Schatzsuche im Hasenland

Schatzsuche im Hasenland

Ingo Redlin


EUR 16,90

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 52
ISBN: 978-3-99146-659-8
Erscheinungsdatum: 15.04.2024

Leseprobe:


Ich bin Hase Otto und wohne an einer herrlich grünen Wiese. Mein bester Freund heißt Hase Lampe. Er ist stolz auf seinen Namen, den er seinem auffallend leuchtend weißen Stummelschwanz verdankt.

Auf unserer Wiese gibt es nicht nur leckeren Löwenzahn, sondern immer etwas zu erleben:

Wie fast jeden Morgen ging ich nach dem Aufräumen meiner Höhle, auch Hasenbau genannt, zu meinem Freund Hase Lampe, der nur ein paar Hoppelschritte entfernt wohnt.

„Hey Hase Lampe, wo bist du? “rief ich, als ich ihn nicht an seinem Lieblingsplatz antraf. Hase Lampe, der gerne im weichen Gras liegt und sich den Wind um die Schnuppernase wehen lässt, war nicht da. Sein Platz war verlassen. Alles Rufen half nichts. Ich machte mir Sorgen, dass etwas Schlimmes passiert sein könnte und schaute mich um, ob mir etwas Ungewöhnliches auffiel. Vielleicht ein umgestürzter Stuhl, ein Blutfleck oder ähnlich – Nein!!! Alles sah aus wie immer. Seine Schulsachen lagen kreuz und quer. Ja, so ist er.
Hase Lampe hält nicht viel vom Aufräumen, aber deshalb sucht er auch andauernd
etwas.
Er hat schon einige Male gesagt, dass er ordentlicher werden will. Doch damit hat er es wohl nicht so eilig. Immerhin ist der Wille dazu schon da.

Manchmal bekommt er dann schlechte Laune, weil er etwas nicht findet.

Halt –, Was ist denn das? Da liegt ja ein Zettel im Gewühle. Den hätte ich ja fast übersehen.
Schauen wir doch mal was drauf steht. Oh! Eine Nachricht für mich. Wenn er doch bloß etwas sauberer schreiben würde, dann könnte ich auch alles lesen!
Nach einigem Rätselraten konnte ich seine Nachricht entziffern:

„Hallo Otto, ich bin am Bahnhof und hole meine beiden Cousins ab.“

Cousins? Was soll denn das sein? Sind das vielleicht besonders leckere Möhren? Na egal, vielleicht bekomme ich ja eine ab!

Jetzt war ich aber neugierig und machte mich auf den Weg zum Bahnhof „sonst würde er vielleicht wieder alles alleine auffuttern“ aber sonst ist er ein echter Freund, der auch gerne etwas abgibt, eben ein Pfundshase.

Gespannt hoppelte ich zum Bahnhof und dachte an die Cousins – vielleicht sind Cousins ja Riesenmohrrüben – das würde jedenfalls erklären, warum Hase Lampe so Hals über Kopf los gedüst ist. „Ich werde es sicherlich bald wissen“, dachte ich bei einem Sprung über einen quer liegenden Baumstamm. „Oh, das war knapp, beinahe wäre ich nicht drüber gekommen, ich muss wohl besser aufpassen, wenn ich schwierige Hindernisse vor mir habe“, mümmelte ich vor mich hin und war schon am Weg, der zum Bahnhof führt.

Am Bahnhof war ein Getümmel wie auf dem Jahrmarkt. Viele Menschen standen hier mit merkwürdigen Kisten herum die mit Hilfe von kleinen Rädern gezogen werden konnten.

„Wie soll ich Hase Lampe in diesem Gewimmel nur finden?“. fragte ich mich ratlos-, als plötzlich eine krächzende Stimme über den ganzen Bahnhof erschallte. „Der nächste Zug hat ungefähr 10 Minuten Verspätung“, erfuhren die Wartenden und machten lange Gesichter. Nun hatte ich etwas Zeit Hase Lampe zu suchen. Doch wenn man so klein ist, wie eben ein Hase, kann man hier nicht weit sehen. Da haben es die Menschen mit ihrem aufrechten Gang erheblich leichter!

