Hurra, hier kommt der Hausgeist

Hurra, hier kommt der Hausgeist

Alexander Kail


EUR 16,90
EUR 13,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 192
ISBN: 978-3-99131-378-6
Erscheinungsdatum: 07.06.2022
Der Umzug aufs Land beschert Michael einen neuen Freund – den Hausgeist Pierre! Doch dieser möchte gern im nahen Schloss spuken. Dazu braucht er Michaels Hilfe. So beginnt für die mutigen Freunde eine fantastische Schatzsuche voller Geister und Geheimgänge.
Der zwölfjährige Michael spielt draußen auf dem Fußballplatz. Er ist dort ganz allein. Mit seinem Ball, den er dauernd hin- und herschießt.
Es will bei ihm keine rechte Freude aufkommen. Nicht nur, weil außer ihm niemand auf dem Fußballplatz ist. Es wird das letzte Mal sein, dass Michael hier ist. In ein paar Tagen schon zieht er mit seinen Eltern raus aus der Großstadt aufs Land. Das ist der große Traum seiner Eltern. Sie haben sich dort ein eigenes Haus gekauft. „Wir gehören nicht in die Stadt, wir gehören aufs Land!“, betonen sie immer wieder.
Michael haben sie nicht gefragt. Auch nicht, wie es ihm dabei geht, weil er alle seine Freunde verlassen soll. Es ist ihm richtig schwer ums Herz. Vor allem um Marcel tut es ihm leid, seinen besten Kumpel.
Das ist der Grund, warum Michael jetzt auf dem Sportfeld ganz allein Fußball spielt. Er hat sich mit Marcel verabredet. Sie müssen sich heute voneinander verabschieden. Er hat schon einen dicken Kloß im Hals.
Da biegt Marcel um die Ecke. Er sieht genauso traurig aus. „Wartest du schon lange auf mich?“, fragt er.
„Nein, erst ein paar Minuten.“ Michael weiß nicht so recht, was er sagen soll. Er mag Abschiede überhaupt nicht. Es schnürt ihn die Kehle zu.
„Wir bleiben doch auf jeden Fall in Kontakt“, sagt Marcel tröstend zu ihm. „So schrecklich weit ziehst du ja schließlich doch nicht weg.“
„Ja, schon, aber es ist nicht dasselbe. Bis jetzt haben wir den gleichen Schulweg gehabt. Wir konnten uns immer verabreden, wenn wir Lust hatten“, entgegnet Michael.
„Da hast du Recht, aber wir können uns trotzdem treffen. Meine Eltern haben schon gesagt, sie fahren mich zu dir, wenn es zeitlich passt. Oder ich nehme den Zug.“
„Ja, das machen meine Eltern auch“, meint Michael. Michaels Eltern versuchen schon, einiges zu tun, damit ihm den Abschied so leicht wie möglich fällt. Aber es ist nie einfach, alle seine Freunde verlassen zu müssen.
„Ich bin sicher, dass wir uns nicht vergessen“, sagt Marcel. Er gibt Michael ein kleines, hübsch eingepacktes Geschenk. „Für dich, damit du immer an mich denkst.“ Michael weis wieder nicht, was er sagen soll. Dann räuspert er sich. „Ich melde mich bei dir, wenn wir angekommen sind, damit ich dir erzählen kann, wie es dort ist.
„Ja“, sagt Marcel. „Ruf mich an und gib mir deine neue Telefonnummer durch.“
Beide Jungen sehen schon nicht mehr so traurig aus.
Einigermaßen beruhigt und fröhlich verabschieden sie sich, denn für Michael wird es Zeit. Er soll zum Abendessen rechtzeitig zu Hause sein.
Als er in der Wohnung ankommt, hat ihn die Realität wieder eingeholt. Schon seit Tagen hat sich sein altes Zuhause in ein Chaos verwandelt. Überall stehen gepackte Umzugskisten. Die Dinge, die gerade gebraucht werden, findet man nicht. Mittendrin steht seine Mutter und deckt den Abendbrottisch. „Hast du den Abschied von Marcel einigermaßen gut überstanden?“, fragt sie ihn besorgt.
„Ja, denn es ist kein richtiger Abschied.“
„Das haben wir dir die ganze Zeit gesagt, dass ihr in Kontakt bleibt“, tröstet ihn seine Mutter. „Es ist nicht weit in die Stadt, das ist ein Vorteil.“
Aber auch sie sieht etwas traurig und gedankenverloren aus, als sie am offenen Fenster steht. „Weißt du noch, wie ich dir früher immer an einem Bindfaden Butterbrote hinuntergelassen habe?“, fragt sie.
Michael nickt.

