Wendepunkt in meinem Leben

Wendepunkt in meinem Leben

Bulimie - Depression - Burnout - Suizid

Moni Bachmann-Keller


EUR 18,90
EUR 11,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 252
ISBN: 978-3-99048-582-8
Erscheinungsdatum: 29.06.2016
In ihrem Tagebuch beschreibt Moni, wie es bei ihr zum kompletten Zusammenbruch kommen konnte, was sie während ihres siebenwöchigen Klinikaufenthaltes erlebt und wie sie sich eine neue, positive Haltung erkämpft. Begleiten Sie sie auf dem Weg zurück ins Leben!
Vorworte

Dieses Buch ist ganz spontan, als ich von meinem Klinikaufenthalt nach Hause kam, entstanden. Ich hatte die ersten 18 Tage vor lauter Medis kein Erinnerungsvermögen mehr.
Von dem Tag an, als ich in der Klinik angefangen habe, Tagebuch zu führen, habe ich entschlossen, zu kämpfen für mein Leben!

Dieses Buch enthält eine Einleitung, wie es schlussendlich von einer Esssucht bis zum Suizidgedanken und Suizidversuch kam.
Es ist jedoch hauptinhaltlich nicht von der Bulimie die Rede, sondern von meinem Kampf von ganz, ganz unten nach ganz oben zu gelangen.
Ich möchte den Menschen damit sagen, dass es möglich ist, mit viel Eigenwille und Kampf sehr viel zu erreichen.
Nur Medis schlucken und nichts dazu beizutragen funktioniert leider nicht.

Es ist ein Buch, welches ich „frei Schnauze“ schrieb, ohne zu überlegen, wie ich was am besten formulieren könnte. Einfach geschrieben, wie ich denke und erzählen würde. Mal ein ganz „anderes“ Buch.

Die ersten 18 Tage werde ich zitieren, was mir meine Familie und meine Freundinnen berichtet haben. Ich werde auch die 18 Tage lang jeden WhatsApp-Verlauf von meinem Handy abrufen und übertragen.

Im Zuge dessen möchte ich mich viel-, vielmals bei den Menschen bedanken, welche mich durch ihre Besuche, Gespräche, Offenheit und ihren Beistand bestärkt haben, dieses Buch zu schreiben. Auch dass ich ihren richtigen Namen nennen darf, da sie alle stolz auf mich sind und super finden, dass ich dieses Buch schreibe.

Bei den restlichen Menschen im Buch sind die Namen frei erfunden, die Handlungen jedoch eins zu eins übertragen.

Wichtig: In diesem Buch möchte ich niemanden beleidigen oder verurteilen und niemanden kritisieren. Es ist ein Buch, das mir aus dem Herzen spricht. Wie ICH es erlebt habe, wie ICH es für MICH empfinde, wie es MEINE Eindrücke und Gefühle waren und sind. Einfach meine Erlebnisse und Ansichten dazu! Als Patientin in der psychiatrischen Klinik.

Für die Ausdrücke, welche hart klingen, entschuldige ich mich, aber das ist geschrieben, wie es von mir gefühlt wurde, und umso tiefer ist die Wirkung. Es ist einfach die harte Realität.

Zur Erklärung:

Klapse = Psychiatrie
Kotzen = Erbrechen
Medis = Medikamente

Ich hoffe, ich kann Menschen mit diesem Buch bestärken und aufrütteln, positive Energie und Kampfwille zu entwickeln.

Vielleicht wird das Buch auch ein „Flopp“. Aber wenn ich nur zwei, drei Menschen damit etwas positiv motivieren oder Mut zusprechen kann, dann habe ich mein Ziel schon erreicht!

Moni Bachmann 2015
Namen von Personen, welche ich nicht fragte, wurden von mir geändert.

