Wenn einem der Rücken in den Rücken fällt
Theresa Hornich
EUR 17,90
EUR 10,99
Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 110
ISBN: 978-3-99107-271-3
Erscheinungsdatum: 23.11.2020
Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Beschwerden am Bewegungsapparat und können das Leben Betroffener bis hin zu Arbeitsunfähigkeit und Depressionen einschränken. Mit Hintergrundwissen und praktischen Übungen wird dem Leiden der Kampf angesagt.
RESSOURCEN DER
GESUNDHEITSFÖRDERUNG
Während bis vor einiger Zeit eine nahezu ausschließlich krankheitsorientierte Medizin praktiziert wurde, in der bereits vorhandene Symptome bekämpft wurden, wenden sich die heutigen Ansichten immer mehr einer ressourcenstärkenden, präventiven Gesundheitsmedizin zur Aufrechterhaltung von Beschwerdefreiheit und Wohlbefinden zu. Die moderne Medizin soll Menschen gesund halten und vor dem Auftreten einer Krankheit schützen. Sollten dennoch Beschwerden auftreten, können die gestärkten inneren und äußeren Ressourcen Betroffener den Heilungsverlauf positiv beeinflussen.
Äußere Ressourcen sind unterschiedliche soziale, ökonomische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Umgebungsbedingungen, die als stärkende Quellen genutzt werden können. So gelten zum Beispiel ein gesicherter Arbeitsplatz, ein stabiles soziales Netzwerk, gesicherte Lebensbedingungen und der Zugang zu gesundheitlicher Grundversorgung als gewinnbringende äußere Ressourcen.
Zu den inneren Ressourcen können ein gutes Immunsystem, gesunde Ernährung sowie Zeit für Entspannung und regelmäßige Regenerationsmöglichkeiten zählen. Außerdem wirken sich moderate körperliche Aktivität und gesunde Schlafgewohnheiten positiv auf das Wohlbefinden eines Menschen aus und stärken ebenfalls interne gesundheitsfördernde Ressourcen.
Haben Betroffene von Rückenschmerzen das Gefühl, aktiv etwas gegen ihre Beschwerden unternehmen zu können, da sie über die dafür notwendigen Fähigkeiten und Mittel verfügen, wirkt sich das ebenfalls positiv auf die Wahrnehmung von Schmerzen aus.
Zur Prävention von Rücken- und Nackenproblemen ist es also von großer Bedeutung, sowohl innere als auch äußere Potenziale zu stärken. Damit kann man einerseits das Auftreten von Schmerzsymptomatiken bestmöglich verhindern und andererseits bei bereits vorhandenen Beschwerden über die notwendigen Fähigkeiten und Mittel verfügen, um rehabilitativ dagegen vorzugehen.
In den folgenden Kapiteln wird sowohl auf präventive als auch rehabilitative Ressourcen und Maßnahmen zur Bekämpfung von Rücken- und Nackenschmerzen eingegangen.
PRÄVENTION
Unter Prävention versteht man vorbeugende Maßnahmen zur Bekämpfung von Krankheiten und Beschwerden. Es wird zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Prävention unterschieden, wobei die Grenzen nicht streng gesetzt sind und sich die Bereiche teilweise überschneiden.
Primäre Prävention hat zum Ziel, das Auftreten einer Krankheit zu vermeiden und somit Rücken- und Nackenschmerzen entgegenzuwirken, bevor sie sich bemerkbar machen.
Sekundäre Prävention beschäftigt sich mit einem möglichst frühzeitigen Erkennen und Diagnostizieren von Beschwerden, um einen schnellstmöglichen und wirkungsvollen Behandlungsbeginn zu garantieren. Sie hat das Ziel, negative Folgen, die durch einen zu späten Behandlungsbeginn auftreten, zu reduzieren.
Tertiäre Prävention beschäftigt sich damit, ein erneutes Auftreten von Schmerzen sowie Rückfälle und Chronifizierungen von Nacken- und Rückenschmerzen zu vermeiden.
