Weil es ums Ganze geht

Vorwort von Dr. Ralf Schneider


Liebe Leser und Leserinnen,

es ist mir eine wahre Freude, dieses Buch von Ralf Schollenberger mit Ihnen zu teilen: „Weil es ums Ganze geht“. Darin präsentiert er eine tiefe Wahrheit, die zugleich verwirrend, trivial und komplex als auch tröstlich ist: Alles ist jetzt und hier, und alles ist mit allen verbunden.

Wenn wir uns einen Moment Zeit nehmen, um über unser Leben nachzudenken, wird deutlich, dass sich unsere Wege mit vielen gutherzigen Menschen gekreuzt haben, die einen positiven Einfluss auf unseren Weg hatten. Ralf ist ein solcher Mensch, den ich vor über 20 Jahren als Arbeitskollege kennengelernt habe und der mir seither ein guter Freund geblieben ist. In der Gegenwart solcher Menschen ist es, als ob man durch die Tugenden der Achtsamkeit, Neugier und Freundlichkeit mühelos positive Energie aufnimmt.

Sein Buch nimmt uns mit auf eine Reise zu einem zufriedenen und erfüllten Leben und bietet uns einen Kompass mit acht Himmelsrichtungen, die uns ein Universum an Möglichkeiten eröffnen. Der Protagonist der Erzählung durchlebt eine existenzielle Krise, obwohl er vermeintlich alles hat. Er selbst versteht seine Krise gar nicht als solche. Liebe Menschen helfen ihm, sich selbst wahrzunehmen und seinem Leben eine neue Richtung zu geben.
„Zufrieden sein zu wollen, ist eine bewusste Entscheidung“, schreibt Ralf im ersten Abschnitt seines Buches. Mein Lebensgefühl trifft er damit von Beginn an. Ich konnte miterleben und mitfühlen, was das Geschriebene auch für mich selbst bedeutet.
Der Mittelteil seiner Geschichte hat mich nicht nur gefesselt, für mich ist dieser Abschnitt eine Quelle nachhaltiger und fortwährender Inspiration.
Das Ende der Erzählung wird zum Kristallisationspunkt des Gelesenen, das mich an seinen Anfang zurückführt. So schließt sich sein Circle de Vie.
Als Leser habe ich im Geschriebenen authentisch die Lehren und Trainingsmethoden von Ralf erlebt, wie ich ihn über die Jahre begleiten durfte und immer noch erleben darf. Ich bin mir sicher, dass jede Leserin und jeder Leser für sich etwas aus diesem Buch ziehen kann, wenn die Bereitschaft dafür vorhanden ist.
Lieber Ralf, herzlichen Dank für diese Leseerfahrung. Ich bin dankbar für Deine Freundschaft und Deinen Beitrag zu persönlichem Wachstum und Erfüllung.

Dein Ralf Schneider

Über Dr. Ralf Schneider:
„Teile Deine Lebensenergie und Lebensfreude, um das Leben lebenswerter zu machen.“ Dr. Ralf Schneider gibt diese Attitüde zusammen mit seiner Frau Roswitha an seine Kinder Lucas, Paula und Jonathan weiter. Dr. Ralf Schneider ist seit Oktober 2010 CIO der Allianz Gruppe. Von 2010 bis 2016 war er zudem IT-Vorstand der Allianz Technology SE und davor fünf Jahre lang CIO der Allianz Deutschland (Allianz Deutschland AG). Seit 1989 hat er mehrere Führungspositionen im IT-Bereich bei der Allianz innegehabt. Ralf Schneider hat leitende Mandate in verschiedenen Organisationen mit Bezug zur Cybersicherheit, wie dem Cyber Security Sharing & Analytics (CSSA) e.V., der Deutschen Cyber Sicherheitsorganisation (DCSO) sowie dem Digital Society Institute (DSI) der ESMT in Berlin. Er engagiert sich als stellvertretender Vorsitzender im Bundesverband der IT-Anwender (VOICE e.V.), als Senator der Nationalen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und als Beirat des Nationalen Forschungszentrums für angewandte Cybersicherheit Athene.



