Vom Jakobli zum Jakob

Vom Jakobli zum Jakob

Walter Bührer


EUR 19,90
EUR 11,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 464
ISBN: 978-3-99107-126-6
Erscheinungsdatum: 24.09.2020
Vom Jakobli zum Jakob erzählt das ereignis- und erfolgreiche Privat- und Berufsleben des Autors. Es begann mit einer schwierigen Geburt und einem Leben, das am seidenen Faden hing, gipfelte in der Gründung einer eigenen Firma und einer glücklichen Familie.
Am Anfang

Am 01. Januar 1933 erblickte ein zartes Büblein das Licht der Welt.
Von seinen Eltern wurde für den jungen Erdenbürger der Name Jakobli schnell gefunden.
Wie es damals Brauch und Sitte war, gaben die Eltern ihrem Erstgeborenen den Vornamen seines Vaters.
Kaum lebensfähig musste der Neugeborene in den ersten Wochen gepäppelt und gehätschelt werden.
Jakoblis Mutter Anna war während der Hausgeburt ihres Erstgeborenen dem Tod gerade noch von der Schippe gesprungen. Die Hebamme und der im letzten Moment herbeigerufene Arzt bangten um das Leben von Jakoblis Mutter und ihrem Kind.


Hebamme Elsa

Der Säugling wollte im ersten Moment seines Daseins nicht atmen, die Hebamme Elsa gab ihm einen Klaps auf seinen Hintern. Vom Schock, hervorgerufen durch den Hebammschen Klaps, begriff Jakoblis Unterbewusstsein, dass er einatmen und wuchtig ausatmen musste, seine Lungen traten in Funktion.
Hebamme Elsa war im Dorf eine bekannte, liebenswürdige und von den Einwohnern geschätzte Frau. Sie wurde gerne von den Eltern zum Betreuen ihrer Kleinkinder beauftragt.
Die Mütter im Dorf waren glücklich, der Hebamme Elsa ihre Kleinsten in Obhut geben zu dürfen, wenn von Frauen und Mannen in heißen Sommertagen Feldarbeiten verrichtet werden mussten, zu denen die Kleinsten nicht mitgenommen werden konnten.


Mutter Anna

Nach vier Wochen hatte sich Jakoblis Mutter von der komplizierten Geburt ihres Sohnes erholt. Sie konnte bald wieder ihrem gewohnten Tagesablauf nachgehen. Vorerst mit sich schonendem Ausführen der Haushaltsarbeiten, die im Landwirtschaftsbetrieb anfallen, erfüllte Mutter Anna zusammen mit Erna, der treuen Gehilfin, die vielfältigen Tätigkeiten, die zu bewältigen waren.

Ihr Neugeborener war ein magerer, zarter Säugling. Die besorgten Eltern gaben sich viel Mühe, das junge Menschlein zum Gedeihen anzuregen. Nur langsam erholte sich Jakobli von den Strapazen, die auch er während seiner Geburt durchgemacht hatte. Nach und nach nahm der Kleine an Gewicht zu, die Eltern durften Hoffnung schöpfen, dass aus dem Knirps noch etwas werde.
Als er achtzehn Monate alt war erfüllte sich die Hoffnung der Eltern. Jakobli entpuppte sich als ein reges Kleinkind. Er war ständig auf allen vieren in Bewegung, wollte möglichst viel entdecken, in der Wohnstube und bei der Mutter in der Küche.
Bald hatte Jakobli die Erfahrung gemacht, dass er die Treppe zu Großmutters Wohnung selbstständig besteigen konnte. Von diesem Tag an war Jakoblis Revier um einen weiteren Ort reicher. Wenn er nicht zu finden war in der Wohnung der Eltern, dann sicher bei Großeli, so drückte sich der Kleine aus, wenn sein Weg nach oben zu Großmutters Wohnung führte. Großeli war eine von Jakobli geliebte Frau, schon früh hatte er die von Großeli gemachten Rahmtäfeli entdeckt.