Das gemeinsame Ziel aller präventiven Maßnahmen zur Gesundheitsförderung ist die Vermeidung von Krankheiten, Beschwerden und Einschränkungen sowie deren Folgen als auch eine damit verbundene Steigerung von Zufriedenheit, Wohlbefinden und Lebensqualität. Die folgenden Kapitel beschäftigen sich ausschließlich mit Verhaltensprävention, also mit jenen präventiven Maßnahmen, die Betroffene selbst ergreifen können.
Richtlinien für präventive Maßnahmen richten ihren Fokus auf körperliche, psychosoziale und komplementärmedizinische Verfahren und weniger auf Operationen und Medikamente. Die größte präventive Wirkung zur Vorbeugung und Bekämpfung von Rückenschmerzen wird derzeit in einer Kombination aus körperlicher Aktivität und Wissensvermittlung vermutet.
Ergonomie zur Gesundheitsförderung
Schäden an der Wirbelsäule entstehen vor allem durch einseitige, monotone und übermäßige Belastungen, welche zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen. Daher ist es wichtig, auf einen abwechslungsreichen Bewegungsalltag zu achten, um den Rücken gesund zu halten.
Beim richtigen Stehen sollten Kopf, Schulter, Hüfte und Knie bei seitlicher Betrachtung eine senkrechte Linie ergeben und beide Beine gleichmäßig belastet werden. Nur so kann die Wirbelsäule ihre natürliche, gesunde Position erhalten. Die Knie sind minimal gebeugt, Bauch und Gesäß leicht angespannt, sodass das Becken in einer guten Ausgangsposition ist, und kein Hohlkreuz oder Rundrücken entsteht. Der Brustkorb ist aufgerichtet, die Schultern sind leicht zurückgezogen und der Nacken bleibt gerade, sodass der Kopf nicht nach vorne geschoben wird.
Die folgenden Abbildungen veranschaulichen die richtige Position im Stehen.
Beim Sitzen auf einem passenden Sessel sollten die Füße problemlos den Boden erreichen, sodass im Hüftgelenk und im Kniegelenk ein Winkel von jeweils etwa 90 Grad (oder etwas mehr) erreicht wird. Es sollte ein ständiger Wechsel zwischen dynamischem und unterstütztem Sitzen erfolgen. Beim dynamischen Sitzen ist der Oberkörper aufrecht, der Rücken berührt die Lehne nicht. So werden Becken und Wirbelsäule von der Rumpfmuskulatur in einer aufrechten Position gehalten. Das funktioniert besonders gut durch Hilfsmittel wie Gymnastikball, Sitzkissen oder Sitzkeil. Beim unterstützten Sitzen berührt der Rücken die Lehne, sodass diese die Wirbelsäule stützt. Im Optimalfall besitzt der Sessel eine Lendenstütze, welche die Form der Lendenlordose nachahmt. Längere Sitzphasen sollten regelmäßig durch kurze Steh- oder Bewegungsphasen unterbrochen werden.
Beim Liegen ist es wichtig, dass die Wirbelsäule ihre natürliche Position behält. Sowohl in Rücken-, als auch in Bauch- und Seitenlage sollten die normale Lordose und Kyphose aufrechterhalten werden sowie keine seitliche Krümmung auftreten. Polster und Matratze sollten so gewählt werden, dass die natürliche Wirbelsäulenform unterstützt wird. Optimale Matratzen oder Polster gibt es nicht, sie müssen immer individuell für die jeweilige Person passend sein. Die Rückenlage ist die schonendste Position. Durch eine leichte Erhöhung der Beine, sodass Hüfte und Knie leicht gebeugt sind, kann speziell die Lendenwirbelsäule zusätzlich entlastet werden. Die Bauchlage ist die ungünstigste Liegeposition, da hier der Kopf ständig zur Seite gedreht ist, und sollte daher über längere Zeitspannen vermieden werden.
