Edelsteinen aufgewogen. Pfeffer galt lange vor dem Öl als das schwarze Gold der Erde und hatte in verschiedenen Epochen zeitweise den Status einer eigenen Währung. Viele Gewürze waren über Jahrhunderte vornehmlich dem Hoch- und Geldadel vorbehalten, was angesichts teils horrender Preise durchaus selbsterklärend war. Sowohl in den ursprünglichen Anbaugebieten als auch in den Handelsketten tobten teilweise erbitterte Kriege und blutige Kämpfe um Monopolismus und Vormachtstellungen. Auch ging es darum, die Verbreitung der begehrten Gewürze in andere Länder und Regionen mit aller Macht zu verhindern. Gelegentlich wurden schon mal ganze Ladungen Gewürze über Bord gekippt, verbrannt oder ein ganzes Handelsschiff kurzerhand komplett versenkt, um die Preise hochzuhalten oder um sich Vorteile gegenüber Mitbewerbern zu verschaffen.
Große geschichtliche Ereignisse brachten im Gewürzhandel immer wieder gravierende Veränderungen mit sich und hatten maßgeblichen Einfluss auf die zur Verfügung stehenden Pfeffer und anderen Gewürze. Und manche Jagd nach den begehrten Gewürzen brachte im Umkehrschluss revolutionäre Veränderungen im Weltgeschehen. Indien und China waren in der Antike und im Mittelalter führende Produzenten und wichtige Handelspartner Europas für die begehrten Würzmittel. Als das Osmanische Reich im 15. Jahrhundert zur Weltmacht aufstieg, wurde der Gewürzhandel nach Europa massiv gestört und alsbald mussten hohe Zölle auf die begehrten und eh schon sündhaft teuren Luxusgüter gezahlt werden. Portugal und Spanien, die damals führenden Seefahrernationen, versuchten, diese Problematik zu umgehen, indem sie hofften, neue Wege nach Indien zu finden. Die Aussicht auf enormen Reichtum und Macht war größer als die Angst vor dem Unbekannten. Und so erlangten einige Seefahrer auf der Suche nach neuen Seerouten zu den Pfefferplantagen Indiens Weltruhm. Ihre Namen haben heute einen festen Platz in den Geschichtsbüchern.
Christoph Kolumbus’ Reise führte 1492 zur neuzeitlichen Entdeckung Amerika, sechs Jahre später fand der als großer Pfefferliebhaber bekannte Vasco da Gama schließlich den lang erhofften Seeweg um Afrika zum indischen Subkontinent. Auch bei der ersten Weltumseglung von Magellan zu Beginn des 16. Jahrhunderts war die Suche nach dem direkten Zugang zu den begehrten Gewürzplantagen Südostasiens eine der treibenden Kräfte. Die zu erwartenden hohen Profite aus dem Gewürzhandel gaben letztlich den Ausschlag für einige der größten Entdeckungsfahrten der Geschichte und waren zugleich der Beginn der weltweiten Kolonisierung durch die europäischen Nationen. Gute Beobachtungsgabe, Pioniergeist, Entdeckerdrang, aber auch List, Stärke und Härte führten letztendlich zum Ziel. Meist war es die zu ihrer Zeit führende Weltmacht, die ab dem Spätmittelalter bis zur frühen Neuzeit den direkten Zugang zum schwarzen Gold hatte und die wichtigen Häfen und Seerouten kontrollierte. Diese galt es, um jeden Preis zu bewahren. Die eigenen Interessen wurden mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigt. Das kleine Portugal sollte die nächsten 100 Jahre den gewinnträchtigen Gewürzhandel beherrschen. Um das Jahr 1600 waren die Protestanten aus England und den Niederlanden der Auffassung, dass ein katholisches Gewürzmonopol Portugals und Venedigs nicht besser sei als ein arabisches. Und so übernahmen die Niederlande und Großbritannien bald die neue Führungsrolle auf den Weltmeeren und lösten Portugal als mächtigste Wirtschaftsnation ab. Zahlreiche europäische Kriege, die mehrheitlich auch Handelskriege um die begehrten Gewürze waren, wurden immer öfter bis weit über die europäischen Grenzen hinaus ausgetragen. Wieder und wieder verschoben sich die europäischen Kräfteverhältnisse, auch weil die Kriege Unsummen an Kapital verschlangen.
