Vergewaltigt, mal anders …

Vergewaltigt, mal anders …

Ozeanien und zurück

J. J. Semour


EUR 26,90
EUR 16,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 378
ISBN: 978-3-903271-27-2
Erscheinungsdatum: 16.06.2020
Australien, 60er-Jahre. Xenia verlässt Mutter und Stiefvater nach 10 Jahren Heimweh, Sehnsucht nach Vater, wagt die Seereise um die halbe Welt, doch Vater ernüchtert sie brutal. Entwurzelt bekämpft sie die Tücken ihrer Odyssee, bald gebannt von einer Macht ...
Dorian Gray, fast Mord und mehr

„Darf ich eintreten? Ich möchte meinen Mann sprechen.“ Diese Person war angesichts Xenia ebenso sprachlos, wie Xenia und ließ sie eintreten. Dort saß er … Xenia eröffnete den Grund ihres Kommens und zeigte ihm die Einwanderungspapiere:
„Es ist alles arrangiert, schau her, jetzt können wir reisen.“ Xenia zeigte ihm die Dokumente. Die Frau stand zwischen ihnen, hörte erstaunt und aufmerksam zu. Mit einem abstoßend verzerrten Gesicht sah er Xenia an, auch so hatte sie ihn noch nie gesehen ...
„Ich weiß nicht, wovon du redest.“ Entgeistert antwortete Xenia:
„Aber du hast mich doch gebeten, unsere gemeinsame Einreise nach Australien zu arrangieren?!“ Er erhob sich noch nicht einmal aus seinem Sessel. Selbstgefällig lehnte er sich zurück, blickte diese sonderbare Erscheinung vielsagend an und erlaubte sich zu sagen:
„Belästige mich nicht länger mit deinen Hirngespinsten und höre auf, mich ständig anonym anzurufen!“
„Ich?! Ich habe dich noch nie anonym angerufen!“ Entrüstet verteidigte sich Xenia, nicht glauben könnend, was ihr hier widerfuhr. Noch einmal sah sie in sein entstelltes Gesicht, das zur Fratze geworden war. Allmählich erkannte sie die Wirklichkeit. Das Tuch vor dem Spiegel war gehoben. ‘Das Bildnis des Dorian Gray‘, fuhr es ihr durch den Kopf … Die Frau wandte sich ihr zu und bat sie grob, ihre eigene Wohnung zu verlassen. Sich am Treppengeländer festhaltend, befürchtete Xenia, ihre Beine würden sie nicht mehr tragen. ‘Bis zum Bus muss ich es noch schaffen‘. An der Haltestelle aus dem Bus ausgestiegen, die Nacht war bereits angebrochen, schaffte sie es noch über die Allee in die Straße, die zu ihrer Wohnung führte, als ihre Kräfte sie völlig verließen. Unfähig länger aufrecht zu gehen, versuchte sie sich zunächst an den Büschen, die die Straße säumten, festzuhalten, um dann, einer Ohnmacht nahe, auf ihre Knie zu fallen. So kroch sie auf allen Vieren die Straße entlang, bar der Würde, jeden Stolzes. Weil frühe Nacht, waren nur noch wenige Passanten unterwegs, es blieb jedoch kein einziger stehen, um sie zu fragen, was ihr fehlte. Einige drehten sich um in der Überzeugung, dass sie doch sicher nur so eine Kiffer Braut oder sonst so ein Junkie sein konnte. ‘Warum hilft mir keiner?