Ich hoppelte hin und her und wurde plötzlich von einigen Kindern entdeckt, die sich anscheinend freuten, mich hier zu sehen. Hasen sind eben etwas Ungewöhnliches auf einem Bahnsteig; aber das ist mir egal. Ich wollte unbedingt meinen Freund finden. Alles Hin- und Her -hoppeln half nichts. Im Gegenteil. Immer mehr Menschen betrachteten mich und machten mir Angst.

Ich sah nur noch eine Chance Hase Lampe zu finden und dachte an die eben gehörte Ansage.
Das Schaffner-Häuschen hatte ich schnell erreicht und wurde erstaunt betrachtet. Mit dem Mut der Verzweiflung fragte ich, ob es wohl mal möglich wäre nach Hase Lampe zu rufen.

„Mh, Mh“ –, stotterte der Schaffner,- „das ist zwar ungewöhnlich und eigentlich darf ich so etwas nur in Notfällen machen. Aber wenn ich es mir genau überlege, ist dies wohl ein Notfall für dich. Und da ich gerne anderen helfe, werde ich dir diesen Gefallen mal ausnahmsweise erweisen.“

Der Schaffner hatte eine glatt gebügelte, dunkelblaue Uniform an und setzte seine dazugehörige runde Mütze ab, als er einen Knopf betätigte. Seine Stimme ertönte über den ganzen Bahnhof: „Hallo, hallo, hier kommt eine ungewöhnliche Suchmeldung. Gesucht wird Hase Lampe. Wenn er mich hört, soll er unbedingt sofort zum Schaffnerhäuschen kommen.“

Mit fragender Miene schaute er mich an und sagte: „Mehr kann ich nicht tun – nun bleibt nur noch Warten übrig“ – „Danke, vielen Dank, Herr Schaffner“, sagte ich erleichtert und schaute aus der offenen Tür auf den Bahnhof.
Ein paar Hoppelschritte vor mir standen ein alter Mann mit seiner Frau. Sie schauten sich erstaunt an. „Dass man jetzt schon Hasen ausruft, ist ja unglaublich“, sagte die Frau zu ihrem Mann, der gelangweilt erwiderte: „Die Gleichberechtigung macht eben nirgendwo halt“.

Plötzlich vibrierte der Boden. Als Hase hat man dafür einen sechsten Sinn – über den die Menschen durch die Schuhe an ihren Füßen gar nicht verfügen.“ „Dieses Vibrieren kann nur einen Grund haben“, dachte ich. Der Zug war im Anrollen. Im Schaffnerhäuschen gab es zwei Bildschirme, auf denen der Bahnsteig in beiden Richtungen zu erkennen war. „Ein einfahrender Zug wäre dort zwar zu sehen. Doch da sind die Menschen doch noch etwas rückständig! Mit meinen Läufen, äh Hasenfüßen, habe ich längst erkannt, dass der Zug nicht mehr weit sein kann“, dachte ich.

„Aber wo bleibt Hase Lampe, er müsste doch schon hier sein!? Wahrscheinlich kennt er sich hier genauso wenig aus wie ich und sucht das Schaffnerhäuschen.“
„Was soll ich machen?“, fragte ich den Schaffner, der mit festem Blick auf die Bildschirme schaute. „Bleib hier, er wird bestimmt gleich da sein!“, sagte er mit ernster Stimme und fügte hinzu: „Wenn du jetzt wegläufst, werdet ihr euch gar nicht finden!“

Plötzlich kam nun alles auf einmal. Der Zug donnerte in den Bahnhof, Hase Lampe stolperte über den großen Fuß des Schaffners und landete voll auf seiner Nase. Der Schaffner, der in diesem Moment aus der Tür gehen wollte, um den einfahrenden Zug zu begrüßen, konnte gerade noch sein Gleichgewicht halten.

