Tayo geht zum großen Fluss

Tayo geht zum großen Fluss

Der kleine Löwe wird erwachsen

Bernhard Galert


EUR 24,90

Format: 17 x 25 cm
Seitenanzahl: 88
ISBN: 978-3-99146-238-5
Erscheinungsdatum: 06.11.2023
Löwe Tayo ist erwachsen geworden und muss seine Eltern verlassen, um ein eigenes Jagdrevier zu finden. Mit seinem Löwenfreund Fumu macht er sich auf den gefahrvollen Weg zum großen Fluss. Werden sie dort das versprochene Paradies finden?
Prolog


Tansania liegt in Ostafrika direkt am Äquator, wo es sehr heiß ist. Dort gibt es den Ngorongoro-Krater, nicht weit entfernt vom großen Berg Kilimandscharo. Der Ngorongoro ist ein schon vor langer Zeit erloschener Vulkan. Er ist heute ein Tierschutzreservat und ein kleines Paradies für Tiere. Der Kraterboden liegt in 1700 Meter Höhe über dem Meeresspiegel und bietet den Bewohnern durch die Höhenlage ein angenehmes Klima. Der Kraterrand ist bis zu 600 Meter höher.
Es gibt hier keinen Sommer und keinen Winter, nur eine große Regenzeit von Anfang April bis Ende Mai, sowie eine kleine Regenzeit von Mitte November bis Mitte Dezember. Die Tiere, welche außerhalb des Kraters in der Serengeti leben, sind das ganze Jahr über in Bewegung und machen nach kurzen Zwischenstopps eine ziemlich große Wanderung, dem Regen folgend, dahin wo das Gras neu wächst. Hier im Krater ist das nicht notwendig. Es gibt genügend Gras und Futter, das ganze Jahr über, für alle darin lebenden Tiere.
Nicht allzu weit vom Ngorongoro-Krater entfernt befinden sich weitere Tierschutzreservate, die ebenfalls gute Futtergründe zu bieten haben. Zum einen der Lake Manyara – und etwas weiter südlich liegt der Tarangire-National Park benannt nach dem Fluss Tarangire.



Im Krater


Unsere Löwenfamilie hat sich zur Mittagsruhe in den Schatten unter ihrem Lieblings-Akazienbaum gelegt. Der Baum ist groß und seine Äste sind weit ausladend. Er erzeugt darunter ein angenehmes Klima und die gefiederten Blätter duften wunderbar. Die Familie besteht aus Papa Dume, Mama Wakike und dem Löwenkind Tayo. Eine behütete Kinder- und Jugendzeit hat Tayo bisher hier im Krater verbracht.

Doch eine Veränderung kündigt sich für ihn an, die mit den Worten seiner Löwenmama Wakike beginnt: „So lieber Tayo, du bist jetzt alt genug und solltest so langsam selbstständig werden. Du musst dir ein eigenes Jagdrevier suchen, denn lange geht das nicht mehr so weiter.“ Tayo nimmt es gelassen, was soll schon passieren?
Am folgenden Tag sieht Tayo, wie Wakike frische Beute anschleppt. Er hat Hunger und läuft ihr entgegen. „Wo treibst du dich wieder herum? Du kannst deine Mahlzeiten künftig selber jagen, hier können wir dich nicht mehr mit durchfüttern“, knurrt Wakike in immer forscher werdendem Ton. Wakike ist ungehalten, weil sich neuer Nachwuchs ankündigt und es bald genug Arbeit gibt, diesen zu füttern. Tayos älterer Bruder Amari wurde bereits vor einem Jahr mit solchen Worten verabschiedet, die er jetzt von seiner sonst lieben Löwenmama hört.

Papa Dume kommt dazu, aber nicht um zu besänftigen, er haut in die gleiche Kerbe und brüllt: „Mach, dass du wegkommst, du bist jetzt groß genug, um dir ein eigenes Jagdrevier zu suchen, hier ist kein Platz mehr für dich.“ Simba Dume, König der Löwen, reißt sein Maul gewaltig auf, als wenn er Tayo gleich verschlucken wolle. „Geh raus aus unserem Revier!“, brüllt Dume laut und zeigt mit seiner Pranke in Richtung Krater-Anhöhe. Tayo ist unsicher und unschlüssig, was das soll. Er hat oft mitgeholfen, Beute zu jagen und schon viel gelernt. Doch Papa Dume meint es wirklich ernst. „Einerseits ist es einfach schön, von der Mama versorgt zu werden. Andererseits möchte ich die Welt da draußen erkunden und mir mein eigenes Jagdrevier suchen“, denkt sich Tayo. Er fügt sich dem Schicksal, dass alle heranwachsenden Löwen ereilt und schreitet etwas trotzig von dannen. Wenigstens hat er noch eine Mahlzeit heute früh bekommen. Vielleicht darf er ein Stück Keule mitnehmen, aber bei dem Blick von Pascha Dume traut er sich nicht zu fragen. Ach was solls, ich bin schon groß und stark, denkt sich Tayo und sagt: „Ich geh dann.“

