Krieg und Liebe des Soldaten Hansi
John Roomann
EUR 25,90
EUR 15,99
Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 278
ISBN: 978-3-903155-28-2
Erscheinungsdatum: 24.04.2017
Hansi lernt in der englischen Kriegsgefangenschaft „seine“ Joanne kennen, doch das Glück ist nicht von Dauer. Immer wieder prägen nun Krieg und Liebe sein Leben, doch Hansi geht seinen Weg mit Mut und Zuversicht - immer mit der Erinnerung an Joanne im Herzen.
Hansis Jugend ohne Matrosenuniform
Nach diesen zusammengefassten Lebensgeschichten, welche im Laufe des Seins dann immer mit Trauer enden, drehen wir das Rad aber nochmals kurz in den freudigen Bereich zurück, in die Zeit, als klein Hansi eben seine Jugendjahre verbrachte.
Wie bereits erwähnt wurde Hansi nicht unmittelbar in der Schweiz, sondern ausnahmsweise in Osterath bei Krefeld anno 1924 geboren, da sein Vater dort für eine begrenzte Zeit arbeitete und die künftige Mutter von Hansi kennenlernte.
Nach der Rücksiedelung in die Schweiz wohnte Hansi mit seinen Eltern und Großeltern im gleichen Haus, wo er auch die ersten drei Kinderjahre und die ersten Schuljahre verbrachte. Danach bezogen die Eltern ihren eigenen Haushalt in Uzwil und so absolvierte Hansi die restlichen vier Primar- sowie die drei Sekundarschuljahre in Niederuzwil. Er war ein guter Schüler, wobei über die unartigen Seiten natürlich wie so oft rein gar nichts bekannt ist.
Mit Sicherheit wird aber auch er, im Rückschluss durch seine Jahre als Erwachsener, zwischendurch „Haudegen“, und kein Schäflein, gewesen sein. Es wäre spannend, dazu eine Filmrolle einlegen zu können, um seine Streiche und Jugendsünden bildlich oder mindestens in Worten zu rekapitulieren. Alles in allem wird es wohl, wie bei vielen anderen, in „normalem“ Rahmen abgelaufen sein.
Noch spannender wäre es indessen für die Schulzeit zu eruieren, wie denn seine Mädchengeschichten und vorpubertären Liebeleien vor sich gingen. Wer waren wohl all seine Schul-Schätzchen?
Da er immer einen guten Geschmack an den Tag legte, dürfte er sich wohl auch in frühen Jahren an die Hübschesten herangemacht haben. Da die Moral in jener Zeit, das heißt in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, noch intakt gewesen ist, weiß man zumindest nichts oder nicht viel von heimlichen Aktivitäten, also dürften sich die Annäherungen an das weibliche Geschlecht in Grenzen gehalten haben.
In der Phantasie würde man sich natürlich gerne täuschen, aber Anstand, Zucht und Ordnung hatten damals einen hohen Stellenwert. Und dem war gut so, obwohl auch heute nicht gleich alles schlecht ist.
Jedenfalls war „Händchenhalten“ in der Primar- oder gar erst in der Sekundarschule wohl bereits das höchste der Gefühle. Es gab ja damals wohl kaum bereits sogenannte Jugendzentren, wie wir es in den 70er Jahren und später beispielsweise in Bischofszell erlebten.
Dort ging während der Sekundarschulzeit dann doch hie und da ziemlich die Post ab. Das Wort „Kondom“ war einigen ganz früh entwickelten „Pärchen“ bereits sehr vertraut. Leider auch bereits der Konsum von Softdrogen. Solche Dinge dürften zu Hansis Zeit in den ländlichen Gefilden glücklicherweise unbekannt gewesen sein. Also lassen wir dieser guten alten Zeit auch ihren seriösen Anstrich. Jedenfalls brachte Hansi seine Schulzeit ohne anrüchige oder gefährliche Fummelgeschichten hinter sich. Ob dies dann allerdings so blieb, dürfte doch in Frage gestellt werden. Warum dies? Ganz einfach, er frönte bereits früh nach der Schulzeit seinem Lieblingssport, dem Eishockey, und wer die heutigen Eishockeyaner kennt, der weiß, dass diese zwar nicht im Trüben fischen, aber dennoch in allen Lebensbereichen ziemlich Gas geben können.
Eishockey ist ja auch kein Sport für „Bahnfahrer“ oder „Warmduscher“. Hier mussten und müssen schon echte Männer her. Dennoch lassen die Tagebücher, Erinnerungen und Erzählungen kein Wort durchschimmern, wie Hansi oder seine Kollegen dem weiblichen Geschlecht huldigten. Oder waren sie wirklich nur auf den Sport und die Lehre fokussiert? Trainierten und lernten sie nur in ihrer Freizeit? Blieben sie vorbildlich und seriös? Große Preisfrage!
