Fünf Freunde bleiben im Gespräch

Fünf Freunde bleiben im Gespräch

Eine Collage bunter Ideen

Erich Skopek


EUR 15,90

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 128
ISBN: 978-3-99146-685-7
Erscheinungsdatum: 13.03.2024
Inspiriert von einem seiner ersten Leseerlebnisse, „Die fünf Freunde“ von Enid Blyton, greift Erich Skopek in „Fünf Freunde bleiben im Gespräch“ das Thema von der hohen Kunst des Miteinanders auf, das ihm in unserer Zeit verloren gegangen zu sein scheint.
Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser!

Ab dem Zeitpunkt, als ich zusammenhängend lesen konnte, nahm mich mein Vater alle vierzehn Tage in die Stadtbücherei in St. Pölten mit. Aus dieser Zeit habe ich viele positive Erinnerungen an die vielen Schätze, die sich mir dort auftaten. Zu Beginn waren es die Bücher über ‚Die fünf Freunde‘ von Enid Blyton, die mein Interesse weckten. Ihren Abenteuern fieberte ich von Woche zu Woche entgegen. Danach waren es die Werke Karl Mays, mit denen ich unzählige Reisen in weit entfernte Länder unternahm, denn wirkliche Reisen dorthin waren damals nicht so üblich wie heute. Es war die Zeit, als Winnetou noch reiten und Old Shatterhand seinen berühmten Fausthieb ausführen durfte. Eine Zeit, in der man unter kultureller Aneignung vielleicht den Diebstahl eines Gemäldes verstand. Und auch das Buch ‚Charlie und die Schokoladenfabrik‘ von Roald Dahl mit der Illustration von Horst Lemke hat bei mir keine dauerhaften Schäden hinterlassen; ebenso wenig, wie es die Verfilmung mit Johnny Depp in der Hauptrolle in späteren Jahren getan hätte. Ich hoffe trotzdem, dass Sie Freude mit der folgenden Erzählung haben, auch wenn ich – um die deutsche Sprache zu schonen – weitgehend auf das Gendern verzichte. Ebenso auf die ‚Political Correctness‘, auch wenn man mir deswegen vielleicht die GeSpraPo, die geheime Sprachpolizei, an den Hals wünscht. Noch habe ich keine Angst, dass mich die ‚Cancel Culture‘ an den modernen Pranger stellt. Wie es aber damit in unserer Gesellschaft weitergehen könnte, habe ich in meinen beiden ersten Romanen ‚Fünf Minuten nach zwölf‘ und ‚Mitternacht der Welt‘ deutlich dargelegt.

Lassen Sie sich den Spaß trotzdem nicht verderben und legen Sie das Buch nicht aus der Hand. Denn es könnte Ihr Leben wirklich bereichern, auch wenn diese Phrase schon zu oft von Gutmenschen missbraucht wurde. Unter dieser Spezies verstehe ich nicht solche Menschen, die anderen wirklich etwas Gutes tun, sondern solche, die sich in ihrem Handeln an einem bestimmten, meist linken, Muster orientieren und sich danach selbstgerecht auf die Schulter klopfen. Solche Menschen, die propagieren, dass Kinder von ausländischen Mitbürgern oder solche mit Behinderung in den für alle zugänglichen öffentlichen Schulen unterrichtet werden sollen, ihre eigenen Kinder aber auf teure Privatschulen schicken. Eben die, die sich von ihren Eltern mit dem Elektro-SUV zur wöchentlichen Schulschwänzerdemo kutschieren lassen. Nein, aber nicht mit mir. Die folgende Geschichte handelt von Personen, die oftmals verschiedener Meinung sind, diese auch offen vertreten, aber doch imstande sind, feste Beziehungen aufzubauen. Manchmal ändern sie ihre Meinung und zeitweise beharren sie auch auf diesen. Sie bleiben sich selbst treu und verbiegen sich nicht aus falsch verstandener Toleranz. Auch wenn sie manchmal verschiedene Wege gehen, sie können sich aufeinander verlassen und stehen sich in schwierigen Zeiten bei. Daher beginnen Sie mutig und mit voller Erwartung mit der Lektüre.