Zum Ende des 19. Jahrhunderts fielen die letzten Gewürzmonopole, Pfeffer und andere Gewürzpflanzen gelangten in alle Regionen unserer Erde. Mit nunmehr deutlich gestiegener Warenverfügbarkeit und, daraus resultierend, fallender Preise wurde Pfeffer für die breite Bevölkerung erschwinglich. Pfeffer manifestierte sich als wichtigstes Gewürz und war ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil in den Küchen der Welt. Lange war das Angebot auf schwarzen und weißen Pfeffer in ganzer, geschroteter und gemahlener Form reduziert. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entdeckte man in Fachgeschäften dann gelegentlich grünen Pfeffer in Essiglake, später auch dessen getrocknete Variante, zusammen mit den rosa Beeren als farbliche Abrundung in bunten Pfeffermischungen. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts und Beginn des 21. Jahrhunderts fand dann eine Art der Gewürzrevolution statt. Vor allem die gastronomische Elite der Sterneköche war mit dem vorhandenen Angebot an Gewürzen nicht zufrieden und suchte neue Beschaffungswege über internationale Gewürzhändler und Spezialisten für exotische Geschmacksvielfalt. Neue Gewürze wurden entdeckt, andere erlebten ihre Renaissance. Es war, als hätte eine Würzfee einer angestaubten Branche neues Leben eingehaucht. Eine nie gekannte Fülle an Gewürzen bereichert inzwischen unsere Märkte und eine enorme Vielzahl (echter und unechter) neuer Pfeffersorten wartet nur darauf, entdeckt zu werden. Der wahre Pfefferenthusiast kennt längst die enorme Bandbreite der feurigen Beeren, Kapseln und Früchte. Er verlangt gezielt nach einem Tellicherry, einem Kampot, einem Belém, einem Muntok oder vielleicht einem Bucay, um nur einige der zahlreichen Vertreter des echten Pfeffers zu nennen. Und tatsächlich können die Unterschiede in Geschmack und Aromatik riesig sein. Lernen Sie die Unterschiede zwischen echten und unechten Pfeffern kennen und die enorme Bandbreite und Facetten an Aromen und Geschmäckern. Möglicherweise hilft Ihnen die Lektüre, „Ihren“ Pfeffer zu finden oder in der Küche ein wenig zu experimentieren. Erfahren Sie mehr über die ursprüngliche Heimat des klassischen Pfeffers und wie sich die Pfefferpflanzen um den ganzen Globus verteilen konnten. Was bedeuten die unterschiedlichen Namensbezeichnungen der Pfeffersorten und wie erkenne ich eine gute Qualität?

Ein großer Teil dieses Buch ist der spannenden Geschichte des Pfeffers gewidmet. Die kleinen Beeren waren mit ausschlaggebend für einige der größten Abenteuer der Menschheit. Erfahren Sie, wie die sich über Jahrhunderte erstreckenden, erbitterten Kämpfe um die Gewürzmonopole unsere Geschichte geprägt und die Welt beeinflusst hat. Es war gleichwohl ein Wettstreit um die besten Handelsrouten, um Macht, Einfluss und Reichtum. Mutige Seefahrer, furchtlose Abenteurer und wissbegierige Wissenschaftler mit einer gehörigen Portion Draufgängertum, Entschlossenheit, (Neu-) Gier und Wagemut sollten die Welt nachhaltig verändern. Die zahllosen Entdeckungen und Eroberungen wurden mit aller Härte, mit viel List und Tücke geführt. Nicht jeder Eroberer hat sich dabei mit Ruhm bekleckert und viele gescheiterte Expeditionen wurden mit zahlreichen Leben bezahlt. Die berühmtesten Seefahrer schrieben Geschichte, die zahllosen anderen wurden vergessen.
Auf jeden Fall ist die Geschichte des Pfeffers eine spannende Reise um die Welt und ein sehr interessanter Rückblick in unsere Historie.



