Der kleine Hudrywuschell Barnabas
Nicole Höss
EUR 23,90
EUR 19,99
Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 244
ISBN: 978-3-99130-145-5
Erscheinungsdatum: 02.08.2022
Hallo, liebes
Menschenkind
Es freut mich sehr, dass du den Weg zu diesem Buch und hiermit zu mir gefunden hast.
Mein werter Name ist Barnabas. Von meinen Freunden werde ich Barni genannt. Ich bin im Reich der Hudrywuschell zu Hause, im wunderschönen blauen Drachenpuppenwald.
Du fragst dich jetzt sicher, wie ich aussehe und woher ich genau komme. Gut, dann will ich dir ein wenig von mir und meiner Welt erzählen.
Ich schwöre, alles, was ich dir hier erzähle, ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Auch wenn die Erwachsenen dir nicht glauben werden, wenn du ihnen von mir erzählst. Mich gibt es wirklich und wahrhaftig, in all meiner Schönheit und Pracht.
Erwachsene Menschenkinder können mich aber nur sehen, wenn ich damit einverstanden bin.
Also, ich lebe im Hudrywuschellland.
Du kannst es nur durch Spiegel betreten, du weißt schon, die glänzenden Dinger, die an den Wänden hängen.
Wir Hudrywuschell beobachten euch ganz genau und manchmal besuchen wir euch Menschenkinder in euren Behausungen oder laden euch ein, uns zu besuchen. Da die meisten Menschen eitel sind, haben sie auch viele schöne Spiegel, die in ihren Häusern und Wohnungen an den Wänden hängen oder herumstehen. Also können wir ungehindert zwischen deiner und unserer Welt hin und her wandern.
Ich liebe Spiegel!
Aber nicht nur um zu wandern.
Ja, ich gebe es zu. Auch ich bin wahnsinnig eitel.
Hudrywuschell sind auf ihr Äußeres bedacht und ich in besonderem Maße.
Höre ich dich gerade lachen? Das ist nicht lustig.
Ich bin eben ein besonders hübsches Exemplar meiner Gattung. Und natürlich besonders nett. Man muss mich einfach über alles lieben!
Geboren wurde ich vor … hmmm … ich weiß es eigentlich nicht so genau, wurde ich überhaupt jemals geboren?
Mich und meine Brüder und Schwestern gab es, glaube ich, schon immer, seit Anbeginn der Zeit.
Wir sind unsterblich. Wie altern zwar, aber nur sehr, sehr langsam.
Um uns wieder zu verjüngen, legen wir uns von Zeit zu Zeit auf den heiligen Gralstein.
Könntest du mich in diesem Augenblick sehen, du wärst begeistert.
Würde ich in diesem Augenblick vor dir stehen, was, glaubst du, würdest du sehen? Du hast keine Vorstellung von mir? Du weißt nicht, was ein Hudrywuschell ist?
Ich will dich nicht länger auf die Folter spannen.
Ich bin ein schlankes, kleines Wesen, nur fünfzig Zentimeter groß.
Das Prächtigste an mir ist mein strohblondes Haar, es strahlt leuchtend hell wie die Sonne an einem Sommermorgen, die Haarspitzen leuchten rot wie Blut. An meinem Rücken befinden sich zwei kleine feine durchsichtige Flügel, zart wie ein Spinnennetz.
Meine wohlgeformten Hände enden in langen Fingernägeln. Jeder Nagel schillert in den Farben des Regenbogens.
Meine Haut ist leicht gebräunt, samtweich und warm wie ein Kachelofen im Winter.
Meine hellblauen Augen funkeln wie Saphire. Meine langen Wimpern würde jede Frau gerne besitzen. Schwarz wie die Nacht betonen sie meine strahlenden Augen.
Meine Stimme ist sanft, einschmeichelnd, wohlklingend und betörend wie eine Flötenmelodie.
Und erst meine tollen Ohren. Sie drehen sich wie wild im Kreis, wenn ich mit ihnen durch die Gegend schwebe.
Natürlich kann ich auch mit meinen Flügeln fliegen, aber es sieht weitaus eleganter aus, wenn ich langsam und königlich vor mich hin schwebe. Will ich mich besonders rasch fortbewegen, benutze ich meine Ohren und meine Flügel.