***

Als Einleitung werde ich mal erzählen, wie es zu diesem Eklat gekommen ist. Es begann in meinem 17. Lebensjahr. Damals war ich Spitzensportlerin – ich fuhr Kunstrad – Einer und Zweier. Erfolgreich war meine Zweierkarriere mit Tanja. Eines Tages im Januar hatte sich Tanja den Fuß verknackst. Resultat: Bänderriss. Tja, 6 Wochen Pause laut Doktor. Wir begannen zu rechnen. Für die Ausscheidung zur Junioren-Europameisterschaft müsste sich der Heilungsprozess ausgehen. Aber Tanja nahm in dieser Zeit 5 kg ab. Da sie mich auf die Schulter nehmen musste, in unserer Zweier-Kür, bekam ich Gewissensbisse. Ganz doof eigentlich, denn mit 50 kg war ich ja nicht schwer! Aber ich hungerte mich auf 42 kg runter. Das Resultat war cool für mich, schlecht für die Gesundheit. Da ich eine Lehre als Friseurin machte und eine Chefin hatte, die beobachtete, dass ich immer dünner wurde und mir drohte mich zum Arzt zu schicken, wenn ich nicht wieder essen würde, begann ich wieder zu essen. Ich nahm natürlich rasant zu (auf wieder ca. 50 kg). Auf der Junioren-EM (wir hatten es schlussendlich geschafft) lernte ich meinen ersten richtigen Freund kennen. Kurt war am Wochenende meistens bei mir zu Hause. Ich jammerte immer wieder, dass ich eigentlich abnehmen sollte, weil Tanja mich ja auf den Schultern tragen müsste. Kurt sagte zu mir, als ich wieder einmal jammerte, zu viel gegessen zu haben, ich solle doch einfach den Finger in den Hals stecken, dann käme alles hoch und ich würde trotz Essen abnehmen. Tja, ich versuchte es und es gelang. So begann die Bulimie-Zeit, immer abwechselnd mit wenig Essen. Entweder ich aß wie ein Spatz, ganz wenig, wenn ich aber nicht verzichten konnte, steckte ich mir den Finger in den Hals. Man o man, Kurt, da hast du ganze Arbeit geleistet. Wenn ich es heute betrachte, kommt mir der Geistesblitz, dass er es wahrscheinlich immer selber praktiziert hat. Mit Sicherheit weiß ich es nicht, aber mit meiner heutigen Erfahrung bin ich mir ziemlich sicher. Seine Mutter hat nämlich immer erzählt, dass er unmenschlich viel essen würde. Mehr als seine zwei Brüder und die Eltern zusammen, und er war trotzdem sehr schlank. Ich denke schon, dass das so war. Mit Sicherheit, wie gesagt, weiß ich es nicht. Ist mir auch egal, wenn ich ehrlich bin. Aber mein Leidensweg begann mit seinem Satz: „Steck den Finger in den Hals und du kannst essen, was du willst!“ Dieser eine verdammte Satz veränderte mein ganzes Leben. Wegen diesem Satz erlebte ich schlussendlich die Hölle, welche mich fast das Leben kostete! Ja, so verging die Zeit mit einem ausgefüllten Wochenplan: 3 Mal Training in der Woche, am Wochenende diverse Wettkämpfe, viele Erfolge, Kadertraining und Lehre. Das volle Programm. Im Herbst schafften Tanja und ich es dann auf unsere erste Weltmeisterschaft. Dort beendete ich die Beziehung mit Kurt (es hatte mir schon länger nicht mehr gepasst), und lernte meinen heutigen tollen Mann Markus kennen. Ja, ich muss ihm vielmals danken, denn er hat immer zu mir gestanden und gehalten während der ganzen Lebensgeschichte, welche ich hier erzähle. Er kam aus Österreich, ich aus der Schweiz! In Zukunft war es dann so, dass wir eine Wochenendbeziehung führten. 6 Jahre lang!! Ja, und ich lebte halt mal so zwischen wenig Essen oder viel Essen und Kotzen. Wenn mal ein Sonntag war, an dem kein Wettkampf war (an einem Wettkampftag aß ich nie etwas, ich war immer so nervös und konnte nichts essen!), genoss ich es, bei mir zu Hause ausgiebig zu frühstücken. Markus wunderte sich dann, wie viel ich essen konnte, da ich sonst immer wie ein Spatz aß. Aber wenn wir bei mir waren, konnte ich mich nicht immer beherrschen (ich hatte ja die Möglichkeit, kotzen zu gehen). Unter der Woche aß ich den ganzen Tag sehr wenig, ging abends zum Training und um 22.00 Uhr ass ich dann des Öfteren unmengen an vorhandenem Essen, welches ich zu Hause vorfand!! Kotzen ging ich dann, wenn alle im Bett waren. Bei Markus zu Hause aß ich sehr wenig, denn sie hatten bei der WC-Tür ein Milchglas, furchtbar, man sieht von außen rein. Nur undeutlich, aber wenn ich gekotzt hätte, hätte man es gesehen!! Meine Schwiegermutter redete mir beim Essen immer Nachschlag auf und ich traute mich nicht zu verneinen! Irgendwie war ich dann wütend, weil ich Angst hatte zuzunehmen.
Oftmals aß ich abends etwas mehr und stand nachts auf, um zu kotzen. Wenn ich mit dem Zug von Österreich heimfuhr (ich pendelte ja, bis ich den Führerschein hatte) und wieder den ganzen Tag nur wenig gegessen hatte, hoffte ich, dass ein Schaffner mit Sandwiches kam. Ich stopfte diese dann in mich hinein. (Oh mein Gott, war das teuer! Mein Lehrlingslohn war auch nicht so hoch.) Ja, ich fraß richtig! Am Bahnhof deckte ich mich noch mit Süßigkeiten am Automaten ein und ging dann heim. Ich plünderte so unauffällig wie möglich den Kühlschrank und kotzte dann wieder, wenn alle im Bett waren (kam ja immer erst spät am Abend heim, wenn ich mit dem Zug fuhr). Ja, so war mein Leben immer verplant! Arbeiten, Training, Fressen und Kotzen (nicht jeden, aber viele Tage) und am Wochenende pendeln.
Diese Fresserei (heimlich) war sehr stressig. Ich musste zu Hause immer schauen, z. B. wie viel Marmelade im Glas war, und irgendwie heimlich wieder nachfüllen. Zum Teil alles nachkaufen, was ich heimlich in mich hineinstopfte, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen usw. Aber, eben das würde alleine schon ein Buch füllen. Deshalb lasse ich das.