Anfang und Ende


Jeder Mensch kann ein selbstbestimmtes und zufriedenes Leben im Einklang mit der Natur führen. Von allein passiert das allerdings nicht. Zufrieden sein zu wollen, ist eine bewusste Entscheidung.
Viele Menschen spüren eine Sehnsucht nach Anerkennung, Geborgenheit, innerem und äußerem Frieden sowie einem Leben ohne Not und Sorgen. Aber ist das in unserer Zeit überhaupt möglich?
Wir haben in Europa und speziell in Deutschland ein Wohlstandsniveau erreicht, das in der Geschichte einmalig ist. Gute medizinische Versorgung, Zugang zu Bildung, gesetzlich garantierter Urlaub, Mindestlohn und Arbeitszeiten, die nie kürzer waren. Wir leben im Überfluss – und länger denn je. Mit dem Wohlstand ist die Lebenserwartung gestiegen.
Schauen wir auf die Schattenseite der Überflussgesellschaft. Wir verschwenden Ressourcen, wir konsumieren mehr, als die Erde für uns bereithält. Wie wir essen und trinken, unser Umgang mit Medikamenten und Medien führt schleichend zu körperlichen und geistigen Veränderungen. Zu viel Leistungsdruck, Stress, Sorgen, zu wenig Achtsamkeit, Bewegung und Regeneration begünstigen diese Entwicklung.
Überfluss und Reizüberflutung überlasten permanent unsere Sinne und unsere Psyche. Äußere Erwartungen lasten auf uns, und wir wollen unseren eigenen Anforderungen und Verpflichtungen gerecht werden. Wir sind Partner, Kind, Elternteil, Angestellter, Vorgesetzter oder Kollege, Freund und vieles mehr.
Wie kann ich es im ständigen Wettbewerb meiner Pflichten allen recht machen, wie allen Rollen erfüllen? Wie soll ich das alles schaffen?
In einer Zeit, in der ich vermeintlich alles hatte – Familie, eine tolle Ehe, wunderbare, gesunde Kinder, einen gut dotierten Job in leitender Position bei einem DAX-Konzern, gute Freunde – fühlte ich doch: Mir fehlt etwas für ein glückliches und zufriedenes Leben. Daraufhin habe ich begonnen, mich mit dem Thema „Glück und Zufriedenheit“ zu beschäftigen.
Die Flut an Glücksbüchern und -ratgebern zeigt, dass es nicht nur mir so ging. Je mehr „Glückslektüre“ ich gelesen habe, umso schlechter habe ich mich gefühlt, weil ich nach wie vor Unzufriedenheit empfunden habe. Klar, ich konnte viele der Tipps anwenden und ja, ich hatte viele glückliche Momente. Aber war ich zufrieden? Nein, nicht dauerhaft, nicht nachhaltig.
Bald begann ich, zwischen Glück und Zufriedenheit zu unterscheiden. Die Glücksforschung versteht Glück als Lebenszufriedenheit oder Wohlbefinden. Eben mit dieser Lebenszufriedenheit befasst sich dieses Buch.
Zufriedenheit bedeutet für mich, innerlich ausgeglichen zu sein. Zufrieden bin ich, wenn ich nichts anderes begehre als das, was ich habe. Wenn ich mit den gegebenen Verhältnissen und dem, was ich leisten kann, im Reinen bin.
Wie gelangen wir zur Zufriedenheit? Das zeige ich anhand einer Geschichte. Während diese Erzählung und die darin aufgezeigten Lösungen aus vielen Sachbüchern, Kulturen, Regionen und Religionen stammen, sind die Figuren frei erfunden. Ähnlichkeiten zu tatsächlichen Personen sind weder beabsichtigt noch gewollt. Alle Quellen sind sorgfältig gewählt und in Teil V aufgeführt.
Einen wissenschaftlichen Anspruch hat dieses Buch nicht. Es soll nicht verurteilen oder anklagen, im Gegenteil: Es soll dazu befähigen, selbstständig aktiv zu werden und nicht die Zuversicht in sich, die Natur und die Menschen zu verlieren.
Die romantische Hoffnung, etwas bewirken zu können, hat mich motiviert, dieses Buch zu schreiben. Ich sehe es als kleinen Impuls, der das Potenzial hat, Veränderung anzustoßen. Wer nicht daran glaubt, dass kleine Dinge etwas bewirken können, der hat nie eine Nacht mit einem Moskito im Zimmer verbracht oder ist mit einem Steinchen im Schuh gelaufen.
Meine Suche hat mich an interessante Orte geführt, und ich habe sehr viel gelesen. Eine liebe Freundin sagte einmal zu mir, dass es ein Segen wäre, wenn ich es ihr ersparen könnte, auch so viel lesen zu müssen, um das Rätsel der Zufriedenheit besser zu verstehen. Das war der Anstoß, dass ich begonnen habe zusammenzutragen und aufzuschreiben.
Was mich antreibt, ist das Wissen um die Beständigkeit aller Lebewesen, der Natur und einer Spiritualität, wie sie bei Völkern vieler Ureinwohner Afrikas, Nordamerikas, Australiens und sogar in einigen Religionen zu finden ist. Der Große Geist oder Gott oder das Große Ganze, das dafür sorgt, dass alles zusammenhängt, dass alles einen Sinn ergibt.
Wovon wir überhaupt reden, wenn wir vom Sinn des Lebens sprechen, lässt sich vielleicht mit philosophischem Denken klären. Der Frage nach dem Sinn können wir uns auch normativ annähern:
Worauf kommt es im Leben an?
Welche Werte sind relevant?
Wie bekommt mein Leben Bedeutung?
Welche Rolle spielt mein Handeln?
Theologie und Spiritualität eignen sich ebenfalls, um das Große Ganze in Augenschein zu nehmen:
Gibt es ein übergeordnetes Ziel?
Welchen Zweck hat meine Existenz?
Was kommt nach dem Tod?
Ich bin der Meinung, dass es nicht die eine Antwort auf all diese Fragen gibt. Wir stehen erst am Anfang, die ganzheitlichen Zusammenhänge in der Entwicklung der Geschöpfe und der Natur zu begreifen.
Das Lesen der Geschichte kann persönliche Erfahrungen, Kontakte, solidarisches Engagement, nachhaltiges Handeln und den Mut zur eigenen Veränderung nicht ersetzen. Das Buch kann und soll dazu befähigen, einen Prozess bei den Lesenden anzustoßen. Es soll Lust machen, sich zu öffnen – für die Natur, für die Liebe zu sich und anderen sowie für mehr Leichtigkeit im irdischen Dasein. Schließlich liegt alles, was wir sind und was wir werden, nur in uns selbst!
Nach meiner Erfahrung prägen sich Dinge besser ein, wenn sie in Bildsprache oder in Geschichten erzählt werden. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, die gewonnenen Erkenntnisse in Form einer Geschichte zu erzählen. Teile der Geschichte sind mir oder Bekannten genauso passiert, andere sind Fiktion. Ich freue mich auf die Diskussionen und die Spekulation, was echt und was erfunden ist.
Viel Freude beim Lesen.

