Sag, wie bringt man Eis zum Schmelzen?
Karl, Alexander und Stefanie Mayer
EUR 26,90
EUR 21,99
Format: 18 x 19 cm
Seitenanzahl: 116
ISBN: 978-3-99130-102-8
Erscheinungsdatum: 14.02.2022
Ein Kinderbuch unserer Zeit: über Umweltschutz, Klimawandel und gesunde Ernährung. Vom Appell, die Natur und ihre Schätze in der digitalisierten Welt wieder wahrzunehmen. Die Tiere zu ehren. Und am ewigen Wert der Freundschaft festzuhalten.
Löwin Martas Traum oder „Wie man zur Wildtierforscherin wird“
Marta war ein junges Löwenmädchen, das in einer Region lebte, die wir Menschen „Namibia“ nennen. Namibia ist ein Land, das weit unten in Afrika liegt, also südlich auf diesem riesigen Kontinent.
Marta war das relativ egal, sie interessierte sich nicht dafür, welche seltsamen Namen sich die Menschen für ihre Heimat einfallen hatten lassen. Sie hatte Wichtigeres zu tun, denn Marta hatte einen Traum. Stolz erzählte sie diesen ihrer Freundin Luna: „Ich will Wildtierforscherin werden! Weißt du, ich will einfach alles über die verschiedenen Tiere wissen, die es bei uns gibt.“
„Alle Tiere?“, fragte Luna gähnend; sie war etwas weniger ambitioniert als Marta und begnügte sich damit, in der Sonne herumzuliegen. „Alle!“, entgegnete Marta mit glänzenden Augen. „Auch die Zebras?“ „Auch die Zebras!“„Aha … und die Elefanten?“ „Auch die!“ „Was ist mit den Gnus?“ „Natürlich auch die Gnus und die Giraffen und die Störche und die Erdmännchen und die Geier und …“
Ein lautes Schnarchen unterbrach Martas eifrige Aufzählung, Luna war eingeschlafen. Marta rollte ihre Augen. Luna hätte wohl eher ein Faultier werden sollen, die gab es allerdings nicht in Namibia.
Wie ihr allerdings im Gespräch der beiden Löwinnen hören konntet, lebte sonst allerlei Getier in diesem Land, und so schien Martas Traum im Grunde eine wunderbare Idee zu sein. Doch die kleine Löwin hatte ein Problem. Jedes Mal, wenn sie sich auch noch so leise an ein Tier heranschlich, um dessen Verhalten zu studieren, wurde dieses auf Marta aufmerksam, zuckte erschrocken zusammen und flüchtete, noch ehe Marta überhaupt mit ihrer Beobachtung beginnen konnte. Denn auch wenn Marta noch so klein war, blieb sie dennoch eine Löwin, und so hatten die meisten Tiere große Angst, von Marta gefressen zu werden.
Die anderen Tiere brachten Martas Interesse an ihnen nicht mit Wissbegierde in Verbindung, sondern lediglich mit Biss und Gier. Doch Marta gab nicht auf. Auch jetzt streunte sie wieder durch die Savanne, und schon sichtete sie eine Antilopenherde.
Rasch wollte sie sich hinter einem Dornenbusch verstecken, doch als sie hineilte, trat sie auf ein trockenes Grasbüschel. Die Antilopen zuckten zusammen, blickten sie mit weit aufgerissenen Augen an und … weg waren sie. Marta ließ sich nicht unterkriegen, doch auch bei den Gazellen hatte sie nicht mehr Glück, denn als sie sich ihnen annäherte, um einen besseren Blick zu erhaschen, dachten diese, sie würde sie gerne vernaschen. Enttäuscht kehrte sie zu Luna zurück, die nach wie vor am selben Ort herumlümmelte und sie mit einem Gähnen begrüßte: „Na, hast du ein paar Zebras beobachtet?“
Traurig schüttelte Marta den Kopf. „Gazellen?“
Wieder verneinte Marta: „Hm … dann vielleicht ein paar Marabus?“
Marta wollte schon den Kopf schütteln, doch dann blickte sie verdutzt.