Zwei Tage später ist es soweit. Michael und seine Eltern sind sehr früh aufgestanden, um die letzten Sachen in Ruhe zu packen. Sie haben den Umzug extra auf den Beginn der Ferien verlegt, damit Michael nicht zu viel von der Schule versäumt. So konnte sein Vater auch gut Urlaub für den Umzug nehmen. Michael sitzt auf einer seiner vielen Umzugskisten. Er wartet darauf, dass der Transportlaster kommt.
Seine Eltern sind bereits beim Frühstück. „Michael, hast du keinen Hunger?‘“, fragt seine Mutter.
„Nein, ich bin so aufgeregt!“, antwortet Michael.
„Gerade deswegen musst du etwas essen“, versucht ihn sein Vater zu überreden.
Doch Michael glaubt, dass er keinen Bissen hinunter bekommt. Dauernd muss er zum Fenster hinausschauen.
Seufzend stellt seine Mutter eine Tasse Kakao vor ihn. „Dann trink wenigstens was, mit leerem Magen verreist es sich nicht gut“, sagt sie. Michael trinkt aus seiner Tasse, ohne dabei das Fenster aus den Augen zu lassen.
„Du wirst es sicher mitbekommen, wenn der Transportwagen da ist.“ Michaels Mutter scheint, im Gegensatz zu ihm, viel weniger aufgeregt zu sein. Oder sie lässt es sich wenigstens nicht anmerken.
Nach einer halben Stunde ist der Transportwagen da. Er ist größer, als Michael ihn sich vorgestellt hat. Der Transportwagen wird von Mitarbeitern einer Umzugsfirma gefahren. Michael und seine Eltern wollten mit den restlichen Sachen, die sie unbedingt noch brauchen, in ihrem Auto fahren.

