Mein Leben als Nachkriegskind

Mein Leben als Nachkriegskind

Siegfried Kuhnt


EUR 25,90
EUR 20,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 186
ISBN: 978-3-99130-141-7
Erscheinungsdatum: 06.09.2022
In dieser Biografie stecken so viele Wendungen wie in einem waschechten Thriller! Die Eltern aus der Heimat vertrieben, als Kind in der DDR geboren und aufgewachsen, nach der Wende einen beruflichen Neustart hingelegt, später in der Kommunalpolitik tätig …
Vorwort

In meinem Buch stelle ich in 10 Kapiteln Situationen und Erlebnisse aus meinem Leben dar. 95 Bilder und Foto-Dokumente illustrieren meine Ausführungen.

Durch fleißige, ehrliche Arbeit hatten meine Eltern in
ihrer Heimatstadt Lähn (heute Wleńin Polen), Kreis Löwenberg (heute Lwówek Śląski), in Schlesien Achtung und Vermögen erworben. Nach Erzählungen meines Vaters wurden sie mit ihren vier Kindern (2–6 Jahre) und der Mutter meines Vaters im Dezember 1946 von polnischen Behörden aus ihrer Heimatstadt nach Sachsen vertrieben. Sie wurden enteignet und ihr gesamtes Vermögen wurde beschlagnahmt. Zu Weihnachten kamen sie in Roßwein auf dem Bahnhof an und wurden zum Hotel „Schützenhaus“ (später „Lindenhof“) gebracht. Hier mussten sie mit allen Heimatvertriebenen einige Tage im Saal auf einem mit Decken belegten Strohlager nächtigen. In Roßwein wurden drei weitere Kinder geboren. Ich war das erste, das 1947 in Sachsen das Licht der Welt erblickte. Somit habe ich meinem Buch den Titel gegeben:

„Mein Leben als Nachkriegskind“

In meiner Kindheit stand die Unterstützung der Eltern vor allem bei Gartenarbeiten zur Sicherung der Ernährung im Vordergrund. Das war notwendig, da mein Vater 1953 durch das Löschen von Branntkalk bei der Arbeit im Wohnungsbau an einer Staublunge erkrankte. Er wurde 1953 mit 135 Ostmark in Rente geschickt. Nun hieß es, mit diesem Geld eine 9-köpfige Familie zu ernähren. In der Schule wurden meine Geschwister und ich oft als Flüchtlingskinder behandelt, was sich auch in den Noten widerspiegelte. Ich musste die Schule mit dem Ende der 9. Klasse abbrechen, da ich in Russisch auf der Note 5 stand. Russisch war in unserer Familie ein Tabu-Thema. Mein Vater wollte immer, dass ich Landwirt werde, da er davon überzeugt war, dass das kommunistische System keine Zukunft hat und wir wieder nach Schlesien zurückkommen werden. Als Landwirt sollte ich in seine Fußstapfen treten und den damaligen landwirtschaftlichen Betrieb der Familie übernehmen. Somit begann für mich die Lehre zum Agrartechniker, obwohl Elektriker mein Berufswunsch war. Schon bald nach bestandener Prüfung zum Agrartechniker verließ ich aus persönlichen Gründen die Landwirtschaft. Im Laufe meines Lebens habe ich in mehreren Betrieben mit unterschiedlichem Profil gearbeitet und Abschlüsse erworben. Meine Zukunft bestand darin, mich in verschiedenen Berufszweigen weiterzubilden. Von der Lehrausbildung zum Agrartechniker ab September 1963 bis zum Eintritt in meine Altersrente im Juli 2012 war ich in 5 Betrieben unterschiedlicher Branchen tätig. Im Februar 1976 wechselte ich den Wohnort von Roßwein zum Kurort Oberwiesenthal. In Oberwiesenthal fand ich im privaten, beruflichen wie auch im gesellschaftlichen Leben meine Zukunft. Während der Wende 1989 habe ich aktiv im Neuen Forum mitgearbeitet, weshalb ich im Mai 1990 in den Stadtrat von Oberwiesenthal gewählt wurde.