Das richtige Heben erfolgt immer durch Einbeziehung von Hüfte, Knie- und Sprunggelenken. Durch eine Beugung des gesamten Beins wird der Körperschwerpunkt gesenkt, sodass Dinge vom Boden aufgehoben werden können. Der Rücken bleibt dabei gerade und hat eine ausschließlich stabilisierende Funktion, in der die natürliche Wirbelsäulenform durch Anspannung von Rücken-, Bauch- und Gesäßmuskulatur erhalten bleibt. Das Bücken mit gestreckten Beinen und gekrümmtem Rücken sollte streng vermieden werden.
Die folgenden Abbildungen veranschaulichen die richtige Position beim Heben.
Beim Tragen von schweren Lasten empfiehlt es sich, diese mit einem sicheren Griff beider Hände vor dem Körper zu fassen. Dadurch wird eine ungesunde seitliche Krümmung der Wirbelsäule, die beim einseitigen Tragen von Lasten mit einer Hand auftritt, vermieden. Ebenfalls sollte darauf geachtet werden, dass der Rücken nicht nach hinten durchgebogen wird, sondern aufrecht bleibt und es zu keiner Verdrehung der Wirbelsäule kommt. Beim Drehen muss immer der gesamte Bewegungsapparat einbezogen werden und eine Drehung des gesamten Körpers erfolgen. Beim Tragen schwerer Gewichte können Transporthilfen, wie zum Beispiel eine fahrbare Einkaufstasche, eingesetzt oder Lasten aufgeteilt werden. Es ist besser, zweimal zu gehen, als zu große Mengen auf einmal zu tragen.
Durch Sport wird die Muskulatur gekräftigt und die Beweglichkeit gefördert. Für Patienten mit Rücken- und Nackenschmerzen ist jedoch nicht jede Sportart geeignet. Sollten während oder nach speziellen sportlichen Betätigungen Schmerzen auftreten, sind diese Aktivitäten zu vermeiden oder mit einem Arzt abzuklären. Wirbelsäulenschonende Sportarten sind vor allem jene mit einem gleichmäßigen Bewegungsablauf, wie zum Beispiel technisch richtiges Schwimmen, Walken, Radfahren, Langlaufen oder Wandern. Ebenso hat ein gezielter und moderater Muskelaufbau durch Krafttraining positive Auswirkungen auf Rücken- und Nackenschmerzen. Wichtig dabei ist auf jeden Fall eine geeignete Ausrüstung (passende Schuhe, geeignetes Fahrrad, etc.). Ungünstig sind in den meisten Fällen Sportarten mit schnellen, schwungvollen oder abrupt abstoppenden Bewegungen.
Für Menschen, die vorwiegend im Sitzen arbeiten, kann ein bewegtes Hobby den idealen Ausgleich schaffen.
Voraussetzung für das ergonomisch gesunde Ausüben diverser Tätigkeiten ist in allen Fällen eine gut ausgebildete Rumpfmuskulatur zur Stabilisierung von Gelenken und Wirbelsäule.
Rückenschule am Arbeitsplatz
zur Gesundheitsförderung
Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Gründen für Krankenstand und Frühpensionierung. Das hat nicht nur für betroffene Patienten, sondern auch für deren Dienstgeber Nachteile. Programme, die dem Ziel der Gesunderhaltung von Mitarbeitern dienen, haben also für beide Seiten positive Auswirkungen und sollten daher für alle Betriebe erstrebenswert sein. Einige Arbeitgeber haben dieses Konzept bereits in ihren Betrieb integriert und unternehmen aktiv etwas für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter, jedoch ist die praktische Umsetzung derzeit in den meisten Unternehmen noch mangelhaft. Eine Ausweitung in Richtung eines flächendeckenden und umfassenden Gesundheitsangebotes in den Betrieben wäre erstrebenswert.