***

Die Autofahrt dauert nicht lange. Eine gute halbe Stunde, dann ist die Großstadt verschwunden. Sie sind nun draußen, in einer wirklich ländlichen Gegend.
Sie fahren vorbei an großen, grünen Wiesen und Feldern. Michael ist beruhigt, dass die Strecke in die Stadt zu Marcel und seinen anderen Freunden wirklich nicht weit ist.
„Du wirst sehen, wie gut die Luft hier ist!“, schwärmt seine Mutter.
„Jetzt sind wir gleich am Ziel unserer Reise“, sagt sein Vater ganz erfreut.
Sie halten vor ihrem neuen Haus, das größtenteils im Stil eines ländlichen Bauernhauses erbaut ist. Doch es hat auch ein paar kleine Erker und Türmchen; es erinnert Michael ein wenig an ein Schloss. Michael ist zwar damals bei der Besichtigung dabei gewesen, so genau kann er sich jedoch nicht mehr daran erinnern.
Alle zusammen helfen sie, die Kisten ins Haus zu tragen. Sie verteilen sie dabei schon auf die richtigen Zimmer. Michael muss sich gleich überall umschauen. Jeden Winkel muss er in Augenschein nehmen.
„Bist du denn gar nicht neugierig auf dein neues Zimmer?“, fragt sein Vater.
„Doch, aber das läuft ja nicht weg“, sagt Michael.
„Ach, der Rest des Hauses auch nicht“, lacht seine Mutter.
Doch Michael ist nicht aufzuhalten. Er findet es richtig toll, was es hier alles zu entdecken gibt. Dieses Haus ist so gar nicht zu vergleichen mit der Wohnung in der Stadt, in der sie bisher gelebt haben. Es sieht so aus, als würde es aus einer anderen Zeit stammen. Viele alte Gemälde hängen da noch. Sie zeigen wohl frühere Bewohner des Hauses oder des Ortes, in dem sie jetzt leben. Teilweise stehen auch noch alte Bauernschränke da, die den Zimmern und Räumen eine urige Atmosphäre verleihen.
Michael hat sich vorgenommen, alle Räume des Hauses genau zu inspizieren. Dazu gehört natürlich auch der Dachboden. Ob er sich wirklich traut, da hinaufzusteigen? Ach was, denkt er sich. Wer wird sich denn bei hellem Tageslicht fürchten? Vorsichtig öffnet Michael die Luke, die zum Boden führt. Er klettert hinauf. Überall liegen Staub und Schmutz. Hier oben muss schon lange keiner mehr gewesen sein. Oben angekommen klopft er erst einmal den Staub weg, den er selbst abbekommen hat.
Hier gibt es wirklich nichts Besonderes.
Michael ist wirklich enttäuscht. Er hat es sich anders vorgestellt. Da ist überhaupt nichts Geheimnisvolles! Nur altes Gerümpel steht und liegt hier herum. Auch eine Kiste findet er, mit lauter alten Sachen drin, ebenso ein Kerzenständer und verstaubte Tücher. Auch ein altmodisches Gemälde kommt ganz unten zum Vorschein.
„Das ist bestimmt wieder einer der früheren Hausbewohner“, denkt sich Michael. Er zieht das Gemälde, das wohl mit Ölfarben gemalt worden ist, heraus. Er sieht es sich genauer an.
Darauf ist ein Junge zu sehen, etwa in seinem Alter. Doch er sieht Michael überhaupt nicht ähnlich. Er trägt eine altmodische Hose und eine Art Gehrock, sowie ein ebensolches Hemd mit einem feinen Halstuch. Er hat schwarze Lackschuhe, die damals wohl modern gewesen sind. Auf dem Kopf trägt er eine weiße Perücke. Nett sieht der Junge aus, dass muss Michael zugeben. Er lächelt freundlich.
Er sieht so aus, als könnte man sich mit ihm gut verstehen. Aber was soll’s…, denkt sich Michael. Er legt das Bild wieder beiseite.
Eine Weile verbringt er noch auf dem Dachboden. Doch vergeblich, denn hier etwas Interessantes zu finden ist unmöglich.
Auf einmal hört er seine Mutter nach ihm rufen.
„Ich bin hier oben“, antwortet Michael und schaut durch die Luke.
Seine Mutter schaut erstaunt hinauf und lacht. „Da habe ich dich am allerwenigsten vermutet. Hast du nichts anderes zu tun, als auf dem staubigen Dachboden herumzuklettern? Du suchst wohl hier nach einem Schatz?“, fragt sie augenzwinkernd.
„Aber nein, ich wollte unser neues Zuhause einfach mal genau unter die Lupe nehmen.“
„Hoffentlich hast du dich jetzt nicht allzu schmutzig gemacht. Es gibt jetzt Abendbrot!“, sagt sie.
„Nein, bestimmt nicht. Ich komme sofort“, antwortet ihr Michael.