Die Geschichte des Pfeffers

Bereits seit Jahrtausenden macht man sich im südostasiatischen Raum die würzende wie heilende Eigenschaft des Pfeffers zunutze. Als ursprüngliche Heimat der Pflanze gilt der indische Bundesstaat Kerala, ganz im Südwesten des Landes gelegen. Die berühmte Malabarküste erstreckt sich über eine Länge von rund 650 km von der Südspitze Indiens bis an die Grenze des Nachbar-Bundesstaates Karnataka im Norden. Gelegentlich wird die Region auch, durchaus passend, Pfefferküste genannt (nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls so bezeichneten Küstengebiet der heutigen Staaten Liberia und Sierra Leone in Westafrika. Namensgeber waren in diesem Fall die dort wachsenden Paradieskörner, die im Mittelalter lange als scharfe Alternative zum sündhaft teuren echten Pfeffer verwendet wurden). In Kerala herrscht ganzjährig ein feucht-heißes Klima mit regelmäßig einsetzendem Monsunregen, fruchtbarer Erde und üppiger Vegetation. Neben zahlreichen Palmenarten wachsen hier Teakhölzer und andere wertvolle Holzarten sowie Kaffee, Tee und zahlreiche Gewürze von überdurchschnittlicher Qualität. Das bekannteste Gewürz sind die Früchte des Pfefferstrauches, eine sich verholzende Kletterpflanze ähnlich der Weinrebe, die an Pfählen oder Bäumen emporwächst und Höhen von fast 15 Meter erreichen kann. In kultivierten Plantagen hält man die Höhe der Pflanzen zur besseren Bearbeitung in der Regel bei etwa drei bis vier Metern. Die tannengrünen und herzförmigen Blätter sind unverwechselbar. Aus unscheinbaren, gelbgrünen Blüten wachsen innerhalb von circa acht bis neun Monaten (je nach Reifegrad/Erntezeitpunkt) an Rispen kugelförmige Beerenfrüchte. Im unreifen Zustand sind diese grün, werden dann gelb und orange und mit Erreichen der vollen Reife schließlich rot. Idealer Lebensraum für Pfefferpflanzen sind sandige bis lehmige Böden. Die Pflanze mag Wärme, aber keine direkte Sonneneinstrahlung. Die besten Qualitäten erzielen die Bauern in etwas höher gelegenen Regionen oberhalb von 500 bis 1.600 Metern. Das dicht bewaldete und hügelige Küstenhinterland von Kerala mit seinen bis zu 2.600 Meter hohen Gipfeln weist genau diese optimalen Bedingungen auf.
Seit wann genau die Pfefferbeeren in Indien Verwendung finden, kann nur vermutet werden. Erste schriftliche Aufzeichnungen aus altindischen Schriften mit konkreten Hinweisen sind rund 4.000 Jahre alt. Möglicherweise wurden die scharfen Beeren bereits viel länger zum Würzen von Speisen verwendet. Das Wissen darüber kann nur über eifriges Experimentieren in Selbstversuchen erlernt worden sein – zum Glück ist der Mensch von Natur aus neugierig. Durchaus möglich, dass der Gebrauch der Pfefferbeeren ursprünglich tatsächlich einem anderen Zweck diente, nämlich einem medizinischen. Das im Pfeffer enthaltene Piperin wirkt antiseptisch und entzündungshemmend. Die Liste der Anwendungsmöglichkeiten zur möglichen Verbesserung der Gesundheit ist lang, von Appetitlosigkeit bis Zahnschmerzen. Die unterschiedlichen Pfefferarten sind fester Bestandteil der ayurvedischen Medizin. Seit jeher ist schwarzer Pfeffer ein traditionelles indisches Hausmittel gegen zahlreiche Symptome grippaler Infekte von Halsschmerzen bis Fieber. Kubeben-Pfeffer hilft bei Kopfschmerzen, Schnupfen und Atemwegserkrankungen und wurde 2016 in Deutschland zur Heilpflanze des Jahres gekürt. Zudem hat Pfeffer genau wie Salz auch eine konservierende Funktion, bis zur Erfindung des Kühlschrankes eine überlebenswichtige Eigenschaft zur Haltbarmachung von Lebensmitteln. Ihm wird zudem sogar eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt, denn Piperin regt die Durchblutung an. Pfeffer weckte schon früh Begehren und war bald über die Grenzen Indiens hinaus bekannt.
1.200 vor Christus war der Pfeffer bereits bis Ägypten vorgedrungen. Es ist bekannt, dass ägyptische Pharaonen Gewürz-Scouts in die arabische Welt und zum Horn von Afrika entsandten. Als im Jahr 1213 vor Christus der altägyptische König Ramses II. verstarb, steckte man der einbalsamierten Mumie Pfefferkörner in die Nasenlöcher. Ramses regierte unglaubliche 66 Jahre und während seiner Regierungszeit erfuhr Ägypten wirtschaftlich und kulturell seinen Höhepunkt. Offensichtlich gab es zu der Zeit bereits direkte oder indirekte Handelsbeziehungen zwischen Ägypten und Indien.
