La Fiesta

La Fiesta

#punkrock

Franz Päßler


EUR 15,90
EUR 12,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 342
ISBN: 978-3-99131-938-2
Erscheinungsdatum: 13.06.2023

Kundenbewertungen:

5 Sterne
Großartig  - 17.09.2023

Franz hat’s drauf.

Prolog


Naaaaa? Haste schon hastig vorgeblättert und all die schönen Fotos angeguckt, oder bist du eher von geduldiger Natur und belohnst dich dann später damit? Egal wie du dieses Buch konsumieren möchtest, ich hoffe, es ist spannend, zaubert dir ab und an ein Lächeln ins Gesicht und gibt dir vielleicht sogar ein paar neue Denkanstöße mit auf den Weg.
Um ehrlich zu sein, habe ich aber keine Ahnung, wie man ein Buch schreibt. Ich bin Laie durch und durch. Ich meine, guckt euch diesen verkorksten Typen doch mal an. Ja, der der da vorn in „Schlüpper“ auf’m Cover hockt und Nudeln frisst. Sieht der aus, als ob der im Deutschunterricht aufgepasst hat und überhaupt weiß, was der Begriff „Literatur“ bedeutet? Keine Ahnung – wird sich noch herausstellen. Zur „Abiprüfung“ 2018 schrieb ich, soweit ich weiß, das letzte Mal etwas über 10 Seiten, was ich dann als umfangreiche Geschichte betitelte. Also an all die eingefleischten Leser und Deutschlehrer, die dieses Buch in die Hände bekommen sollten: Seid mir nicht böse, wenn ich die Spannungskurve manchmal nicht ganz halte, ich abschweife oder mir schlichtweg einfach noch etwas Wortschatz zur optimalen Ausdrucksweise fehlt. Vielleicht verbessert sich der Schreibstil ja sogar im Laufe des Buches.
Während meiner Auszeit las ich zum ersten Mal ernsthaft Bücher. Ich wählte 7–8 Stück, deren Titel mich dazu verführten, letztendlich 180 € dafür auszugeben. Ja, für Bücher. Meine Mutter war anscheinend sehr stolz auf diese Entscheidung und bezahlte freundlicherweise einen Großteil der Summe. Ich las nun tatsächlich zum ersten Mal im Leben mit voller Konzentration ein Buch. Wow! Ich stellte fest, wie cool es sein kann, konzentriert zu lesen. Man konnte, wie mir meine Mutter schon immer versuchte zu erklären, abschalten und sogar imaginär in den Geschichten mitwirken. Der reinste Wahnsinn! Früher wurde mir das leider noch nicht klar, da mich ständig andere Gedanken vom Lesen abhielten und mich der bekloppte „Zauberlehrling“ einfach nicht interessierte. Bücher ziehen außerdem keinen Strom und sorgen unterwegs für Unterhaltung.
Nachdem ich dann sehr gute, aber auch eher falsch gewählte Bücher las, fing ich innerlich an zu beurteilen, was nun eine angenehme Schreibweise und was eine eher lahme, sich wiederholende Schreibweise war. Ein kurzer, knackiger Stil gefiel mir am besten.
Als ich dann ein paar Monate unterwegs war und an sehr aufregenden Wendepunkten meines Lebens ankam, fing mein sonst so ruhiger Geist immer öfter an, das Erlebte in einem Hinterstübchen meines Kopfes festhalten zu wollen. Er fing immer öfter an, erlebte Situationen in der Schreibweise eines meiner Bücher zu formulieren. Immer mehr dieser Formulierungen rauschten durch meinen Kopf und gingen mir irgendwann wortwörtlich auf den Geist. Es war, als würde ich dazu genötigt, Sachen niederzuschreiben.
Wahrscheinlich staute sich da aber auch gewaltig etwas in mir an. Erlebnisse, die ich zwar ab und an Freunden und Familie übers Telefon schildern konnte, was aber irgendwie nicht ausreichend war. Ich war förmlich am Platzen! Auch wenn man unterwegs viele Menschen traf und sich unterhielt, schien mir dieses Buch-Thema nicht mehr aus dem Kopf zu gehen. Eine Herausforderung, die mir im Nacken saß und neckisch flüsterte: „Das schaffst du doch eh nicht.“ Aber auch eine Möglichkeit, eine sehr intensive Zeit zu reflektieren und tief zu verinnerlichen. Meine Mutter hatte ich hierbei auf jeden Fall schon mal im „Backup-Team“. Sie wollte der Lektor sein. „Hannibal?“, fragte ich verdutzt.
Es schien verlockend, Dinge mal so richtig detailliert und ausformuliert zu beschreiben. In Gesprächen fiel es mir oft schwer, mich richtig auszudrücken, hier hingegen hatte ich die Möglichkeit, endlich mal die reinen Gedanken rauszulassen, ohne einem eventuell kritisch gestimmten Gesicht gegenüberstehen zu müssen. Niemand quatschte mir hier rein. Ich war entspannt.

