Traumflug mit Pausenglocke

Traumflug mit Pausenglocke

Gabriela Galant


EUR 13,90
EUR 8,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 72
ISBN: 978-3-99048-549-1
Erscheinungsdatum: 20.06.2016
Um dem langweiligen Alltag zu entkommen, flieht Clarissa in die Welt ihrer Träume. So erlebt sie einen eigentlich normalen Tag auf ihre ganz besondere Weise - mit Feen, Delfinen, Berggeistern und Urvölkern. Ein wunderschönes Buch für alle, die gerne träumen!
Traumflug mit Pausenglocke

Tagträume sind anders als Träume. Sie werden bewusst oder durch Unaufmerksamkeit herbeigeführt. Tagträume können also gesteuert werden. Sie kommen aus dem Inneren eines Menschen und offenbaren oft sehnlichste Wünsche.

Ich bin ein ganz normales Mädchen namens Clarissa. Ich gehe auf eine herkömmliche Schule, mit ganz normalen Mädchen und Jungen. Unterdessen habe ich gemerkt, dass auch Jungs nett und süß sein können (hätt ich nie gedacht!). Ich habe absolut öden Turnunterricht und ganz normale Lehrer. An einem sehr normalen Schultag fahre ich wie immer mit meinem ganz gewöhnlichen Fahrrad zur Schule.
Wie immer stelle ich mein Fahrrad bei den anderen Fahrrädern ab und schließe es an. Ich sage ihm noch tschüss. Ich nenne es, seit ich es besitze, liebevoll Normi (weil es so normal ist). Es ist nicht sicher, ob ich Normi nochmals zu Gesicht bekomme, denn hier verschwinden oft Fahrräder.
Schon klingelt die Schulglocke und ich stelle einmal mehr mit Entsetzen fest, dass ich schon wieder spät dran bin. Also laufe ich mit großen Schritten die alten Steintreppen hoch, welche schon Dellen in den Stufen aufweisen. Die müssen von den vielen normalen Kinderfüßen sein, welche hier auf und ab gehen.
Außer Puste komme ich ins Klassenzimmer und gehe zu meinem Platz. Ich sitze ganz hinten rechts. Neben dem Fenster und neben Sabrina.
Sabrina ist sehr nett, aber eben leider auch normal. Sie und die anderen Mädchen tuscheln und kichern immer gemeinsam. Vor allem wenn es um die Jungs geht. Ich schaue mir das Ganze immer aus der Ferne an.
Nun haben wir Geschichte. Der Lehrer, ein etwas älterer Mann mit einer weißen Halbglatze und einer runden Brille, will uns das Mittelalter näherbringen. Zuerst höre ich auch genau zu und verfolge im Buch mit, was der nette Mann da vorne erzählt. Aber irgendwann schweift mein Blick Richtung Fenster.
Wir sind im dritten Stock und ich sehe, wie Vögel vorbeifliegen und wie sie in der Luft spielen.
Plötzlich knallt etwas ans Fenster! Es ist sehr klein, zu klein, um ein Vogel zu sein. Ich gehe hin und öffne das große alte Fenster. Das Ding ist auf dem Sims liegen geblieben. Ich schaue es genauer an und sehe silberne Flügel, ein Kleidchen, das violett schimmert und ein klitzekleines blondes Köpfchen mit einem klitzekleinen Gesicht!
Vorsichtig schaue ich ins Klassenzimmer, um zu sehen, wer alles etwas mitbekommen hat. Einige meiner Kameraden schauen interessiert nach vorne (nicht sehr viele), andere schauen in ihre Bücher und vereinzelt fliegt hie und da ein kleiner Papierbrief durch den Raum.
Ich wende mich wieder zu der kleinen Gestalt auf dem Fenstersims. Sie ist erwacht! Und sie spricht!
„Clarissa, bitte hilf mir!“
Ich glaube, nicht richtig zu hören! Mein Herz schlägt mir vor Aufregung bis zum Hals, denn das ist alles andere als normal!
„Mein Volk und ich müssen vielleicht bald sterben, wenn du uns nicht hilfst! Ich heiße Cindy und bin eine Baumfee. Sie wollen den alten Ahorn fällen, in dem ich und ein paar andere Feen wohnen. Wenn dieser Baum gefällt wird, dann ist das unser Aus! Bitte hilf mir, Clarissa!“, fleht die Fee.
Sofort verspreche ich ihr meine Hilfe. Jedoch gibt es ein Problem, ich kann doch nicht einfach aus dem Unterricht spazieren! Darauf zieht die Baumfee eine Blüte unter ihrem Kleid hervor und steckt mir die winzig kleine violette Blüte ins Haar.
Sie sagt: „Nun kannst du schweben, bis die Blume verwelkt ist. Du kommst mit mir durch das Fenster hinaus.“

