Unbeugsam – ein außergewöhnliches Leben zwischen Ost und West

Unbeugsam – ein außergewöhnliches Leben zwischen Ost und West

Werner Resch


EUR 18,90
EUR 11,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 350
ISBN: 978-3-99107-531-8
Erscheinungsdatum: 26.07.2021
Der Rückblick eines Mannes auf sein außerordentlich aktives Leben, seinen Aufstieg in höchste Wirtschaftskreise, sein Überwinden von Tiefschlägen, gepaart mit dem Übermitteln von interessanten Einblicken in Wirtschaft und Politik.
1. Kapitel

Rumänien, 26. Mai 2016

Es gibt Tage im Leben von 83 Jahren, die sehr bedeutungsvoll sind und direkt das Schicksal bestimmen, das Leben verändern.
Der 26. Mai 2016 war ein solcher Tag, das Leben änderte sich schlagartig.
Das Schicksal war die Grenze zwischen Ukraine und Rumänien. Seit Anfang 2015 hatte ich begonnen, die Lieferung von Holz aus den ukrainischen Karpaten an das neue hochmoderne Werk in Radauti der österreichischen Firma Egger für unser Unternehmen Forstwirtschaft Kara aufzubauen. Probelieferungen waren sehr gut, unsere Partner in der Ukraine lieferten erstklassiges Fichtenholz auf ukrainischen Waggons, die auf der breiten Spur der Gleise – Russland – Sowjetunion bis in das Werk rollen konnten.
Egger hatte auf eigene Rechnung die ukrainische Spurweite bis in das Werk gelegt. Also Transport und Zollabwicklung ohne Probleme. Für 2016 hatte ich einen exzellenten Jahresvertrag für 44.000 Festmeter mit Egger vereinbart mit guten Konditionen für beide Seiten. Diese Menge konnte sofort erhöht werden. Wie bereits vorhergehend hatte ich mit Egger einen Business Lunch vereinbart. Ich ging, wie 5 Mal vorher, zu Fuß über die Grenze, meine Partner sollten mich wie immer auf der rumänischen Seite abholen, nach etwa 3 Stunden zurück in die Ukraine. Für dieses Essen und freundschaftliche Gespräch war ich in Jeans und T-Shirt, meine Sachen waren im Hotel Bukowina in Tscherniwzi. Zur Grenze fahre ich immer mit dem Taxi. Der Nachtzug Tscherniwzi – Kiew für die Rückfahrt war gebucht, ebenso der Flug Kiew – Düsseldorf, alles Jahrelange Routine. Zollformalitäten auf der ukrainischen Seite höflich, schnell und mit netten Worten zum Abschied. Mein Reisepass war voll vom ständigen Ein- und Ausreisestempeln in die Ukraine. Vorbei an langen Schlangen von Autos auf beiden Seiten der Grenze, dauert 5–7 Stunden Wartezeit, ich zu Fuß locker 10 Minuten über die Grenze nach Siret. Übrigens, die rumänischen Grenzbeamten in den Uniformen nicht so militärisch korrekt und auch im Auftreten nachlässiger als meine ukrainischen Freunde. Sinnigerweise der Übergang in die Europäische Union.
Ich gab meinen Pass ab, der Beamte stand auf, setzte formell die Mütze auf und sagte in deutscher Sprache: „Mein Herr, Sie haben ein Problem.“ Werde ich nie vergessen. Ich fragte: „Welches Problem?“ Der Beamte: „Ich muss Sie verhaften, gesucht mit internationalem Haftbefehl aus Italien.“ Ich habe noch gelacht und machte den unsinnigen Vorschlag: „Lassen Sie mich doch zurück in die Ukraine.“
Der Mann sagte: „30 Minuten bleiben Sie hier, dann holt Sie die Kriminalpolizei.“
Die Odyssee von 22 Monaten nahm ihren Anfang.
Nach 30 Minuten kamen tatsächlich vier abenteuerliche Typen von etwa 30 Jahren und jünger, mit deutlich umgeschnallter Makarow-Pistole (UdSSR), legten mir die Fesseln an und in einem kleinen, veralteten rumänischen Dacia, ich saß hinten zwischen zwei von diesen Typen, ging es los.