Seit dem Ausscheiden aus der Kommunalpolitik 2019 habe ich mich voll meiner Familie widmen können. 2 verheiratete Töchter mit je 2 Kindern, deren Familien sowohl beruflich als auch sportlich und gesellschaftlich sehr engagiert sind, sorgen für ausreichend Abwechslung, Freude und Aktivitäten in unserem Alltag, den meine Frau und ich nun gemeinsam genießen können. Ihr bin ich besonders dafür dankbar, dass sie in allen Höhen und Tiefen meines bewegten Lebens stets an meiner Seite gestanden und all meine Aktivitäten unterstützt und mitgetragen hat. Mögen die folgenden Aufzeichnungen allen Lesern ein Ansporn sein, stets strebsam, ehrlich und fair die Hürden des Lebens zu meistern sowie sich kritisch, aber für die jeweilige Sache aktiv einzusetzen. Mit einem Zitat des US-amerikanischen Philosophen und Schriftstellers Ralph Waldo Emerson (1803–1882) möchte ich nun Sie, liebe Leserin, lieber Leser, auf eine interessante Reise durch mein Leben schicken:

„Du selbst zu sein, in einer Welt,
die dich ständig anders haben will,
ist die größte Errungenschaft.“


Kapitel 1 - Zur Geschichte meines Elternhauses

Meine Mutter, Alma Kuhnt, mein Vater, Erich Kuhnt, und die Mutter meines Vaters, Ida Kuhnt, wurden nach den Erzählungen meines Vaters mit ihren 4 Kindern im Dezember 1946 nach Sachsen ausgewiesen. Sie wurden aus Lähn, Kreis Löwenberg im Riesengebirge in Schlesien vertrieben. Nach der Enteignung ihres Anwesens und der Beschlagnahmung des gesamten Vermögens durften sie nur das Nötigste mitnehmen.
Da mein Vater Ortsbauernführer war, wurde er nicht zur Wehrmacht eingezogen. Somit hegten meine Eltern auch keine Bedenken, dass sie aus Lähn ausgewiesen werden könnten. Zum Familienanwesen gehörten neben einer Gastwirtschaft ein landwirtschaftlicher Betrieb, eine Schmiede, ein Kohlehandel, ein Fuhrgeschäft und ein Jagdrevier. Den gastwirtschaftlichen Betrieb führte die Mutter meines Vaters, Ida Kuhnt, mit meiner Mutter, Alma Kuhnt.
Zur Gastwirtschaft gehörte auch ein großer Saal, in dem Kleintierausstellungen sowie Veranstaltungen von verschiedenen Vereinen organisiert wurden. Auch diese wurden von der Mutter meines Vaters und von meiner Mutter gastronomisch betreut. Einige Geschwister meines Vaters waren vor Kriegsbeginn der Arbeit wegen nach Berlin und Bayern ausgewandert. Die eigentliche Arbeit meines Vaters war die Landwirtschaft. Alle anderen Gewerke wurden von einigen seiner Geschwister bewirtschaftet. Als Ortsbauernführer bekam mein Vater während der Kriegszeit zur Arbeit in der Landwirtschaft Zwangsarbeiter aus Polen und Russland zugewiesen.
Eine Leidenschaft meines Vaters war die Jagd im eigenen Jagdrevier. Oft zog es ihn zur Waldarbeit und Jagd in den Wald. Zur Jagd empfing mein Vater oft wohlhabende Bürger, welche er begleitete, um ihnen die Freigabe zum Abschuss von Wild zu erteilen. Er legte sehr viel Wert auf eine gesunde Jagd. Ein ganz beliebter Gast war der Rittergutsbesitzer Baron Magnus Freiherr von Braun mit seinen Söhnen.
Durch meine Recherchen habe ich erfahren, dass das Rittergut in Habelschwerdt im Landkreis Löwenberg in Schlesien stand und den Namen „Oberwiesenthal“ (heute Bystrzyca) hatte. Im Landkreis Löwenberg gab es eine Stadt mit dem Namen „Ober-Wiesenthal“, daher sicherlich der Name des Rittergutes. Das möchte ich nicht unerwähnt lassen, da ich ja in Oberwiesenthal wohne. Nach erfolgreicher Jagd wurde vor dem Gasthof „Schwarzer Adler“ die Wildstrecke ausgelegt. In der Küche bereitete man unterdessen ein deftiges Jagdessen vor. Hier durfte nichts schiefgehen. Es musste alles perfekt sein, ansonsten wurde mein Vater sehr ungemütlich. Bei seinen abendlichen Erzählungen über die Jagd konnte man seine Wut über die Vertreibung aus seiner Heimat spüren.