„Hey Otto, was machst du denn hier?“, fragte er mich, als er sich gerade wieder aufrappelte.
„Und wieso? … den Satz führte er nicht zu Ende, schnappte mich am linken Ohr und zog mich mit.
Gegen das Getöse der vielen rollenden Räder des Zuges schrie Hase Lampe mir zu: „Schnell, sonst verpassen wir meine Cousins! Die sind im dritten Abteil.

Der Zug hielt an und die Türen öffneten sich wie von Geisterhand. Kurz darauf kamen genau aus der dritten Tür, vor der wir nun standen, zwei komische Hasentypen herausgesprungen.
Mit einem Satz standen sie vor uns. Solche Ulknudeln hatte ich noch nicht gesehen: Der eine hatte einen bunten Hut auf, aus dem die langen Löffel, äh Hasenohren, wie Antennen herausragten, der andere trug einen deutlich zu langen schwarz-weiß karierten Schal zweimal um den Hals geschwungen. Einen Schal an einem so schönen sonnigen Tag? Was das wohl soll? „Vielleicht seine persönliche Note oder plagen ihn Halsschmerzen?“, dachte ich und fragte Hase Lampe: „Woher kennst du denn diese komisch dreinschauenden Gesellen?“ „Ein bisschen mehr Respekt!“, herrschte mich Hase Lampe auf ungewöhnlich barsche Art an. „Das sind meine Cousins“ „Ach und ich dachte Cousins sind-…-äh, na ja, ist ja egal“ – brach ich den Satz ab. Denn ihrem Gelächter wollte ich mich nämlich nicht unbedingt aussetzen, wenn ich ihnen von meiner Vermutung mit den Möhren erzählen würde.

Immerhin stellte er mich mit netten Worten seinen Cousins vor: „Das ist mein alter Kumpel Hase Otto“. Jener mit dem Hut reichte mir seine Hasenpfote und meinte: „Ich bin Eduard – meine Freunde sagen Ede zu mir“. Wir schüttelten unsere Hände, äh Pfoten. Dann sagte der mit dem langen Schal: „Hey, ich bin Friedolin und so möchte ich auch genannt werden“. „Das habe ich verstanden“, sagte ich und war mir nicht ganz sicher, ob wir Freunde werden.

Hase Lampe ergriff das Wort und meinte: „Wollt ihr hier Wurzeln schlagen oder machen wir uns endlich auf den Weg?“ „Nichts wie weg hier“, meinte Ede und machte einen riesigen Sprung der mich sehr beeindruckte.


Auf dem Heimweg klärte mich Hase Lampe auf: „Meine Cousins haben Osterferien und besuchen uns für zwei Wochen“. „Na das kann ja was werden“, meinte ich – immer noch etwas irritiert und hoppelte den anderen etwas lustlos hinterher. Ich war in Gedanken versunken, doch dann fiel es mir ein: „Das müssen die Söhne des alten Leonardo sein, dem Bruder seines Vaters“.
Irgendwann hatte er mir vor längerer Zeit beiläufig davon erzählt. Allerdings vergesse ich Dinge, die ich nicht für wichtig halte, sehr schnell.

Auf halber Strecke schrie Ede plötzlich entsetzt: „Halt!, Halt!, Wir haben etwas vergessen!“ Wir sahen ihn fragend an als er hinzufügte: „Unseren Koffer, unseren Koffer, der ist noch am Bahnhof“, und schaute dabei Friedolin vorwurfsvoll an. Friedolin hob seinen Kopf, schmiss seinen karierten Schal über die Schulter und meinte vorwurfsvoll: „Wenn du dich von diesen Quatschtüten ablenken lässt, kann ich nichts dafür“.

Letztlich blieb uns nichts anderes übrig als den Weg zurückzuhoppeln. Zum Glück stand der Koffer auf dem jetzt völlig leeren Bahnsteig direkt am Schaffnerhäuschen. Als uns der freundliche Mann sah, fing er lauthals an zu lachen, und wir verstanden ihn kaum: „Was man nicht im Kopf hat, hat man in den Hasenfüßen“. Hahaha, hahaha. Sein Lachen wurde endlich etwas leiser, als er sich von uns abwendete und einen großen Schluck aus seiner Wasserflasche nahm.