Er läuft zum kleinen Teich, um noch etwas zu trinken, dann macht er sich auf den Weg, wie sein älterer Bruder Amari, vor ihm. Als er so dahin trottet, denkt er an die fremde Löwenbande, die kurz nach der Rückkehr vom Daktari in ihr Zuhause eindrang. Die wollten seinen Bruder und ihn totbeißen.
Da war Papa Dume zur Stelle und hat die Fremdlinge mit Hilfe der ansässigen Löwen vertrieben. Es ist in einem Revier nicht immer genug Beute für weitere Jäger vorhanden.
Nach der Vertreibung der fremden Löwen kehrte wieder Ruhe in den Krater ein. Er hat in dieser Zeit viel gelernt und sein Heimatgebiet erkundet. Oft ist er durch das hohe Gras zu den flamingo geschlichen und hat sie so erschreckt, dass der ganze Schwarm Hals über Kopf laut flatternd auf und davon flog. Das war immer eine große Freude und ein schönes Erlebnis für ihn.

Der Weg aus dem Krater führt ihn nun an den Massai-Hütten vorbei bis zur Anhöhe auf den Kraterrand. Oben angekommen geht er den langen Weg am Waldgebiet vorbei, runter ins Menschengebiet.



Rivale


An der großen Straße muss er sich entscheiden. Geht er den Pfad nach links, der neben der Straße entlangführt, wie vor zwei Jahren mit seiner Mama Wakike? Oder nach rechts in ein riesiges Feld, in ein für ihn vollkommen unbekanntes Land? Tayo schwenkt in das Feld mit der blühenden Hirse und läuft frohen Mutes durch die Reihen der zwei Meter hohen Pflanzen.

Durst macht sich bemerkbar und eine kleine Zwischenmahlzeit wäre auch nicht zu verachten. Seinem Geruchssinn folgend geht er zum Rand des Feldes, wo sich ein Teich befindet. Als Jäger geht er auf leisen Pfoten und bemerkt, als er näher zum Wasser kommt, vor dem Schilfgras an der Uferböschung ein paar schöne fette Perlhühner.
Eine willkommene Abwechslung auf dem Speiseplan. Eines davon würde ihm schon reichen, denkt sich Tayo. Geduldig robbt er Meter um Meter in geduckter Haltung näher und ist jetzt ganz dicht dran. Noch ist er im Feld gut getarnt, sodass die Hühner ihn nicht bemerken und fleißig weiter Würmer suchen. Er ist nun in passender Entfernung davon entfernt. Das schafft er mit zwei Sätzen spielend, da kann nichts schieflaufen. Tayo wartet noch ein paar Sekunden und katapultiert sich in einem gewaltigen Satz zu den Hühnern. Fast hat er eines vor seinem Maul und will zuschnappen.
Doch genau gegenüber setzt ein anderer Löwe, wie ein Spiegelbild, im gleichen Moment auch zum Sprung an.
Pardauz, da wären sie beim Springen beinahe zusammengeprallt. Die verwirrende Situation nutzen die Perlhühner aus und flattern über den Teich zum gegenüberliegenden Ufer.
Beide Löwen haben das Nachsehen. Mit der Abendmahlzeit wird das nun nichts mehr. „Mist, was war das?“, ruft Tayo überrascht.
„Ja, super gelaufen, wo kommst du auf einmal her?“, fragt sein Gegenüber sauer. Nachdem sich die beiden gegenseitig angefaucht und die Grenzen abgesteckt haben, beäugen sich Tayo und sein Mitstreiter. „Das war knapp, die Gelegenheit, ein leckeres Huhn zu kauen ist für heute vorbei. Wer bist du und woher kommst du?“, fragt Tayo. „Ich bin Fumu und komme vom Feuerberg, den die Massai Ol Doinyo Lengai nennen. Mein Vater hat mich fortgeschickt, da wir sonst nicht genug haben für die Familie, meine Mama bekommt schon wieder neue Geschwister“, sagt Fumu. „Ja, das kommt mir bekannt vor, das habe ich genauso erlebt. Ich bin jetzt auf der Suche nach einer neuen Heimat, wo es ausreichend Jagdbeute und Wasser gibt. Kenne mich hier aber nicht aus und habe keine Ahnung, in welche Richtung es weiter gehen soll“, antwortet Tayo.
„Auf dem Weg vom Feuerberg ist mir eine Giraffe begegnet“, sagt Fumu, „und die hat gesagt, dass sich auf der anderen Seite der großen Straße, hinter einem riesigen See, ein großer Fluss durch die Savanne schlängelt. Dort tummeln sich viele Gnus, Gazellen und Antilopen, ein Festmahl jeden Tag“, schwärmt Fumu, dem schon bei dem Gedanken daran das Wasser im Maul zusammenläuft.
„Das hört sich gut an, lass uns das Paradies gemeinsam finden“, sagt Tayo. „Eine gute Idee. Es ist allemal besser zu zweit zu jagen, als wenn jeder für sich allein sein Glück versucht.“, stimmt Fumu zu.