‘, verzweifelte Xenia während ihre Tränen unaufhaltsam den Asphalt benetzten und ihre geschundenen Knie bereits Blutspuren hinterließen. ‘Warum ruft keiner die Polizei oder die Ambulanz? Sind so die Menschen in diesem Land? Ein Glück‘, dachte sie weiter, ‘dass es Nacht ist ...‘, während sie sich am Geländer die Stufen zu ihrer Haustür emporzog. In ihrer Wohnung saß sie bewegungslos eine Ewigkeit auf ihrem Bett, maßlos gedemütigt, die Rasierklinge in der Hand. ‘Ich kann das nicht, es tut so weh, die Haut ist zu dick, man muss ja wirklich fest schneiden, um überhaupt an die Ader zu kommen. Nein, das tue ich mir nicht an‘. Nichts mehr denken könnend, sich mechanisch ihrer Kleider entledigend, schlief sie ein.
Ein Geräusch weckte sie. Der Raum war stockdunkel, sie fühlte, dass jemand neben ihrem Bett stand. Sie hörte Münzen klirren und schon lag ein Mann auf ihr, legte ein Messer an ihre Kehle, sie spürte die Schärfe der Klinge und er sagte in Englisch:
„Wenn du schreist, schneide ich dir die Kehle durch!“ ‘Ist ja gut‘, dachte Xenia hellwach geworden in die Dunkelheit starrend‚ ‘wenn nicht die Pulsadern, dann eben die Kehle, passt. Ich will sowieso nicht mehr, er bringt mich eh um, vergewaltigt oder nicht‘, das dachte sie. Sie redete aber wieder, wie damals in Australien nach dem Debütanten Ball, jetzt allerdings denkend, ‘ich habe ja nichts mehr zu verlieren‘. Wieder redete sie von Ehre, Anstand, Ehefrau und Kindern. Mutter, Großmutter, Urgroßmutter, Brüder und Schwestern, was diese wohl alle von ihm denken würden, wenn sie ihn so sähen, eine Frau vergewaltigend und ermordend. Hinzu fügte sie:
„Ich bin verheiratet, mein Mann kommt jeden Moment“. Sie dachte kurz, ‘wie ist der denn bloß hereingekommen‘?
„Deswegen waren die Türen offen“, ergänzte sie als logische Folgerung ihre Phantasie, und das in dieser mörderischen Situation.
„Du hast eine Mutter und Großmutter, ganz sicher hast du auch eine Ehefrau und Kinder, hast du das hier nötig, schämst du dich nicht?!“ Nichts sehen könnend im tief dunklen Raum, die Fenster waren mit schweren Vorhängen verhangen, spürte sie, wie das Messer von ihrer Kehle glitt. Ihr leidenschaftsloser Vortrag bewirkte zum einen sein Erstaunen darüber, dass sie fließend Englisch sprach, zum anderen, dass es ihm unmöglich geworden war zu penetrieren. Ohne Erektion no penetration, das musste er zwangsläufig hinnehmen. Er rutschte von ihr, sie hörte wieder diese Münzen klingeln. Er deckte sie tatsächlich mit der Bettdecke zu, drohte aber wiederzukommen, wenn sie innerhalb der nächsten Stunde um Hilfe schreien würde und ging. ‘Wie ist der bloß herein gekommen‘? Xenia setzte sich auf, machte Licht, ging zur Wohnungstür, die offen stand. ‘Meine Güte, ich vergaß, die Haustür sowie die Wohnungstür abzuschließen‘! Sie rannte zur Haustür, die ebenfalls offen stand, verschloss diese und klingelte Sturm beim Nachbarn. Es war irgendeine Zeit in der Nacht. Die Nachbarsfamilie waren hilfsbereite Amerikaner, der Ehemann Offizier. Oft spielte Xenia Babysitter, wenn die Eheleute im Ausgang waren. Jetzt öffnete er sichtlich verschreckt, jedoch gefasst, seine Wohnungstür. „Xenia, was ist?!“