„Was ist denn ein Marabu?“, fragte sie verwundert. „Du weißt schon, das sind diese recht großen schwarz-weißen Vögel. Ein bisschen wie ein zu großer Geier. Sie sind übrigens auch Aasfresser, ganz wie Geier. Deswegen sieht man sie auch immer herumschweben, weil sie nach toten Tieren Ausschau halten“, erklärte Luna und musste schon wieder gähnen.
Marta war sichtlich beeindruckt von ihrer Freundin: „Wow, woher weißt du das denn alles?“ Luna zuckte mit den Schultern: „Nun, ich liege eben sehr viel herum, da hat man viel Zeit zum Beobachten. Vorhin ist übrigens eine ganze Herde Antilopen hier vorbeigelaufen, dürften wohl vor irgendeinem Tier geflüchtet sein. Die blieben dann eine ganze Weile hier, waren ziemlich niedlich, hatten ein paar Jungtiere in der Herde.“
Marta staunte, Luna konnte also die Tiere, die sie zuvor aufgescheucht hatte, beobachten. Einfach so. „Huch, Luna! Du bist Wildtierforscherin!“, rief sie aufgeregt. „Oh, äh, stimmt. Hab ich gar nicht bemerkt“, grinste Luna stolz.
„Das ist großartig, Luna! Sag … ähm … also, kannst du mir das vielleicht auch beibringen?“ „Klar doch!“, entgegnete Luna freundlich. „Wenn du willst, können wir sofort anfangen.“ „Oh bitte, bitte, bitte! Was muss ich tun? Mich verstecken?“ „Nö.“ Auf den Baum dort drüben klettern, vielleicht sieht man von dort oben besser …“ „Neee.“ „Oder wir laufen zum Wasserloch, da gibt es bestimmt viele Tiere.“ „Nein, nein, nein und nochmals nein. Gar nichts davon. Du musst dich einfach nur hinlegen und eine Runde schlafen“, erklärte Luna, streckte sich und schloss auch schon wieder ihre Augen.
Pedro Pinguin und Seehündin Lisa oder „Wie man das Eis zum Schmelzen bringt“
Es war ein kalter, aber sonniger Tag in der Antarktis. Pedro Pinguin liebte es, sich an solchen Tagen von seiner Kolonie zu entfernen, um sich in Ruhe zu sonnen. Also watschelte er los in Richtung seines geheimen Lieblingsplätzchens. Diesen besonderen Ort konnte man nur erreichen, wenn man unter einer Eisdecke hindurchtauchte und einen Schneehügel überwand. Für Pedro war dies eine große Herausforderung, denn mit seinen kurzen Pinguinbeinchen war es mühsam, bergauf zu gehen, und manchmal rutschte er aus, den Hügel hinab und musste wieder von Neuem loswatscheln. Heute aber verlief der Anstieg problemfrei, und schon rutschte Pedro fröhlich auf dem Bauch den Hügel auf der anderen Seite hinab, um zu seinem Platz zu gelangen.
Doch als sich der kleine Pinguin nach dieser lustigen Rutschpartie aufrappelte, erblickte er etwas, was ihn so ganz und gar nicht erfreute: Eine Seehündin hatte es sich an seinem Plätzchen bequem gemacht. Einfach so! Auf seinem Platz! Wütend wackelte Pedro auf sie zu und plusterte sich vor ihr auf: „Ey du! Was machst’n du da? Das is’ mein Platz! Ich kam schon immer hierher, und schon immer ist es mein Platz.“ Die Seehündin zuckte hoch und riss erschrocken die Augen auf.
Als sie jedoch den kleinen Pinguin vor sich sah, beruhigte sie sich wieder. Pedro war zwar sichtlich verärgert, besonders bedrohlich wirkte er aber selbst in diesem Zustand nicht.