Doch was heißt schon seriös, immerhin war und ist es nicht unseriös, sich an das weibliche Geschlecht heranzumachen, zumal ja auch diesbezüglich erste Erfahrungen gesammelt werden müssen.
Man sitzt bei all den Vermutungen wie auf Nadeln, möchte man doch einfach wissen, wie dies damals war und wie die holde männliche Jugend den Drang nach sexuellen Abenteuern in Angriff nahm. Vielleicht sitzen wir heute nur einem Trugschluss auf und es war nicht viel anders als heute, höchstens diskreter und öfters wohl im „Versteckten“.
Sicherlich konnte auch die Josefine Mutzenbacher, als eine der Pionierinnen von Sexgeschichten auf der Leinwand, noch nicht ihren stimulierenden Beitrag leisten. Lassen wir es also bei den Vermutungen und Retro-Projektionen, schließlich hat man sich noch immer fortgepflanzt oder „ohne Erfolg hart daran gearbeitet“.
Und so zogen die Jugendjahre, mit oder ohne heiße Geschichten, ins Land, bis die Weichen bald in eine andere, ganz unerwartete Richtung gestellt wurden.
KAPITEL 2
Der Krieg reißt den jungen "Hansi“ aus seinen Träumen …
Der Kalender an der Wand zeigt mit großen, deutlichen Zahlen den 12. Oktober 1941.
Gestern habe ich, der Hansi, mit riesiger Freude meinen Geburtstag gefeiert. Viele Freunde aus dem Eishockeyclub sowie Arbeitskollegen und Verwandte haben mich dazu beglückwünscht. Nicht zu vergessen die weibliche Form, also Freundinnen und Arbeitskolleginnen.
17 Jahre jung, wie man so schön sagt, das ist einerseits eigentlich der Beginn der besten Jahre. Andererseits aber letztlich doch auch ein schlechter Jahrgang in dieser Zeit. ‚Warum denn das?’, würde sich jede und jeder unmittelbar fragen; für einen Jüngling mit 17 Lenzen kann es doch nur aufwärts gehen … Nur Geduld … ich werde dies sogleich aufklären.
So freudig ich nämlich an diesem Tag war, so ganz sorglos durfte ich trotzdem nicht auf der Straße meines Lebens weiterziehen. Die Zustände und Geschehnisse außerhalb der schweizerischen Landesgrenzen gaben doch Anlass zur Sorge und mir persönlich ein merkwürdiges inneres Gefühl der Unruhe. Hatte ich vielleicht geahnt, was noch alles kommen mochte?
Rings um unser schönes und vermeintlich sicheres Schweizerland, welches ich in all den Jahren meiner bisherigen Jugend zu schätzen und zu lieben gelernt habe, wütete ein brutaler und scheinbar unaufhaltsamer Krieg. Das Donnergrollen war da und dort in den Grenzgebieten sogar zu hören oder sonst ertönte dieses über den Äther des Radios. Viele unselig traurige Informationen musste man über sich ergehen lassen, hatte man diesen Informationskanal auf Empfang.
Deutschland, ein Land, dessen Staatsbürger ich wegen meiner bereits genannten Urahnen auf dem Papier noch war, scheint alles überrumpeln zu wollen. Auch die Schlagzeilen in den Zeitungen und den Illustrierten verhießen weiterhin nur Ungutes. Überall ertönten die Alarm- und Hilferufe der bedrohten Länder beziehungsweise von deren Bevölkerung. Die deutschen Nachrichten- und Propaganda-Agenturen verkündeten mit extra eingeschalteten Sondermeldungen die Siegeszüge ihrer Streitkräfte, dies sowohl zu Lande wie auch zu Wasser oder in der Luft. Fast auf der ganzen Welt herrschte Angst und Sorge um die Zukunft. Eigentlich war es nur ein verhältnismäßig kleiner Teil von Fanatikern, der sich von dem Siegesrausch der Deutschen anstecken und mitreißen ließ. In Deutschland selbst war es allerdings die überwiegende Mehrheit, welche sich von den Fanfarenklängen berauschen ließ und ihren Adolf als einen von Gott gesandten Mann betrachtete und anbetete.
Doch wer mag es ihnen aus damaliger Sicht verdenken? Das deutsche Volk war am Boden, teils weil es von Fremden ausgebeutet worden war, teils durch Eigenverschulden. Natürlich haben die vielen Geschichtsbücher und Dokumente aus jener Zeit alle möglichen Facetten, Gründe und dem Urinstinkt folgende Motive für das Geschehene ausgeleuchtet. Man kann zwar den Auslöser des Krieges absolut verstehen, nicht aber die darauffolgenden Auswirkungen und Eskalationen.