Habe ich schon mein kleines süßes Hörnchen erwähnt?
Es befindet sich mitten auf meiner Stirn.
Und es wechselt die Farbe, je nachdem in welcher Stimmung ich mich gerade befinde. Es leuchtet hellrot, wenn ich zornig oder ängstlich bin. Es strahlt hellblau, wenn ich zufrieden und ruhig bin. Und es leuchtet orange, wenn ich mich freue oder sehr lebhaft bin.
Manchmal blinkt es auch, je nachdem wie stark meine Gefühle gerade sind. Das Wichtigste habe ich ja noch gar nicht erwähnt.
Ich dufte verführerisch nach Schokolade.
Jeder Hudrywuschell hat seinen eigenen Duft. Einige riechen nach Erdbeeren, andere wieder nach Rosen.
Aber jeder von uns hat seinen eigenen unverwechselbaren Geruch, der uns immer sanft umgibt.
Wie bitte? Du fragst dich gerade, ob ich magische Kräfte besitze?
Du bist aber sehr neugierig, das ist eine sehr persönliche Frage.
Nun gut, so viel sei verraten: Das eine oder andere magische Zaubertrickchen beherrsche ich schon.
Du glaubst mir nicht?
Ich schwöre, dass ich ein magischer kleiner Bursche bin.
Welche Fähigkeiten ich genau besitze, findest du auf unserer gemeinsamen Reise in diesem Buch heraus.
Paul und Sarah
Paul und seine Schwester Sarah lagen gelangweilt auf dem Fußboden ihres Kinderzimmers in ihrem neuen Zuhause im kleinen Städtchen Witra.
Die beiden waren nach der Scheidung ihrer Eltern mit ihrer Mutter hierher gezogen.
Paul war ein lieber, kleiner, aufgeweckter Junge mit großen blauen Augen, Sommersprossen auf der Stupsnase und lockigem schwarzem Haar.
Beides hatte er von seinem Vater Thomas geerbt.
Pauli, wie er liebevoll von allen genannt wurde, war gerade sechs Jahre alt geworden.
Er war ein etwas schüchterner kleiner Junge, der in seiner neuen Heimatstadt noch keine Freunde gefunden hatte.
Seine Schwester Sarah, acht Jahre alt, mit langen blonden Haaren und magisch funkelnden grünen Augen, kam mehr nach ihrer Mutter Helene.
Sie war lebhaft, überhaupt nicht schüchtern und hatte schon einige neue Freundinnen gefunden, seit sie hierher gezogen waren.
Ihr Vater kam die beiden von Zeit zu Zeit besuchen.
Er brachte kleine Geschenke mit und fuhr mit seinem heiß geliebten Elektroauto nach einigen Stunden, die sie alle drei mit lustigen Spielen verbrachten, wieder fort.
Dieses Wochenende war er wieder einmal nicht gekommen, obwohl er es fest versprochen hatte.
Die beiden hatten fest damit gerechnet, dass ihr Vater sie besuchen würde und waren sehr traurig. Aber sie trösteten sich gegenseitig.
Sarah und Paul verbrachten viel Zeit miteinander und mochten einander sehr. Ihre Mama war vor einer Stunde einkaufen gefahren.
Das tat Mama Helene besonders gerne. Sie liebte es, schöne Dinge für ihr neues Haus zu besorgen, um es gemütlich und einladend zu gestalten.
Mama brachte auch oft eine Kleinigkeit für Paul und Sarah mit, wenn sie zurückkehrte. Ein kleines Spielzeug oder etwas Süßes zum Naschen.
Sarah sah ihren Bruder mit schräg geneigtem Kopf von der Seite an.
„Ist dir auch so langweilig wie mir, Pauli?“
Pauli, der gerade genussvoll mit einem Finger im linken Nasenloch nach vergrabenen Schätzen bohrte, nahm den Finger aus der Nase, betrachtete ihn mit großen Augen, bevor er seinen Kopf zu seiner Schwester drehte und tief seufzte. „Ja, unheimlich langweilig. Sollen wir etwas Spannendes spielen?“
„Was schlägst du denn vor?“ Sarah sah ihren jüngeren Bruder erwartungsvoll an.
Paul zog die Stirn in Falten, dachte angestrengt nach, kratzte sich am Kopf, hielt kurz die Luft an und öffnete den Mund.