Und nun sitz’ ich hier, ganz entspannt in den Bergen von Málaga. Die Empfangslady in einem Art Trailer-Park hieß mich herzlichst willkommen und ich wählte eine gut belichtete Parzelle mit Blick Richtung Süden. Die warme Sonne brutzelte auf der „Plautze“ und gab einem Ende November noch das Gefühl, sein T-Shirt ausziehen zu müssen. Und als ich hier gerade voll fokussiert diesen Text ins Telefon hämmerte, näherte sich mir ein Mann mit offensichtlich kugelsicherer Weste und „Police“ Cap. Er trug außerdem robuste schwarze Militärkleidung, Sonnenbrille und einen Gürtel, der waffenartig aussehende Utensilien zusammenhielt. Er kam anscheinend ganz leise mit seinem komischen Elektroroller hier angefahren. Im Fußbereich des Rollers war ein Einkaufskorb verzurrt. Das Teil hatte riesige Reifen, wie Luftballons, und sah auf jeden Fall nicht wie ein Fahrzeug der Polizei aus. Der Typ hatte meine vollste Aufmerksamkeit. Ich unterbrach meine Schreibarbeit kurz und rief grinsend „Buenos Dias“ zu ihm rüber. Im britischen Slang konterte er auf englisch und fragte, ob ich wiederum ein Polizist wäre. Ich erwiderte mit einem sehr sicherem „No, I’m not“ und als wir dann weiter redeten war er irgendwann endlich überzeugt, zog seine Lederhandschuhe aus und gab mir einen festen Händedruck. David hieß er. Und David wies mich nun in eine äußerst bizarre Geschichte ein. Doch dazu später mehr …
Nun, das Ganze hier soll die Einleitung meines Buches darstellen und euch schön neugierig machen. Wahnsinn! Das ich mal ein Buch schreibe, hätte glaub’ ich niemand gedacht. Ich wollte eigentlich erst zuhause damit anfangen und dem „unterwegs sein“ meine vollste Aufmerksamkeit schenken, aber mein Kopf zwingt mich mittlerweile zu sehr dazu. Ich hab’ Angst, gut gedachte Formulierungen zu vergessen. Es fühlt sich gut an endlich loszulegen, wie’n Topp’ voll Milch, der langsam den Deckel hebt und überkocht. Also herzlich willkommen, „mi Frendo“, lehn’ dich entspannt zurück und zieh’s dir rein!