„Lass uns nicht so lange warten“, bittet ihn seine Mutter. Sie dreht sich um und geht nach unten.
Michaels Blick wandert noch einmal zurück zur offenen Kiste, auf der er das Bild von dem Jungen in den altmodischen Kleidern abgelegt hat. Michael bleibt auf einmal wie festgenagelt stehen.
Das Bild ist nicht mehr an dem Platz, wo er es hingelegt hat, oben auf der offenen Kiste mit den vielen Gegenständen.
Es liegt weitab der Kiste beim Dachbodenfenster!
Michael schaut ganz entgeistert. Ihm ist auf einmal nicht wohl in seiner Haut. Er weiß genau, dass er das Bild oben auf die Kiste gelegt hat.
Was ist, wenn es heruntergefallen ist? Aber dafür liegt es viel zu weit von der Kiste entfernt … Wie soll es denn von selbst dahin gekommen sein?
Oder aber … Hat er sich nur eingebildet, es auf die Kiste gelegt zu haben?
Aber das schiebt Michael ganz schnell wieder beiseite. Er hat das Bild doch ganz bewusst an den Ort zurück gelegt, wo er es gefunden hat! Sehr verwundert und mit wackeligen Knien steigt Michael die Leiter hinab, schließt die Dachbodenluke, geht zum Händewaschen und dann zu seinen Eltern zum Abendessen.
„Das erste Abendessen in unserem neuen Zu­hause!“, sagen sie strahlend.
Als Michael sitzt, ist er mit seinen Gedanken immer noch bei dem Bild.
„Michael hat gleich das ganze Haus unter die Lupe genommen. Er ist dabei sogar bis auf den Dachboden gekommen!“, erzählt seine Mutter.
„Hast du was Interessantes gefunden? Ist da oben ein Schatz versteckt?“ Sein Vater grinst.
„Natürlich nicht!“, entgegnet Michael. „Da oben sind nur Staub, Schmutz und alte Gegenstände. Bis auf ein seltsames Gemälde…“
„Was für ein Gemälde?“, fragt seine Mutter neugierig.
„Ein Ölbild, das einen Jungen in altmodischer Kleidung zeigt“, erklärt ihr Michael. „Wahrscheinlich einer der früheren Hausbewohner“, vermutet sein Vater. „Also nichts Besonderes.“
„Es war nur so sonderbar“, erzählt Michael. „Ich habe es zurückgelegt, oben auf die Kiste. Doch nachdem Mama mich zum Abendbrot gerufen hat, habe ich mich noch einmal umgedreht. Da lag das Bild auf einmal an einer ganz anderen Stelle, beim Dachbodenfenster.“
„Du wirst dich vertan haben; du hast vergessen, wo du es hingelegt hast“, meint seine Mutter. „Das kommt vor, das ist nichts Ungewöhnliches.“
„Ich bin mir aber sicher, dass ich das Bild auf die Kiste gelegt habe!“, beharrt Michael.
„Willst du etwa behaupten, dass es hier spukt?“, meint sein Vater lachend.
„Na, wer weiß?“, fragt Michael. „Schließlich ist unser Haus sehr alt.“
„Ach, Unsinn!“, sagt seine Mutter. „Es ist alles ganz natürlich und erklärlich. Nur weil wir jetzt auf dem Land leben und dieses Haus etwas älter ist, fangen wir jetzt nicht auf einmal an, an Geister und Gespenster zu glauben.“
Sie steht auf und fängt an, den Tisch abzuräumen.
Nachdenklich bleibt Michael noch sitzen. Das stimmt – in der Stadt hätte er darüber gelacht, wenn ihm jemand etwas über Geister und Gespenster erzählt hätte.
Aber seit dem Erlebnis mit dem Gemälde weiß er nicht mehr, ob er dieses Thema wirklich so abtun soll … Er steht auf und hilft seiner Mutter.
Nach dem Abendessen denkt Michael aber nicht mehr an das Bild, weil er beginnt, seine Kisten auszupacken und seine Sachen einzuräumen, bis er schließlich sehr müde in sein Bett fällt. Er schafft es gerade noch, seine Zähne zu putzen und seinen Eltern Gute Nacht zu sagen.
„Träume ja nicht von Gespenstern!“, ruft ihm sein Vater hinterher.
Mama und Papa haben gut lachen, denkt Michael. Sie haben ja das Erlebnis mit dem seltsamen Bild nicht gehabt. Er muss immer wieder daran denken. Damit hat doch alles angefangen. Er will es sich auf jeden Fall noch mal anschauen.
Heute ist er zu müde, aber morgen wird er dieses Bild vom Dachboden holen und untersuchen. Vielleicht gibt es ja eine ganz natürliche Erklärung dafür, dass das Bild auf einmal an einem ganz anderen Platz gelegen hat …, denkt Michael.
Er schläft zufrieden und beruhigt ein.

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