Mit 22 Jahren fuhren Tanja und ich unsere letzte Kür auf der Weltmeisterschaft. Markus und ich planten unsere Hochzeit auf September 1994. Im Jahr 1992 begannen wir unser Haus zu bauen, um nach der Hochzeit endlich jeden Tag zusammen sein zu können. Ich hatte während dieser Zeit immer weniger Wert auf die Figur gelegt und war nur noch Gelegenheits-Bulimikerin. Die Hochzeit kam und ich hatte wieder ca. 50 kg. Ich konnte mich gut einleben und fühlte mich wohl. Ich wurde auch gleich von allen Verwandten von Markus akzeptiert. Mit der Schwiegermutter hatte ich immer mal wieder so meine Probleme. Mein Schwiegervater hingegen war und ist bis heute voll cool. Im Januar 1996 konnten Markus und ich das freudige Ereignis verkünden, dass ich schwanger war. Ich aß ganz normal, die Krankheit schien besiegt. Im September 1996 brachte ich dann unseren Sohn Kevin zur Welt. Mit ca. 70 kg bin ich ins Krankenhaus gegangen, nach Hause mit 54 kg (ich hatte viel Wasser während der Schwangerschaft). Im Krankenhaus konnte ich kaum sitzen, alles tat untenherum weh. Ich sagte niemandem etwas und dachte es sei normal nach einer Geburt. Am dritten Tag fragte mich eine Krankenschwester, ob man mir so einen großen Dammschnitt gemacht hätte, dass ich nicht sitzen könne. Ich verneinte. Man hatte mich gar nicht geschnitten!! Die Krankenschwester schaute nach und sah, dass ich eine große Hämorrhoide hatte. Ich bekam Sitzbäder zur Linderung der Schmerzen und ging dann am fünften Tag nach Hause. Ich hatte immer stärkere Schmerzen und ging zum Hausarzt. Er sagte, dass ich ins Spital gehen und die Hämorrhoiden wegoperieren lassen solle. Ich sagte: „Auf keinen Fall, ich möchte Kevin mindestens ein halbes Jahr stillen!“ Der Arzt sagte, er könne sie örtlich aufschneiden. Ich nahm seinen Vorschlag dankend an, denn ich hatte wahnsinnige Schmerzen, wollte aber nicht ins Spital! Gesagt, getan. Etwas leichter war es danach. Aber als Kevin eineinhalb Jahre alt war, bekam ich wieder starke Schmerzen mit Fieberattacken und musste ins Spital. Bei der OP hat man mir dann leider die Darmwand verletzt und so kam es, dass sich der Aftermuskel bei jedem Stuhlgang zusammenkrampfte. Ich hatte immer wahnsinnige Schmerzen. Jeder Stuhlgang war die Hölle! Über das Jahr verteilt hatte ich insgesamt fünf Narkosen mit Afterdehnung, bei der letzten wurde der Aftermuskel leicht eingeschnitten. Während diesem Jahr nahm ich 10 kg ab – bis auf 40 kg. Ich lebte von Joghurt und Apfelmus, weil ich vor jedem Stuhlgang panische Angst hatte. Aber kein Mensch kann nur von Joghurt und Apfelmus leben. So kam es, dass ich wieder Brot und feste Nahrung aß und vor lauter Angst, vor den Schmerzen beim Auf-das-Klo-Gehen, kam mir der „Geistesblitz“: „Lieber kotze ich und habe keine Schmerzen auf dem Klo!“ Vollidiotisch!! So rutschte ich schön langsam wieder in das Problem der Bulimie. Nachdem der Aftermuskel eingeschnitten war, hatte ich nie wieder Probleme in Sachen Stuhlgang, das bulimische Verhalten jedoch blieb! Leider!!! Da ich ja so viel abgenommen hatte, schnellte mein Gewicht wieder rasant nach oben. 12 kg nahm ich trotz Bulimie zu.