Doch leider scheinen die heutigen Politiker, obwohl sie dies stets betonen, nichts aus der Geschichte gelernt zu haben. Denn es zeichnen sich für die mittelfristige Zukunft bereits wieder gewisse Tendenzen durch die Völkerwanderung ab. Allein wegen der Zuwanderung aus Ländern bzw. von Menschen, die eigentlich nicht oder höchstens teilweise in unsere offene, tolerante, moderne und wirtschaftsorientierte Welt passen.
Ganz zu schweigen von den religiösen Diskrepanzen. Man möchte fast sagen: „Wehret wieder mal den Anfängen.“ Bereits im 11. Jahrhundert, um ganz weit zurückzublenden, liefen solche Völkerwanderungen aus östlichen oder südlichen Hemisphären ab. Und bereits damals kam es zur Eskalation, wobei Karl der Große die Zuwanderung massiv zurückdrängen konnte. Wie wäre es wohl gekommen, hätten solche Maßnahmen nicht stattgefunden? Vielleicht besser, vielleicht schlechter, alles reine Spekulation.
Es war in der Vergangenheit jedoch immer so, dass gewisse Kulturen oder Religionen nicht wirklich zueinander passten. Dies soll hier in diesem Buch aber absolut keine Wertung in Bezug auf „gut oder schlecht“ beziehungsweise „richtig oder falsch“ bedeuten. Denn jede Kultur hat ihre absolute Berechtigung, allein aufgrund der vielen kulturellen Traditionen. Bei den Religionen tauchen dann aber schnell differenzierte Meinungen auf. Kaum eine Religion hat letztlich in der ganzen Weltgeschichte eine weiße Weste.
Aber gerade weil schlicht und einfach sehr unterschiedliche Glaubensrichtungen bestehen, kann ein friedliches Zusammengehen leider nie und nimmer stattfinden. Schade eigentlich, sollte doch der Mensch, welcher überall auf der Welt aus Fleisch und Blut besteht, eine andere Vernunft und Wertschätzung gegenüber seinem irdischen Sein an den Tag legen.
Aber es ist ja hinlänglich bekannt, dass Macht und Gier der Ursprung von vielen bösen Entwicklungen sind. Auch die meisten Religionen sind aufgrund von Macht und Geld in die verschiedenen Kriege gezogen.
Wie wäre doch die Welt ohne Menschen, nur mit der instinktiven Schöpfung von Tieren und Pflanzen, ergänzt mit den wichtigen Elementen Luft, Wasser und Feuer? Sie würde sich mit an hundert Prozent grenzender Wahrscheinlichkeit viel fairer und sehr gesund entwickeln … und dereinst vielleicht trotzdem untergehen oder im Weltall versinken. In jedem Fall kann der Zufriedene und Normalsterbliche viele Veränderungen sowie Fehlentwicklungen der Neuzeit nicht (mehr) nachvollziehen.
Aber gehen wir doch nach diesem kurzen Ausflug in die ungereimte Neuzeit wieder zurück zu mir, dem „lieben“ Hansi …
Die fünf Buchstaben „Krieg“ beschäftigen oft auch meine, Hansis, Gedanken. Doch ich versuche, meine Angstgefühle, welche sich von Woche zu Woche, vielleicht von Tag zu Tag in mein Herz schleichen wollen, zu unterdrücken und weit wegzuscheuchen. Es ist die urtümliche Angst vor einer Einberufung zum deutschen Militärdienst.
An allen Ecken wird eifrig politisiert, Pro- und Contra-Nazis geraten in Feindschaft, viele innige Freundschaften brechen dadurch auseinander. Der Gesprächsstoff geht mehr denn je nicht mehr so schnell aus; die „bösen“ Deutschen mit ihrem Adolf Hitler stehen seit nunmehr zwei Jahren im Mittelpunkt des tragischen Weltgeschehens.
Mich kümmert dies, mit Ausnahme meiner bereits erwähnten und gefühlten Sorgen, nicht. Politik ist und war noch nie mein Fach und somit auch nicht meine Stärke, ein Bereich, der mir rein gar nichts bedeutet. Ich stecke mitten in meiner Berufslehre als Mühlenbauer und ihr soll meine ganze Aufmerksamkeit – also doch nicht den Mädels – geschenkt werden.