„Darf ich eintreten?“ Sie schilderte das Vorgefallene. Der Offizier war entsetzt!
„Xenia, da er American Slang sprach, ist er eindeutig ein US Bürger, möglicherweise ein GI. Ich melde es sofort der MP.“ Gesagt, getan, nachts, um wer weiß welche Zeit.
„Er muss Sie lange beobachtet haben“, wurde vermutet.
„Sie haben wirklich großes Glück gehabt. Wie kam es, dass er von Ihnen abließ?“
„Ich weiß es nicht, ich redete halt wie ein Wasserfall von Anstand, Ehre und Familie, keineswegs ein gutes Ende erwartend, offensichtlich redete ich ihn Schach matt.“ Ihre Wohnung wurde nach Hinweisen durchsucht, aber es gab keine, auch keine Münzen, die sie klingen hörte.
„Sie sind unverletzt?“ Xenia musste sich untersuchen lassen.
„Hören Sie“, sie weigerte sich, „ich wurde nicht verletzt“. Trotzdem, sie musste es über sich ergehen lassen.
„Was ist mit Ihren Knien passiert?“fragte der untersuchende Arzt. Geistesgegenwärtig schwindelte Xenia, sie habe auf dem Heimweg ihre Handtasche verloren und suchte, auf den Knien rutschend, im dichten Gebüsch entlang der Straße. Daraufhin untersuchte er auch ihre Knie eingehend, sorgfältig desinfizierte er und verband sie. Man unterstellte ihr keine Hirngespinste, doch sie spürte, man zweifelte … Im Büro, neben ihrem Chef sitzend und Matrizen bearbeitend, trat ein GI ein. Kaum hatte dieser das Gespräch mit ihrem Chef eröffnet, wandte sich Xenia ab, hin zum Fenster, sodass man lediglich ihren Rücken sehen konnte. Sie hörte seine Stimme und das Klirren von Münzen … Sofort, als dieser GI das Büro verlassen hatte, drehte Xenia sich zu ihrem Chef:
„Das ist er.“
„Wer“? Längst hatte der Chef besagten Vorfall vergessen.
„Derjenige, der mich überfallen hat.“ Jetzt dämmerte es ihm. Er kontaktierte auf der Stelle die MP. Nun war klar, wer dieser Mann war. Er wurde festgenommen und gestand auch andere junge Frauen belästigt bis vergewaltigt zu haben. Keine dieser Frauen hatten die Vorfälle gemeldet aus Angst vor US-Militär und aus Scham. Es stellte sich auch heraus, dass dieser Mensch verheiratet und Familienvater war … Auf diese Weise ernüchtert und der Realität wieder ein Stück näher gerückt, reichte Xenia die unausweichliche Scheidung ein. Sie gedachte wieder des Bildnisses von Dorian Gray. Genauso wie sie letztendlich ihren Ehemann gesehen hatte, muss es Oscar Wilde empfunden haben, genauso.