Der Mutz

An seinem ersten Weihnachtsfest wurde Jakobli mit einem großen Teddybären beschenkt.
Mutz wurde der mollige Bär genannt, ein Wort, das Jakobli bald aussprechen konnte.
Aufrecht stehend war Jakobli um einen Kopf kleiner als sein großer, stummer Plüschkamerad.
Überall, wo sich Jakobli bewegte, musste Mutz dabei sein. In der gemütlichen Bauernstube, im Bett, manchmal auch auf der Wiese der Hofstatt.
Von der Hofstatt schoss zum Andenken an Jakoblis erste Gehversuche Mutter Anna eine Foto, wo der Bub und der Mutz an einem Ast des Zwergapfelbaumes angelehnt nebeneinander stehen.
Mit einiger Mühe zerrte Jakobli seinen braunen Begleiter überall hin, der Mutz musste immer bei dem Sprössling sein. Mutz musste mit Jakobli schlafen. Mutz durfte beim Essen nicht fehlen, darum wurde neben den Kinderstuhl ein Taburettli hingestellt, wo Mutz darauf saß und zuschauen konnte, wie der Esser sich tüchtig seinem Brei zuwandte.

Als bei Jakobli die ersten Zähne sich mit Schmerzen bemerkbar machten, reichte ihm jemand, der gerade für den kleinen Leidenden den Hüterdienst innehatte, ein weiches, fein abgerundetes Holzstäblein in die Hand. Jakobli wusste, wie mit dem erlösenden Ding umzugehen war, meistens war das eine Ende mit Honig bestrichen. Das süße Ende im Mund wurde sorgfältig gekostet und dann dem Zahnfleisch bearbeitet. Natürlich gab Jakobli bald zu verstehen, dass Mutz auch ein Holz haben musste.
Honig bekam Jakobli, auch wenn er aus anderen Gründen leidend war.
Vater Jakobs Hobby war die Bienenzucht, sodass immer genug des süßen Saftes im Haus zur Stege vorrätig war; auch für die anderen Kinder und für die Menschen, die im Haushalt und auf dem Feld mithalfen.
An Weihnachten erhielten die Knechte, auch die auswärts lebenden Helferinnen und Helfer, mit den Geschenken, die Mutter Anna für jeden richtete, immer noch ein Glas Honig als Zugabe.


Unbeschwerte Zeiten

Jakobli durfte, wie oben erwähnt, bei seinen Eltern auf dem Bauernhof zur Stege in familiärer Geborgenheit seine Jugendjahre verbringen.
Als Einzelkind wuchs er mit Nachbarskindern auf. Diese Kinder kamen aus Familien, deren Väter in Schaffhauser Firmen arbeiteten oder später lange Zeiten im Aktivdienst weilten.
Die Mütter Gehring, Kohli, Scheffmacher und Tassi halfen im Haushalt und auf den Feldern von Jakoblis Eltern, wenn kein oder nur ein geringer Geldsegen von ihren Ehemännern zu erwarten war.


Jakoblis Paten

Jakoblis Pate, Ludwig Vogelsanger, Tante Friedas Ehemann, übernahm mit der Patin Hedwig Dietrich nach kirchlicher Sitte die Erziehungspflichten, wenn die Eltern von Jakobli dies wünschten. Götti Ludwig war für den Buben neben Jakoblis Vater ein großes Vorbild.
Götti Ludwig wurde in einer armen Familie im Dorf Beggingen geboren. Ludwig wurde in seiner frühen Jugend als Verdingbub über den Randen nach Hemmental in eine Bauernfamilie gegeben. Von Götti Ludwig hat Jakobli im Lauf der Zeit vieles erfahren und gelernt. Der Junge hat mit seinem Paten Ludwig interessante Wanderungen unternehmen dürfen. Unvergessliche Wege führten die beiden von Herblingen über den Randen in Götti Ludwigs Heimatort Beggingen.

Ludwig erlöste seinen Göttibuben manchmal von den Arbeiten auf dem Bauernhof, indem er Jakoblis Eltern eröffnete, dass der Bube mit ihm am nächsten Sonntag über den Randen wandern dürfe. Diese Wanderungen leben heute noch in Jakobs Erinnerungen. Götti Ludwig hat in Begleitung von Jakobli den Randen erkundet. Viele verschiedene Wege führten die beiden ins Dorf hinter dem Randen.
Pate Ludwig erzählte während dieser Wanderungen seinem jungen Begleiter von den freien Sonntagnachmittagen, wenn ihm seine Austauschfamilie die Erlaubnis gab, zu seiner Familie nach Beggingen zu gehen. Der Bauer habe ihm jeweils klar zu verstehen gegeben, dass Ludwig zum Abendfüttern der Kühe wieder an seiner Arbeit in Hemmental sein müsse.
Jakoblis Patin Hedwig Dietrich lebte in Tengen, heute Kreis Konstanz in Deutschland.