„Meine Güte, ist euer Koffer schwer!“, stellte Hase Lampe keuchend fest, als er ihn zum Transport anheben wollte.


Ich bin Hase Otto und wohne an einer herrlich grünen Wiese. Mein bester Freund heißt Hase Lampe. Er ist stolz auf seinen Namen, den er seinem auffallend leuchtend weißen Stummelschwanz verdankt.

Auf unserer Wiese gibt es nicht nur leckeren Löwenzahn, sondern immer etwas zu erleben:

Wie fast jeden Morgen ging ich nach dem Aufräumen meiner Höhle, auch Hasenbau genannt, zu meinem Freund Hase Lampe, der nur ein paar Hoppelschritte entfernt wohnt.

„Hey Hase Lampe, wo bist du? “rief ich, als ich ihn nicht an seinem Lieblingsplatz antraf. Hase Lampe, der gerne im weichen Gras liegt und sich den Wind um die Schnuppernase wehen lässt, war nicht da. Sein Platz war verlassen. Alles Rufen half nichts. Ich machte mir Sorgen, dass etwas Schlimmes passiert sein könnte und schaute mich um, ob mir etwas Ungewöhnliches auffiel. Vielleicht ein umgestürzter Stuhl, ein Blutfleck oder ähnlich – Nein!!! Alles sah aus wie immer. Seine Schulsachen lagen kreuz und quer. Ja, so ist er.
Hase Lampe hält nicht viel vom Aufräumen, aber deshalb sucht er auch andauernd
etwas.
Er hat schon einige Male gesagt, dass er ordentlicher werden will. Doch damit hat er es wohl nicht so eilig. Immerhin ist der Wille dazu schon da.

Manchmal bekommt er dann schlechte Laune, weil er etwas nicht findet.

Halt –, Was ist denn das? Da liegt ja ein Zettel im Gewühle. Den hätte ich ja fast übersehen.
Schauen wir doch mal was drauf steht. Oh! Eine Nachricht für mich. Wenn er doch bloß etwas sauberer schreiben würde, dann könnte ich auch alles lesen!
Nach einigem Rätselraten konnte ich seine Nachricht entziffern:

„Hallo Otto, ich bin am Bahnhof und hole meine beiden Cousins ab.“

Cousins? Was soll denn das sein? Sind das vielleicht besonders leckere Möhren? Na egal, vielleicht bekomme ich ja eine ab!

Jetzt war ich aber neugierig und machte mich auf den Weg zum Bahnhof „sonst würde er vielleicht wieder alles alleine auffuttern“ aber sonst ist er ein echter Freund, der auch gerne etwas abgibt, eben ein Pfundshase.

Gespannt hoppelte ich zum Bahnhof und dachte an die Cousins – vielleicht sind Cousins ja Riesenmohrrüben – das würde jedenfalls erklären, warum Hase Lampe so Hals über Kopf los gedüst ist. „Ich werde es sicherlich bald wissen“, dachte ich bei einem Sprung über einen quer liegenden Baumstamm. „Oh, das war knapp, beinahe wäre ich nicht drüber gekommen, ich muss wohl besser aufpassen, wenn ich schwierige Hindernisse vor mir habe“, mümmelte ich vor mich hin und war schon am Weg, der zum Bahnhof führt.

Am Bahnhof war ein Getümmel wie auf dem Jahrmarkt. Viele Menschen standen hier mit merkwürdigen Kisten herum die mit Hilfe von kleinen Rädern gezogen werden konnten.

„Wie soll ich Hase Lampe in diesem Gewimmel nur finden?“. fragte ich mich ratlos-, als plötzlich eine krächzende Stimme über den ganzen Bahnhof erschallte. „Der nächste Zug hat ungefähr 10 Minuten Verspätung“, erfuhren die Wartenden und machten lange Gesichter. Nun hatte ich etwas Zeit Hase Lampe zu suchen. Doch wenn man so klein ist, wie eben ein Hase, kann man hier nicht weit sehen. Da haben es die Menschen mit ihrem aufrechten Gang erheblich leichter!