Ein umfassendes Gesundheitskonzept zur Prävention von Rücken- und Nackenbeschwerden sollte mehrere Aspekte beinhalten, darunter: körperliche Aktivität zur Kräftigung der Muskulatur, Training von Entspannungsverfahren zur Stressbewältigung, Wissensvermittlung zur ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung, Hilfestellungen zur Erhaltung eines aktiven Lebensstils sowie Programme zur Verbesserung der Beweglichkeit. Diese Bereiche der Gesundheitsförderung sollten sowohl in Theorie als auch Praxis Anwendung finden und können zum Beispiel in Zusammenarbeit mit Krankenanstalten, Fitness- oder Rehabilitationseinrichtungen erfolgen. Ebenso können Betriebsärzte zielgruppenspezifische Programme für die Förderung der Rückengesundheit entwickeln.
Ernährung in Zusammenhang
mit Schmerzentwicklung
Es gibt keine Ernährungsempfehlungen speziell für Betroffene von Rücken- und Nackenschmerzen, jedoch kann durch eine ausgewogene, abwechslungsreiche und gesunde Ernährung ein zusätzlicher Schritt zu Prävention und Rehabilitation von Wirbelsäulenproblemen unternommen werden.
Empfehlungen für eine gesunde Ernährung bietet die bekannte Ernährungspyramide, die nachfolgend dargestellt ist.
Auf der untersten Ebene befinden sich alkoholfreie Getränke, die für eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung des Körpers notwendig sind. Optimalerweise werden über den Tag verteilt mindestens eineinhalb Liter Wasser oder andere zuckerfreie Getränke getrunken.
Darüber befinden sich Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte, die täglich in ausreichenden Mengen konsumiert werden sollten. Sie enthalten wichtige Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente sowie sekundäre Pflanzenstoffe und sind meist kalorien- und fettarm. Bunte, vorzugsweise saisonale und regionale Vielfalt ist erwünscht, sowohl in gekochter als auch roher Form.
Die dritte Ebene der Ernährungspyramide bilden Getreide und Kartoffeln. Vor allem Vollkornprodukte enthalten nützliche Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe und sollten mehrmals täglich konsumiert werden. Auch pflanzliche Öle, Samen und Nüsse sollten in den täglichen Ernährungsplan aufgenommen werden, da sie wertvolle Fette enthalten.
Darüber stehen Milch und Milchprodukte, die eine gute Eiweiß- und Kalziumquelle sind und deshalb täglich in Form von Milch, zuckerarmem Joghurt oder fett- und salzarmem Käse konsumiert werden sollten.
Fisch, Fleisch, Wurst und Eier liefern Eiweiß und sollten an drei bis vier Tagen der Woche konsumiert werden.
Gesättigte Fettsäuren, wie sie in fettreichem Fleisch vorkommen, enthalten in vielen Fällen ebenfalls reichlich Cholesterin und sollten nur selten gegessen werden, da sie sich negativ auf die Blutfettwerte auswirken.
Verarbeitete Lebensmittel und Fertigprodukte stellen die Spitze der Ernährungspyramide dar und sollten nur sehr selten konsumiert werden. Sie enthalten sehr viel Zucker, Fett und Salz und können die Gesundheit negativ beeinflussen.
Prävention durch Wissen –
Ausbildungsprogramme
Ausbildungsprogramme zur Patientenedukation zielen darauf ab, Grundlagen und Ursachen von Rückenschmerzen zu vermitteln und Betroffenen ihre Beschwerden verständlich zu machen. In Kombination mit manueller oder Trainingstherapie sollen so Schmerzintensitäten gesenkt und das Ausmaß an Bewegungseinschränkung reduziert werden.
Die Intervention erfolgt in Anlehnung an das bio-psycho-soziale Modell in mehreren Bereichen und vermittelt Theorien und Fakten aus dem biologischen, physiologischen, psychologischen, sozialen, gesellschaftlichen, ökologischen und beruflichen Bereich – mit dem Ziel, die Schmerzmatrix positiv zu beeinflussen. Es sollen diverse aktive Übungen und Bewegungen zur Muskelkräftigung und Förderung der Beweglichkeit gelehrt, die manuelle Therapie erklärt und verhaltenstherapeutische Interventionen in die Praxis umgesetzt werden.