Die Vorgeschichte


Höhenflüge

Aus und vorbei. Das wars erstmal mit Kuscheln, Katzen und großer Dachgeschosswohnung in Striesen. Striesen, ein ruhiger Stadtteil in Dresden. Geprägt von verzierten Villen und Bänken, auf denen breit grinsend, alte, gepflegte Leute hockten. Man sagt: „Willst du das Leben genießen, dann ziehe nach Striesen.“ Nun, das tat ich auch und ich war sehr dankbar, dass meine damalige Freundin mich und meinen Hund hier bei sich einziehen ließ. Meinen Hund und ihre zwei schwarzen Waldkatzen. Gute Kombi. Nach anfänglichen territorialen Einigungen waren die drei aber beste „Homies“. Klar herrschte anfangs etwas Verwirrung, da der Hund beispielsweise das Katzenfutter fraß. Nachdem der Kater dann aber einfach begann, aus dem Hundenapf zu trinken, entstand eine gute Balance. Leider lief es auf menschlicher Ebene zunehmend schlechter und eine unangenehme Stimmung lag in der Luft. Ja, manchmal brannte die Luft sogar. Da verzog sich Hund und Katz’ dann gern.
Ich hatte zu Beginn unserer Beziehung extremen Tatendrang. Mir ging’s eben gut. Ich ernährte mich krankhaft gesund, trank Kaktusfeigensaft und fraß Ginsengkapseln und so, dem Hund gefielen die ausgiebigen Runden durch die ruhigen Parks und die Zeit mit meiner Freundin war wirklich wunderschön. Sie gab mir neuen Wind unter den Armen und die gute Laune stand mir quasi auf die Stirn geschrieben. Mehr als je zuvor. Ich fand sie extrem attraktiv, sie war älter, klüger und brachte mich oft derbe zum lachen. Ich hätte mir früher nicht mal erträumt, so ein „Hammer-Girl“ abzubekommen. Und da ich immer noch auf Teilzeit im „Skateshop“ rumhampelte, nutze ich diesen Haufen Aufwind und nahm erst einen weiteren Job an, und als ob ich wissen wollte, zu was mein Körper so fähig war, kam noch eine dritte Beschäftigung ins Spiel. Ich bekam nicht genug.
Der Turbo zündete jedoch leider nur bei mir und von gegenüber kam auf Dauer nicht allzu viel Euphorie. Ich hätte mir ein gegenseitiges Pushen gewünscht, stattdessen lebte man sich eher auseinander. Ich war stets bemüht, zusammen mit meiner Freundin ihre Leidenschaft zu finden. Manchmal sogar viel zu sehr. Wir unternahmen viel, beschnupperten alle Ecken und Nischen des Lebens. Doch nichts fand sich so richtig. Sie hatte einen guten Job, baute Mikrochips im „Reinraum“ mit Schutzanzug und Maske, jedoch im 3-Schicht-System. Ich hatte den Eindruck als wär sie eher interessiert am einfachen