Ralf Schollenberger

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„Immer und überall“


„Ohne Leidenschaft gibt es keine Genialität.“
Dieses Zitat von Theodor Mommsen hat mich geprägt. Ein gewisses Maß an Leiden und das Schaffen gehört dazu, wenn man genial sein möchte. Und wer will nicht genial sein? Ich brenne für meine Aufgaben, für mein Team und meine Firma. Tag für Tag, Jahr für Jahr. Ich bin erfolgreich, werde geschätzt und gebraucht. Alles ist auf Erfolg und Genialität gepolt.

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Mittwoch, 4 Uhr. Ich liege wach im Bett und versuche zu schlafen. Meine Gedanken kreisen um die Herausforderungen und Aufgaben meiner Arbeit. Das ist er wohl: der Preis des Erfolgs. Seit Tagen schlafe ich schlecht und komme nicht zur Ruhe.

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Wochenende. Ich habe keine Lust, etwas zu unternehmen. Die Woche war anstrengend; ich möchte Kraft tanken, denn in der kommenden Woche stehen wichtige Sitzungen und Verhandlungen an. Frau und Kinder sind enttäuscht. Sie wollten eigentlich einen Ausflug machen. Die haben leicht reden.

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Was für ein Jahr. Wir haben erneut die Ziele übertroffen, wir wachsen weiter. Das Zielerreichungsgespräch war kurz und wenig inspirierend wie die Jahre zuvor. „Sie haben die Vorgaben erfüllt“ wird in keinerlei Hinsicht den Anstrengungen und dem persönlichen Energieaufwand gerecht, der dafür erforderlich war. Über den Bonus freue ich mich. Über Anerkennung hätte ich mich auch gefreut.