„Na, sag schon!“, drängte Sarah ihn.
„Ich weiß auch nicht. Es ist so heiß heute und ich hab mich so auf Papa gefreut, lass mich noch ein wenig nachdenken.“
Sarah warf ihr langes Haar über die Schulter zurück.
„Wie wäre es, wenn wir ein wenig Verkleiden spielen würden? Mama freut sich zwar nie, wenn wir ihre Kleider anziehen, aber es ist doch immer lustig.“
Pauli verzog das Gesicht.
„Wenn es denn sein muss.“
Es gehörte nicht unbedingt zu seinen Lieblingsspielen. Aber er wollte seiner Schwester eine Freude machen.
„Von mir aus. Ich will ja kein Spielverderber sein.“
Gesagt, getan. Schnell holte Sarah einige Kleider und Schuhe ihrer Mutter aus dem großen Kleiderkasten, rannte ins Badezimmer, schnappte sich den korallenroten Lippenstift ihrer Mutter und rannte zurück in ihr gemeinsames Kinderzimmer.
Paul schaute ganz erschrocken.
„Du weißt doch, Sarah, Mama hat dir verboten, ihre Schminksachen zu nehmen. Das letzte Mal, als du ihren Lieblingslippenstift überall hingeschmiert hast, hat sie mit Hausarrest gedroht, falls wir nochmals auf die Idee kommen würden, ihre Gesichtsmalfarben zu verwenden.“
Sarah sah ihren Bruder an, noch immer ganz aufgebracht bei der Erinnerung daran.
„Ich habe damals so ein schönes Bild an die Wohnzimmerwand gemalt und Mama hat geschimpft und geschimpft. Sie hat sich gar nicht mehr beruhigt. Erwachsene können so ungerecht sein. Ich wollte ihr doch nur eine Freude machen. Außerdem hat sie nur gesagt, ich darf die Wände nicht mehr bemalen. Von meinem Gesicht war nicht die Rede.“
Sarah sah ihren Bruder mit verschwörerischem Blick an und grinste breit. „Und überhaupt! Kannst du dir das vorstellen, Mama hat mein Kunstwerk als Geschmiere bezeichnet. So gemein.“
Paul musste jetzt auch lachen.
„Na gut, aber auf deine Verantwortung.“
„Paulchen, du bist ein Feigling, immer muss ich für alles geradestehen“, maulte Sarah.
Sarah schlüpfte in den engen Minirock ihrer Mutter, der bei ihr zu einem hübschen Kleid wurde, und in die ihr viel zu großen Schuhe.
Es waren schwarze Schuhe mit sehr hohen dünnen Absätzen.
Sie stolzierte auf wackeligen Beinen zum Spiegel und begann, den Lippenstift auf ihren Lippen zu verteilen.
Sie war so vertieft in diese Tätigkeit, dass sie den rauchigen Schatten am Rand des großen Standspiegels, vor dem sie in ihrem Kinderzimmer stand, gar nicht bemerkte.
Pauli saß im Türkensitz auf dem Bett und sah ihr zu.
Im Gegensatz zu seiner Schwester war er ein wenig aufmerksamer. Ihm entging die Bewegung im Spiegel nicht.
Erschrocken kniff er die Augen zusammen.
„Sarah, hast du das gerade gesehen?“
„Was soll ich gesehen haben?“
Sarah drehte sich halb zu ihm um, unwillig, da sie bei ihrer hingebungsvollen Tätigkeit gestört wurde.
„Da ist irgendetwas im Spiegel.“
„Was soll da sein? Da wird sich irgendwas gespiegelt haben. Manchmal benimmst du dich wirklich wie ein Kleinkind, Pauli.“
Stolz darauf, zwei Jahre älter zu sein als er, drehte Sarah sich blitzschnell zum Spiegel um und erstarrte. Der Spiegel war zu einem magischen Portal geworden.
Da stand unser kleiner Barnabas und starrte mit großen Augen auf Sarah.
„Was für ein hübsches Menschenkind du doch bist.“
Der kleine Hudrywuschell lächelte freundlich und streckte seine Hand nach Sarah aus, um sie zu berühren.
Diese sah, wie die Hand aus dem Spiegel heraus ragte, kreischte laut auf und plumpste mit voller Wucht auf ihr Hinterteil.