Die Familie Dietrich bleibt Jakob in guter und liebevoller Erinnerung. Als Menschen, die ihn bei seinen Besuchen wie einen kleinen Prinzen verwöhnten.
Nicht lange Zeit durften diese Besuche dauern, denn bald kam die Hitlerzeit, welche auch in Tengen ihre unmenschlichen Einflüsse, in Form streng einzuhaltender Gebote, hinterließ. Bald kam die Zeit, wo die Verwandten aus der Schweiz nicht mehr nach Tengen hinter Burg in den <Felsen>, damals ein weitherum bekannter Gasthof, gehen durften.
Gotte Hedwig musste ihre zwei Kinder, Rita und Otto, allein erziehen, weil ihr Ehemann im Krieg verschollen blieb.

Jakobli war ein dünnes Kerlchen. Seine Eltern waren bemüht, den jungen Nachfolger möglichst gesund zu ernähren, damit er bald kräftiger wurde und weniger schnell in die Höhe wuchs.


Jakoblis Schutzengel

Das Büblein durfte schon früh in seinem Leben, im Alter von acht Monaten, von seinem Schutzengel profitieren.
Eines Abends, nach Beendigung der Arbeiten im Kuhstall, hatte Sepp, ein Knecht in den Diensten von Jakoblis Eltern, den von der Wiese frisch eingefahrenen, vollbeladenen Grünfutterwagen in die Scheune zurückgestellt, um am darauffolgenden Morgen das nasse Gras vor die Futterkrippen der Kühe zu streuen. Vom Gras auf dem Brückenwagen tropfte Wasser auf den Scheunenboden. Ohne Aufsicht hatte sich Jakobli hinter einem Wagenrad mit dem Spielen in einer Wasserlache vergnügt. Sepp, der Knecht, welcher den Graswagen zurückbewegte, konnte nicht wissen, dass sich der kleine Bub direkt hinter einem der eisenbereiften Räder befand. Beim Zurückrollen des Wagens überfuhr das Rad beiden Knie des Buben. Nach des Buben Aufschrei kam der Wagen in dem Moment zum Stillstand, wo das eisenbereifte Rad den Schädel des Kleinen überrollt hätte.

Noch Jahre später hatte Jakobli in den Nächten Schmerzen in seinen Knien. Mutter oder Vater holten ihn dann in ihr Bett, nachdem sie seine Knie mit Arnikaheilwasser eingerieben hatten.
Jakoblis Eltern freuten sich an den täglichen Fortschritten, die ihr Erstgeborener zeigte: durch seine Gewichtszunahme und durch sein Temperament, das er von Tag zu Tag entwickelte.


Nonna Nodari

Als die Katze von Familie Nodari, Jakoblis Nachbarn, fünf Junge geboren hatte, kam Nonna Nodari zu Mutter Anna mit der Mitteilung, dass Jakobli zu ihr kommen solle, die Katzenbüseli zu schauen. Von diesem Moment an fand man Jakobli, wenn er nicht zu Hause war, bei Nonna Nodari. Auf der Eingangstreppe zur Wohnung sitzend, hatte der kleine Bube die jungen Kätzlein auf seinem Schoß. Die jungen Kätzlein spielten miteinander, kletterten an Jakoblis Pullover hinauf, der junge Erdenbürger hatte seine helle Freude an Nonnas Vierbeinern.


Flora und Gret

Flora, eine Rappenstute, und Gret, die um Jahre jüngere Fuchsstute, waren zwei treue Zugpferde auf Jakoblis Elternhof.
Im September 1935 durfte Jakobli mit seinen Eltern auf das Feld im Stüdliacker fahren. Die Kartoffelernte war in vollem Gang. Jakoblis Vater führte mit einem Knecht das Gespann, das den Pflug durch die Furchen mit den geschätzten Knollen zog und diese öffnete, um die Kartoffeln freizulegen. Jakoblis Mutter, Tante Frieda und Frau Gehring sammelten und sortierten die aus den Furchen ans Tageslicht geförderten Früchte. Zwei Knechte waren als Träger der schweren Kartoffelsäcke geschätzte Kräfte, die das Beladen des Brückenwagens besorgten.
Zur Vesper versammelten sich alle beim Brückenwagen. Die Leute nahmen Platz auf der Wagenbrücke. Die beiden Pferde standen neben der Wagenbrücke, ihre Zügel nur lose über die Wagenbrücke gelegt. Vor jedem Pferd standen ein Hafersack und daneben ein Wasserkessel.