Etwa 11/2 Stunden gefahren, Staatsanwaltschaft in Suecava.
Wie ich später erfahren hatte, war ich der erste Deutsche, der hier an der Grenze in tiefer Provinz festgenommen wurde. Meine Frage auf Englisch: „Wohin fahren wir?“
Antwort: „In das Hotel, in das wir alle Europäer bringen.“ Noch einmal willkommen in der Europäischen Union.

Staatsanwaltschaft Suecava war das Ziel, warten im Treppenhaus, wie immer in den nächsten Monaten spielte Zeit für mich keine Rolle mehr. Zeit und Termine wurden von anderen Mächten gesteuert. Ich fragte, ob ich meinen Partner, mit dem ich verabredet war, anrufen kann, die Genehmigung wurde gegeben. Der Chef, Einkauf und Logistik De Menech, Österreich, er war sofort am Telefon, ich entschuldigte mich mit der gegebenen schockierenden Situation.
Ich fragte, ob Firma Egger mit einem Anwalt helfen könnte, spezialisiert für Strafprozesse gab es nicht. De Menech schickte zu mir Anwälte aus Suecava. Das waren Typen entsprechend den Kripo-Beamten, jung, völlig respektlos, Unterwelt. Mich hier rauszuholen, sei überhaupt kein Problem für die Summe 3000,– Euro, ich hatte 65,– Euro in der Tasche. Wenn Egger eine Bürgschaft über 6000,– Euro gibt, ist alles in Ordnung. De Menech hat die Unternehmensleitung angerufen. Ging natürlich nicht für einen Lieferanten. Aus heutiger Betrachtung war es besser so, die Typen hätten das Geld kassiert, vor Gericht keine Chance mit solchen Leuten.
Vernehmung Staatsanwalt, sympathischer Typ, etwa 40 Jahre, höflich. Er präsentierte mir den europäischen Haftbefehl 93/2012 DOSAR SIEP 116/697/15 vom 5.1.2016, ein wirklich interessantes Datum, gesendet vom nationalen Büro für Sicherheit „Sirene“. Anwesend waren eine Pflichtverteidigerin, bezahlt vom rumänischen Staat, und eine exzellente Dolmetscherin, Andrea Reuss-Bradatanu.
Andrea hatte ihr Baby im Arm und übersetzte perfekt, sie ist Rumäniendeutsche, als Kind mit den Eltern nach Deutschland gekommen, Gymnasium in Deutschland, Studium in Würzburg, geheiratet, wieder zurück nach Rumänien, ihr Mann orthodoxer Priester. Andrea will jetzt an der Universität Jena promovieren, eine wunderbare Frau. Sie war der einzige Lichtblick in der Zeit in Rumänien, auch in den dann folgenden Gerichtsverhandlungen. Staatsanwalt Ailoae Jonnt Cristina verfügte abschließend 24 Stunden Haft bis zur Gerichtsverhandlung am folgenden Tag. Ich lehnte bereits jetzt vorsorglich ab, mit der seltsamen Verteidigerin in die Verhandlung zu gehen. Eine neue Pflichtverteidigerin stand vor Gericht dann zur Verfügung. Nach dem Gespräch mit dem Staatsanwalt: Einlieferung in das Polizeigefängnis Suecava, mein Aufenthaltsort für die nächsten 5 Wochen.
Die Berichte in den deutschen Medien über die schlimmsten Verhältnisse in den Gefängnissen in Rumänien werden voll bestätigt, und in der Realität noch weit übertroffen.
Zelle 3 Betten, dazwischen schmaler Gang von etwa 1 m Breite, schmaler Tisch am Eingang.
Erste Nacht im Gefängnis, am nächsten Morgen 27.5.16.

Öffentliche Sitzung Berufungsgericht Suecava.
Hände vorn gefesselt, wurde ich von vier bewaffneten Polizisten vorgeführt.
Meine neue Verteidigerin, Anna Maria Paicu, eine Frau von etwa 30 Jahren, klein, lange blonde Haare, sympathischer Eindruck, hat dann ihre Qualifikation und ihr Können in zwei Verhandlungen voll bewiesen.