Ein aufkommender Wind rauscht durch die positive Stimmung der beiden jungen Löwen. Es fliegen trockene Äste durch die Luft und mächtige Wolken verdunkeln den Horizont. Sandkörner werden hochgewirbelt und brennen in den Augen. Das Feld schützt nur unzureichend und die Sicht trübt sich immer mehr ein.
Unter dem Vorsprung eines Felsens finden sie Schutz vor dem Unwetter. Darunter verbringen Tayo und sein neuer Freund Fumu, zusammen die Nacht.
Bereits vor Sonnenaufgang lässt ein ermutigender Tatendrang die beiden auf die Pirsch gehen zur großen Straße. Die müssen sie überqueren, um auf die Seite mit dem See zu gelangen. Vorher gehen sie noch einmal zum Teich, um den Durst zu löschen und den knurrenden Magen etwas zu beruhigen. Aus weiter Ferne sieht der große Berg Kilimandscharo im Morgenrot auf sie nieder.

Das Unwetter brachte viel Wind, aber nur wenig Regen und hatte sich bereits in der Nacht beruhigt. Die Sonne steigt hoch und kündigt einen freundlichen Tag an. Als sie an der großen Straße sind, herrscht dort reger Verkehr, große Lastwagen und laute Mopeds fahren von links nach rechts und von rechts nach links. Wie eine wild trampelnde Herde erscheint den beiden das stete Treiben. Eine Ansammlung Menschen ist rege und geschäftig vor einem Dorf zu sehen.
Hier können sie auf keinen Fall unbemerkt über die Straße kommen. So gehen sie zurück in das Feld und laufen immer weiter weg von dem Gewimmel beim Dorf. Löwen werden außerhalb der Reservate als gefährliche Räuber und Viehdiebe wahrgenommen. Jeder Mensch hat Respekt und Angst davor und deshalb werden Löwen, wenn sie außerhalb der Nationalparks angetroffen werden von den Menschen vertrieben und manchmal auch erschossen. Ein ganzes Stück weiter ergibt sich die Gelegenheit und sie huschen auf die andere Seite der Straße.
Endlich sind sie drüben und der Weg scheint frei zum großen See. Mehrere Stunden laufen Tayo und Fumu nebeneinander erwartungsvoll ihrer neuen Heimat entgegen. Hunger macht sich wieder bemerkbar, denn seit dem gestrigen Morgen haben beide nichts mehr gefressen. Es ist schon früher Nachmittag und nicht die kleinste Gelegenheit, Beute zu fassen, hat sich ergeben. Doch dann erscheint die Aussicht darauf.
„Schau Fumu, direkt vor uns schreitet ein großes Huhn. oder was ist das?“ Ein ziemlich großer Vogel läuft bedächtig auf dem Sandweg in langsamen Schritten vor ihnen her. Tayo und Fumu ducken sich, um unbemerkt näher an die Trappe zu kommen.
„Los“, ruft Fumu, „den dicken Schmaus schnappen wir uns. Der kann bestimmt nicht fliegen, der ist viel zu schwer, mach schnell, Tayo.“
Beide beschleunigen mit großen Sätzen und wollen den dicken Vogel packen, um wieder eine gehaltvolle Mahlzeit zu bekommen.

Für die jungen simba gibt es nun die Lektion „Fang den Vogel“. Denn als die Trappe die beiden Jäger entdeckt, setzt sie zum Laufen an und ist schwuppdiwupp in der Luft. „Mist, der kann doch fliegen“, sagt Tayo. „Den kriegen wir nicht mehr.“ Kurz darauf kommt ihnen eine Herde Rinder entgegen. Die wird aber von mehreren bewaffneten Massai bewacht.
Die Massai bemerken die Löwen und gehen sofort mit ihren Speeren in Abwehr-Haltung. Um diese Herde machen Tayo und Fumu besser einen großen Bogen herum. Denn mit den Massai wollen sie sich ganz gewiss nicht anlegen.

Eine Stunde später kommen viele Ziegen angelaufen und diese sind gänzlich ohne Begleitung. Welch ein Segen. Auch Ziege schmeckt bestimmt lecker. Eine kurze Jagd und ein paar Sätze reichen aus, um eine davon zu erlegen. Mit der Beute gehen sie hinter ein Gebüsch zu einem ruhigen Winkel. „Fast wie zu Hause ist das hier“, sagt Tayo. Die Beute wird brüderlich geteilt. Mit gesättigten Mägen finden die zwei Freunde ein Nachtquartier, schlafen und träumen von dem bisher Erlebten.

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