Jeden Morgen fahre ich mit der Bahn freudig nach Gossau, wo ich bei der bekannten Mühlebaufirma Küng die Grundsteine für mein zukünftiges Berufsleben lege. Wenn ich allerdings wüsste, mit wie vielen düsteren Wolken meine nahe Zukunft behangen ist, wäre es wahrscheinlich um meine Heiterkeit geschehen. Bis zu dieser Stunde kenne ich den Ernst des Lebens noch nicht.
Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich ja fast alles, was mein Herz begehrt – also doch auch Mädels? –, ein sorgenfreies Leben, wie man es als einziges Kind von treu besorgten Eltern hat. Und in der Freizeit darf ich bekanntlich auch meinem bis dahin liebsten Hobby, dem Fußballspielen, frönen. Fußball spiele ich sogar abends auf der Straße vor dem Haus, und wenn genügend Kollegen anwesend sind, geht’s jeweils auf die Spielwiese beim Kino Alba. Schonungslos werden die schönsten Halbschuhe strapaziert und vereinzelt muss auch eine kaputte Fensterscheibe ersetzt und bezahlt werden.
Hansi hätte also vor seiner Eishockey-Karriere durchaus auch ein Fußball-Star werden können, wenn das Wörtchen „Wenn“ nicht wäre.
In diese Zeit fällt sodann auch die Gründung eines Eishockeyclubs in Uzwil, bei welchem Hansi als Mitbegründer in die Geschichte des Vereins eingeht. Mit einigen Freunden wurden im Restaurant Freudenberg, der damals besten „Hühnchen-Beiz“ weit und breit, die wichtigsten Rahmenbedingungen beschlossen; es mussten daraufhin nur noch die Statuten ausgearbeitet werden.
Mit dem Einzug des Winters ist die Sache perfekt und mit großem Idealismus werden die ersten Spiele unter freiem Himmel auf der Eisbahn an der Schützenstraße zur Austragung gebracht. Als Bande dienten die Schalungsbretter der Baufirma Gianini. Diese Bretter mussten also vor jedem Spiel dort abgeholt und danach gleich wieder zurückgebracht werden. Ein alter Zweiradkarren diente dabei als Transportmittel. Nach großem Schneefall wurde sogar ein alter, antiker Hornschlitten für den Transport ausgelehnt. So oder so, jeder Aufwand wurde mit großem Eifer und Einsatz bewältigt. Die Beteiligten hatten viel Freude an dieser neuen sportlichen Betätigung.
Wenn man die Bilder der damaligen Ausrüstungen betrachtet, zwingt es einem schon mindestens ein Schmunzeln auf die Lippen, vor allem im Vergleich mit dem heutigen Professionalismus; eine offene Eisbahn ist heute schon nahezu ein „Elend“.
Jedenfalls ging es damals mit Knickerbocker-Hosen und vom Konsumverein gestifteten Coop-Leibchen aufs Eis. Und schon bald lehren die Uzwiler Cracks die Gegner in den ersten Spielen das Fürchten. Es ist nicht übertrieben, wenn man von den „Feinden“ aus St. Gallen, Gossau und Uznach spricht.
Und ich, Hansi, gehe vollkommen auf, wenn ich das Eisfeld in Beschlag nehme. Es dauerte nicht lange, bis ich den Spitznamen „Schüfeler Zimi“ erhielt. Vor meinen hohen Schüssen und dem „geschaufelten“ Puck waren nicht mal die Platzlampen sicher. Bereits beim Startspiel in die Meisterschaft wurden derer zwei „eliminiert“.
Jugendlicher Übermut ist Trumpf; so wie in der Berufslehre und im Sport scheint alles von Erfolg gekrönt zu sein. Wie lange wohl noch?
So langsam reduzierte sich meine Sorglosigkeit wieder, denn nach zwei weiteren verflossenen Kriegsjahren machte sich, diesmal viel stärker als mit 17 Lenzen, eine düstere Vorahnung in meinem Herzen bemerkbar.
Inzwischen ist es Frühling 1942. Einige meiner Verwandten und Bekannten in Deutschland sind bereits zur Ausbildung als Soldat in die Kasernen einberufen worden. Mein Cousin, um zwei Jahre älter als ich, ist bereits auf dem Schlachtschiff „Prinz Eugen“ als Funker im Wehrdienst. Er schreibt mir immer wieder „Werbebriefe“, sodass man sich im jugendlichen Leichtsinn beinahe für diese erzwungene Lebensweise begeistern könnte. Er schreibt von dem abwechslungsreichen Betrieb auf dem Schiff, von den schönen Stunden in den verschiedenen Häfen, von den hübschen Mädchen, welche vor allem für die Matrosen schwärmen. Offensichtlich Erlebnisse und nochmals Erlebnisse, die einem das verängstigte Herz beinahe höher schlagen lassen.