Die Einzelrichterin, Daniela Andronovici, saß wie auf einem Thron weit über dem Boden, die Macht symbolisierend.
Etwas tiefer der Schriftführer, auf der rechten Seite (vor der Richterin) der Staatsanwalt. Links hinter einem Zaun saß ich, im Gatter wie für Tiere.
Der Zaun hatte Brusthöhe, Verteidigerin und Dolmetscherin saßen außerhalb der Käfige zu meinen Füßen.
Ich sprach also ständig von oben mit beiden Frauen.
Das Gericht war der erste Hinweis auf die Justiz in den kommunistischen Zeiten von Ceausescu.
Ich war zurück in meiner Jugend in der DDR.
Der Staatsanwalt erhält das Wort und fordert die Verhaftung der Person für eine Dauer von 15 Tagen, nur um in einer weiteren Verhandlung den europäischen Haftbefehl in rumänischer und deutscher Sprache vorzulegen.
Die Rechtsanwältin fordert meinen Freispruch, bis zur nächsten Gerichtsverhandlung. Ich habe das letzte Wort und verlange die Auslieferung an die deutschen Behörden.
Entscheidung der Richterin, ich bleibe in Haft, weil ich als Vertreter einer „internationalen Gruppe“ mit der Macht, Kredite zu erhalten, im Oktober 2006 (also vor 10 Jahren) die Insolvenz der italienischen Firma Gessaroli SRL in Torino mit nicht identifizierten Komplizen „herbeigeführt“ habe.
Da die angeklagte Person Deutscher ist und aus der Ukraine nach Rumänien gekommen ist, besteht ein hohes Risiko für Fluchtgefahr, daher ist es erforderlich, die vorläufige Festnahme vorzunehmen.
Nächster Gerichtstermin 10.06.2016, 9 Uhr.
Zurück in das Gefängnis, der „Deutsche“ wurde förmlich bestaunt, noch nie war ein deutscher Bürger in diesem Provinzgefängnis.
Formalitäten – Fotos – von allen Seiten, Fingerabdrücke, Messung, Größe, alles wurde von 3 Polizisten vorgenommen.
Am Ende der Prozedur hieß es nackt ausziehen, mich hat keiner angefasst, meist werden die Öffnungen kontrolliert. Ich muss hervorheben, alle Beamten waren zu mir freundlich und respektvoll. Einige Beamte sprachen etwas Englisch und lachten mit mir über die Situation, ein Deutscher unter rumänischen Banditen im Gefängnis Suecava.
Das Gefängnis hat 45 Zellen im Erdgeschoss der Polizeiverwaltung.
Chef der Polizei in Suecava ist ein Oberst. 4 Schichten mit einem Schichtleiter und 2–3 Beamten ist der Einsatzbereich.
Die Polizeiverwaltung ist in einem vierstöckigen Gebäude mit zwei Flügeln. Alle Fenster zum Hof, in der Mitte der „Kessel“, für die tägliche Freistunde. 5 x 10 m, in der Erde etwa 2 m tief, 2 m Betonwand, das Dach besteht aus Maschendraht.
Etwas Sonne für die Gefangenen und von oben aus den Fenstern für die Polizisten guter Einblick. Besonders in der Mittagspause schauen viele Polizistinnen auf das „Treiben im Kessel“.
Alles noch von der Securitate, dem Geheimdienst von Ceausescu, schlimmer als KGB und Stasi. Nach Berichten von redseligen Polizisten soll die Securitate scharfe Hunde in diesem Kessel auf Gefangene im Verhör gehetzt haben, um Geständnisse zu erreichen.
Der 5 x 10 m Betonkessel war einmal am Tag mein Trainingsgelände.
Wir waren 3 Personen in der Freistunde. Meine Partner gingen einen engen Kreis, ich bin außen gelaufen.
Obwohl ich nach 30 Minuten die Richtung gewechselt habe, bekam ich ein großes Problem mit Hüfte und Schulter, durch den Betonboden und die engen Kurven.