Pauli kroch rasch auf allen vieren unter das Bett und hielt sich die Hände vor die Augen.
Menschenkind
Es freut mich sehr, dass du den Weg zu diesem Buch und hiermit zu mir gefunden hast.
Mein werter Name ist Barnabas. Von meinen Freunden werde ich Barni genannt. Ich bin im Reich der Hudrywuschell zu Hause, im wunderschönen blauen Drachenpuppenwald.
Du fragst dich jetzt sicher, wie ich aussehe und woher ich genau komme. Gut, dann will ich dir ein wenig von mir und meiner Welt erzählen.
Ich schwöre, alles, was ich dir hier erzähle, ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Auch wenn die Erwachsenen dir nicht glauben werden, wenn du ihnen von mir erzählst. Mich gibt es wirklich und wahrhaftig, in all meiner Schönheit und Pracht.
Erwachsene Menschenkinder können mich aber nur sehen, wenn ich damit einverstanden bin.
Also, ich lebe im Hudrywuschellland.
Du kannst es nur durch Spiegel betreten, du weißt schon, die glänzenden Dinger, die an den Wänden hängen.
Wir Hudrywuschell beobachten euch ganz genau und manchmal besuchen wir euch Menschenkinder in euren Behausungen oder laden euch ein, uns zu besuchen. Da die meisten Menschen eitel sind, haben sie auch viele schöne Spiegel, die in ihren Häusern und Wohnungen an den Wänden hängen oder herumstehen. Also können wir ungehindert zwischen deiner und unserer Welt hin und her wandern.
Ich liebe Spiegel!
Aber nicht nur um zu wandern.
Ja, ich gebe es zu. Auch ich bin wahnsinnig eitel.
Hudrywuschell sind auf ihr Äußeres bedacht und ich in besonderem Maße.
Höre ich dich gerade lachen? Das ist nicht lustig.
Ich bin eben ein besonders hübsches Exemplar meiner Gattung. Und natürlich besonders nett. Man muss mich einfach über alles lieben!
Geboren wurde ich vor … hmmm … ich weiß es eigentlich nicht so genau, wurde ich überhaupt jemals geboren?
Mich und meine Brüder und Schwestern gab es, glaube ich, schon immer, seit Anbeginn der Zeit.
Wir sind unsterblich. Wie altern zwar, aber nur sehr, sehr langsam.
Um uns wieder zu verjüngen, legen wir uns von Zeit zu Zeit auf den heiligen Gralstein.
Könntest du mich in diesem Augenblick sehen, du wärst begeistert.
Würde ich in diesem Augenblick vor dir stehen, was, glaubst du, würdest du sehen? Du hast keine Vorstellung von mir? Du weißt nicht, was ein Hudrywuschell ist?
Ich will dich nicht länger auf die Folter spannen.
Ich bin ein schlankes, kleines Wesen, nur fünfzig Zentimeter groß.
Das Prächtigste an mir ist mein strohblondes Haar, es strahlt leuchtend hell wie die Sonne an einem Sommermorgen, die Haarspitzen leuchten rot wie Blut. An meinem Rücken befinden sich zwei kleine feine durchsichtige Flügel, zart wie ein Spinnennetz.
Meine wohlgeformten Hände enden in langen Fingernägeln. Jeder Nagel schillert in den Farben des Regenbogens.
Meine Haut ist leicht gebräunt, samtweich und warm wie ein Kachelofen im Winter.
Meine hellblauen Augen funkeln wie Saphire. Meine langen Wimpern würde jede Frau gerne besitzen. Schwarz wie die Nacht betonen sie meine strahlenden Augen.
Meine Stimme ist sanft, einschmeichelnd, wohlklingend und betörend wie eine Flötenmelodie.
Und erst meine tollen Ohren. Sie drehen sich wie wild im Kreis, wenn ich mit ihnen durch die Gegend schwebe.
Natürlich kann ich auch mit meinen Flügeln fliegen, aber es sieht weitaus eleganter aus, wenn ich langsam und königlich vor mich hin schwebe. Will ich mich besonders rasch fortbewegen, benutze ich meine Ohren und meine Flügel.
Habe ich schon mein kleines süßes Hörnchen erwähnt?
Es befindet sich mitten auf meiner Stirn.
