Ach wie fern ist Teneriffa

Ach wie fern ist Teneriffa

Werner Schupp


EUR 24,90
EUR 19,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 106
ISBN: 978-3-99131-651-0
Erscheinungsdatum: 04.10.2022
Vom Dom zu Köln auf dem Weg ans Meer: Drei Mäuse begeben sich auf die Fahrt in große Abenteuer. Was ihnen dabei alles begegnet, welche Hindernisse sie überwinden müssen, aber auch von vielen überraschenden Begegnungen erzählt dieses Buch.
1
Ein gemütliches Leben in Waldorf

Es war einmal vor langer Zeit, als die drei kleinen Mäuse in unserem Garten in Waldorf unter dem großen Baum lebten. Teno, Teide und die kleine Anaga hatten ein gemütliches und warmes Zuhause unter einer Wurzel. Jede der drei Mäuse hatte ein weiches Bett aus Federn, die sie unter dem Baum reichlich fanden, denn in dem großen Baum lebten viele Vögel und auch zwei Eichhörnchen. An ihrem kleinen Tisch mit drei kleinen Stühlchen aßen die Mäuse am liebsten ihren Haferbrei. Am meisten liebten sie ihren Haferbrei mit ein wenig Ziegenmilch, die sie sich bei den zwei Ziegen oben auf dem Berg kurz vor Hemmerich holten. Da sie dafür immer einen ganzen Tag unterwegs waren, gab es nur selten die begehrte Ziegenmilch. Den Berg hinunter gingen die Mäuse meist am kleinen Bach vorbei, bis zur Tulpenstraße, um von dort zurück zu ihrer Wohnung zu gehen. Abends saßen die kleinen Mäuse oft zusammen und erzählten Geschichten, fragten sich, was es unten im Tal wohl alles geben würde und wohin der kleine Bach fließt, der gerade, wenn es geregnet hatte, plätschernd den Berg hinabstürzte.
Anaga hatte von ihrer Freundin Bornheminia irgendwann einmal etwas von einem Boot gehört und auch Teno erinnerte sich, etwas davon erfahren zu haben. Angeblich konnte man damit auf dem Wasser schwimmen. Ja, die drei Mäuse hatten es schön und gemütlich in unserem Garten, sie hatten ihre Wohnung, genügend zu essen und ihre Freunde, die Eichhörnchen. Aber wollten sie nicht doch einmal erfahren, wie es unten im Tal, wo häufig der Nebel die Sicht verdeckt, aussieht? Doch wie sollten sie den weiten Weg dort hinkommen? Am nächsten Tag ging Anaga zu ihrer Freundin Bornheminia und fragte sie, ob sie ihr mehr von dem Ding, das Boot heißt, erzählen könnte. Zufällig war auch Bornheminias Papa zuhause und erklärte den beiden, was ein Boot ist. Er nahm ein Blatt Papier und zeichnete, wie man Holzstämme zusammenbindet. Damit der Wind das Boot antreiben und fortbewegen kann, zeichnete er noch eine aufrechte Holzstange auf das Boot, woran ein Tuch, er nannte es Segel, befestigt war.
Aufgeregt und voller Freude nahm Anaga die Zeichnung und zeigte sie Teno und Teide. Die beiden erschraken zuerst bei dem Gedanken, auf einem solchen Boot zu sitzen und der Wind treibt sie auf den Wellen des kleinen Baches hinunter ins Tal. Die nächste Nacht konnten sie vor Aufregung kaum schlafen. Morgens kochten sie sich ihren Haferbrei und noch bevor sie anfingen zu essen, sprachen sie davon, wann sie wohl anfangen sollten, ein solches Boot zu bauen. „Sofort, jetzt“, sagte die kleine und mutige Anaga, die sich in der Nacht überlegt hatte, wie die drei ein solches Boot bauen könnten. Nach dem Frühstück rannten sie hinaus, sagten den Eichhörnchen „Guten Morgen“ und erzählten ihnen etwas von ihrem Boot. Die Eichhörnchen schüttelten verständnislos mit ihren Köpfchen, aßen gemütlich eine Nuss und die Mäuse verschwanden im Garten. Dort sammelten sie kleine Äste, fanden eine lange Kordel und auch ein Stück Tuch, ein kleines Teil von dem Kopftuch der alten Frau, die nebenan wohnte. Die Äste banden sie mit der Kordel zusammen, sodass daraus ein Boot entstand, das den drei Mäusen Platz genug bot. Nun mussten sie noch die Stange für das Tuch befestigen, das Tuch, was Anaga immer Segel nannte, festknoten, und das Boot war fertig. Nun hatten sich die Mäuse aber eine große Portion Haferbrei verdient.
Wieder kam eine lange Nacht und wieder konnten die Mäuse vor Aufregung kaum schlafen, wollten sie doch am nächsten Tag das Boot ausprobieren. Die Mäuse sprangen vor Freude früh aus dem Bett und trugen das Boot zur Tulpenstraße und von dort zum Ufer des kleinen Baches. Die Eichhörnchen hatten ihnen geholfen, das Boot zu tragen, sammelten auf dem Rückweg noch ein paar Nüsse und dachten sich, dass die Mäuse bestimmt bald zurück sind in ihrem schönen Garten.
Die Mäuse ließen das Boot ins Wasser. Zuerst kletterte die kleine Anaga auf das Floß, so nennt man ein Boot aus zusammengebundenen Baumstämmen. Danach war Teno an der Reihe, zuletzt die größte der drei Mäuse, Teide. Sie ließen die Uferböschung los und ihre große Fahrt ins Tal begann. Wenngleich das Floß ein wenig schaukelte, war es sehr stabil auf den Wellen und schon bald waren die drei im Tal, das sie bislang nur von ganz weit oben im Nebel gesehen hatten. Sie erreichten Wesseling und schon schwamm ihr kleines Floß auf dem Rhein. Sie waren sehr beeindruckt, wie groß der Fluss war. Kaum konnten sie das gegenüberliegende Ufer sehen, so weit war es weg. Wesseling dagegen gefiel ihnen gar nicht und so trieben sie vorbei an dem schönen Rodenkirchen mit seiner kleinen weißen Kapelle auf Köln zu.