Abfahrt

Es war der 14.02.2023, ein Dienstag – Valentinstag. Herbert Meinhardt und Erwin Nemec trafen sich das erste Mal an diesem Tag in einem Kaffeehaus in Mariazell. Meinhardt hatte in dieser Stadt (rein politisch gesehen) seinen Nebenwohnsitz. Seine Lebensgefährtin, Christine Bürger, war an diesem Vormittag ehrenamtlich unterwegs und brachte älteren Menschen, die sich nicht mehr selbst versorgen konnten oder auch nicht wollten, das Mittagessen. Er war pensionierter Sozialversicherungsangestellter, hatte aber in seiner Jugend verschiedene Tätigkeiten ausgeübt. Als Gärtnermeister hatte er in der Fachschule, in der er seine Ausbildung erfahren hatte, als Pflanzenschutzbeauftragter gearbeitet. Danach baute er für eine soziale christliche Stiftung in Kärnten eine Gärtnerei auf und betreute in dieser lernschwache Jugendliche in einer Art Anlehre für den späteren Einstieg ins Berufsleben. Unerwähnt soll auch nicht bleiben, dass er für sechs Monate bei einer Lokalzeitung als Lektor tätig gewesen war. Auch Erwin Nemec hatte mit der Landwirtschaft zu tun. Er betrieb eine Gemüsegärtnerei und zusätzlich einen Weinbaubetrieb. Seine Weine vertrieb er dreimal im Jahr in seinem eigenen Heurigenlokal, in dem es in dieser Zeit auch hervorragende Speisen gab. Den Rest verkaufte er an verschiedene Gasthäuser. Deswegen war er auch nach Mariazell gekommen, um dort seine beiden Kunden zu besuchen. Erwin und Herbert kannten sich schon über vierzig Jahre, denn der Gärtner hatte seinen Betrieb in Langenlois am Kamp, wo auch die Gartenbaufachschule ihren Sitz hat. Auch wenn der Kontakt nicht mehr sehr eng war, so hatten sie sich doch all die Jahrzehnte nicht aus den Augen verloren. Herbert besuchte Erwin und seine Frau, wenn er in Langenlois war oder von dort einen Ausflug ins Kamptal machte.

Nemec war diesmal mit dem Zug unterwegs, da er noch nie mit der Himmelstreppe der Mariazellerbahn gefahren war, die einen wunderbaren Panoramablick auf das Dirndltal und auf die Bergwelt der Voralpen bietet. Sein Auto hatte er in St. Pölten auf dem Parkplatz für Pendler hinter dem Hauptbahnhof geparkt und war danach in den Zug umgestiegen. Staunend hatte er die Landschaft betrachtet und auch einige Fotos, vor allem von den Bergen, mit seinem Handy gemacht. Gefrühstückt hatte er gleich nach dem Einsteigen in den Zug, nachdem er sich vorher am Bahnhof mit einem Heidelbeermuffin und einem ‚Coffee to go‘ versorgt hatte. Seine Gespräche mit den Wirten waren erfolgreich verlaufen und er hatte sogar einen neuen, einen dritten Kunden in Mariazell dazugewonnen. Einer seiner beiden Abnehmer hatte ihn weiterempfohlen und war dafür natürlich mit einem besonderen Preisnachlass belohnt worden. Das zweite Mal am Tag trafen sich die beiden im Jagasaftl, einem Kiosk in der unmittelbaren Nähe des Bahnhofs. Denn aufgrund der extremen Witterung hatte der Zug eine halbe Stunde Verspätung. Das bekannte Mariazeller Jagasaftl, ein bekömmlicher Magenlikör aus sechzehn verschiedenen Kräutern, blickt auf eine achtzigjährige Geschichte zurück und wird vielfach von den Touristen eingekauft. Aber die beiden Bekannten bestellten sich ein Krügerl Bier bzw. einen Apfelsaft gespritzt. Auf ein Essen verzichteten sie, da sie beide noch vom ausgiebigen Frühstück satt waren.