Und es wechselt die Farbe, je nachdem in welcher Stimmung ich mich gerade befinde. Es leuchtet hellrot, wenn ich zornig oder ängstlich bin. Es strahlt hellblau, wenn ich zufrieden und ruhig bin. Und es leuchtet orange, wenn ich mich freue oder sehr lebhaft bin.
Manchmal blinkt es auch, je nachdem wie stark meine Gefühle gerade sind. Das Wichtigste habe ich ja noch gar nicht erwähnt.
Ich dufte verführerisch nach Schokolade.
Jeder Hudrywuschell hat seinen eigenen Duft. Einige riechen nach Erdbeeren, andere wieder nach Rosen.
Aber jeder von uns hat seinen eigenen unverwechselbaren Geruch, der uns immer sanft umgibt.
Wie bitte? Du fragst dich gerade, ob ich magische Kräfte besitze?
Du bist aber sehr neugierig, das ist eine sehr persönliche Frage.
Nun gut, so viel sei verraten: Das eine oder andere magische Zaubertrickchen beherrsche ich schon.
Du glaubst mir nicht?
Ich schwöre, dass ich ein magischer kleiner Bursche bin.
Welche Fähigkeiten ich genau besitze, findest du auf unserer gemeinsamen Reise in diesem Buch heraus.
Paul und Sarah
Paul und seine Schwester Sarah lagen gelangweilt auf dem Fußboden ihres Kinderzimmers in ihrem neuen Zuhause im kleinen Städtchen Witra.
Die beiden waren nach der Scheidung ihrer Eltern mit ihrer Mutter hierher gezogen.
Paul war ein lieber, kleiner, aufgeweckter Junge mit großen blauen Augen, Sommersprossen auf der Stupsnase und lockigem schwarzem Haar.
Beides hatte er von seinem Vater Thomas geerbt.
Pauli, wie er liebevoll von allen genannt wurde, war gerade sechs Jahre alt geworden.
Er war ein etwas schüchterner kleiner Junge, der in seiner neuen Heimatstadt noch keine Freunde gefunden hatte.
Seine Schwester Sarah, acht Jahre alt, mit langen blonden Haaren und magisch funkelnden grünen Augen, kam mehr nach ihrer Mutter Helene.
Sie war lebhaft, überhaupt nicht schüchtern und hatte schon einige neue Freundinnen gefunden, seit sie hierher gezogen waren.
Ihr Vater kam die beiden von Zeit zu Zeit besuchen.
Er brachte kleine Geschenke mit und fuhr mit seinem heiß geliebten Elektroauto nach einigen Stunden, die sie alle drei mit lustigen Spielen verbrachten, wieder fort.
Dieses Wochenende war er wieder einmal nicht gekommen, obwohl er es fest versprochen hatte.
Die beiden hatten fest damit gerechnet, dass ihr Vater sie besuchen würde und waren sehr traurig. Aber sie trösteten sich gegenseitig.
Sarah und Paul verbrachten viel Zeit miteinander und mochten einander sehr. Ihre Mama war vor einer Stunde einkaufen gefahren.
Das tat Mama Helene besonders gerne. Sie liebte es, schöne Dinge für ihr neues Haus zu besorgen, um es gemütlich und einladend zu gestalten.
Mama brachte auch oft eine Kleinigkeit für Paul und Sarah mit, wenn sie zurückkehrte. Ein kleines Spielzeug oder etwas Süßes zum Naschen.
Sarah sah ihren Bruder mit schräg geneigtem Kopf von der Seite an.
„Ist dir auch so langweilig wie mir, Pauli?“
Pauli, der gerade genussvoll mit einem Finger im linken Nasenloch nach vergrabenen Schätzen bohrte, nahm den Finger aus der Nase, betrachtete ihn mit großen Augen, bevor er seinen Kopf zu seiner Schwester drehte und tief seufzte. „Ja, unheimlich langweilig. Sollen wir etwas Spannendes spielen?“
„Was schlägst du denn vor?“ Sarah sah ihren jüngeren Bruder erwartungsvoll an.
Paul zog die Stirn in Falten, dachte angestrengt nach, kratzte sich am Kopf, hielt kurz die Luft an und öffnete den Mund.
„Na, sag schon!“, drängte Sarah ihn.