2
Der Dom zu Köln und ein neuer Freund

Ein großes, graues Gebäude mit zwei Türmen, die wie abgeschnitten und sehr unfertig aussahen kam immer näher auf sie zu. Überwältigt von der Schönheit der großen, noch unfertigen Kirche hielten sie an, banden ihr Floß am Ufer fest und gingen über die riesigen, großen und alten Steine, die einst die Römer dort hingebracht hatten, um eine Straße vom Rhein aus in die Stadt zu bauen, hinauf zu der schönen Kirche.
Zuerst trafen sie einen großen Mann in einem langen, dunklen Mantel und einer schwarzen Mütze auf dem Kopf. In seinen Händen hielt er ein großes Blatt Papier mit einem Bild. Es sah aus wie die große Kirche, aber auf dem Bild hatte die Kirche ganz hohe, spitze Türme. Freundlich sah der große Mann zu den Mäusen hinunter und sagte: „Guten Morgen, ihr drei, kommt ruhig näher und schaut euch das Gebäude näher an, denn das wird bald der Dom zu Köln sein. Ich bin Sulpiz Boisserée, habe gerade mit Herrn Goethe gesprochen und werde die Türme des Doms bis fast in den Himmel zu Ende bauen.“ Dann ging der Mann in eine Hütte zu seinen Arbeitern. An der Türe stand ein großes Schild „Dombauhütte“.
Vor der Hütte stand ein großer Baum, nicht ganz so groß wie der Baum im Garten, wo sie vorher gewohnt hatten. Aber auch hier fanden sie eine Wurzel und beschlossen, zuerst einmal unter dieser Wurzel zu übernachten. Sie schauten sich noch etwas um und entdeckten nebenan ein wunderschönes Bild auf dem Boden, was aus kleinen Steinen zusammengesetzt war. Sie sahen Männer und Frauen aus Rom, daneben gab es Bilder von Löwen. Ein wenig Angst hatten sie schon vor den Löwen und dachten, dass es vielleicht auch in Köln Löwen gäbe. So liefen sie schnell zurück unter ihre Wurzel. Sie waren hungrig von dem langen und aufregenden Tag, der hinter ihnen lag. Da sie sehr müde waren, schliefen sie, wenngleich hungrig, schnell ein. Am nächsten Morgen wurden sie früh wach, denn die Arbeiter hatten schon angefangen zu bauen und das machte einigen Lärm. Zu ihrer großen Überraschung entdeckten sie einen kleinen Korb mit einem rot-weißen kleinen Tuch. Darunter befanden sich ein fester gelber Käse und zwei zusammengebackene dunkle Brötchen. Anaga entdeckte ein kleines Zettelchen. Auf diesem stand „Halve Hahn“. Keiner der drei wusste, was das bedeuten könnte. Da sie am Vortag nichts gegessen hatten, aßen sie das ganze Brot und den ganzen Käse auf, legten das rot-weiße Tüchlein zurück in den Korb und sahen sich in der Nähe um. Sie sahen den netten Mann, Sulpiz Boisserée, der den Arbeitern Anweisungen gab. In den Händen hielt er wieder das große Blatt Papier mit dem Dom, der auf dem Bild zwei spitze Türme hatte. Die Mäuse gingen über einen großen Platz zu einem schönen alten Haus. Davor entdeckten sie einen großen Brunnen mit kleinen Figuren, die wie Zwerge aussahen. Die kleinen Männchen waren sehr fleißig: sie buken Brot, putzten die Wohnungen, wuschen die Wäsche, und machten etwas zu trinken. Auch in dem großen Haus waren Männer und Frauen dabei, ein gelbes Getränk – sie nannten es „Kölsch“ – zu machen. In einen großen Topf aus Kupfer schütteten sie Getreide und etwas, was aussah wie Blüten, sie sagten, es sei Hopfen. Dazu kam frisches Wasser aus dem Rhein. Das kochten sie lange und danach füllten sie die gelbe Flüssigkeit in Flaschen und in Holzfässer. Das tranken die Menschen in Köln am liebsten.