Endlich war es so weit. Nachdem Herbert und Erwin bezahlt hatten, gingen sie die wenigen Meter zum Bahnhof. Aber aufgrund des dichten Schneetreibens und des stürmischen Windes, der die Flocken heftig durcheinanderwirbelte, stellte dieser kurze Weg schon eine kleine Herausforderung dar. Der Zug war bereits eingefahren und Herbert und Erwin bestiegen den ersten Waggon und machten es sich dort bequem. Sie packten die Süßigkeiten und die Getränke, die sie im Kiosk gekauft hatten, aus und warteten auf die Zugführerin, die sie bereits vor dem Einsteigen begrüßt hatte. Die Rückfahrkarte war von Erwin bereits auf der Hinfahrt gelöst worden und Herbert brauchte nur sein Klimaticket vorzuzeigen. Ein Blick auf die Landschaft wurde ihnen durch das heftige Schneetreiben verwehrt. In wenigen Minuten erreichten sie Mitterbach. Am Bahnhof sahen sie schemenhaft, wie eine weitere Person zustieg. Bei schönerem Wetter hätten sie bemerkt, dass der Mann zwei schwere Koffer schleppte. Anscheinend dürfte er sich schon länger im Ort aufgehalten haben oder vielleicht war er auch von hier. In Mitterbach befindet sich die Talstation für die Seilbahn auf die Gemeindealpe. Dieser Berg ist der bekannteste innerhalb der Skiberge an der Mariazellerbahn. Die Gemeindealpe bietet im Winter viele Möglichkeiten für Skifahrer und Snowboarder, ihren Sport auszuüben. Aber auch im Sommer gibt es auf diesem 1.626 Meter hohen Berg genug Möglichkeiten für Erholung und Spaß. Neben dem umfangreichen Panoramablick in alle Richtungen auf die umliegende Bergwelt laden zahlreiche Wanderwege ein, um die herrliche Natur vom zeitigen Frühjahr bis in den späten Herbst hinein zu erkunden. Eine Attraktion der besonderen Art bietet das Mountaincart. Auf einer rund fünf Kilometer langen Schotterstrecke geht es mit diesem Gefährt rasch talabwärts. Herbert war noch nie damit gefahren, denn es schien ihm zu gefährlich. Und für die kleineren Gäste gibt es noch den gut besuchten Kletterspielplatz.