Leben, als wär sie mit den einfachen Dingen vollkommen zufrieden. Dieses Einkaufen, TV glotzen, sich mit Freunden treffen, all das stimmte mich wiederum eher nachdenklich. Das war einfach nicht ausreichend. Wir waren in der Glanzzeit unseres Lebens. Ich 20, sie 25. War’s das schon? Sollte man sich jetzt schon treiben lassen wie ein Floß, auf einem ruhigen Fluss? Ich hatte eher Bock, nen riesigen Motor an das verdammte Floß zu bauen und flussaufwärts zu brettern! Zusätzlich gab es noch familiär Druck. Man wollte was sehen. Schließlich ließ man mir Geld zukommen und wozu die guten schulischen Leistungen. Was suche ich da nur in diesem „Skateshop“, hieß es. Eine Lösung musste her.
Ich fuhr nun also alte, klapprige Roller beim Liefermann (einem großen Türken, der aussah wie Mr. Bean und Sushi verkaufte) und rief eine Art Hausmeister Service für Kleingärten ins Leben. Im Osten von Deutschland boomen die Kleingartenvereine, das kannst du dir nicht vorstellen. Vor allem jetzt, zur Zeit von Corona, sind nahegelegene Erholungsorte die letzte Rettung. Es gibt hier zick „Ommas“ und „Opas“ die im Alter nochmal eine Beschäftigung im Grünen, aber auch eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten suchen. Allein im Raum Dresden gibt es laut einer meiner Klientinnen über 300 solcher Vereine. Also auch eine Menge Arbeit. Eine Menge Arbeit die sich im fortlaufenden Alter immer schwieriger verrichten lässt. Zudem kam, dass viele leider keine Verwandtschaft hatten und wenn, dann zu weit entfernt und mit zu wenig Interesse für „Gartenarbeit“. Und ich glaube, es ist bekannt, dass alte Leute sich nur schweren Herzens von ihren geliebten Besitztümern trennen können. Und hier kam ich ins Spiel. Ich suchte sowieso noch nach einem Ausgleich im Grünen und hier profitierte sogar noch der Hund. Handwerkliche Tätigkeiten zogen sich durch die Familie und waren mir vertraut. „Perfekto!“ Da ich aber kein Freund vom Finanzamt war, arbeitete ich schwarz. Nein, Spaß, das hätte ich mit meinem Gewissen nicht so recht vereinbaren können und wo wär da der Reiz geblieben. Aber ich fand trotzdem einen Weg, die Bürokratie zu umgehen: Ich druckte Flyer, mit großer, gut lesbarer Schrift und hüllte diese, wasserdicht, in Folien. „Handwerkliche Nachbarschaftshilfe“ stand da drauf. Darunter was ich so mache (Hecke schneiden, Rasen mähen, etc.) und weiter unten „Liebe Grüße“, mit Namen und Telefonnummer zum Abreißen.