Wahrhaftige Worte

Es dauerte nur ein paar Tage und Jon war am Telefon.
„Ich hörte, dass dein Freund expediert wurde, können wir gemeinsam zu Abend essen?“ Xenias Sekretärin lachte unverhohlen:
„Der hat Sie im Blut, der lässt nicht locker, heiraten Sie ihn und der Spuk ist beendet!“
Ihr Villenpenthaus kannte er bislang nur von außen, es war stets rundum mit Blumen geschmückt. Als er eintrat, souverän und selbstbewusst wie immer, staunte er nicht schlecht, denn ihre kleine Wohnung am See gestattete ihr nicht ihren exquisiten Geschmack. Jetzt sah Jon allerlei, das ihn beeindruckte, abgesehen von ihrer noblen Karosse. Xenia empfand ihn auf eine unerwartet neue Weise. Zurückhaltend unterhielt er sich mit ihr, während sie diejenige war, die ihn ausfragte.
„Ja, ich habe eine Freundin, sie wohnt hier in der Nähe.“
„Lustig, und warum lädst du mich dann zum Essen ein?“
„Ich wollte dich wiedersehen, ich habe dich so lange nicht mehr gesehen.“
„Ist es Sonja?“ Xenia erinnerte sich gut. ‘Jetzt spielt er wieder sein Spiel, aber ich habe ihn nicht gerufen …‘
„Nein, sie heißt Ute.“
„Und, ist sie verheiratet?“
Er lacht: „Du fragst mich hier aus …“
„Na ja, wenn du mir schon so freimütig wieder von einer Freundin erzählst, dann möchte ich schon Näheres wissen, damit ich weiß, woran ich bin. Wie lange kennt ihr euch?“
„Ich habe sie kurz nachdem ich dich nicht mehr sehen durfte von Freunden vorgestellt bekommen“. ‘Dann ist es vermutlich das gerupfte Huhn …‘, Xenia lächelte innerlich.
„Und warum hast du dann an Silvester alleine in der Disco gesessen?“
„Ein Gedächtnis hast du …“ Wieder dieses verhaltene Lächeln.
„Wir hatten uns gerade kennengelernt, über den Jahreswechsel musste sie zu ihrer Familie.“
„Und dann sitzt du wie ein Jäger alleine in der Disco? Warum warst du nicht in deiner erlauchten Gesellschaft, die dir doch so viel bedeutet, es war die Silvesternacht?!“
„Xenia, sie ist eine reizende Frau, aber ich liebe sie nicht.“ Sarkastisch provozierte Xenia:
„Kannst du das denn überhaupt? Lieben?“ Wie ertappt blickte er sie lange an, überlegte, ob er sollte oder nicht, dann klang es wie ein Geständnis: „Ich hatte einmal eine Liebe, vor sehr langer Zeit. Sie zerriss mir das Herz. Seitdem schütze ich mich.“
„Wer zerriss dir das Herz, die Frau oder die Liebe?“ Erstaunt über ihre Akribie starrte er in Gedanken versunken an ihr vorbei.
„Gibt es einen Unterschied, Xenia?“ Erstmals seitdem sie sich kannten, erwähnte er Liebe, sprach überhaupt über ein Gefühl … Xenia hakte unverzüglich nach, noch nicht ahnend, wie sehr sie ins Schwarze getroffen hatte.
„Oh ja! Das Bedürfnis nach Liebe bleibt, Frauen jedoch kommen und gehen im Leben eines Mannes, wie du einer bist.“
„Das klingt vernichtend, warum sagst du so etwas?“ Entrüstet wie verletzt war sein Blick.
„Weil du vernichtend bist! Du baust privat nichts auf. Du vervielfältigst privat kein vorhandenes Potential. Du nimmst, was du dir ausgesucht hast, und weil du es immer bekommst, schwimmst du nur an der Oberfläche, in die Tiefe tauchst du nie, aus Angst vor dir selbst, aus Angst vor deinen Gefühlen! Du wagst es noch nicht einmal, diese zu formulieren, es erscheint dir als Schwäche. Mut zur Ehrlichkeit hast du auch nicht. Du lässt nur innerhalb eines begrenzten Rahmens Taten für sich sprechen, Taten, die bei jeder Frau über einen gewissen Zeitraum Freude und Hoffnungen auslösen, Hoffnungen und Gefühle, die du exakt einzuschätzen weißt und die du zu deinen Gunsten so lange nutzt, wie es dir gerade gefällt. Dass ich dich liebe, weißt du, auch das gefällt dir, es schmeichelt dir, du setzt es voraus, bei jeder Frau, die du dir ausgesucht hast. Für dein Verständnis bin ich angeblich zu kompliziert, zu kapriziös, wie sagtest du einmal, exaltiert … Gemessen an deiner gespielten Unnahbarkeit, die nichts anderes ist als eine Mauer um dich herum, bin ich exaltiert, ich kann auch sagen, echt. Hinter dieser Mauer bist du so empfindlich wie ein abgeschliffener Zahn. Einen Punkt kannst du nicht setzen, nicht als Ende und nicht als Anfang. Mehrfach versprachst du in der Vergangenheit, dass wir heiraten werden, Versprechen, die bis heute in der Luft hängen. Du erzählst mir von neuen Freundinnen, als wäre ich ein Neutrum. Gleichzeitig lädst du mich ein. Ich muss nicht wissen, ob deine Freundinnen reizend oder verheiratet sind, dass du keine von ihnen liebst, ist mir völlig klar! Du kommst nicht von mir los, warum, das weißt du so gut wie ich, trotzdem weigerst du dich, deine Gefühle zu äußern. Ich kann nicht erklären, weshalb ich immer wieder nachgebe, nachdem ich dich bereits x-mal in die Wüste geschickt habe, doch ich hatte viel Zeit, um über dich nachzudenken und Gelegenheit, dich mit anderen sogenannten kardinalen Hirschen zu vergleichen. Keiner davon macht aus seinem Herzen eine Mördergrube, so wie du!“

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Jada Grisky

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