Ich war noch extrem „kampfbetont“ in den 5 Wochen in Rumänien, in dem Sinne, diese Securitate-Banditen werden mich niemals schaffen.
Für mich war das Problem nicht die rumänische Polizei in Suecava, sondern das traditionell vorgeschriebene System im Gefängnis. Unvorstellbar in unserer Zeit, in der Europäischen Union im 21. Jahrhundert.
Das Licht in den Zellen brannte Tag und Nacht. Das gab es in den Stasi-Gefängnissen der DDR nur in den Zeiten der Untersuchung des einzelnen Falles. Auf dem Flur entlang der Zellen durften niemals 2 Gefangene zur gleichen Zeit sein.
Sollte durch Zufall ein Gefangener heraustreten und ein anderer ist auf dem Gang, wurde er brutal in die Zelle zurückgestoßen.
Das Hauptproblem waren die Toiletten und die Waschmöglichkeiten. Auf die 2 Stehtoiletten, in einem großen Raum, konnte man nur nach Anmeldung bei einem Polizisten. Nachts ging gar nichts. In Eigeninitiative Flaschen für den Urin.
Im gleichen Raum, direkt neben den Toiletten, ein Zinkbehälter mit 2 Wasserrohren.
Das war alles für die Säuberung – ohne Rasieren – jeden Morgen nach einem ständig geänderten Zeitplan. Alles in diesem Raum für „Hygiene“, total schmutzig und versaut. Ein Wunder, hier ohne Krankheit wieder rauszukommen.
2 Toiletten für etwa 45 Menschen, oft wurde gebrüllt: „warten!“
Rasieren am Morgen war verboten. In einem getrennten Raum wurde für jeden Gefangenen das Rasierzeug getrennt in einem kleinen verschlossenem Schrank aufbewahrt. Auf Antrag konnte man sich 2 Mal in der Woche in einem speziellen Raum mit einem Spiegel an der Wand rasieren. In diesem Raum war nach Antrag und Genehmigung das Haareschneiden möglich.
Ein weiteres großes Problem, das lebensnotwendige Essen. Nur etwa 1/3 der Nahrung war genießbar, der größte Teil war nach normalem Standard absolut schlecht. Trinken nur Leitungswasser aus den Toiletten und Waschraum, in Flaschen abgefüllt. Das Essen gab es grundsätzlich in Aluminium-Schüsseln, egal, ob Suppe oder Kartoffeln, das Besteck war aus Plastik.
Der „Schlüssel“ zu einem angenehmeren Leben mit gutem Essen war Geld.
Ein einzigartiges Spezial-System in diesem Gefängnis.
Ein Polizeibeamter ging jeden Tag auf den Markt und kaufte ein. Die Aufträge der Gefangenen und Geld in der Tasche. Frische gute Nahrungsmittel von Gemüse, Obst bis Fleisch wurden geliefert. Der Beamte verdiente selbstverständlich sehr gut bei dieser Operation. Ich hatte kein Geld, meine 65 € waren wichtig für die „Grundausstattung“ Hygiene und Waschartikel und sehr wichtig für Telefonate. Wenn deutsche Justizbeamte oder Polizisten diese Fakten lesen, halten sie das verständlicherweise für völlig undenkbar.
Diese Angaben der völligen Selbstversorgung sind die reine Wahrheit.
Ein weiteres Problem in den täglichen Abläufen war die Möglichkeit zu duschen, Vorschrift war 2 Mal in der Woche Mittwoch und Samstag, doch meistens fielen die Termine aus, keiner der Beamten hatte Lust, die Abläufe und Überwachung zu organisieren. Die Duschanlage war ein Phänomen, jeweils 2 Mann wurden eingesperrt, ein schmaler Gang von 70 bis 80 cm Breite, man konnte sich kaum ausziehen.
Eine Dusche war in Ordnung die andere Dusche war nur ein Wasserrohr. So eine Anlage hatte ich weltweit noch nicht gesehen. Trotzdem ein gutes Gefühl, „sauber“ aus dem Betongang rauszukommen. Am Ende der Säuberung gegen die Tür schlagen oder treten und Glück zu haben, dass ein Beamter vorbeikommt, um die Tür zu öffnen.