Aber von alledem hätte man heute nichts gesehen, selbst wenn man nahe genug an den Pisten gewesen wäre. Denn unaufhaltsam fielen die Schneemassen vom Himmel und zeitweise tauchten die Blitze die Landschaft in ein grelles Licht. Die nachfolgenden Donner trugen in keiner Weise zur Aufheiterung der Stimmung bei. Der frisch zugestiegene Passagier dürfte im anderen Waggon Platz genommen haben, denn Erwin und Herbert bekamen ihn nicht zu Gesicht. Noch nicht. Vielleicht würde sich das während der rund zweistündigen Fahrt in die Landeshauptstadt ändern. Nachdem die Zugbegleiterin die Fahrkarten kontrolliert hatte, unterhielt sie sich noch eine kurze Zeit mit den beiden. Da sie wieder in Richtung Lokführer umkehren wollte, wies Erwin sie auf den frisch zugestiegenen Fahrgast hin. Daraufhin drehte sich die junge Frau um und ging zum nächsten Waggon. Bald kam sie wieder zurück und meinte, dass die Zentrale in St. Pölten zwischenzeitlich mitgeteilt hatte, dass der Zug mit großer Verspätung in St. Pölten eintreffen werde. Um die Zeit zu nutzen, nahm Erwin ein Buch aus seiner Tasche und Herbert sein Smartphone aus dem Rucksack. Dieser war sein Markenzeichen und es gab ihn in einem großen und einem kleinen Format. Heute war die große Version gefragt. Der Weise trägt all das Seine mit sich, zitierte er öfter ein lateinisches Sprichwort der Antike. Er hielt zwar nicht sehr viel von Philosophien, denn bei ihren Vertretern verhielte es sich meist so wie bei manchen Ärzten, war er der Meinung. Befragt man drei von ihnen zu einem bestimmten Thema, so erhält man vier verschiedene Meinungen. Und das ist natürlich nicht immer hilfreich. Und trotzdem war er froh über den Berufsstand der Ärzte und die Medizin, denn mit neunundsechzig Jahren bemerkte er, dass der Körper mit dem Geist manchmal nicht mehr Schritt hielt. Den Bob-Dylan-Song ‚Forever Young‘ bezog er schon seit Jahren nicht mehr auf seine körperliche Verfassung. Die ihm verschriebene Medizin half ihm körperlich aber gut über die Runden. Unter Medizin verstand er allerdings nur die sogenannte Schulmedizin – leider ein Begriff aus der braunen Mottenkiste – und keine ‚Fakemittel‘ von Esoterikern und Schwurblern, auch wenn sie von Menschen im weißen Kittel verschrieben wurden. Zuckerkügelchen und irgendwelche Heilmethoden aus fernen Ländern, die nur irgendwie esoterisch klangen, lehnte er zutiefst ab. Auch von pflanzlichen Wirkstoffen hielt er nicht viel, selbst wenn ihm bewusst war, dass viele Wirkstoffe, die in Tabletten, Spritzen und Salben vorkommen, denen in der Natur vorkommenden nachempfunden waren. Denn die Pharmaindustrie war stets auf der Suche nach in Pflanzen oder Tieren vorkommenden Wirkstoffen, die dann in großer Menge zum Wohl der Menschen produziert und eingesetzt werden konnten. Aber Tabletten waren nun mal genauer zu dosieren und wurden oft besser in klinischen Studien erprobt als die naturbelassenen Mittel. Es war ihm natürlich klar, dass seine wirksamen Medikamente auch Nebenwirkungen hatten, aber im Vergleich zum Nutzen und der Lebensqualität, die sie garantierten, hielt er diese für vernachlässigbar. Und es war für ihn auch richtig, dass nur solch industriell hergestellten Medikamente von der gesetzlichen Sozialversicherung bezahlt wurden und nicht irgendwelche von Quacksalbern verschriebenen Kügelchen und Tinkturen oder von diesen hochgelobte Methoden.

Plötzlich blieb der Zug in Gösing stehen. Warum, sollten sie bald erfahren. Aufgrund der immensen Schneeverwehungen war heute an ein Weiterkommen nicht mehr zu denken. Da bald die Dunkelheit hereinbrechen würde, war es unmöglich, das Schienennetz vom Schnee freizubekommen. Es war schlichtweg zu gefährlich, noch am gleichen Tag die Gleise von den Verwehungen frei zu bekommen. Als die Zugbegleiterin mit ihren Ausführungen am Ende war, betrat der in Mitterbach zugestiegene Fahrgast das Abteil, in dem Herbert und Erwin saßen. Seine beiden schweren Koffer schleppte er keuchend mit. Die junge Zugbegleiterin musste ihre Meldung wiederholen. Der Mann mit den Koffern reagierte darauf sehr ungehalten. Er müsse heute noch nach St. Pölten, um zeitig am Morgen einen wichtigen Geschäftstermin wahrnehmen zu können, sagte er erbost und nahm im Abteil Platz. Die beiden Bekannten blickten sich fragend an und es war ihrem Gesichtsausdruck anzusehen, dass sie über seine Gegenwart nicht erfreut waren. Und sie sollten mit ihrer Ahnung recht behalten. Als sie ihr Gespräch fortsetzten und weiter über Biotrends, über die so oft auch fälschlicherweise zitierte Nachhaltigkeit und regionales Wirtschaften sprachen, unterbrach der neue Fahrgast öfter mit falschen und einseitigen Meldungen das angeregte Gespräch, das sie schon im Jagasaftl begonnen hatten. Bald war beiden klar, dass der Mann von den Dingen, um die es ging, keine Ahnung hatte, wie so viele, die papageienartig nur nachplapperten, was grüne NGOs ideologiebedingt von sich gaben. Sie baten den Neuen klar und deutlich, auf seine Einwürfe zu verzichten. Es stellte sich dabei heraus, dass er Vertreter für biologische Dünge- und Pflanzenschutzmittel war. Da er sich aber nicht an die Bitte zu schweigen hielt, unterbrachen sie die Diskussion und vertagten sie auf einen späteren Zeitpunkt. Als die Zugbegleiterin die Fahrgäste darauf hinwies, dass es im Ort zwar ein Hotel gäbe, dieses aber schon seit Juli 2022 wegen Arbeitskräftemangels geschlossen war, reagierte der neu Angekommene noch ungehaltener als zuvor. Mit heftigen Worten beschwerte er sich über die Umstände und als seine Worte zu eskalieren drohten, brachte ihn Herbert zum Schweigen und bat ihn erneut, in den anderen Waggon zurückzukehren. Aber da er anscheinend ohne Publikum nicht sein konnte, blieb er sitzen und begann in seinem Smartphone nach Informationen zu suchen. Aber auch dieses hielt keine andere Nachricht für ihn bereit.