Früher zog ich noch mit fetten Markern durch die Stadt, jetzt waren es eben Flyer für alte Leute. Auch egal, haha. Ich pflasterte alles voll. Vor allem rings um die Gärten. Zuhause saß ich dann wie auf Kohlen vorm Telefon. Doch da tat sich nix. Mehrere Tage vergingen und ich zweifelte an meinem Vorhaben. Ich schnappte mir Lola und lief ein paar der „Spots“ beim Gassi gehen ab. „Hääää?!“ Da waren überall kaum noch „Abreiß-Nummern“ dran. Der Fakt, dass die Leute es sahen und zugriffen, zauberte mir schon mal ein Lächeln ins Gesicht. Und dann, ein paar Tage später, ein verpasster Anruf auf dem Handy. Sogar gleich noch eine Voicemail, auf der nach langer Stille, eine knisternde, schläfrige Stimme zu hören war. „Bääm“, darauf hatte ich gewartet. Ich rief sofort zurück. Die alte Dame war sehr erfreut über das jugendliche Interesse.
Beim ersten Treffen gab ich ihr von vornherein zu verstehen, dass ich dafür kein Geld verlangen kann, beziehungsweise keine Rechnung ausstelle. Sie könne mir lediglich eine Spende aushändigen. Nun, das war ihr ziemlich schnuppe. „12,50 € die Stunde, Kuchen und Getränke gehen aufs Haus?!“ „Deal!“ Ich reparierte Dächer, zupfte Unkraut, strich Wände und hielt Lola weitestgehend davon ab, die Katzen durch die Anlage zu jagen. Mir machte das echt Spaß! Vielseitig und abwechslungsreich war es und ehrlich gesagt feierte ich es, eine solche Lücke im System gefunden zu haben. Ich hatte endlich mal paar Kröten in der Tasche und konnte somit meinen Mietanteil problemlos zahlen. Außerdem gab’s gratis Obst und Gemüse aus den Gärten, sowie frisch zubereitete Pizzen, Bowls, Salate und satte Trinkgelder beim Lieferservice, welchen ich nochmal wechselte.
Der Türke, von dem ich da sprach, war früher Türsteher und pflegte es immer noch, mit dieser Körpersprache und in diesem Ton mit seinen Angestellten zu reden. Nicht mit mir. Ich ließ ihn und den Fisch eines Abends in der Kälte stehen. Sushi aß ich eh nur mit gehobenem Zahnfleisch. Noch dazu war sein Liefersystem nicht ganz durchdacht und die Karren, die wir da fahren sollten, wurden wahrscheinlich allesamt mit Starthilfespray vom Schrottplatz geholt. „Fuck you!“ Ja, einmal blieb ich sogar im Tunnel mit diesem scheiß Roller stecken. Der Vergaser war irgendwie immer sehr launisch und ließ mich da vollkommen im Stich. Dann gab es noch einen offenen Roller, der fast 80 km/h fuhr und einen Suzuki Alto, indem ich, 1,86 m, wie der Affe auf’m Schleifstein hockte. Das einzig zuverlässige Fahrzeug war mein Fahrrad, das ich dort auch ab und an fuhr. Die schlechte Laune vom Chef und die mäßige Bezahlung machten wir durch den Fahrspaß wieder wett. Manchmal ging’s da echt ruppig zu und die Vehikel litten dementsprechend. Das Quietschen der Reifen wurde dann irgendwann vom Chef so hingenommen. Man hätte die Arbeitssituation als „polnisch“ bezeichnen können. Wir hatten teilweise echt „Fetz“ und es war für mich eher eine Belustigung, bei der ich ordentlich Fahrpraxis sammelte, als ein ernsthafter Job.
Später dann, beim neuen Lieferdienst, welcher sich nur noch wenige Straßen von der Haustür entfernt befand, lernte ich puren Luxus kennen. Klar musste man da ab und an den Fußboden schrubben, Geschirr spülen oder Essensreste aus dem Abfluss fischen – ABER – es gab so etliche Vorzüge. Jeder im Team war total gelassen und witzig. Es lag permanent Motivation in der Luft und oft lief Techno während der Arbeitszeit. Manchmal hatte ich eher das Gefühl, auf eine Party mit jungen, coolen Leuten zu gehen, als dass ich hier arbeitete. Man kam an und legte gut gelaunt und rhythmisch los. Nicht rumzustehen war quasi die einzig wichtige Sache. Schön im Flow bleiben. Es gab zuverlässige Elektroroller, doppelt so viel Trinkgeld und jetzt kommt’s: Essen fast geschenkt. Leckeres, frisch zubereitetes Essen! Sogar ziemlich grün und gesund für einen Lieferservice. Als Rollerfahrer bekam man abnormal Rabatt und es standen zusätzlich permanent Gerichte rum, an denen man sich ausgiebig bedienen durfte. Quasi Fehlproduktionen oder einfach nette Grüße aus der Küche. Der Himmel auf Erden, denn ich war verfressen hoch 10. Kurz vor Küchenschluss orderte ich dann oft „Dinkel Pizzabrötchen“, eine „Tokio Bowl“ oder auch leckeres Curry. Der Freundin hing’s zuhause schon zu den Ohren raus. Außerdem gab’s hier sogar ne warme Dusche inklusive Waschmaschine. Für diese beiden Dinge werde ich im späteren Verlauf der Geschichte noch sehr dankbar sein.