Jakobli durfte während der für alle wohlverdienten Ruhezeit auf Floras Rücken sitzen. Flora kannte Jakobli von Kindesbeinen an. Gret war weniger interessiert am Beschnüffeln und Kennenlernen eines kleinen Kindes. Die junge Fuchsstute zog das Galoppieren, das Umherspazieren, die Freiheiten, sich auf der Wiese der Hofstatt zu vergnügen, dem Ruhigstehen und Streicheln eines Kindes vor.

Plötzlich wurde die ruhige Vesperpause auf dem Kartoffelfeld durch einen wiehernden Juchzer, den Gret von sich gab, unterbrochen. Im selben Moment drehte sich Gret von der Wagenbrücke, Flora folgte ihrer Kollegin, und Sekunden später sahen die ruhenden Menschen auf der Wagenbrücke nur noch zwei Pferderücken, die sich im Galopp dem anderen Ende des Ackers zuwandten.
Über Wiesen, Felder und Straßen erreichte das flotte Pferdeduo die Stalltür des Bauernhauses zur Stege. Weil Flora, die Jahre älter war als Gret, sich beim Austritt und beim Eintritt bücken musste, um unter dem Stall-Türbogen durchzukommen, blieb nach dem selbst gewählten Ausflug vor der Stalltür stehen. Flora fühlte den jungen Reiter auf ihrem Rücken. Die treue schwarze Stute wartete mit ihrer Kollegin, die nicht anders konnte, als auch geduldig zu warten, bis Jakoblis Vater aufatmend auf dem Hof ankam.
Jakobli hielt sich immer noch an Floras Mähne fest, bis der Vater den jungen Reiter vom Pferderücken zu sich herunterhob.
Nach einer kurzen Standpauke, die Jakoblis Vater den beiden Ausreißerinnen hielt, setzte Vater Jakob seinen Sohn auf den Rücken von Flora. Dann nahm, unter Vaters Kommando, das Gespann den Rückweg zum Kartoffelacker auf.
Die Erwachsenen hatten auf dem Kartoffelfeld schon einige Reihen gefüllter Säcke auf den Brückenwagen geladen.
Die beiden Pferde spannte Jakob wieder vor den Pflug. Weiter ging die Erntearbeit, bis es Zeit wurde, die Heimkehr anzutreten, die Arbeiten in Haushalt und Stall zu übernehmen.
Zu Hause auf dem Hof wurde der beladene Wagen über Nacht in den Schopf gefahren. Die Männer begaben sich in Scheune und Stall, Guiseppe und Justa säuberten die Krippen, um dem Vieh das Futter in saubere Futterkrippen zu reichen.
Vater Jakob begann mit Hans, den Kühen die Euter zu reinigen, um die prallen Euter durch das Melken zu entlasten. Die Frauen bereiteten das Abendessen vor, Jakoblis Mutter versorgte den jungen Reiter für die Nachtruhe.
Am nächsten Tag war das Sortieren der Kartoffeln angesagt. In drei Sorten wurden die Ackerfrüchte eingeteilt: die kleinsten, unansehnlichen waren Schweinefutter, die mittleren wurden als Saatkartoffeln genutzt sowie für den Verkauf auf dem Markt, die großen waren die Speisekartoffeln für die Familie.
Die Früchte für den Verkauf wurden nach den Empfehlungen des Bauernverbandes an die Landwirtschafts-Sammelstelle beim Landhaus, hinter dem SBB-Bahnhof Schaffhausen, geliefert.
Jakoblis Vater hatte auch Abnehmer im Kanton Appenzell. Diese bestellten direkt bei den Produzenten große Mengen der Früchte.
Ab dem Jahr 1951, Jakoblis Vater hatte den ersten Traktor gekauft, fuhr der Stegebauer mit zwei vollbeladenen Brückenwagen angehängt, beladen mit Tafelobst der eine, mit Speisekartoffeln der andere, vom Wohnort nach Heiden im Appenzellerland. Der Gastwirt des Löwen in Heiden war seit Jahren Kunde beim Jakob.
Eine Fuhre mit dem Hürlimann-Traktor begann der Vater am Morgen früh um 05.00 Uhr und endete jeweils am späten Abend vor 22.00 Uhr.
Der Vater hatte nach solch einem langen Tag den Seinen von manchem Erlebnis, das er auf dem weiten Weg erlebt hatte, zu erzählen. Ein Punkt wurde mit Staunen erwähnt, dass der Treibstofftank noch für gute 60 km Reise gereicht hätte.
Vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg lieferte Jakoblis Vater Milch und Früchte an Familien in der Stadt. Solange Lebensmittelkarten die Bezüge regelten, gelangten diese Produkte gegen Abgabe der nötigen Marken an die Empfänger.