Etwa 600 vor Christus betrieb das chinesische Reich bereits regen Handel mit Indien und tauschte Seide und andere Waren gegen Gewürze. Rund 100 Jahre später tauchte der erste indische Pfeffer in Griechenland auf. Persische Händler transportierten den Pfeffer auf Eseln und Kamelen zu den Handelsplätzen der Phönizier am Mittelmeer. Ab dem 6. Jahrhundert vor Christus entstand ein Gewirr von Pfaden und Wegen entlang zweier Hauptrouten, die China und Europa verbanden. Karawanenzüge, bestehend aus Kaufleuten, Abenteurern und Söldnern, brachten die Objekte der Begierde in die großen Hafenstädte im südöstlichen Mittelmeerraum. Sie nahmen den gefährlichen und langen Weg über Persien und Indien bis nach China auf sich, um ertragreichen Handel in beide Richtungen zu betreiben. Im weit verzweigten Netz alter Handelsrouten, das den Mittelmeerraum mit Zentral- und Ostasien verband und später als Seidenstraße bekannt wurde, kamen aus östlicher Richtung vor allem die namensgebende Seide sowie Gewürze und Porzellan nach Europa. In China und Indien fand man vor allem Gefallen an Glas, Gold und Edelsteinen aus Europa. Die Karawanen waren häufig Ziel von Räuberbanden, denn die Aussicht auf reiche Beute war groß. Auch mussten die Karawanen große Trockensavannen und wüstenähnliche Regionen mit wenig Aussicht auf Wasser durchqueren. Die klimatischen Bedingungen waren sehr hart, mit extremer Hitze im Sommer und teils arktischer Kälte in den Wintermonaten. Die wenigsten Händler legten die kompletten Wege zurück, sondern begrenzten sich auf bestimmte Teilabschnitte. Entsprechend wechselte manche Ware mehrfach den Händler, was die Preise stetig in die Höhe trieb. Die Aussicht auf immense Gewinne ließ viele Händler trotz aller Gefahren das hohe Risiko tragen. Und so bezahlte mancher Teilnehmer der Handelskarawanen die Reise mit seinem Hab und Gut, manchmal auch mit seinem Leben. Die Hochzeit des Handels erlebte die Seidenstraße bis ins 3. Jahrhundert nach Christus hinein. Mit Beginn der römisch-persischen Konflikte kam es auf der Route zu starken Beeinträchtigungen. Der gleichzeitige Ausbau von Seeflotten tat sein Übriges.
Der griechische Gelehrte Aristoteles, der sicher zu den bekanntesten und einflussreichsten Naturforschern der Geschichte gehört, schrieb im 4. Jahrhundert vor Christus bereits von Pfeffer als Heilmittel gegen zahlreiche Krankheiten und beschrieb auch dessen aphrodisierende Wirkung. Zuvor hatte er 343/342 vor Christus in der antiken makedonischen Stadt Mieza den jungen Alexander (später „der Große“) unterrichtet. Alexander wiederum drang Anfang des Jahres 326 vor Christus mit zwei Heeren Richtung Osten bis nach Indien vor. Zu seiner Kriegsbeute gehörten unter anderem der berühmte indische Pfeffer und andere Gewürze. Alexandria und später auch Konstantinopel entwickelten sich nun zu den wichtigsten Umschlagplätzen für die begehrten indischen Pfeffer. Auch im Römischen Reich war der Pfeffer inzwischen sehr beliebt, jedoch auch extrem teuer. Im 1. Jahrhundert strebte Rom deshalb eine Umgehung des Zwischenhandels für das wertvolle schwarze Gold an. Das Reich beherrschte inzwischen den kompletten Mittelmeerraum. Man hatte von griechischen Kaufleuten erfahren, dass es über das Rote Meer und den Indischen Ozean direkte Seerouten nach Indien gab. Da die Römer gute Seefahrer waren und ihr Imperium bis ans Rote Meer reichte, brach eine Flotte aus Ägypten auf. Den Monsunwind und günstige Meeresströmungen nutzend, segelten die schnellen Schiffe im Sommer Richtung südwestindische Küste weiter. Die Unternehmung wurde ein voller Erfolg, bereits wenige Monate später kehrte die Flotte schwer beladen mit wertvollen Gewürzen