Das Problem an der Situation war dann nur, dass ich Mühe hatte, alles unter einen Hut zu quetschen. Da waren die Anfahrtswege, die Sonderaufträge in den Gärten, bei denen ich noch Kram im Baumarkt organisieren sollte, aber auch Hund und Freundin, welche Aufmerksamkeit verdienten. Von Freunden und Hobbies ganz zu schweigen. Im Skateshop war Corona bedingt dann zu allem Übel auch noch die Hölle los. Maskenverweigerer, Großfamilien mit Kindern und andere taktlose Menschen, die sich nur wenig bis gar nicht in den Verkäufer gegenüber versetzen konnten, standen Schlange. Ja einer klaute sogar den Stapel „Skate Mag’s“ vor der Ladentür, weil unsere Kunden ihm seinen blöden Eimer nicht mit Wasser füllen wollten. Warum auch?! Frag mich nicht. Ich rannte ihm hinterher und nahm ihm die Zeitungen wieder ab. Idiot.

Jedenfalls baute sich so ein Zustand in mir auf, der letztendlich nur mit viel Ruhe gekontert werden konnte. Sensibel, wie ich war, fand ich diese Ruhe zuhause leider auch nur selten. Ich schraubte nach und nach erfolglos die Arbeitsstunden zurück, in unsere Beziehung schienen sich im Stress die wahren Charakterzüge zu zeigen und die Harmonie ging irgendwie komplett flöten. Jetzt im Nachhinein wird mir erstmal bewusst, dass da auch jede Menge Schuld auf meiner Seite lag. Damals machte ich meine Freundin, ihre Katzen (welche mich teilweise wirklich gezielt ärgerten) oder die Kunden im Skateshop verantwortlich, anstatt mal vor der eigenen Tür zu kehren und zu erkennen, dass ich allein es war, der diese gestresste Welt erschaffen hatte. Das wird mir sogar jetzt gerade eben erst klar, jetzt wo ich dieses Buch schreibe und anfange zu reflektieren, die Perspektive zu wechseln.
Trotz allem sah ich mich gezwungen, die Beziehung zu beenden und zog aus. Ich bereute diese Entscheidung nie, sie war wohl bedacht.


Hin und her

„Ich will nen Transporter!“ Dieser Gedanke verankerte sich seit geraumer Zeit in meinem Oberstübchen, schon bevor ich meine gerade erwähnte Freundin kennenlernte. Nachdem ich Enno, der der bis jetzt am ehesten die Vaterrolle in meinem Leben einnahm, massig Angebote von Autos über WhatsApp schickte, bot sich dann irgendwann endlich die Möglichkeit, einen VW Caddy als Langversion zu erwerben. Enno hatte als wilder „Jungspund“ seine KFZ-Meisterprüfung fast verschlafen, dann aber doch erfolgreich absolviert. „Hahaha, Enno, ich hoffe wir sind nicht in einem Raum, während du das liest!“ Und nun stand er mir zur Seite und zeigte mir alle Tricks und Kniffe, die man bei einer Besichtigung beachten sollte. Ich checkte den vorläufigen Favoriten mit dem Fahrrad aus, gab dann grünes Licht und kaufte, nach einem weiteren kritischen Blick von Enno, mein erstes Auto. Verdammt, das fühlte sich gut an. Freiheit! Ich konnte nun überall hin und hatte ein funktionelles Auto. Geplant war ein Umbau zum Camper. Man kennt’s, glaub ich. Schon nach einigen kleinen Modifikationen fuhr ich das erste Mal, zusammen mit Lola, die es liebte, vom Beifahrersitz aus die vorbeiziehende Landschaft zu genießen, an die Ostsee. Nur mal so als Probe. Ganz spontan, abends nach der Arbeit. Nach der Arbeit. Das musste eben sein. Wir kamen irgendwann kurz vorm Morgengrauen an. Und ich hatte große Mühe, mit halboffenen Augen einen ruhigen Parkplatz zu finden, auf dem man noch etwas Schlaf nachholen konnte. Wir standen auf der obersten Plattform eines Parkhauses, da es mir hier am ruhigsten schien.
In dieser Nacht veränderten sich meine Ansichten nochmal grundlegend. Es gab nämlich folgendes Problem: Haare. Hundehaare. Und davon nicht wenig. Das hatte ich voll verpeilt. Lola war, glaub ich, eine der haarendsten Hündinnen. Wer weiß, wie viele Mützen man schon aus ihrem weichen Fell hätte stricken können. Weiches, aber verdammt nerviges Fell.
5 Sterne
Großartig  - 17.09.2023

Franz hat’s drauf.

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