Mehrmals versuchte er, Erwin und Herbert zu überreden, mit ihm den Zug zu verlassen und nachzuschauen, ob sie das Hotel betreten könnten. Natürlich wäre das Hausfriedensbruch gewesen. Mehrmals sah die Zugbegleiterin nach den gestrandeten Fahrgästen, hatte aber nichts Positives zu berichten. Im Zug gab es keine Verpflegung, also mussten sie auf Essen und Trinken verzichten, denn bald waren ihre kargen Vorräte aufgebraucht. Wieder begann Herr Peter Schwaiger, denn so hatte sich der Mann mit den unqualifizierten Äußerungen vorgestellt, lautstark über die Situation zu schimpfen. Die beiden Bekannten vertieften sich wieder in ihre Lektüre, ohne Herrn Schwaiger Gehör zu schenken. Herbert begann sich auf dem im Zug befindlichen Bildschirm über die technischen Daten des Zuges zu informieren. Die Streckenlänge von Mariazell nach dem St. Pöltner Hauptbahnhof beträgt 91,1 Kilometer. Diese Schmalspurbahn mit einer Spurbreite von 760 Millimetern erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Als Herbert sich die weiteren Details über die Bahn anschauen wollte, wurde der Bildschirm plötzlich finster und das Licht im Waggon erlosch. Und es dauerte nicht lange, bis die junge Frau, die in der rechten Hand eine stark leuchtende Taschenlampe hielt, die Anwesenden dahingehend informierte, dass der Strom ausgefallen war. Wie lange dieser Ausfall dauern würde, konnte sie aber nicht sagen. Es gab kein Notstromaggregat im Zug und so mussten sie ohne Heizung und Beleuchtung auskommen. Bis auf die batteriebetriebene Notbeleuchtung begann es immer dunkler zu werden, da auch das spärlich von außen hereinscheinende Licht schlussendlich erlosch.