Ich lasse mich nicht zweimal bitten und wir schweben zusammen zum Boden. Schon erwarte ich, den harten Beton unter meinen Füßen zu spüren. Das Gefühl bleibt aber aus. Ich schwebe weiter, ohne irgendwas zu tun, als würde die Blume in meinem Haar der Baumfee folgen.
Die Häuser um uns herum fangen an zu verschwinden. Es ist, als würde das ganze Quartier, welches um die Schule herum steht, zu einem riesigen Wald werden. Ich kann plötzlich die Vögel lauter zwitschern hören als vorher und das satte Grün des Waldes zieht mich in seinen Bann. Weit hinter uns sind die alten Mauern des ganz normalen Schulhauses zu sehen.
Wir kommen auf eine Lichtung, in deren Mitte ein gigantischer Ahornbaum steht. Als ich so an ihm hochsehe, erscheint er mir über hundert Meter hoch. Ich bemerke aber auch noch etwas anderes: ein Flüstern vieler süßer kleiner Stimmen.
Etwas entfernt stört ein lautes Röhren die Idylle. Die Baumfee und ich schauen uns entsetzt an. „Das ist die Maschine, welche unser aller Leben auslöschen will!“, flüstert mir Cindy zu. In ihrem winzig kleinen Gesicht sehe ich die nackte Angst.
„Die erwachsenen Menschen können uns nicht sehen, darum können wir uns nicht gegen die Maschine wehren. Diese ist groß und hat zwei böse leuchtende Augen. Vorne ist ein gefährliches Maul und daneben eine spitze schwarze Zunge mit langen Zähnen, welche den Baum abschneiden wird!“
Kaum hat mir die Baumfee das Ungeheuer beschrieben, kommt es zwischen den Bäumen hervorgerollt. Es macht mir auch Angst. Wie es so auf mich zurollt, bin ich drauf und dran, davonzuspringen. Ich sehe aber gerade noch, dass oberhalb des gruseligen schwarzen Mauls ein Mensch sitzt.
Es kommen noch mehr Männer zwischen den Bäumen hervor. Alle tragen Helme, Schutzbrillen, Handschuhe und Jacken mit leuchtenden Streifen. Jeder Einzelne von ihnen trägt etwas in der Hand: ein Beil, eine schwere Eisenkette und einer hat eine lange Säge.
Mir bleibt keine Zeit zum Überlegen, also stelle ich mich mit breiten Beinen vor den Ahorn und seine Bewohner. Meine Hände sind zu Fäusten geballt, ich nehme einen tiefen Atemzug und schreie so laut ich kann: „Haaaaaalt!“
Nun bleibt die Truppe stehen und schaut mich an, als sähe sie zum ersten Mal in ihrem Leben ein kleines Mädchen, welches eben nicht normal ist. Ich hole nochmals tief Luft und schreie erneut. Einer der Männer, der mit der Axt, kommt auf mich zu. Er versucht mir zu sagen, dass ich weggehen soll.
Sofort wird mir klar, dass ich keine Chance habe. Mit einem einfachen „Halt“ ist es hier nicht getan. Als würden sie dann vor Angst davonspringen. Was habe ich mir nur dabei gedacht?
„Clarissa“, sagt die Baumfee neben mir, „wir können dir alle helfen! Es sind sehr viele Feen hier versammelt und mit gemeinsamer Kraft können wir dich Angst einflößend machen!“
Ich bin mir nicht sicher, ob ich es richtig verstanden habe (Angst einflößend?), da verspüre ich im ganzen Körper eine Wärme aufsteigen. Es fühlt sich wohlig und leicht prickelnd an. Also wende ich mich wieder dem Haufen Männer zu. Alle schauen mich mit aufgerissenen Augen an. Das Komische aber ist, sie sehen mich von unten an und sie werden immer kleiner und kleiner. Nein! Ich werde immer größer!
Schon sehe ich alle von der Lichtung flüchten, sogar das Ungetüm von Maschine fährt davon. Als kann es ihnen nicht schnell genug gehen.
Kaum sind sie weg, merke ich, wie ich wieder normal groß werde (leider, es war doch ein sehr tolles Gefühl). Ich höre die Feen jubeln und singen. Cindy strahlt mich an und vor Erleichterung und Glückseligkeit kullert ihr eine winzig kleine Träne über die Wange.
„Clarissa du hast es geschafft! Du wirst nun immer unser aller Dank haben. Aber es ist Zeit für dich, zurück zur Schule zu gehen!“
Und da bin ich wieder. In diesem normalen Schulzimmer bei den normalen Stühlen und Bänken, beim absolut normalen Lehrer. Der Lehrer schaut mich an und erst jetzt bemerke ich, dass alle mich ansehen. Sie lachen. Anscheinend habe ich etwas verpasst.
Ich fasse mir ins Haar und finde die kleine violette Blüte von Cindy. Sie ist verwelkt.
Schon ertönt die Pausenglocke.