Zögerlich antwortete sie: „Oh, hallo. Ich hab dich gar nicht kommen sehen, ich war gerade dabei, die Sonne zu genießen. Also …“, doch sie konnte gar nicht fertig sprechen, denn Pedro meckerte ihr sofort entgegen: „Sonne genießen! Ganz genau! Will ich auch, und zwar hier an meinem persönlichen Sonnengenieß-Ort. Ich sonne mich immer hier, und deswegen ist es auch schon immer mein Ort.“ Lisa blickte traurig, sie hatte lange gesucht und war froh gewesen, endlich einen ruhigen Ort gefunden zu haben.
Musste sie jetzt wirklich wieder aufbrechen? Sollte sie den Platz verteidigen? Sie hatte allerdings keine Lust auf Streit, und irgendwie konnte sie den kleinen, frechen Pinguin sogar verstehen. Schließlich antwortete sie: „Oh, also … nun … das tut mir leid. Kann ich schon verstehen, dass du deinen Platz gerne für dich haben willst. Es ist nur so, dass ich meinen Lieblingsplatz leider verloren habe. Es ist in letzter Zeit so warm geworden, dass immer mehr Eis geschmolzen ist, und mein geheimer Ort wurde auf einmal zu einer Eisscholle und trieb dann einfach davon.“
Für einen kurzen Augenblick sahen sich die beiden Tiere schweigend an. Pedro tat es nun leid, dass er so gemein gewesen war. Auch er hatte bemerkt, wie die ungewöhnlich hohen Temperaturen in letzter Zeit das Eis immer schneller zum Schmelzen brachten, und es machte ihn traurig, dass diese nette Seehündin ihren Lieblingsort verloren hatte. „Oh … also … ähm … das … das … das … tut mir leid. Also ähmm … wegen deines Platzes … blöder Klimawandel, ich geh auch immer zu den Klimastreiks, aber leider hat sich noch nicht viel geändert.“
Pedro blickte zu Boden. Nun war ihm sein aggressives Verhalten von zuvor richtig peinlich. „Ah, ich dachte schon, ich kenn dich doch von irgendwoher. Ich bin auch immer auf den Demonstrationen. Wie heißt du denn?“ Die Seehündin schien wirklich nett zu sein, sie wirkte trotz seines anfänglich schroffen Tons nicht verärgert. „Ich bin Pedro, und du?“
„Ich heiße Lisa. Nun Pedro, es tut mir leid, dass ich deinen geheimen Sonnengenieß-Ort einfach für mich beansprucht habe. Ich wusste nicht, dass es dein Platz ist, vielleicht solltest du ein Schildchen aufstellen?“
Nun kam sich Pedro wirklich lächerlich vor. Welches Anrecht hatte er eigentlich auf diesen Platz, war die Antarktis nicht für alle da? „Nun, dann such ich mal eifrig weiter nach einem anderen Ort. Genieß die Sonne noch!“, unterbrach Lisa seine Gedanken und wandte sich bereits ab, als Pedro ihr nach kurzem Zögern zurief: „Lisa!“ Die Seehündin blickte ihn fragend an: „Was denn?“
Es kostete Pedro sichtlich Überwindung, seinen Fehler zuzugeben, doch schließlich nuschelte er leise: „Entschuldigung.“
Lisa schien es kaum gehört zu haben. Da nahm der Pinguin all seinen Mut zusammen und wiederholte: „Entschuldigung. Es tut mir leid, dass ich vorhin so gemein war. Eigentlich ist doch Platz genug, und wenn du möchtest, kannst du gerne hierbleiben.“ Lisas Miene hellte sich auf: „Wirklich, Pedro? Es macht dir nichts aus?“ Pedro schüttelte seinen Schnabel: „Nein, und weißt du, irgendwie gehört mir der Platz ja genauso wenig wie dir. Außerdem warst du zuerst da, und das heißt genau genommen, dass vielleicht sogar ich gehen sollte. Also, wenn du allein sein willst, dann muss ich heute wohl woanders hin.“ Nun grinste Lisa: „Okay, fein. Dann auf Wiedersehen.“
Verwundert blickte Pedro Lisa an, damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet.