Ich hoppelte hin und her und wurde plötzlich von einigen Kindern entdeckt, die sich anscheinend freuten, mich hier zu sehen. Hasen sind eben etwas Ungewöhnliches auf einem Bahnsteig; aber das ist mir egal. Ich wollte unbedingt meinen Freund finden. Alles Hin- und Her -hoppeln half nichts. Im Gegenteil. Immer mehr Menschen betrachteten mich und machten mir Angst.

Ich sah nur noch eine Chance Hase Lampe zu finden und dachte an die eben gehörte Ansage.
Das Schaffner-Häuschen hatte ich schnell erreicht und wurde erstaunt betrachtet. Mit dem Mut der Verzweiflung fragte ich, ob es wohl mal möglich wäre nach Hase Lampe zu rufen.

„Mh, Mh“ –, stotterte der Schaffner,- „das ist zwar ungewöhnlich und eigentlich darf ich so etwas nur in Notfällen machen. Aber wenn ich es mir genau überlege, ist dies wohl ein Notfall für dich. Und da ich gerne anderen helfe, werde ich dir diesen Gefallen mal ausnahmsweise erweisen.“

Der Schaffner hatte eine glatt gebügelte, dunkelblaue Uniform an und setzte seine dazugehörige runde Mütze ab, als er einen Knopf betätigte. Seine Stimme ertönte über den ganzen Bahnhof: „Hallo, hallo, hier kommt eine ungewöhnliche Suchmeldung. Gesucht wird Hase Lampe. Wenn er mich hört, soll er unbedingt sofort zum Schaffnerhäuschen kommen.“

Mit fragender Miene schaute er mich an und sagte: „Mehr kann ich nicht tun – nun bleibt nur noch Warten übrig“ – „Danke, vielen Dank, Herr Schaffner“, sagte ich erleichtert und schaute aus der offenen Tür auf den Bahnhof.
Ein paar Hoppelschritte vor mir standen ein alter Mann mit seiner Frau. Sie schauten sich erstaunt an. „Dass man jetzt schon Hasen ausruft, ist ja unglaublich“, sagte die Frau zu ihrem Mann, der gelangweilt erwiderte: „Die Gleichberechtigung macht eben nirgendwo halt“.

Plötzlich vibrierte der Boden. Als Hase hat man dafür einen sechsten Sinn – über den die Menschen durch die Schuhe an ihren Füßen gar nicht verfügen.“ „Dieses Vibrieren kann nur einen Grund haben“, dachte ich. Der Zug war im Anrollen. Im Schaffnerhäuschen gab es zwei Bildschirme, auf denen der Bahnsteig in beiden Richtungen zu erkennen war. „Ein einfahrender Zug wäre dort zwar zu sehen. Doch da sind die Menschen doch noch etwas rückständig! Mit meinen Läufen, äh Hasenfüßen, habe ich längst erkannt, dass der Zug nicht mehr weit sein kann“, dachte ich.

„Aber wo bleibt Hase Lampe, er müsste doch schon hier sein!? Wahrscheinlich kennt er sich hier genauso wenig aus wie ich und sucht das Schaffnerhäuschen.“
„Was soll ich machen?“, fragte ich den Schaffner, der mit festem Blick auf die Bildschirme schaute. „Bleib hier, er wird bestimmt gleich da sein!“, sagte er mit ernster Stimme und fügte hinzu: „Wenn du jetzt wegläufst, werdet ihr euch gar nicht finden!“

Plötzlich kam nun alles auf einmal. Der Zug donnerte in den Bahnhof, Hase Lampe stolperte über den großen Fuß des Schaffners und landete voll auf seiner Nase. Der Schaffner, der in diesem Moment aus der Tür gehen wollte, um den einfahrenden Zug zu begrüßen, konnte gerade noch sein Gleichgewicht halten.

„Hey Otto, was machst du denn hier?“, fragte er mich, als er sich gerade wieder aufrappelte.
„Und wieso? … den Satz führte er nicht zu Ende, schnappte mich am linken Ohr und zog mich mit.
Gegen das Getöse der vielen rollenden Räder des Zuges schrie Hase Lampe mir zu: „Schnell, sonst verpassen wir meine Cousins! Die sind im dritten Abteil.