Trotzdem, ich bleibe mit beiden Füßen auf dem Boden und möchte mit niemandem die Lage tauschen: „Lieber einen Sperling in der Hand, als einen Spatz auf dem Dach.“ Doch meine selbst erklärte Bodenhaftung beginnt nach und nach zu bröckeln.
Gegen Mitte des Jahres 1942 weht meine leider nie erloschene Vorahnung mit relativ hoher Windstärke in mein Herz, mein Hirn … kurzum in meine Realität.
Nach diesen zusammengefassten Lebensgeschichten, welche im Laufe des Seins dann immer mit Trauer enden, drehen wir das Rad aber nochmals kurz in den freudigen Bereich zurück, in die Zeit, als klein Hansi eben seine Jugendjahre verbrachte.
Wie bereits erwähnt wurde Hansi nicht unmittelbar in der Schweiz, sondern ausnahmsweise in Osterath bei Krefeld anno 1924 geboren, da sein Vater dort für eine begrenzte Zeit arbeitete und die künftige Mutter von Hansi kennenlernte.
Nach der Rücksiedelung in die Schweiz wohnte Hansi mit seinen Eltern und Großeltern im gleichen Haus, wo er auch die ersten drei Kinderjahre und die ersten Schuljahre verbrachte. Danach bezogen die Eltern ihren eigenen Haushalt in Uzwil und so absolvierte Hansi die restlichen vier Primar- sowie die drei Sekundarschuljahre in Niederuzwil. Er war ein guter Schüler, wobei über die unartigen Seiten natürlich wie so oft rein gar nichts bekannt ist.
Mit Sicherheit wird aber auch er, im Rückschluss durch seine Jahre als Erwachsener, zwischendurch „Haudegen“, und kein Schäflein, gewesen sein. Es wäre spannend, dazu eine Filmrolle einlegen zu können, um seine Streiche und Jugendsünden bildlich oder mindestens in Worten zu rekapitulieren. Alles in allem wird es wohl, wie bei vielen anderen, in „normalem“ Rahmen abgelaufen sein.
Noch spannender wäre es indessen für die Schulzeit zu eruieren, wie denn seine Mädchengeschichten und vorpubertären Liebeleien vor sich gingen. Wer waren wohl all seine Schul-Schätzchen?
Da er immer einen guten Geschmack an den Tag legte, dürfte er sich wohl auch in frühen Jahren an die Hübschesten herangemacht haben. Da die Moral in jener Zeit, das heißt in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, noch intakt gewesen ist, weiß man zumindest nichts oder nicht viel von heimlichen Aktivitäten, also dürften sich die Annäherungen an das weibliche Geschlecht in Grenzen gehalten haben.
In der Phantasie würde man sich natürlich gerne täuschen, aber Anstand, Zucht und Ordnung hatten damals einen hohen Stellenwert. Und dem war gut so, obwohl auch heute nicht gleich alles schlecht ist.
Jedenfalls war „Händchenhalten“ in der Primar- oder gar erst in der Sekundarschule wohl bereits das höchste der Gefühle. Es gab ja damals wohl kaum bereits sogenannte Jugendzentren, wie wir es in den 70er Jahren und später beispielsweise in Bischofszell erlebten.
Dort ging während der Sekundarschulzeit dann doch hie und da ziemlich die Post ab. Das Wort „Kondom“ war einigen ganz früh entwickelten „Pärchen“ bereits sehr vertraut. Leider auch bereits der Konsum von Softdrogen. Solche Dinge dürften zu Hansis Zeit in den ländlichen Gefilden glücklicherweise unbekannt gewesen sein. Also lassen wir dieser guten alten Zeit auch ihren seriösen Anstrich. Jedenfalls brachte Hansi seine Schulzeit ohne anrüchige oder gefährliche Fummelgeschichten hinter sich. Ob dies dann allerdings so blieb, dürfte doch in Frage gestellt werden. Warum dies? Ganz einfach, er frönte bereits früh nach der Schulzeit seinem Lieblingssport, dem Eishockey, und wer die heutigen Eishockeyaner kennt, der weiß, dass diese zwar nicht im Trüben fischen, aber dennoch in allen Lebensbereichen ziemlich Gas geben können.
Eishockey ist ja auch kein Sport für „Bahnfahrer“ oder „Warmduscher“. Hier mussten und müssen schon echte Männer her. Dennoch lassen die Tagebücher, Erinnerungen und Erzählungen kein Wort durchschimmern, wie Hansi oder seine Kollegen dem weiblichen Geschlecht huldigten. Oder waren sie wirklich nur auf den Sport und die Lehre fokussiert? Trainierten und lernten sie nur in ihrer Freizeit? Blieben sie vorbildlich und seriös? Große Preisfrage!