„Haha, du siehst aus wie ein Albatros, der seinen Fisch beim Flug verloren hat!“, lachte Lisa. „Ich scherze doch nur, ich freue mich, wenn du gerne hierbleibst.“ Nun mussten beide lachen, und das Eis war gebrochen, also zwischen Pedro und Lisa wohlgemerkt. Die beiden trafen sich seit diesem Tag beinahe täglich und gründeten Jahre später die „UEGHA“, eine Umweltorganisation, die sich für den Erhalt der geheimen Sonnengenieß-Orte der Antarktis einsetzt.
Marta war ein junges Löwenmädchen, das in einer Region lebte, die wir Menschen „Namibia“ nennen. Namibia ist ein Land, das weit unten in Afrika liegt, also südlich auf diesem riesigen Kontinent.
Marta war das relativ egal, sie interessierte sich nicht dafür, welche seltsamen Namen sich die Menschen für ihre Heimat einfallen hatten lassen. Sie hatte Wichtigeres zu tun, denn Marta hatte einen Traum. Stolz erzählte sie diesen ihrer Freundin Luna: „Ich will Wildtierforscherin werden! Weißt du, ich will einfach alles über die verschiedenen Tiere wissen, die es bei uns gibt.“
„Alle Tiere?“, fragte Luna gähnend; sie war etwas weniger ambitioniert als Marta und begnügte sich damit, in der Sonne herumzuliegen. „Alle!“, entgegnete Marta mit glänzenden Augen. „Auch die Zebras?“ „Auch die Zebras!“„Aha … und die Elefanten?“ „Auch die!“ „Was ist mit den Gnus?“ „Natürlich auch die Gnus und die Giraffen und die Störche und die Erdmännchen und die Geier und …“
Ein lautes Schnarchen unterbrach Martas eifrige Aufzählung, Luna war eingeschlafen. Marta rollte ihre Augen. Luna hätte wohl eher ein Faultier werden sollen, die gab es allerdings nicht in Namibia.
Wie ihr allerdings im Gespräch der beiden Löwinnen hören konntet, lebte sonst allerlei Getier in diesem Land, und so schien Martas Traum im Grunde eine wunderbare Idee zu sein. Doch die kleine Löwin hatte ein Problem. Jedes Mal, wenn sie sich auch noch so leise an ein Tier heranschlich, um dessen Verhalten zu studieren, wurde dieses auf Marta aufmerksam, zuckte erschrocken zusammen und flüchtete, noch ehe Marta überhaupt mit ihrer Beobachtung beginnen konnte. Denn auch wenn Marta noch so klein war, blieb sie dennoch eine Löwin, und so hatten die meisten Tiere große Angst, von Marta gefressen zu werden.
Die anderen Tiere brachten Martas Interesse an ihnen nicht mit Wissbegierde in Verbindung, sondern lediglich mit Biss und Gier. Doch Marta gab nicht auf. Auch jetzt streunte sie wieder durch die Savanne, und schon sichtete sie eine Antilopenherde.
Rasch wollte sie sich hinter einem Dornenbusch verstecken, doch als sie hineilte, trat sie auf ein trockenes Grasbüschel. Die Antilopen zuckten zusammen, blickten sie mit weit aufgerissenen Augen an und … weg waren sie. Marta ließ sich nicht unterkriegen, doch auch bei den Gazellen hatte sie nicht mehr Glück, denn als sie sich ihnen annäherte, um einen besseren Blick zu erhaschen, dachten diese, sie würde sie gerne vernaschen. Enttäuscht kehrte sie zu Luna zurück, die nach wie vor am selben Ort herumlümmelte und sie mit einem Gähnen begrüßte: „Na, hast du ein paar Zebras beobachtet?“
Traurig schüttelte Marta den Kopf. „Gazellen?“
Wieder verneinte Marta: „Hm … dann vielleicht ein paar Marabus?“
Marta wollte schon den Kopf schütteln, doch dann blickte sie verdutzt.
„Was ist denn ein Marabu?“, fragte sie verwundert. „Du weißt schon, das sind diese recht großen schwarz-weißen Vögel. Ein bisschen wie ein zu großer Geier. Sie sind übrigens auch Aasfresser, ganz wie Geier. Deswegen sieht man sie auch immer herumschweben, weil sie nach toten Tieren Ausschau halten“, erklärte Luna und musste schon wieder gähnen.