Abends legten sich die drei Mäuse zum Schlafen unter ihre Wurzel in der Nähe der Dombauhütte. Am nächsten Morgen fanden sie wieder den kleinen Korb, sorgfältig war das rot-weiße Tuch darübergelegt. Wieder fanden sie den kleinen Zettel, auf dem „Halve Hahn“ stand. Hungrig wie sie waren, aßen sie die dunklen Brötchen, die die Kölner Röggelchen nannten, dazu den festen gelben Käse. Die drei Mäuse blieben einige Wochen in Köln und beobachteten, wie die Türme des Kölner Doms immer und immer höher wurden. Der große Mann, Sulpiz Boisserée schien sehr glücklich zu sein.
Wenngleich die Mäuse nun wussten, wo sie tagsüber etwas zu essen finden konnten, freuten sie sich jeden Morgen über den kleinen Korb mit dem rot-weißen Tüchlein und dem leckeren Halven Hahn. Die kleine neugierige Anaga zerbrach sich den Kopf, wer ihnen wohl das Körbchen nachts, wenn sie schliefen, unter ihre Wurzel stellen würde. So beschlossen die drei Mäuse, einen kleinen Mittagsschlaf zu machen, um die nächste Nacht wach zu bleiben und zu schauen, wer nachts das Körbchen vorbeibringt. Sie gingen nochmals zum Rhein, dem großen Fluss in Köln, schauten, ob ihr Boot noch da war, und beobachteten die großen Schiffe. Einige stoppten am Rheinauhafen. Dort standen große Kräne, die Säcke, Holz, Steine oder Fässer aus den Schiffen hoben, die dann in dem großen Gebäude gelagert wurden. Von dort wurden all die Dinge, die die Kölner zum Leben brauchten, auf Wagen geladen, die von Pferden gezogen wurden. Die Kutschen brachten die Säcke, gefüllt mit Getreide, Kakaobohnen, Kaffee, Tee und vielen anderen nützlichen Dingen wie den leckeren Käse aus den Niederlanden in die Stadt. Teno wollte unbedingt auch einmal mit einer Kutsche fahren und so kletterten die drei Mäuse hinauf, direkt hinter den Mann, der die Pferde lenkte. Sie hörten, dass die Menschen den Mann „Kutscher“ nannten. Die Mäuse mussten sich ordentlich festhalten, denn auf den Straßen mit den großen Steinen wackelte die Kutsche schon recht ordentlich. In der Nähe des Doms sprangen die Mäuse von der Kutsche ab, gingen zur Dombauhütte und legten sich schnell unter ihre Wurzel zum Schlafen hin. Nur einschlafen durften sie nicht, denn sie wollten sehen, wer ihnen den Korb mit Brötchen und Käse bringt. Vor lauter Aufregung konnten sie auch nicht einschlafen. So lagen sie wach, bis sie plötzlich kleine Schritte hörten. Sie blieben still liegen und öffneten ein Auge, nur ganz wenig, schließlich wollten sie nur wissen, wer so nett ist und ihnen den Korb unter die Wurzel stellt. Auf keinen Fall wollten sie die freundlichen Besucher erschrecken. Es waren kleine Männchen mit roten Zipfelmützen, die ihnen den Korb ganz leise unter ihre Wurzel stellten. So schnell wie sie gekommen waren, so schnell waren sie auch wieder verschwunden. Jetzt konnten die Mäuse beruhigt einschlafen. Am nächsten Morgen, während sie die Röggelchen und den Käse aßen, sagte Teide, dass er die Männchen schon einmal irgendwo gesehen hätte. Richtig, die Mäuse erinnerten sich. Es waren die Zwerge des Heinzelmännchen-Brunnens.