zurück. Dank der neu entdeckten Handelsroute konnte man alsbald das gesamte Reich mit den begehrten pfeffrigen Körnern versorgen. Es war den Römern gelungen, das Handelsmonopol der Araber zu brechen und diese aus dem lukrativen Gewürzhandel zu verdrängen. Die rasant wachsende Nachfrage sorgte trotz deutlich wachsender Importmengen für ein extrem hohes Preisniveau für alle asiatischen Gewürze. In Rom legte man Ende des 1. Jahrhunderts sogar Pfefferspeicher an, bis zu 120 Schiffe sorgten nun Jahr für Jahr für Nachschub. Neben dem schwarzen und weißen Pfeffer verwendeten die Römer auch den langen Pfeffer, der bereits vor den runden Pfefferkörnern über Karawanen aus Nordindien bezogen wurde. Dank hervorragender Infrastruktur war man inzwischen in der Lage, jedem in Europa, der es sich leisten konnte, den beliebten Pfeffer zu liefern. Die Händler brachten die würzenden Zutaten bis in die entlegensten Winkel des mächtigen Reiches. Man darf mit Fug und Recht behaupten, dass die exotischen Gewürze mehr als nur eine Bereicherung des Speiseplanes waren. Die neuen Würzmittel aus Indien revolutionierten die Kunst des Kochens in Europa grundlegend. Die leuchtenden Farben und verlockenden Aromen von Kurkuma und Co. ließen völlig neue Geschmackserlebnisse in die Kochtöpfe zaubern, Pfeffer avancierte zum neuen Prestigeobjekt. Im 1. Jahrhundert gehörte deshalb ein reich verzierter Pfeffertopf als Statussymbol in die Villen der wohlhabenden Bürger. Die indische Malabarküste avancierte nach und nach zum zentralen Handelsplatz für Gewürze im gesamten asiatischen Raum. Man betrieb inzwischen Handel mit der kompletten damals bekannten Welt. Die stetig steigende Nachfrage nach dem neuen kulinarischen Luxus ließ allmählich den ersten weltumfassenden Umschlagplatz für Pfeffer und Gewürze entstehen, quasi eine Frühform globalisierten Handels. Die alte Hafenstadt Muziris entwickelte sich zum Mekka des Pfefferhandels.
Der römische Historiker und Gelehrte Plinius der Ältere erwähnte in seinem 37 Bände umfassenden enzyklopädischen Werk zur Naturkunde den Pfeffer mehrfach. Es gilt heute als wichtiges Standardwerk für die Beurteilung des antiken Wissensstandes im 1. Jahrhundert. Das älteste weltweit erhaltene Kochbuch „De re coquinaria“, das sich mit „Über die Küche“ oder „Über die Kochkunst“ übersetzen lässt, stammt vermutlich aus dem 3. Jahrhundert des antiken Roms. In den meisten der rund 400 Rezepte ist Pfeffer ein wesentlicher Bestandteil. Selbst der Wein wurde häufig mit einer Prise Pfeffer gewürzt. Als im Jahre 408 ein Heer der Westgoten unter Alarich I. Rom belagerte, stimmten die Bürger Roms einem Lösegeld von 5.000 Pfund Gold, 30.000 Pfund Silber sowie 3.000 Pfund Pfeffer zu, um so eine Zerstörung ihrer Stadt zu verhindern. Die Gefahr der Plünderung schien abgewendet, doch die politischen Geschehnisse brachten Rom zwei weitere Belagerungen ein. Im August 410 drangen die Truppen der Westgoten ein und plünderten die Stadt mehrere Tage lang. Fast zur gleichen Zeit begannen die Eroberungsfeldzüge der Vandalen in Nordafrika, damals die Kornkammer Roms. Das Römische Reich begann allmählich an vielen Fronten zu zerbröckeln. Mit dem Untergang des Römischen Reiches brach nicht nur die Kultur und Kunst im Mittelmeerraum und Europa zusammen. Die komplette Infrastruktur kam innerhalb kürzester Zeit mehr oder weniger zum Erliegen. Die über Jahrhunderte entstandenen römischen Verwaltungsstrukturen waren plötzlich nicht mehr vorhanden, die politische Ordnung veränderte sich grundlegend. Auch die Hygiene wurde plötzlich sträflich vernachlässigt. Man denke nur an die zahlreichen römischen Thermen, öffentliche Badehäuser, die für alle Bürger