Für mich war very special, dass ich nur mit Jeans, T-Shirt und einer Unterhose ausgerüstet war. Ich habe die Klamotten gewaschen und nass wieder angezogen, nackt über den Flur zu gehen, war verboten. Für meine Spezialwäsche war es gut, dass, von der Temperatur her, Mai und Juni waren.
Das einzige sehr wichtige Thema, bei dem ich das System illegal förmlich ausschalten konnte, war das Telefonieren.
Das Telefon selbst war in einem Raum mit Büchern an der linken Seite installiert. Telefonkarten wurden für den Wert von etwa 10 € in dem Büro der Zentrale verkauft. Das Sicherheitssystem bestand aus 3 Protokollen. Zuerst wurden der Antrag mit Nennung des Anzurufenden und der Grund des Anrufs genannt. Ausschließlich Anwalt, Familie und Botschaft wurden akzeptiert. Nach der Genehmigung wurde an einem Tisch vor dem Raum die gewünschte Telefonnummer aufgeschrieben. Der Raum wurde geöffnet und wieder verschlossen, man war allein, ohne äußere Kontrolle, am Telefon. Nach System werden 25 Zahlen (für Auslandsanrufe) eingegeben. Nach Beendigung des Gesprächs, klopfen an der Tür, an dem Tisch in ein zweites Buch noch einmal alle Daten, die vor dem Gespräch genannt worden sind, dann Unterschrift.
Ich ging natürlich davon aus, alles wird abgehört, in Italien war das übrigens die normale Praxis. Jedes Gespräch wurde nicht nur mitgehört, sondern auch aufgenommen. Wie ich dann durch mein eigenes System feststellen konnte, wurde in Rumänien erstaunlicherweise das Gespräch nicht abgehört. Ich habe aufbauend, schrittweise viele Gespräche „illegal“ geführt. Nacheinander mit Familie, Rechtsanwälten in Deutschland, Freunden in Deutschland und Europa. Wichtig mit Mitarbeitern und Freunden in der Ukraine ausführliche Gespräche geführt.
Protokolliert wurde natürlich eine einzige Telefonnummer. Diese Verbindung nach außen war für mich außerordentlich wichtig.
Eine gewaltige moralische Stütze und das gute Gefühl, in der Ukraine läuft das Geschäft weiter.
Meine 65 € habe ich im Gegenwert mit gutem Kurs, zur rumänischen Währung fast vollständig „vertelefoniert“.
Es ist erstaunlich, dass ein „Loch“ in dem extrem strengen Sicherheitssystem im Gefängnis vorhanden war. Nach Vorliegen dieses Buches wird dieses „Loch“ mit Sicherheit geschlossen.
Besuch durfte ich nicht empfangen, mein Partner, Herr De Menech von der Firma Egger, wollte mich besuchen, war bereits am Gefängnis und wurde zurückgewiesen.
Mit der deutschen Botschaft in Bukarest hatte ich von Anfang an telefonischen Kontakt.
Die Botschaft hatte sogar am Wochenende einen Bereitschaftsdienst. Sehr gute Gespräche mit den Damen von der Botschaft. Besuche nach Suecava, über ca. 700 km, waren nicht möglich. Konkrete Hilfe war ebenfalls nicht möglich, in dem Verfahren der Auslieferung nach Italien.
Der deutschen Botschaft in Rumänien bin ich für die Telefongespräche dankbar.
Zu dem Vollzugssystem gehört auch eine Stunde Fernsehen am Tag. In einem geschlossenen Raum saßen wir zu dritt auf einer Bank. Mit guten Freunden im Dienstplan der Polizei konnte ich zweimal in den TV-Raum. In der Zelle lief die Musik von 10.00 bis 22.00 Uhr, zum Teil sehr gute Musik.
Mich hat in dieser Zeit in Rumänien sehr belastet, dass ich nicht lesen konnte, weder Zeitung noch Bücher, eine Stunde TV war das Zufallsprogramm in rumänischer Sprache. Ein derartiges Informationsloch von 5 Wochen hatte ich in meinem Leben noch nie.