Pause

Alle meine Klassenkameraden stürmen zur Tür. Ich habe es nicht so eilig. Mein Sitzplatz ist am weitesten von der Tür entfernt und so wäre ich sowieso die Letzte.
Aus meinem Schulrucksack, der links neben meinem Pult steht, nehme ich das Sandwich mit Käsescheiben und Salami heraus. Meine Mutter macht sie immer perfekt: die Butter bis zum Rand hinaus.
Dann schließe ich mich dem Rest der Klasse an. Die meisten sind schon nicht mehr zu sehen.
Kaum bin ich aus der Tür, kommt Nick auf mich zu. Er ist sitzt eine Reihe vor mir am anderen Ende. Seine Haare sind dunkelbraun und kurz geschnitten. Trotzdem stehen sie in alle Richtungen ab. Das macht ihn irgendwie anders.
Er fragt mich wegen der Hausaufgaben. Nächste Stunde haben wir Mathe.
„Na, Issi, hast du die Rechenaufgaben lösen können?“ Irgendwer hat irgendwann mal meinen Namen von Clarissa auf Issi abgekürzt. Leider ist das hängen geblieben und alle nennen mich jetzt so.
„Ja, ich denke schon. Ein oder zwei Aufgaben waren aber recht knifflig.“ Eine typisch langweilige und normale Antwort von mir.
„Gut, sonst hätt ich dir jetzt helfen können“, meint Nick und läuft wieder weg zu den anderen Jungs, die bereits die Treppe hinunterlaufen.
Wieder einmal habe ich das Gefühl, dass Nick anders ist. Nicht einfach nur normal.

Draußen auf dem Schulhof setze ich mich auf die Außentreppe, knabbere an meinem Sandwich und schaue den anderen beim Spielen zu.
Ein heftiger Windstoß lässt mich aufhorchen. Die heruntergefallenen Blätter wirbeln herum und es wird langsam still auf dem Schulgelände. Mir erscheint es plötzlich viel zu still!
Irgendwie sind die Kinder alle weg und der Aufsichts-Lehrer schleicht auch nicht mehr in der Gegend herum. Also bin ich allein?
Durch die Stille ertönt ein Plätschern, es kommt immer näher und wird stetig lauter.
Erst jetzt bemerke ich, dass der Schulhof nicht mehr aus grauem normalen Beton besteht, sondern aus Wasser! Das Plätschern kommt noch immer näher und wie ich versuche herauszufinden, was es ist, kommt ein kleines Boot um die Ecke des Schulhauses geschwommen.
Es ist leer und schwimmt von alleine. Langsam bekomme ich Angst, denn ich kann mich noch gut an Tante Sibilles Horrorgeschichten erinnern. Nichts für schwache Nerven.
Das Boot kommt näher und ich kann erkennen, dass es gezogen wird – von einem Delfin!
Prompt hält er mit dem Boot vor der Steintreppe an und spricht: „Hallo! Hallo! Meine Schwester ist in Not!“
Etwas verwirrt (wieso kann ein Delfin sprechen?) sehe ich mich um, vielleicht sucht er jemand anderen. Da ich aber niemanden sehen kann, wende ich mich wieder dem Delfin zu und schaue ihn mit großen, fragenden Augen an.
„Clarissa, verstehst du mich nicht? Meine Schwester ist in Not! Du musst mir helfen! Steig schnell ins Boot. Jede Minute zählt!“
Immer noch sprachlos nicke ich dem Delfin zu und steige in das Boot. Erst im Sitzen finde ich meine Sprache wieder.
„Delfin, wer bist du und wieso holst du mich?“
Er antwortet mir und zieht gleichzeitig das Boot weg vom Schulhaus ins Quartier hinaus. „Ich bin Effi. Die Baumfeen haben weit herum erzählt, was du für sie getan hast! Mehr dazu später.“
Ich will mehr wissen und stelle weitere Fragen, aber ich bekomme keine Antwort.
Der Delfin zieht das Boot übers Wasser und langsam werden die Häuser durchsichtig.

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