Die Heinzelmännchen gab es wirklich in Köln, nur in Köln, sonst gab es sie nirgendwo. Nachts, wenn die Kölner schliefen, kamen sie zu den Menschen und erledigten für diese alle Arbeiten. Beim Bäcker buken sie das Brot und die leckeren Röggelchen, beim Metzger machten sie die Wurst, beim Schreiner bauten sie Tische, Schränke und Stühle, in der Brauerei brauten sie das leckere Kölsch, das Lieblingsgetränk der Kölner und beim Schneider nähten sie Hosen und Kleider. Die Frau des Schneiders war sehr neugierig und wollte unbedingt wissen, wer nachts die Hosen und Kleider näht. Eines Abends streute sie getrocknete Erbsen auf die Treppe und blieb hinter der Türe stehen. Als nachts die Heinzelmännchen die Treppe hinaufgehen wollten, um die Arbeit des Schneiders zu verrichten, rutschten sie auf den getrockneten Erbsen aus und fielen polternd die Treppe hinunter. Lachend kam die Frau des Schneiders hinter der Türe hervor, in der Hand eine Lampe und schaute sich die am Boden liegenden Heinzelmännchen an. Schnell liefen die Heinzelmännchen aus dem Haus. Die Frau erzählte am nächsten Morgen ihren Freundinnen, was sie gesehen hatte und wer nachts zur Freude Aller die Arbeit der Kölner erledigte. Doch von da an kamen die Heinzelmännchen nie mehr zum Bäcker, Metzger, Schreiner, Kölschbrauer und Schneider. Die ganze Arbeit mussten die Kölner nun wieder selbst erledigen. Nur zu den Mäusen kamen sie noch und brachten ihnen den beliebten Halven Hahn, denn die Mäuse hatten nur mit einem halb geöffneten Auge die Heinzelmännchen gesehen, sie nicht erschreckt und keinem etwas davon erzählt, so wie es die gemeine Frau des Schneiders gemacht hatte.
5 Sterne
Interessantes und bemerkenswertes Buch über eine Reise - 13.11.2022
Thomas

In diesem Buch nimmt uns der Autor auf eine Reise von drei Mäusen Ende des 18. / Anfang des 19. Jahrhunderts von Waldorf nach Teneriffa mit, wobei die geographische Reise als "Transportmittel" dient, um zum einen von deren kulinarischen und kulturellen Erlebnissen in dieser Zeit zu erzählen, und zum anderen politische und historische Begebenheiteneinfließen zu lassen. Zusätzlich werden philosophische Gedanken integriert, die einen besonderen Stellenwert in diesem Buch haben !Ob Kind, Jugendlicher oder Erwachsener, auf jeden Fall setzt dieses Buch ein gewisses Bildungsniveau voraus, um es eben nicht nur als geographische Reise von drei Mäusen zu sehen.

5 Sterne
Ein tolles Buch - nicht nur für Kinder  - 17.10.2022
Julia

Ich habe das Buch erst begonnen, bin aber jetzt schon ganz gespannt wie es weitergeht! Für den ein oder anderen großen oder kleinen Kulturbanausen sicher genau das Richtige..

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