Eine absolute Katastrophe ist der medizinische Dienst im Gefängnis. Dreimal in der Woche kam eine Ärztin, ich war zu meinem Glück gesundheitlich o. k., bis auf eine Verstopfung im Verdauungssystem. Nach Anmeldung ging es zur Ärztin. Die Frau war so unförmig dick, dass sie auf zwei zusammengestellten Stühlen saß, wie eine Herrscherin, nicht wie eine Ärztin.
Englisch trug ich meinen Fall vor, einzige Antwort im Befehlston: „trink Wasser!“, dann war ich schon wieder draußen.
Durch mein tägliches Lauftraining im Beton-Käfig, mit den extrem engen Kurven, bekam ich 2 Tage vor dem Ende der Zeit in Rumänien eine starke rheumatische Zerrung in der linken Schulter. Mein Glück, dass die Behandlung nicht mehr in Rumänien erfolgen konnte.
Im Gefängnis ist von wesentlicher Bedeutung, mit welchen Typen von Menschen „lebt“ man zusammen, von der Entwicklung von echten Freunden bis zur Schlägerei ist alles möglich.
Diese Feststellung gilt natürlich nicht nur für das Leben in der Zelle, sondern auch bei den Freistunden auf dem Hof und beim Sport.
Für mich als Ausländer in Rumänien und Italien war die Ausgangslage verständlicherweise besonders kompliziert. In den
5 Wochen in Rumänien habe ich 5 Menschen mehr oder weniger kennengelernt und Schicksale zur Kenntnis genommen.
Dabei gilt grundsätzlich, die Wahrheit über Verhaftung, Gerichtsurteil, Vergangenheit lässt sich nicht überprüfen, ich gebe die Berichte und meine Einschätzung der Lage auch nach näherem Kennenlernen wieder.
Das gilt für die Gesamtheit neuer Beurteilung in 5 Gefängnissen in 3 Ländern über Menschen in einer speziellen Lage in ihrem Leben.
Dass man auch außerordentlich interessante Charaktere und Schicksale kennenlernt, ist nachvollziehbar.
Zu Daniel, ein sehr gläubiger orthodoxer Rumäne, hatte ich ein sehr gutes Verhältnis.
Daniel betete jeden Tag zweimal je 25 Minuten und las aus der Bibel halblaut in einer Ecke und ließ sich durch nichts stören. Beruflich war er 22 Jahre Sekretär in einer kirchlichen Einrichtung. Angegebener Grund für die Inhaftierung, er hat für 3 Menschen eine Garantie für einen Bankkredit gegeben, nicht persönlich, sondern für seinen kirchlichen Arbeitgeber. Einer der Kreditnehmer ist verschwunden, Daniel wurde verhaftet und wartet auf das Verfahren.
Zur menschlichen Seite unserer Verbindung: Bei meinem Abschied aus dem rumänischen Knast durfte er bis zum Büro mitgehen und hat geweint, so etwas gibt es auch.
Einen ähnlich sentimentalen Abschied mit Tränen hat es ein Jahr später auch in Italien gegeben, ich wusste wirklich nicht, welchen Einfluss ich auf Menschen habe, mit denen ich freundschaftlich, kameradschaftlich verbunden bin.
Das ganze Gegenteil zu Daniel war Elio, ein 70-jähriger Italiener, neben mir der einzige Ausländer im Gefängnis.
Elio lebte bereits 6 Jahre in Rumänien und hatte, neben seinem Haus in Italien, ein großes Haus in der Gegend von Suecava gebaut. Er pendelte zwischen Italien und Rumänien. Er lief nervös herum und mich begrüßte er sofort, mit strammer Haltung (wie die vielen Bilder Mussolinis zeigen), den rechtem Arm hoch und „Heil Hitler“ rufend. Das erste Mal seit meiner Kindheit schallte mir der Gruß entgegen. Das ging etwa eine Woche so, mindestens zweimal am Tag, auch draußen in der Freistunde. Erst habe ich ihn freundlich verwarnt, er hörte nicht auf.
Elio verfolgte genau mein Sportprogramm, Laufen und Liegestütze, ich erklärte ganz ruhig, ich würde ihn verprügeln, dass er im Krankenhaus landet. …

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