Marta war sichtlich beeindruckt von ihrer Freundin: „Wow, woher weißt du das denn alles?“ Luna zuckte mit den Schultern: „Nun, ich liege eben sehr viel herum, da hat man viel Zeit zum Beobachten. Vorhin ist übrigens eine ganze Herde Antilopen hier vorbeigelaufen, dürften wohl vor irgendeinem Tier geflüchtet sein. Die blieben dann eine ganze Weile hier, waren ziemlich niedlich, hatten ein paar Jungtiere in der Herde.“
Marta staunte, Luna konnte also die Tiere, die sie zuvor aufgescheucht hatte, beobachten. Einfach so. „Huch, Luna! Du bist Wildtierforscherin!“, rief sie aufgeregt. „Oh, äh, stimmt. Hab ich gar nicht bemerkt“, grinste Luna stolz.
„Das ist großartig, Luna! Sag … ähm … also, kannst du mir das vielleicht auch beibringen?“ „Klar doch!“, entgegnete Luna freundlich. „Wenn du willst, können wir sofort anfangen.“ „Oh bitte, bitte, bitte! Was muss ich tun? Mich verstecken?“ „Nö.“ Auf den Baum dort drüben klettern, vielleicht sieht man von dort oben besser …“ „Neee.“ „Oder wir laufen zum Wasserloch, da gibt es bestimmt viele Tiere.“ „Nein, nein, nein und nochmals nein. Gar nichts davon. Du musst dich einfach nur hinlegen und eine Runde schlafen“, erklärte Luna, streckte sich und schloss auch schon wieder ihre Augen.
Pedro Pinguin und Seehündin Lisa oder „Wie man das Eis zum Schmelzen bringt“
Es war ein kalter, aber sonniger Tag in der Antarktis. Pedro Pinguin liebte es, sich an solchen Tagen von seiner Kolonie zu entfernen, um sich in Ruhe zu sonnen. Also watschelte er los in Richtung seines geheimen Lieblingsplätzchens. Diesen besonderen Ort konnte man nur erreichen, wenn man unter einer Eisdecke hindurchtauchte und einen Schneehügel überwand. Für Pedro war dies eine große Herausforderung, denn mit seinen kurzen Pinguinbeinchen war es mühsam, bergauf zu gehen, und manchmal rutschte er aus, den Hügel hinab und musste wieder von Neuem loswatscheln. Heute aber verlief der Anstieg problemfrei, und schon rutschte Pedro fröhlich auf dem Bauch den Hügel auf der anderen Seite hinab, um zu seinem Platz zu gelangen.
Doch als sich der kleine Pinguin nach dieser lustigen Rutschpartie aufrappelte, erblickte er etwas, was ihn so ganz und gar nicht erfreute: Eine Seehündin hatte es sich an seinem Plätzchen bequem gemacht. Einfach so! Auf seinem Platz! Wütend wackelte Pedro auf sie zu und plusterte sich vor ihr auf: „Ey du! Was machst’n du da? Das is’ mein Platz! Ich kam schon immer hierher, und schon immer ist es mein Platz.“ Die Seehündin zuckte hoch und riss erschrocken die Augen auf.
Als sie jedoch den kleinen Pinguin vor sich sah, beruhigte sie sich wieder. Pedro war zwar sichtlich verärgert, besonders bedrohlich wirkte er aber selbst in diesem Zustand nicht.
Zögerlich antwortete sie: „Oh, hallo. Ich hab dich gar nicht kommen sehen, ich war gerade dabei, die Sonne zu genießen. Also …“, doch sie konnte gar nicht fertig sprechen, denn Pedro meckerte ihr sofort entgegen: „Sonne genießen! Ganz genau! Will ich auch, und zwar hier an meinem persönlichen Sonnengenieß-Ort. Ich sonne mich immer hier, und deswegen ist es auch schon immer mein Ort.“ Lisa blickte traurig, sie hatte lange gesucht und war froh gewesen, endlich einen ruhigen Ort gefunden zu haben.