Doch was heißt schon seriös, immerhin war und ist es nicht unseriös, sich an das weibliche Geschlecht heranzumachen, zumal ja auch diesbezüglich erste Erfahrungen gesammelt werden müssen.
Man sitzt bei all den Vermutungen wie auf Nadeln, möchte man doch einfach wissen, wie dies damals war und wie die holde männliche Jugend den Drang nach sexuellen Abenteuern in Angriff nahm. Vielleicht sitzen wir heute nur einem Trugschluss auf und es war nicht viel anders als heute, höchstens diskreter und öfters wohl im „Versteckten“.
Sicherlich konnte auch die Josefine Mutzenbacher, als eine der Pionierinnen von Sexgeschichten auf der Leinwand, noch nicht ihren stimulierenden Beitrag leisten. Lassen wir es also bei den Vermutungen und Retro-Projektionen, schließlich hat man sich noch immer fortgepflanzt oder „ohne Erfolg hart daran gearbeitet“.
Und so zogen die Jugendjahre, mit oder ohne heiße Geschichten, ins Land, bis die Weichen bald in eine andere, ganz unerwartete Richtung gestellt wurden.
KAPITEL 2
Der Krieg reißt den jungen "Hansi“ aus seinen Träumen …
Der Kalender an der Wand zeigt mit großen, deutlichen Zahlen den 12. Oktober 1941.
Gestern habe ich, der Hansi, mit riesiger Freude meinen Geburtstag gefeiert. Viele Freunde aus dem Eishockeyclub sowie Arbeitskollegen und Verwandte haben mich dazu beglückwünscht. Nicht zu vergessen die weibliche Form, also Freundinnen und Arbeitskolleginnen.
17 Jahre jung, wie man so schön sagt, das ist einerseits eigentlich der Beginn der besten Jahre. Andererseits aber letztlich doch auch ein schlechter Jahrgang in dieser Zeit. ‚Warum denn das?’, würde sich jede und jeder unmittelbar fragen; für einen Jüngling mit 17 Lenzen kann es doch nur aufwärts gehen … Nur Geduld … ich werde dies sogleich aufklären.
So freudig ich nämlich an diesem Tag war, so ganz sorglos durfte ich trotzdem nicht auf der Straße meines Lebens weiterziehen. Die Zustände und Geschehnisse außerhalb der schweizerischen Landesgrenzen gaben doch Anlass zur Sorge und mir persönlich ein merkwürdiges inneres Gefühl der Unruhe. Hatte ich vielleicht geahnt, was noch alles kommen mochte?
Rings um unser schönes und vermeintlich sicheres Schweizerland, welches ich in all den Jahren meiner bisherigen Jugend zu schätzen und zu lieben gelernt habe, wütete ein brutaler und scheinbar unaufhaltsamer Krieg. Das Donnergrollen war da und dort in den Grenzgebieten sogar zu hören oder sonst ertönte dieses über den Äther des Radios. Viele unselig traurige Informationen musste man über sich ergehen lassen, hatte man diesen Informationskanal auf Empfang.
Deutschland, ein Land, dessen Staatsbürger ich wegen meiner bereits genannten Urahnen auf dem Papier noch war, scheint alles überrumpeln zu wollen. Auch die Schlagzeilen in den Zeitungen und den Illustrierten verhießen weiterhin nur Ungutes. Überall ertönten die Alarm- und Hilferufe der bedrohten Länder beziehungsweise von deren Bevölkerung. Die deutschen Nachrichten- und Propaganda-Agenturen verkündeten mit extra eingeschalteten Sondermeldungen die Siegeszüge ihrer Streitkräfte, dies sowohl zu Lande wie auch zu Wasser oder in der Luft. Fast auf der ganzen Welt herrschte Angst und Sorge um die Zukunft. Eigentlich war es nur ein verhältnismäßig kleiner Teil von Fanatikern, der sich von dem Siegesrausch der Deutschen anstecken und mitreißen ließ. In Deutschland selbst war es allerdings die überwiegende Mehrheit, welche sich von den Fanfarenklängen berauschen ließ und ihren Adolf als einen von Gott gesandten Mann betrachtete und anbetete.
Doch wer mag es ihnen aus damaliger Sicht verdenken? Das deutsche Volk war am Boden, teils weil es von Fremden ausgebeutet worden war, teils durch Eigenverschulden. Natürlich haben die vielen Geschichtsbücher und Dokumente aus jener Zeit alle möglichen Facetten, Gründe und dem Urinstinkt folgende Motive für das Geschehene ausgeleuchtet. Man kann zwar den Auslöser des Krieges absolut verstehen, nicht aber die darauffolgenden Auswirkungen und Eskalationen.