Okay, ich kotzte ja nicht immer, sondern nur bei Gelegenheit (mit einem Kleinkind nicht so oft möglich) und so lebte ich mit meinem gestörten Essverhalten weiter. Ich kaufte einen Crosstrainer und trainierte, wenn immer ich Zeit fand, oft eben zu viel. Dann im August 2001 die freudige Ankündigung der 2. Schwangerschaft. Es ging mir super. Ich musste mich zwar täglich übergeben. (Da verwende ich das normale Wort dafür, denn da war es eine normale Schwangerschaftsangelegenheit.) Mir war tagsüber nie übel, nur das meiste Essen kam bei einem Bissen zu viel postwendend wieder. Dann war alles wieder gut und mir war wieder wohl. Im Mai brachte ich meine Tochter Svenja zur Welt. Mit 60 kg kam ich ins Spital, mit 48 kg wieder nach Hause. Dann stillte ich Svenja 2 Jahre lang. Zuerst nahm ich zu, dann pendelte sich mein Gewicht wieder ein. Nach dem Stillen entdeckte ich den Crosstrainer, welchen ich seit der Schwangerschaft nicht mehr benutzt hatte, wieder. Ich trainierte so oft es ging, und irgendwann (keine Ahnung, wann genau und weshalb) begann ich dann wieder mit meiner Kotzerei, wenn ich der Meinung war, dass ich zu viel gegessen hatte. Ich begann dazu in ein richtiges Suchtverhalten in Sachen Sport zu schlittern. Ich stand jeden Tag um 5.00 Uhr auf, damit ich jeden Morgen eineinhalb Stunden trainieren konnte, wenn alle noch schliefen. Dann, immer mehr und mehr, aß ich „zu viel“ und kotzte wieder. Es begann ein absoluter Wahnsinn für meinen Körper. Ich sagte zu niemandem und nichts „Nein“. Ich steigerte mich in Haushalt, Garten, Basteln, Backen, Schulangelegenheiten meiner Kinder, Sport extrem und „Fressen und Kotzen“. Ja, die letzten fünf Jahre war ich immer um 3.30 Uhr morgens aufgestanden, um noch mehr trainieren zu können und bin mit 150 % allgemeiner körperlicher Leistung dadurch in ein Hamsterrad geraten. Es kam noch die Bulimie dazu!! Extremst! Immer mehr hasste ich mich dafür, immer mehr kapselte ich mich ab, immer mehr hasste ich meinen Körper und immer mehr funktionierte ich nur noch. Ich war nicht mehr ich. Ich war einfach nur noch auf der Welt. Ich kam überhaupt nicht mehr zur Ruhe, geriet immer mehr in Rage gegenüber meinem Mann und meinen Kindern! Immer öfter dachte ich an Selbstmord!! Ich versuchte normal zu essen, hatte immer öfter einen dicken aufgeblähten Bauch. Als meine Schwiegermutter dann noch fragte, warum ich so einen dicken Bauch hätte, ob ich schwanger sei, war mein Selbstwertgefühl voll zerstört. (Dafür hasste ich sie und seitdem wollte ich auch nicht mehr viel mit ihr zu tun haben). Somit war das normal essen Probieren wieder dahin. Ich aß offiziell nur Äpfel und Salat, heimlich alles Mögliche. Ich aß meinen Kindern z. B. heimlich ihre Osterhasen oder ihre Süßigkeiten weg. Dadurch war ich immer sehr gestresst, ich musste ja Süßigkeiten nachkaufen, damit es nicht auffiel. Ich rannte oftmals von Geschäft zu Geschäft, um nach Ostern noch den richtigen Hasen nachkaufen zu können. So artete das immer mehr in noch mehr Stress aus!! Drei Jahre lang stand ich sogar um 1.00 Uhr nachts auf, damit ich vier Stunden auf dem Crosstrainer trainieren konnte!!! Danach Legte mich kurz ins Bett, damit es niemand mitkriegte! (Mein Mann wusste es, sprach mich aber nicht mehr darauf an, denn wenn er es tat, eskalierte es und ich warf ihm Schimpfwörter aus der untersten Schublade an den Kopf.) Am Mittagstisch spielten