Musste sie jetzt wirklich wieder aufbrechen? Sollte sie den Platz verteidigen? Sie hatte allerdings keine Lust auf Streit, und irgendwie konnte sie den kleinen, frechen Pinguin sogar verstehen. Schließlich antwortete sie: „Oh, also … nun … das tut mir leid. Kann ich schon verstehen, dass du deinen Platz gerne für dich haben willst. Es ist nur so, dass ich meinen Lieblingsplatz leider verloren habe. Es ist in letzter Zeit so warm geworden, dass immer mehr Eis geschmolzen ist, und mein geheimer Ort wurde auf einmal zu einer Eisscholle und trieb dann einfach davon.“
Für einen kurzen Augenblick sahen sich die beiden Tiere schweigend an. Pedro tat es nun leid, dass er so gemein gewesen war. Auch er hatte bemerkt, wie die ungewöhnlich hohen Temperaturen in letzter Zeit das Eis immer schneller zum Schmelzen brachten, und es machte ihn traurig, dass diese nette Seehündin ihren Lieblingsort verloren hatte. „Oh … also … ähm … das … das … das … tut mir leid. Also ähmm … wegen deines Platzes … blöder Klimawandel, ich geh auch immer zu den Klimastreiks, aber leider hat sich noch nicht viel geändert.“
Pedro blickte zu Boden. Nun war ihm sein aggressives Verhalten von zuvor richtig peinlich. „Ah, ich dachte schon, ich kenn dich doch von irgendwoher. Ich bin auch immer auf den Demonstrationen. Wie heißt du denn?“ Die Seehündin schien wirklich nett zu sein, sie wirkte trotz seines anfänglich schroffen Tons nicht verärgert. „Ich bin Pedro, und du?“
„Ich heiße Lisa. Nun Pedro, es tut mir leid, dass ich deinen geheimen Sonnengenieß-Ort einfach für mich beansprucht habe. Ich wusste nicht, dass es dein Platz ist, vielleicht solltest du ein Schildchen aufstellen?“
Nun kam sich Pedro wirklich lächerlich vor. Welches Anrecht hatte er eigentlich auf diesen Platz, war die Antarktis nicht für alle da? „Nun, dann such ich mal eifrig weiter nach einem anderen Ort. Genieß die Sonne noch!“, unterbrach Lisa seine Gedanken und wandte sich bereits ab, als Pedro ihr nach kurzem Zögern zurief: „Lisa!“ Die Seehündin blickte ihn fragend an: „Was denn?“
Es kostete Pedro sichtlich Überwindung, seinen Fehler zuzugeben, doch schließlich nuschelte er leise: „Entschuldigung.“
Lisa schien es kaum gehört zu haben. Da nahm der Pinguin all seinen Mut zusammen und wiederholte: „Entschuldigung. Es tut mir leid, dass ich vorhin so gemein war. Eigentlich ist doch Platz genug, und wenn du möchtest, kannst du gerne hierbleiben.“ Lisas Miene hellte sich auf: „Wirklich, Pedro? Es macht dir nichts aus?“ Pedro schüttelte seinen Schnabel: „Nein, und weißt du, irgendwie gehört mir der Platz ja genauso wenig wie dir. Außerdem warst du zuerst da, und das heißt genau genommen, dass vielleicht sogar ich gehen sollte. Also, wenn du allein sein willst, dann muss ich heute wohl woanders hin.“ Nun grinste Lisa: „Okay, fein. Dann auf Wiedersehen.“
Verwundert blickte Pedro Lisa an, damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet.
„Haha, du siehst aus wie ein Albatros, der seinen Fisch beim Flug verloren hat!“, lachte Lisa. „Ich scherze doch nur, ich freue mich, wenn du gerne hierbleibst.“ Nun mussten beide lachen, und das Eis war gebrochen, also zwischen Pedro und Lisa wohlgemerkt. Die beiden trafen sich seit diesem Tag beinahe täglich und gründeten Jahre später die „UEGHA“, eine Umweltorganisation, die sich für den Erhalt der geheimen Sonnengenieß-Orte der Antarktis einsetzt.