GESUNDHEITSFÖRDERUNG
Während bis vor einiger Zeit eine nahezu ausschließlich krankheitsorientierte Medizin praktiziert wurde, in der bereits vorhandene Symptome bekämpft wurden, wenden sich die heutigen Ansichten immer mehr einer ressourcenstärkenden, präventiven Gesundheitsmedizin zur Aufrechterhaltung von Beschwerdefreiheit und Wohlbefinden zu. Die moderne Medizin soll Menschen gesund halten und vor dem Auftreten einer Krankheit schützen. Sollten dennoch Beschwerden auftreten, können die gestärkten inneren und äußeren Ressourcen Betroffener den Heilungsverlauf positiv beeinflussen.
Äußere Ressourcen sind unterschiedliche soziale, ökonomische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Umgebungsbedingungen, die als stärkende Quellen genutzt werden können. So gelten zum Beispiel ein gesicherter Arbeitsplatz, ein stabiles soziales Netzwerk, gesicherte Lebensbedingungen und der Zugang zu gesundheitlicher Grundversorgung als gewinnbringende äußere Ressourcen.
Zu den inneren Ressourcen können ein gutes Immunsystem, gesunde Ernährung sowie Zeit für Entspannung und regelmäßige Regenerationsmöglichkeiten zählen. Außerdem wirken sich moderate körperliche Aktivität und gesunde Schlafgewohnheiten positiv auf das Wohlbefinden eines Menschen aus und stärken ebenfalls interne gesundheitsfördernde Ressourcen.
Haben Betroffene von Rückenschmerzen das Gefühl, aktiv etwas gegen ihre Beschwerden unternehmen zu können, da sie über die dafür notwendigen Fähigkeiten und Mittel verfügen, wirkt sich das ebenfalls positiv auf die Wahrnehmung von Schmerzen aus.
Zur Prävention von Rücken- und Nackenproblemen ist es also von großer Bedeutung, sowohl innere als auch äußere Potenziale zu stärken. Damit kann man einerseits das Auftreten von Schmerzsymptomatiken bestmöglich verhindern und andererseits bei bereits vorhandenen Beschwerden über die notwendigen Fähigkeiten und Mittel verfügen, um rehabilitativ dagegen vorzugehen.
In den folgenden Kapiteln wird sowohl auf präventive als auch rehabilitative Ressourcen und Maßnahmen zur Bekämpfung von Rücken- und Nackenschmerzen eingegangen.
PRÄVENTION
Unter Prävention versteht man vorbeugende Maßnahmen zur Bekämpfung von Krankheiten und Beschwerden. Es wird zwischen primärer, sekundärer und tertiärer Prävention unterschieden, wobei die Grenzen nicht streng gesetzt sind und sich die Bereiche teilweise überschneiden.
Primäre Prävention hat zum Ziel, das Auftreten einer Krankheit zu vermeiden und somit Rücken- und Nackenschmerzen entgegenzuwirken, bevor sie sich bemerkbar machen.
Sekundäre Prävention beschäftigt sich mit einem möglichst frühzeitigen Erkennen und Diagnostizieren von Beschwerden, um einen schnellstmöglichen und wirkungsvollen Behandlungsbeginn zu garantieren. Sie hat das Ziel, negative Folgen, die durch einen zu späten Behandlungsbeginn auftreten, zu reduzieren.
Tertiäre Prävention beschäftigt sich damit, ein erneutes Auftreten von Schmerzen sowie Rückfälle und Chronifizierungen von Nacken- und Rückenschmerzen zu vermeiden.