„Ich weiß auch nicht. Es ist so heiß heute und ich hab mich so auf Papa gefreut, lass mich noch ein wenig nachdenken.“
Sarah warf ihr langes Haar über die Schulter zurück.
„Wie wäre es, wenn wir ein wenig Verkleiden spielen würden? Mama freut sich zwar nie, wenn wir ihre Kleider anziehen, aber es ist doch immer lustig.“
Pauli verzog das Gesicht.
„Wenn es denn sein muss.“
Es gehörte nicht unbedingt zu seinen Lieblingsspielen. Aber er wollte seiner Schwester eine Freude machen.
„Von mir aus. Ich will ja kein Spielverderber sein.“
Gesagt, getan. Schnell holte Sarah einige Kleider und Schuhe ihrer Mutter aus dem großen Kleiderkasten, rannte ins Badezimmer, schnappte sich den korallenroten Lippenstift ihrer Mutter und rannte zurück in ihr gemeinsames Kinderzimmer.
Paul schaute ganz erschrocken.
„Du weißt doch, Sarah, Mama hat dir verboten, ihre Schminksachen zu nehmen. Das letzte Mal, als du ihren Lieblingslippenstift überall hingeschmiert hast, hat sie mit Hausarrest gedroht, falls wir nochmals auf die Idee kommen würden, ihre Gesichtsmalfarben zu verwenden.“
Sarah sah ihren Bruder an, noch immer ganz aufgebracht bei der Erinnerung daran.
„Ich habe damals so ein schönes Bild an die Wohnzimmerwand gemalt und Mama hat geschimpft und geschimpft. Sie hat sich gar nicht mehr beruhigt. Erwachsene können so ungerecht sein. Ich wollte ihr doch nur eine Freude machen. Außerdem hat sie nur gesagt, ich darf die Wände nicht mehr bemalen. Von meinem Gesicht war nicht die Rede.“
Sarah sah ihren Bruder mit verschwörerischem Blick an und grinste breit. „Und überhaupt! Kannst du dir das vorstellen, Mama hat mein Kunstwerk als Geschmiere bezeichnet. So gemein.“
Paul musste jetzt auch lachen.
„Na gut, aber auf deine Verantwortung.“
„Paulchen, du bist ein Feigling, immer muss ich für alles geradestehen“, maulte Sarah.
Sarah schlüpfte in den engen Minirock ihrer Mutter, der bei ihr zu einem hübschen Kleid wurde, und in die ihr viel zu großen Schuhe.
Es waren schwarze Schuhe mit sehr hohen dünnen Absätzen.
Sie stolzierte auf wackeligen Beinen zum Spiegel und begann, den Lippenstift auf ihren Lippen zu verteilen.
Sie war so vertieft in diese Tätigkeit, dass sie den rauchigen Schatten am Rand des großen Standspiegels, vor dem sie in ihrem Kinderzimmer stand, gar nicht bemerkte.
Pauli saß im Türkensitz auf dem Bett und sah ihr zu.
Im Gegensatz zu seiner Schwester war er ein wenig aufmerksamer. Ihm entging die Bewegung im Spiegel nicht.
Erschrocken kniff er die Augen zusammen.
„Sarah, hast du das gerade gesehen?“
„Was soll ich gesehen haben?“
Sarah drehte sich halb zu ihm um, unwillig, da sie bei ihrer hingebungsvollen Tätigkeit gestört wurde.
„Da ist irgendetwas im Spiegel.“
„Was soll da sein? Da wird sich irgendwas gespiegelt haben. Manchmal benimmst du dich wirklich wie ein Kleinkind, Pauli.“
Stolz darauf, zwei Jahre älter zu sein als er, drehte Sarah sich blitzschnell zum Spiegel um und erstarrte. Der Spiegel war zu einem magischen Portal geworden.
Da stand unser kleiner Barnabas und starrte mit großen Augen auf Sarah.
„Was für ein hübsches Menschenkind du doch bist.“
Der kleine Hudrywuschell lächelte freundlich und streckte seine Hand nach Sarah aus, um sie zu berühren.
Diese sah, wie die Hand aus dem Spiegel heraus ragte, kreischte laut auf und plumpste mit voller Wucht auf ihr Hinterteil.
Pauli kroch rasch auf allen vieren unter das Bett und hielt sich die Hände vor die Augen.