sich immer volle Dramen ab! Ich kochte für meine Familie (aß selber nur Salat) und wenn nicht aufgegessen wurde von meiner Familie, drehte ich durch, denn alles, was nicht gegessen wurde (selbst ein kleiner Löffel Nudeln), löste bei mir eine Fressattacke aus. Wenn alle aus dem Haus waren, aß ich z. B. den Rest Nudeln, dachte dann, dass es jetzt eh schon egal ist und begann alles in mich hineinzustopfen, was ich fand und kotzte wieder. Ging dann wieder einkaufen, damit meine Familie nichts merkte. An den Nachmittagen, wo meine Kinder in der Schule waren, ging ich Unmengen an Lebensmitteln einkaufen, z. B. 5 Stück Butter, Zopf, Brot, 5 Leberkäsesemmeln (welche ich eigentlich gar nicht mag), 20 Tafeln Schokolade, Naschereien usw.! (Eigentlich vieles, was ich gar nicht mag! Angefangen von Butter über Leberkäse, Zopf bis zu Schokolade und anderem Süßkram!) Aber bei den Fressanfällen frisst man nur fettes, kalorienhaltiges Zeug, welches im normalen Leben „verboten“ ist. (Ich fraß und kotzte nur noch! Als ich fix und fertig war und nicht mehr fressen wollte, musste ich aber alles Eingekaufte noch am selben Tag in mich hineinstopfen, denn: „AB MORGEN MACHE ICH ES NICHT MEHR!“ Bis der nächste Tag da war, und da ging es wieder im gleichen Trott weiter. Immer mehr nahmen die Depressionen zu. Auch Suizidgedanken begleiteten mich im Alltag. Es war sogar so schlimm, dass ich für mich kochte, wenn Gelegenheit dazu war. Ich machte mich Schritt für Schritt kaputt. Seit Jahren arbeitete ich täglich 2 Stunden in derselben Firma, in der auch mein Mann arbeitet. Es gefiel mir gut. Zwischen Markus und mir gab es keine Gefühle mehr. Meine Schwiegermutter machte mir das Leben auch öfters schwer und ich hasste mich selbst. Da ich mich nur noch hasste, konnte ich auch keine Gefühle mehr entwickeln. Da ich so viel in mich hineinstopfte und dann kotzen ging und beim Kotzen nicht kontrollieren konnte, was rausgewürgt wurde und was drinnenblieb, nahm ich oft innert 3 Tagen 5 Kilo zu! Logisch, bei den Mengen, welche ich fraß, blieben sicher mehr Kalorien im Magen, als wenn ich „normal“ gegessen hätte. Ich dachte, ich kann nie mehr normal essen, ohne rasant zuzunehmen. Ich bekam Angst, panische Angst vor dem Gedanken normal zu essen. So zog ich nur noch „Schluttenkleider“ an, sodass man meine extremen Gewichtsschwankungen nicht sehen konnte. Dann kam Weihnachten 2014. Ich kochte für meine Familie, Schwiegereltern und Schwägerin mit Familie. Für mich war es sehr schlimm! Feiertage sind seit mehreren Jahren der Horror für mich. Den ganzen Tag zusammen mit der Schwiegermutter war für mich fast unerträglich. Zum Glück ist mein Schwiegervater supertoll!!! Am anderen Tag ging es in die Schweiz zu meiner Familie, meiner Mami und meiner Schwester mit Familie. Ich wunderte mich, wie es meiner Schwester gelang normal zu essen und so dünn zu sein! Sie macht viel Sport, aber ich auch! Sehr viel sogar! Ich aber kann nicht „normal“ essen, ohne zuzunehmen! Es eskalierte, ich wollte auch nicht auf alles verzichten und ich fraß Kekse und vieles andere und kotzte sogar zu Weihnachten bei meiner Mami. Da war für mich echt Schluss. Wir fuhren dann wieder nach Hause und ich fraß und kotzte wieder, als meine Familie schon im Bett war.