Der Zug hielt an und die Türen öffneten sich wie von Geisterhand. Kurz darauf kamen genau aus der dritten Tür, vor der wir nun standen, zwei komische Hasentypen herausgesprungen.
Mit einem Satz standen sie vor uns. Solche Ulknudeln hatte ich noch nicht gesehen: Der eine hatte einen bunten Hut auf, aus dem die langen Löffel, äh Hasenohren, wie Antennen herausragten, der andere trug einen deutlich zu langen schwarz-weiß karierten Schal zweimal um den Hals geschwungen. Einen Schal an einem so schönen sonnigen Tag? Was das wohl soll? „Vielleicht seine persönliche Note oder plagen ihn Halsschmerzen?“, dachte ich und fragte Hase Lampe: „Woher kennst du denn diese komisch dreinschauenden Gesellen?“ „Ein bisschen mehr Respekt!“, herrschte mich Hase Lampe auf ungewöhnlich barsche Art an. „Das sind meine Cousins“ „Ach und ich dachte Cousins sind-…-äh, na ja, ist ja egal“ – brach ich den Satz ab. Denn ihrem Gelächter wollte ich mich nämlich nicht unbedingt aussetzen, wenn ich ihnen von meiner Vermutung mit den Möhren erzählen würde.

Immerhin stellte er mich mit netten Worten seinen Cousins vor: „Das ist mein alter Kumpel Hase Otto“. Jener mit dem Hut reichte mir seine Hasenpfote und meinte: „Ich bin Eduard – meine Freunde sagen Ede zu mir“. Wir schüttelten unsere Hände, äh Pfoten. Dann sagte der mit dem langen Schal: „Hey, ich bin Friedolin und so möchte ich auch genannt werden“. „Das habe ich verstanden“, sagte ich und war mir nicht ganz sicher, ob wir Freunde werden.

Hase Lampe ergriff das Wort und meinte: „Wollt ihr hier Wurzeln schlagen oder machen wir uns endlich auf den Weg?“ „Nichts wie weg hier“, meinte Ede und machte einen riesigen Sprung der mich sehr beeindruckte.


Auf dem Heimweg klärte mich Hase Lampe auf: „Meine Cousins haben Osterferien und besuchen uns für zwei Wochen“. „Na das kann ja was werden“, meinte ich – immer noch etwas irritiert und hoppelte den anderen etwas lustlos hinterher. Ich war in Gedanken versunken, doch dann fiel es mir ein: „Das müssen die Söhne des alten Leonardo sein, dem Bruder seines Vaters“.
Irgendwann hatte er mir vor längerer Zeit beiläufig davon erzählt. Allerdings vergesse ich Dinge, die ich nicht für wichtig halte, sehr schnell.

Auf halber Strecke schrie Ede plötzlich entsetzt: „Halt!, Halt!, Wir haben etwas vergessen!“ Wir sahen ihn fragend an als er hinzufügte: „Unseren Koffer, unseren Koffer, der ist noch am Bahnhof“, und schaute dabei Friedolin vorwurfsvoll an. Friedolin hob seinen Kopf, schmiss seinen karierten Schal über die Schulter und meinte vorwurfsvoll: „Wenn du dich von diesen Quatschtüten ablenken lässt, kann ich nichts dafür“.

Letztlich blieb uns nichts anderes übrig als den Weg zurückzuhoppeln. Zum Glück stand der Koffer auf dem jetzt völlig leeren Bahnsteig direkt am Schaffnerhäuschen. Als uns der freundliche Mann sah, fing er lauthals an zu lachen, und wir verstanden ihn kaum: „Was man nicht im Kopf hat, hat man in den Hasenfüßen“. Hahaha, hahaha. Sein Lachen wurde endlich etwas leiser, als er sich von uns abwendete und einen großen Schluck aus seiner Wasserflasche nahm.

„Meine Güte, ist euer Koffer schwer!“, stellte Hase Lampe keuchend fest, als er ihn zum Transport anheben wollte.

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