Großelis letzter Gang

An einem Juninachmittag im Jahr 1936 verließ Jakoblis Großmutter den Hof, die Heugabel geschultert und mit einem weißen Kopftuch gegen die Sonnenstrahlen geschützt. Zum Feld im Brüel wollte die Betagte, den anderen Frauen helfen, das am vorherigen Tag gemäht Gras zu wenden. Kurz nach dem Besuch bei Frau Meister, Mutter von Jakoblis Freund Ernstli, der Haarpflegerin im Dorf, fiel das Großeli, vom Hirnschlag getroffen, auf die Straße.
Jakoblis Eltern erzählten dem Buben, der liebe Gott habe einen Engel gesandt, um Großeli in den Himmel zu holen. Des Buben Fragen über Fragen wurden von den Eltern in schonenden Antworten befriedigt.
Im Herbst des gleichen Jahres besuchten Jakoblis Eltern mit dem Buben seine Patin in Tengen. Hedwig Dietrich betrieb im Dorf über dem Kerbeltal die weit bekannte Wirtschaft zum Felsen, hinter der Burg. Dieses Haus und der Schäzelemarkt bedeuteten für Tengen die zwei wichtigsten Anlässe, die jedes Jahr Besucher aus nah und fern zu einem Ausflug lockten. Beim Abschiednehmen wurde Jakobli von seiner Patin mit einem Geschenk überrascht. Hedwig übergab ihrem Patenkind aus der Schweiz ein Päckli mit einem Paar Kinder-Hosenträger. Diese waren mit farbigen Blumen und Kühen verziert. Am darauffolgenden Tag, auf dem Hof zu Hause in der Schweiz, durfte Jakobli die schönen Hosenträger anziehen. Der kleine Knirps ging nach draußen vor die Haustür, stieg auf die Bank, schaute gegen den Himmel und rief: „Lueg, Großeli, wa ich für schööni Hoseträger vom Gotti überchoo han!“

Mit Großmutters Tod wurde Jakoblis gewohnte Lieblingsbeschäftigung, Großeli zu besuchen, abrupt abgebrochen. Vom Großeli hergestellte Rahmtäfeli gab’s auch nicht mehr. Mutter Anna, Erna und Heidi, die drei Helferinnen im Haushalt, sorgten hin und wieder dafür, diese Lücke mit der Eigenherstellung auszufüllen.
Jakobli fehlte von nun an die liebe, ruhige Ansprechperson, die immer Zeit fand, bereit war, des Buben Fragen zu beantworten.


Milch von den eigenen Kühen

Kuhmilch vom Bauernhof, auf dem Jakobli aufwuchs, war genügend vorhanden. Aber des Buben Magen vertrug in den ersten Jahren seines Lebens die Kuhmilch schlecht. Seine Eltern meldeten Jakobli bei der Familie Fischer im Gässli, gegenüber seinem Elternhaus, als Ziegen-Milch-Pensionär an. Fischers hatten im Stall fünf Geißen, von denen gesunde Milch gewonnen wurde.
Sein erster Gang am Morgen war daher stets zur Familie Fischer, mit einem Milchkesseli gefüllt mit Kuhmilch. Vorbei an der Haustür vom Untermieter der Familie Fischer, Herrn Pfister, ein hässlicher Alter mit einem Holzbein, der von Beruf Uhrenmacher war. Der alte Pfister war für den jungen Jakobli ein Albtraum. Herr Pfister vertrug die Kinder schlecht. Wenn Jakobli zaghaft und ängstlich, an der Pfisterschen Haustür vorbeischlich, atmete der Milchbote stets erlöst auf, wenn er es unbeschadet geschafft hatte. Dann übergab er Frau Fischer sein mit Kuhmilch gefülltes Milchkesseli, welches diese mit Ziegenmilch gefüllt an den Buben zurückgab. Und hurtig verschwand Jakobli jeweils durchs Gässli in Richtung Elternhaus zur Stege.

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