27. Dezember 2015
Der Tag, an dem sich mein ganzes Leben ändert!

Markus, Svenja und ich gehen an diesem Samstagmorgen einkaufen. Ich, schlecht gelaunt, wie jeden Tag. Die letzten fünf Jahre extrem (10 Jahre fast schon Dauerzustand). Wir fahren vom Einkaufen heim. Nach einer Unterführung eskaliert es. Ich raste bei einer belanglosen Meinungsverschiedenheit mit Markus voll aus, steige aus dem Auto aus und sage: „So will ich nicht mehr leben!“ Ich laufe in eine Sackgasse, von der ich weiß, dass mir Markus mit dem Auto nicht folgen kann. Er versucht mich einzuholen – Fehlanzeige. Svenja steigt aus, sie suchen meine Spuren im Schnee (Svenja kennt anscheinend mein Schuhprofil). Ich steige das Bord zum Bach hinunter und verstecke mich, sie verlieren meine Spur. Irgendwann laufe ich nach Hause und lege mich ins Bett. Markus kommt ins Schlafzimmer und fragt mich, was denn mit mir los sei. Ich motze ihn an (wie sehr oft die letzten Jahre): „Du ‚A-loch‘, lass mich in Ruhe! Ich will nicht mehr! Ich werfe mich vor den Zug oder ich fresse Tabletten! Ich will nicht mehr!!!!!“
Markus geht verständlich sehr verärgert aus dem Zimmer. Ich liege eine Weile im Bett, dann fasse ich den Entschluss: „Ich will nicht mehr!“ Sämtliche Bücher über Bulimie-Betroffene, Bulimie-Heilung usw. habe ich im Nachtkästchen aufbewahrt. Ich nehme alle raus. Da wir mit Holz heizen, gehe ich in den Keller, werfe alle Bücher in die Heizung, ziehe meine Jacke Schuhe und Mütze an und haue ab. 1 Euro nehme ich mit. Das Handy lasse ich mit Absicht zu Hause. Dann mein Entschluss: ich gehe zu McDonald’s, noch einen letzten Cappuccino trinken, welchen ich liebe, und dann: „Tschüss beschissene Welt!“
Ja, ich laufe weg. Markus folgt mir mit dem Auto, Svenja steigt aus und sagt „Mama …“
Ich schreie sie an: „Lass mich in Ruhe! Ihr braucht mich nicht! Ich will nicht mehr! Ich bringe mich um und niemand kann mich aufhalten!“ Über Umwege, einem Bach entlang, laufe ich sämtliche Wege, bei denen ich weiß, dass Markus mir nicht mit dem Auto hinterher kann, in Richtung McDonald’s. Dort angekommen bestelle ich meinen letzten Cappuccino und setze mich in den oberen Stock, rechts in die Ecke.
5 Sterne
tolles buch - 19.08.2016
jennifer

... fesselnd, berührend und bringt einen zum nachdenken. man geniesst bewusster und sieht vieles positiver... ein tolles buch!

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