Das gemeinsame Ziel aller präventiven Maßnahmen zur Gesundheitsförderung ist die Vermeidung von Krankheiten, Beschwerden und Einschränkungen sowie deren Folgen als auch eine damit verbundene Steigerung von Zufriedenheit, Wohlbefinden und Lebensqualität. Die folgenden Kapitel beschäftigen sich ausschließlich mit Verhaltensprävention, also mit jenen präventiven Maßnahmen, die Betroffene selbst ergreifen können.
Richtlinien für präventive Maßnahmen richten ihren Fokus auf körperliche, psychosoziale und komplementärmedizinische Verfahren und weniger auf Operationen und Medikamente. Die größte präventive Wirkung zur Vorbeugung und Bekämpfung von Rückenschmerzen wird derzeit in einer Kombination aus körperlicher Aktivität und Wissensvermittlung vermutet.
Ergonomie zur Gesundheitsförderung
Schäden an der Wirbelsäule entstehen vor allem durch einseitige, monotone und übermäßige Belastungen, welche zu Schmerzen und Bewegungseinschränkungen führen. Daher ist es wichtig, auf einen abwechslungsreichen Bewegungsalltag zu achten, um den Rücken gesund zu halten.
Beim richtigen Stehen sollten Kopf, Schulter, Hüfte und Knie bei seitlicher Betrachtung eine senkrechte Linie ergeben und beide Beine gleichmäßig belastet werden. Nur so kann die Wirbelsäule ihre natürliche, gesunde Position erhalten. Die Knie sind minimal gebeugt, Bauch und Gesäß leicht angespannt, sodass das Becken in einer guten Ausgangsposition ist, und kein Hohlkreuz oder Rundrücken entsteht. Der Brustkorb ist aufgerichtet, die Schultern sind leicht zurückgezogen und der Nacken bleibt gerade, sodass der Kopf nicht nach vorne geschoben wird.
Die folgenden Abbildungen veranschaulichen die richtige Position im Stehen.
Beim Sitzen auf einem passenden Sessel sollten die Füße problemlos den Boden erreichen, sodass im Hüftgelenk und im Kniegelenk ein Winkel von jeweils etwa 90 Grad (oder etwas mehr) erreicht wird. Es sollte ein ständiger Wechsel zwischen dynamischem und unterstütztem Sitzen erfolgen. Beim dynamischen Sitzen ist der Oberkörper aufrecht, der Rücken berührt die Lehne nicht. So werden Becken und Wirbelsäule von der Rumpfmuskulatur in einer aufrechten Position gehalten. Das funktioniert besonders gut durch Hilfsmittel wie Gymnastikball, Sitzkissen oder Sitzkeil. Beim unterstützten Sitzen berührt der Rücken die Lehne, sodass diese die Wirbelsäule stützt. Im Optimalfall besitzt der Sessel eine Lendenstütze, welche die Form der Lendenlordose nachahmt. Längere Sitzphasen sollten regelmäßig durch kurze Steh- oder Bewegungsphasen unterbrochen werden.
Beim Liegen ist es wichtig, dass die Wirbelsäule ihre natürliche Position behält. Sowohl in Rücken-, als auch in Bauch- und Seitenlage sollten die normale Lordose und Kyphose aufrechterhalten werden sowie keine seitliche Krümmung auftreten. Polster und Matratze sollten so gewählt werden, dass die natürliche Wirbelsäulenform unterstützt wird. Optimale Matratzen oder Polster gibt es nicht, sie müssen immer individuell für die jeweilige Person passend sein. Die Rückenlage ist die schonendste Position. Durch eine leichte Erhöhung der Beine, sodass Hüfte und Knie leicht gebeugt sind, kann speziell die Lendenwirbelsäule zusätzlich entlastet werden. Die Bauchlage ist die ungünstigste Liegeposition, da hier der Kopf ständig zur Seite gedreht ist, und sollte daher über längere Zeitspannen vermieden werden.