zugängig waren, sowie Sanitäranlagen, die nach und nach verschwanden. Das Zeitalter der Antike war weitgehend beendet. Auch der Handel mit Pfeffer und anderen indischen und afrikanischen Gewürzen und Essenzen fand nur noch sehr spärlich statt. Neben dem würzenden Faktor sollte man in Betracht ziehen, dass Salze und Pfeffer auch konservierende Eigenschaften haben. Kühlschränke gab es noch nicht und gerade in heißen Sommermonaten und in Anbetracht unzureichender Konservierungsmethoden wird damals das eine oder andere Stück Fleisch oder Fisch verdorben sein. Nach heutigen Maßstäben müssen Fisch und Fleisch im frühen Mittelalter vermutlich grauenhaft gerochen und geschmeckt haben. Lediglich wenige Gewürze, meist einheimische Wildkräuter oder Wacholder, standen der breiten Bevölkerung noch zur Verfügung. Salz, damals das weiße Gold, war ebenfalls sehr teuer und für einfache Bauern und Handwerker kaum bezahlbar. Wahrlich kein schönes Zeitalter für empfindliche Nasen und Mägen.
Im Jahre 603 entbrannte zwischen dem Oströmischen Reich und den persischen Sassaniden der letzte große Krieg der Antike. Der Islam breitete sich nach und nach immer weiter aus. 642 konnten die sassanidischen Truppen Alexandria und weite Teile Nordafrikas einnehmen. Dem Oströmischen Reich der Byzantiner fehlten durch die andauernden Kämpfe gegen die arabischen Stämme nun die liquiden Mittel, sodass der Handel mit indischen Pfeffern und Gewürzen fast vollständig zum Erliegen kam. Das Vordringen der muslimischen Eroberer veränderte die Machtverhältnisse in großen Teilen des Mittelmeerraumes. Es kam zur strikten Trennung zwischen den beiden Kulturen, das christliche Abendland im nördlichen Mittelmeerraum und die islamische geprägte Welt im Süden. Der Indienhandel mit der westlichen Welt des Abendlandes befand sich indessen komplett unter muslimischer Kontrolle. In der christlichen Welt sah man den Islam als rückständig an, Vorurteile und falsche Mythen lösten eine jahrhundertelange Konfrontation beider Religionen aus. Der Handel zwischen beiden Kulturen fand nur noch über jüdische Kaufleute statt, die von beiden Seiten als Handelspartner Anerkennung fanden. In der wohlhabenderen Gesellschaft wuchs der Wunsch nach den wertvollen Gewürzen, die einst zahlreichen Gerichten den entscheidenden Geschmack gegeben hatten. Kluge Kaufleute aus Venedig erkannten die Bedürfnisse der Bevölkerung und sahen darin ihre große Chance. Die Stadt entwickelte sich schnell zu der Metropole des Fernhandels und agierte von nun an als Umschlagplatz zwischen dem Byzantinischen Reich und Europa.
Nachdem Venedig bereits über das Salzmonopol zu enormem Reichtum gekommen war, ließen zusätzliche üppige Gewinne aus dem Pfeffer- und Gewürzhandel die Stadt schnell zu einer mächtigen Wirtschaftsmetropole emporsteigen. In Europa gelang es Karl dem Großen, die germanischen Stämme zu vereinen und er stieg zum ersten Karolingischen Kaiser auf. Das Frankenreich dehnte sich auf dem Höhepunkt von den Pyrenäen bis ins heutige Ungarn sowie von Mittelitalien bis an die Nord- und Ostsee aus. Karl war erfolgreicher Feldherr und Diplomat und avancierte zur mächtigsten Persönlichkeit in Europa. Seit dem Untergang des römischen Imperiums war Europa zum ersten Mal wieder vereint. Seinem Tod im Jahr 814 folgten zahlreiche militärische Machtkämpfe um die Thronfolge. Das über weite Teile Europas herrschende Frankenreich war Mitte des 9. Jahrhunderts durch den Verduner Vertrag in drei Teile gesplittet und verlor schnell wieder an Macht und Ansehen. In Europa sollte es nie wieder ein ähnlich großes Reich wie unter Karl dem Großen geben.

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