In der Feuerwehr von Lähn war mein Vater auch aktiv. Dort führte er mit seinen Pferden das Löschgespann von Lähn.
Nach dem Kriegsende zogen deutsche Truppen auf dem Rückzug aus Russland durch Lähn. Deutsche Offiziere der SS übergaben meinem Vater Gewehre und reichlich Munition mit der Aufforderung, dass sich die Einwohner von Lähn vor den herannahenden Russen verteidigen sollen. Nachdem die Deutschen weitergezogen waren, versenkte mein Vater die Gewehre mit Munition und seine Jagdgewehre in dem am Grundstück vorbeifließenden Fluss, der Bober. Im Herbst 1945 wurde von den Polen und Russen eine unwahrscheinliche „Säuberung“ von in Lähn wohnhaften deutschen Bürgern durchgeführt. Mein Vater wurde aus dem Haus geholt, an die Wand gestellt und sollte hingerichtet werden. Der Grund war, er hatte Zwangsarbeiter zur Arbeit in der Landwirtschaft eingesetzt. Einer dieser Zwangsarbeiter stellte sich vor meinen Vater, breitete die Arme aus und schrie: „Nicht schießen, Erich war guter Mann.“ Danach sagten die Zwangsarbeiter aus, dass sie immer mit am Familientisch essen durften, Schlafunterkünfte im Haus hatten und nicht in den Stallungen essen und schlafen mussten. Das hat meinem Vater und sicherlich auch seiner Familie das Leben gerettet. Andere Einwohner, bei denen man Gegenstände oder Uniformen aus dem Dritten Reich gefunden hatte, wurden auf dem Markt von Lähn zusammengetrieben und von den Russen hingerichtet. Zu ihnen gehörte auch sein Bruder Willi, der während des Krieges als Soldat eingezogen worden war. Wie schon bei den Eltern meines Vaters sollten auch die Kinder meiner Eltern nur Jungs werden, denn sie sollten in der Zukunft das gesamte Anwesen mit all den verschiedenen Gewerken weiterführen. Die Mutter meines Vaters hatte 16 Geburten. Alle mit dem Ziel, im elterlichen Anwesen die Arbeit zu verrichten. Als erstes Kind meiner Eltern wurde Hannelore geboren. Das gefiel meinem Vater gar nicht. Es war ein Mädchen. Als meine Mutter zum zweiten Mal schwanger wurde, hoffte mein Vater, dass es nun ein Junge wird. Es wurden Zwillinge, und zwar zwei Mädchen. Das eine Mädchen, Margot, ist kurz nach der Geburt verstorben. Nach der Geburt der Zwillinge zog mein Vater aus lauter Frust in den Wald. Er konnte es nicht verkraften, dass in seinem Haus nach der Geburt von Hannelore wieder 2 Mädchenzur Welt gekommen waren. Erst nach der Geburt des ersten Sohnes war er überaus zufrieden. So sollten auch in Zukunft weitere Söhne geboren werden. 1944 wurde eine weitere Tochter geboren.
Zu Weihnachten 1946 kamen meine Eltern mit den 4 Kindern und der Mutter meines Vaters mit dem Treck auf dem Bahnhof in Roßwein an. Vom Bahnhof aus wurden alle Heimatvertriebenen im Schützenhaus (heute Lindenhof) an der Freiberger Mulde untergebracht.
Hier mussten sie im Saal einige Tage auf einem mit Decken belegten Fußboden leben. Es dauerte nicht lange, bis meine Eltern in Roßwein auf der Goldbornstraße nahe der Freiberger Mulde eine Unterkunft in einer Baracke zugewiesen bekamen. Die Baracke bestand aus zwei größeren Zimmern und zwei kleineren als Nebengelass. Da in dieser Baracke noch eine zweite Familie untergebracht worden war, informierte mein Vater seine Schwester in Ostberlin per Post über die Zustände in der Baracke. Daraufhin hat sie ihre Mutter Ida Kuhnt nach Berlin geholt. Die Schwester meines Vaters, Else Schnürl, hatte eine gute Anstellung in einer Metzgerei und konnte somit gut für ihre Mutter sorgen.

Das könnte ihnen auch gefallen :

Mein Leben als Nachkriegskind

Esther Butwil

Mein Leben als Indigoseele

Buchbewertung:
*Pflichtfelder