Das richtige Heben erfolgt immer durch Einbeziehung von Hüfte, Knie- und Sprunggelenken. Durch eine Beugung des gesamten Beins wird der Körperschwerpunkt gesenkt, sodass Dinge vom Boden aufgehoben werden können. Der Rücken bleibt dabei gerade und hat eine ausschließlich stabilisierende Funktion, in der die natürliche Wirbelsäulenform durch Anspannung von Rücken-, Bauch- und Gesäßmuskulatur erhalten bleibt. Das Bücken mit gestreckten Beinen und gekrümmtem Rücken sollte streng vermieden werden.
Die folgenden Abbildungen veranschaulichen die richtige Position beim Heben.
Beim Tragen von schweren Lasten empfiehlt es sich, diese mit einem sicheren Griff beider Hände vor dem Körper zu fassen. Dadurch wird eine ungesunde seitliche Krümmung der Wirbelsäule, die beim einseitigen Tragen von Lasten mit einer Hand auftritt, vermieden. Ebenfalls sollte darauf geachtet werden, dass der Rücken nicht nach hinten durchgebogen wird, sondern aufrecht bleibt und es zu keiner Verdrehung der Wirbelsäule kommt. Beim Drehen muss immer der gesamte Bewegungsapparat einbezogen werden und eine Drehung des gesamten Körpers erfolgen. Beim Tragen schwerer Gewichte können Transporthilfen, wie zum Beispiel eine fahrbare Einkaufstasche, eingesetzt oder Lasten aufgeteilt werden. Es ist besser, zweimal zu gehen, als zu große Mengen auf einmal zu tragen.
Durch Sport wird die Muskulatur gekräftigt und die Beweglichkeit gefördert. Für Patienten mit Rücken- und Nackenschmerzen ist jedoch nicht jede Sportart geeignet. Sollten während oder nach speziellen sportlichen Betätigungen Schmerzen auftreten, sind diese Aktivitäten zu vermeiden oder mit einem Arzt abzuklären. Wirbelsäulenschonende Sportarten sind vor allem jene mit einem gleichmäßigen Bewegungsablauf, wie zum Beispiel technisch richtiges Schwimmen, Walken, Radfahren, Langlaufen oder Wandern. Ebenso hat ein gezielter und moderater Muskelaufbau durch Krafttraining positive Auswirkungen auf Rücken- und Nackenschmerzen. Wichtig dabei ist auf jeden Fall eine geeignete Ausrüstung (passende Schuhe, geeignetes Fahrrad, etc.). Ungünstig sind in den meisten Fällen Sportarten mit schnellen, schwungvollen oder abrupt abstoppenden Bewegungen.
Für Menschen, die vorwiegend im Sitzen arbeiten, kann ein bewegtes Hobby den idealen Ausgleich schaffen.
Voraussetzung für das ergonomisch gesunde Ausüben diverser Tätigkeiten ist in allen Fällen eine gut ausgebildete Rumpfmuskulatur zur Stabilisierung von Gelenken und Wirbelsäule.
Rückenschule am Arbeitsplatz
zur Gesundheitsförderung
Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Gründen für Krankenstand und Frühpensionierung. Das hat nicht nur für betroffene Patienten, sondern auch für deren Dienstgeber Nachteile. Programme, die dem Ziel der Gesunderhaltung von Mitarbeitern dienen, haben also für beide Seiten positive Auswirkungen und sollten daher für alle Betriebe erstrebenswert sein. Einige Arbeitgeber haben dieses Konzept bereits in ihren Betrieb integriert und unternehmen aktiv etwas für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter, jedoch ist die praktische Umsetzung derzeit in den meisten Unternehmen noch mangelhaft. Eine Ausweitung in Richtung eines flächendeckenden und umfassenden Gesundheitsangebotes in den Betrieben wäre erstrebenswert.