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Da sind sie wieder, diese schlimmen Kopfschmerzen. Ich hatte gestern schon gemerkt, dass die
Verspannungen über Schulter und Nacken nach oben kriechen, bis sie heute ihr schmerzhaftes Finale im Kopf erreicht haben. Das passiert mir immer, wenn ich Urlaub habe. Sobald die Drehzahl sinkt, geht es los. Meine Familie hat sich inzwischen damit abgefunden. Ich auch.

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Mein Boss hält sich heute aus allem heraus, nur um sich morgen im Detail wieder einzumischen. Geht es hier wirklich um die Sache, oder geht es darum, dass er keine Fehler macht und gut dasteht?

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Was für ein Tag. Stundenlange Sitzungen, Diskussionen und formelle Beschlüsse, die informell hinten herum wieder ausgehebelt werden. Ich bin müde und traurig. Wenn ich jetzt das Haus betrete, dann wollen die Kinder und meine Frau, dass ich funktioniere und meinen Job als Vater und Ehemann erledige. Ich sitze im Auto in der Garage und starre die Wand an. Ich kann da jetzt noch nicht hineingehen.

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Ich beobachte die Kinder beim Spielen. Alles scheint so einfach und leicht. Aufgedreht und glücklich rennen sie zu mir. Hast du dies gesehen, hast du jenes gesehen. Begeistert und leidenschaftlich berichten sie von ihren Taten. Mein Mund lächelt mechanisch. Ich habe immer noch keine Lösung gefunden, wie ich kommende Woche in der Vorstandssitzung endlich die wichtigen Entscheidungen bekommen kann, auf die ich seit Wochen warte. Ich bin traurig und müde. Einfach nur müde.



TEIL I
ORIENTIERUNGSLOS

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„Im kosmischen Maßstab spielt der Mensch eine vergleichsweise geringe Rolle. Unsere Existenz in einem tieferen Sinn zu interpretieren, erscheint beinahe unangemessen.“



Kapitel 1: Ausgebrannt


Frierend liege ich auf einem einfachen Lager im Nirgendwo in den kanadischen Bergen. Meine müden Augen starren auf den kalten Ofen. Gut, ich bin selbst schuld. Hätte ich gestern Holz gesammelt, wäre mir jetzt nicht kalt. Aber meine Energie reichte nicht einmal, um draußen ein paar Zweige und Äste aufzusammeln.
Was ist mit mir los? Wie konnte es so weit kommen?
Beruflich bin ich erfolgreich. Ich liebe meine Frau und die Kinder, wir leben in unserem Traumhaus, pflegen eine Reihe von Freundschaften, materiell fehlt es an nichts. Die besten Voraussetzungen, um glücklich zu sein – könnte man meinen.
Vor einigen Wochen habe ich es morgens beim Anziehen nicht mehr geschafft, die Manschettenknöpfe am Businesshemd zu schließen. Mehrere Versuche, die schwarzen Klavierlack-Knöpfe an den Manschetten anzubringen, scheiterten. Meine Hände zitterten, Panik stieg in mir auf. Antonia, meine Frau, schaute besorgt zu. Als ich ihr in die Augen sah, flossen haltlos die Tränen – bei uns beiden.
„Ist es das wert?“, fragte sie. „Du brauchst eine Auszeit.“
Ich entschuldigte mich für meine Schwäche. „Ich bekomme das in den Griff“, versicherte ich ihr und machte mich auf den Weg ins Büro.
Wie ich zur Arbeit gekommen bin, weiß ich nicht mehr so genau. Der Weg ins Büro liegt unter einem Schleier. Es scheint eine Art unterbewusstes Fahren zu geben.
Mit dem Betreten des Büros setzt meine Leistungsroutine ein. Ich funktioniere dann wieder. Wenn der Rechner eingeschaltet ist und der erste Becher Bürokaffee vor mir steht, startet automatisch mein Notlauf-Programm. Probleme, Gefühle, Sorgen und Bedürfnisse sind ausgeblendet. Weiter geht’s.