Dass sich die Ausgangslage in so kurzer Zeit dermaßen verschlechtern konnte, damit hatte man nicht rechnen können. Wie nicht anders zu erwarten, begann Herr Schwaiger neuerlich über das Wetter und den Bahnbetreiber, der aber wirklich nichts für das Schneetreiben konnte, zu schimpfen. Wie ein Mantra klang seine Aufforderung, doch endlich den Zug zu verlassen und zu versuchen, einen Zugang zu diesem Hotel zu finden. Wie eine tibetanische Gebetsmühle leierte er den Satz herunter: Vielleicht ist irgendwo ein Schlüssel versteckt. Herbert und Erwin fanden es keine gute Idee, dieser Vorstellung nachzugeben. Als schließlich auch der Lokführer ins Abteil kam, versuchte auch dieser, Herrn Schwaiger von dieser Idee abzubringen. Er informierte die Fahrgäste nochmals über die derzeitige Situation und schloss mit den Worten, dass dies eine unangenehme Nacht werden würde. Ohne Essen, ohne Trinken und Heizung war es sicher kein Honiglecken, diese Nacht im Zug zu verbringen. Und wann es morgen in Richtung St. Pölten weitergehen würde, stand natürlich auch noch in den Sternen. Ohne sein lautes Jammern zu unterbrechen, zog sich der raunzende Fahrgast seine Jacke an und schickte sich an, den Waggon zu verlassen. Als die beiden Mitreisenden das sahen, brachten sie es nicht übers Herz, ihn alleine zu lassen und begleiteten den Unzufriedenen ins Freie. Vorher hatten sie noch die Zugbegleiterin um deren Taschenlampe gebeten, denn die Nacht war stockdunkel. Nur der dichte Schnee brachte einen hellen Schimmer in die finstere Nacht. Der Haupteingang des Hotels war natürlich verschlossen. Gemeinsam umrundeten sie das Gebäude, ohne einen unversperrten Eingang zu finden. Als sie schließlich zu einer kleinen Tür kamen, die nur mit einem Vorhängeschloss versperrt war, suchte Herr Schwaiger nach einem Werkzeug, um diese aufzubrechen. Mit einem Krampen, den er in einem Geräteschuppen fand, konnte er schlussendlich die Tür gewaltsam öffnen. Natürlich hinterließ er einen größeren Schaden am Eingang.

Aber von der Tür führte nur eine Treppe abwärts, die im Keller endete. Dort fanden sie genügend Essensvorräte und Kerzen. War nur zu hoffen, dass die Kellertür nicht versperrt war und sie so das Hotel betreten konnten. Sie hatten Glück, aber auch im Hotel war es stockdunkel und als sie nach längerem Suchen den Schaltkasten mit den Sicherungen gefunden hatten, mussten sie feststellen, dass man die Energiezufuhr abgeschaltet hatte. Dies brachte mit sich, dass man auf elektrisches Licht und auf das Kochen verzichten musste. Nur eine größere Anzahl von Kerzen, die man anscheinend für Candlelight-Dinner eingelagert hatte, standen den drei Gefährten zur Verfügung. Die Stimmung war im wahrsten Sinne des Wortes im Keller und Peter Schwaiger jammerte fast unaufhörlich. Erst als sie zu den Gästezimmern vordrangen und die Betten mit Polstern und Bettdecken sahen, beruhigte sich Peter. Natürlich waren die Betten nicht bezogen, aber das war das geringste Problem für die drei widerrechtlich eingedrungenen Gäste. Herbert machte sich mit der Taschenlampe auf den Weg zurück zum Zug, um dem Personal zu berichten. Der Lokführer und die Zugbegleiterin blieben aber, wie zu erwarten gewesen war, im Zug. Herbert ging wieder zum Hotel zurück, wo Peter und Erwin einen kleinen Holzofen und etwas Brennmaterial entdeckt hatten. Einer kleinen warmen Mahlzeit stand nun nichts mehr im Wege. Schnell wurden einige Dosen aus dem Vorratskeller geholt und Erwin zauberte daraus einen würzigen Eintopf. Topf, Teller und Besteck hatte man schnell in der Küche gefunden. Obwohl es keine Beilage dazu gab, war man froh über das warme Essen und dankte Erwin überschwänglich dafür. Zum Dessert gab es ein Pfirsichkompott aus der Dose. Da man auch das Wasser abgestellt hatte, musste man auf den anschließenden Abwasch verzichten. Das Geschirr mit Schnee zu reinigen, war den dreien dann doch zu mühsam und für heißes Brauchwasser wollten sie die kleinen Holzvorräte auch nicht vergeuden.

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