Ein umfassendes Gesundheitskonzept zur Prävention von Rücken- und Nackenbeschwerden sollte mehrere Aspekte beinhalten, darunter: körperliche Aktivität zur Kräftigung der Muskulatur, Training von Entspannungsverfahren zur Stressbewältigung, Wissensvermittlung zur ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung, Hilfestellungen zur Erhaltung eines aktiven Lebensstils sowie Programme zur Verbesserung der Beweglichkeit. Diese Bereiche der Gesundheitsförderung sollten sowohl in Theorie als auch Praxis Anwendung finden und können zum Beispiel in Zusammenarbeit mit Krankenanstalten, Fitness- oder Rehabilitationseinrichtungen erfolgen. Ebenso können Betriebsärzte zielgruppenspezifische Programme für die Förderung der Rückengesundheit entwickeln.
Ernährung in Zusammenhang
mit Schmerzentwicklung
Es gibt keine Ernährungsempfehlungen speziell für Betroffene von Rücken- und Nackenschmerzen, jedoch kann durch eine ausgewogene, abwechslungsreiche und gesunde Ernährung ein zusätzlicher Schritt zu Prävention und Rehabilitation von Wirbelsäulenproblemen unternommen werden.
Empfehlungen für eine gesunde Ernährung bietet die bekannte Ernährungspyramide, die nachfolgend dargestellt ist.
Auf der untersten Ebene befinden sich alkoholfreie Getränke, die für eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung des Körpers notwendig sind. Optimalerweise werden über den Tag verteilt mindestens eineinhalb Liter Wasser oder andere zuckerfreie Getränke getrunken.
Darüber befinden sich Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte, die täglich in ausreichenden Mengen konsumiert werden sollten. Sie enthalten wichtige Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente sowie sekundäre Pflanzenstoffe und sind meist kalorien- und fettarm. Bunte, vorzugsweise saisonale und regionale Vielfalt ist erwünscht, sowohl in gekochter als auch roher Form.
Die dritte Ebene der Ernährungspyramide bilden Getreide und Kartoffeln. Vor allem Vollkornprodukte enthalten nützliche Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe und sollten mehrmals täglich konsumiert werden. Auch pflanzliche Öle, Samen und Nüsse sollten in den täglichen Ernährungsplan aufgenommen werden, da sie wertvolle Fette enthalten.
Darüber stehen Milch und Milchprodukte, die eine gute Eiweiß- und Kalziumquelle sind und deshalb täglich in Form von Milch, zuckerarmem Joghurt oder fett- und salzarmem Käse konsumiert werden sollten.
Fisch, Fleisch, Wurst und Eier liefern Eiweiß und sollten an drei bis vier Tagen der Woche konsumiert werden.
Gesättigte Fettsäuren, wie sie in fettreichem Fleisch vorkommen, enthalten in vielen Fällen ebenfalls reichlich Cholesterin und sollten nur selten gegessen werden, da sie sich negativ auf die Blutfettwerte auswirken.
Verarbeitete Lebensmittel und Fertigprodukte stellen die Spitze der Ernährungspyramide dar und sollten nur sehr selten konsumiert werden. Sie enthalten sehr viel Zucker, Fett und Salz und können die Gesundheit negativ beeinflussen.
Prävention durch Wissen –
Ausbildungsprogramme
Ausbildungsprogramme zur Patientenedukation zielen darauf ab, Grundlagen und Ursachen von Rückenschmerzen zu vermitteln und Betroffenen ihre Beschwerden verständlich zu machen. In Kombination mit manueller oder Trainingstherapie sollen so Schmerzintensitäten gesenkt und das Ausmaß an Bewegungseinschränkung reduziert werden.
Die Intervention erfolgt in Anlehnung an das bio-psycho-soziale Modell in mehreren Bereichen und vermittelt Theorien und Fakten aus dem biologischen, physiologischen, psychologischen, sozialen, gesellschaftlichen, ökologischen und beruflichen Bereich – mit dem Ziel, die Schmerzmatrix positiv zu beeinflussen. Es sollen diverse aktive Übungen und Bewegungen zur Muskelkräftigung und Förderung der Beweglichkeit gelehrt, die manuelle Therapie erklärt und verhaltenstherapeutische Interventionen in die Praxis umgesetzt werden.