Doch leider scheinen die heutigen Politiker, obwohl sie dies stets betonen, nichts aus der Geschichte gelernt zu haben. Denn es zeichnen sich für die mittelfristige Zukunft bereits wieder gewisse Tendenzen durch die Völkerwanderung ab. Allein wegen der Zuwanderung aus Ländern bzw. von Menschen, die eigentlich nicht oder höchstens teilweise in unsere offene, tolerante, moderne und wirtschaftsorientierte Welt passen.
Ganz zu schweigen von den religiösen Diskrepanzen. Man möchte fast sagen: „Wehret wieder mal den Anfängen.“ Bereits im 11. Jahrhundert, um ganz weit zurückzublenden, liefen solche Völkerwanderungen aus östlichen oder südlichen Hemisphären ab. Und bereits damals kam es zur Eskalation, wobei Karl der Große die Zuwanderung massiv zurückdrängen konnte. Wie wäre es wohl gekommen, hätten solche Maßnahmen nicht stattgefunden? Vielleicht besser, vielleicht schlechter, alles reine Spekulation.
Es war in der Vergangenheit jedoch immer so, dass gewisse Kulturen oder Religionen nicht wirklich zueinander passten. Dies soll hier in diesem Buch aber absolut keine Wertung in Bezug auf „gut oder schlecht“ beziehungsweise „richtig oder falsch“ bedeuten. Denn jede Kultur hat ihre absolute Berechtigung, allein aufgrund der vielen kulturellen Traditionen. Bei den Religionen tauchen dann aber schnell differenzierte Meinungen auf. Kaum eine Religion hat letztlich in der ganzen Weltgeschichte eine weiße Weste.
Aber gerade weil schlicht und einfach sehr unterschiedliche Glaubensrichtungen bestehen, kann ein friedliches Zusammengehen leider nie und nimmer stattfinden. Schade eigentlich, sollte doch der Mensch, welcher überall auf der Welt aus Fleisch und Blut besteht, eine andere Vernunft und Wertschätzung gegenüber seinem irdischen Sein an den Tag legen.
Aber es ist ja hinlänglich bekannt, dass Macht und Gier der Ursprung von vielen bösen Entwicklungen sind. Auch die meisten Religionen sind aufgrund von Macht und Geld in die verschiedenen Kriege gezogen.
Wie wäre doch die Welt ohne Menschen, nur mit der instinktiven Schöpfung von Tieren und Pflanzen, ergänzt mit den wichtigen Elementen Luft, Wasser und Feuer? Sie würde sich mit an hundert Prozent grenzender Wahrscheinlichkeit viel fairer und sehr gesund entwickeln … und dereinst vielleicht trotzdem untergehen oder im Weltall versinken. In jedem Fall kann der Zufriedene und Normalsterbliche viele Veränderungen sowie Fehlentwicklungen der Neuzeit nicht (mehr) nachvollziehen.
Aber gehen wir doch nach diesem kurzen Ausflug in die ungereimte Neuzeit wieder zurück zu mir, dem „lieben“ Hansi …
Die fünf Buchstaben „Krieg“ beschäftigen oft auch meine, Hansis, Gedanken. Doch ich versuche, meine Angstgefühle, welche sich von Woche zu Woche, vielleicht von Tag zu Tag in mein Herz schleichen wollen, zu unterdrücken und weit wegzuscheuchen. Es ist die urtümliche Angst vor einer Einberufung zum deutschen Militärdienst.
An allen Ecken wird eifrig politisiert, Pro- und Contra-Nazis geraten in Feindschaft, viele innige Freundschaften brechen dadurch auseinander. Der Gesprächsstoff geht mehr denn je nicht mehr so schnell aus; die „bösen“ Deutschen mit ihrem Adolf Hitler stehen seit nunmehr zwei Jahren im Mittelpunkt des tragischen Weltgeschehens.
Mich kümmert dies, mit Ausnahme meiner bereits erwähnten und gefühlten Sorgen, nicht. Politik ist und war noch nie mein Fach und somit auch nicht meine Stärke, ein Bereich, der mir rein gar nichts bedeutet. Ich stecke mitten in meiner Berufslehre als Mühlenbauer und ihr soll meine ganze Aufmerksamkeit – also doch nicht den Mädels – geschenkt werden.
Jeden Morgen fahre ich mit der Bahn freudig nach Gossau, wo ich bei der bekannten Mühlebaufirma Küng die Grundsteine für mein zukünftiges Berufsleben lege. Wenn ich allerdings wüsste, mit wie vielen düsteren Wolken meine nahe Zukunft behangen ist, wäre es wahrscheinlich um meine Heiterkeit geschehen. Bis zu dieser Stunde kenne ich den Ernst des Lebens noch nicht.
Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich ja fast alles, was mein Herz begehrt – also doch auch Mädels? –, ein sorgenfreies Leben, wie man es als einziges Kind von treu besorgten Eltern hat. Und in der Freizeit darf ich bekanntlich auch meinem bis dahin liebsten Hobby, dem Fußballspielen, frönen. Fußball spiele ich sogar abends auf der Straße vor dem Haus, und wenn genügend Kollegen anwesend sind, geht’s jeweils auf die Spielwiese beim Kino Alba. Schonungslos werden die schönsten Halbschuhe strapaziert und vereinzelt muss auch eine kaputte Fensterscheibe ersetzt und bezahlt werden.
Hansi hätte also vor seiner Eishockey-Karriere durchaus auch ein Fußball-Star werden können, wenn das Wörtchen „Wenn“ nicht wäre.
In diese Zeit fällt sodann auch die Gründung eines Eishockeyclubs in Uzwil, bei welchem Hansi als Mitbegründer in die Geschichte des Vereins eingeht. Mit einigen Freunden wurden im Restaurant Freudenberg, der damals besten „Hühnchen-Beiz“ weit und breit, die wichtigsten Rahmenbedingungen beschlossen; es mussten daraufhin nur noch die Statuten ausgearbeitet werden.
Mit dem Einzug des Winters ist die Sache perfekt und mit großem Idealismus werden die ersten Spiele unter freiem Himmel auf der Eisbahn an der Schützenstraße zur Austragung gebracht. Als Bande dienten die Schalungsbretter der Baufirma Gianini. Diese Bretter mussten also vor jedem Spiel dort abgeholt und danach gleich wieder zurückgebracht werden. Ein alter Zweiradkarren diente dabei als Transportmittel. Nach großem Schneefall wurde sogar ein alter, antiker Hornschlitten für den Transport ausgelehnt. So oder so, jeder Aufwand wurde mit großem Eifer und Einsatz bewältigt. Die Beteiligten hatten viel Freude an dieser neuen sportlichen Betätigung.
Wenn man die Bilder der damaligen Ausrüstungen betrachtet, zwingt es einem schon mindestens ein Schmunzeln auf die Lippen, vor allem im Vergleich mit dem heutigen Professionalismus; eine offene Eisbahn ist heute schon nahezu ein „Elend“.
Jedenfalls ging es damals mit Knickerbocker-Hosen und vom Konsumverein gestifteten Coop-Leibchen aufs Eis. Und schon bald lehren die Uzwiler Cracks die Gegner in den ersten Spielen das Fürchten. Es ist nicht übertrieben, wenn man von den „Feinden“ aus St. Gallen, Gossau und Uznach spricht.
Und ich, Hansi, gehe vollkommen auf, wenn ich das Eisfeld in Beschlag nehme. Es dauerte nicht lange, bis ich den Spitznamen „Schüfeler Zimi“ erhielt. Vor meinen hohen Schüssen und dem „geschaufelten“ Puck waren nicht mal die Platzlampen sicher. Bereits beim Startspiel in die Meisterschaft wurden derer zwei „eliminiert“.
Jugendlicher Übermut ist Trumpf; so wie in der Berufslehre und im Sport scheint alles von Erfolg gekrönt zu sein. Wie lange wohl noch?
So langsam reduzierte sich meine Sorglosigkeit wieder, denn nach zwei weiteren verflossenen Kriegsjahren machte sich, diesmal viel stärker als mit 17 Lenzen, eine düstere Vorahnung in meinem Herzen bemerkbar.
Inzwischen ist es Frühling 1942. Einige meiner Verwandten und Bekannten in Deutschland sind bereits zur Ausbildung als Soldat in die Kasernen einberufen worden. Mein Cousin, um zwei Jahre älter als ich, ist bereits auf dem Schlachtschiff „Prinz Eugen“ als Funker im Wehrdienst. Er schreibt mir immer wieder „Werbebriefe“, sodass man sich im jugendlichen Leichtsinn beinahe für diese erzwungene Lebensweise begeistern könnte. Er schreibt von dem abwechslungsreichen Betrieb auf dem Schiff, von den schönen Stunden in den verschiedenen Häfen, von den hübschen Mädchen, welche vor allem für die Matrosen schwärmen. Offensichtlich Erlebnisse und nochmals Erlebnisse, die einem das verängstigte Herz beinahe höher schlagen lassen.
Trotzdem, ich bleibe mit beiden Füßen auf dem Boden und möchte mit niemandem die Lage tauschen: „Lieber einen Sperling in der Hand, als einen Spatz auf dem Dach.“ Doch meine selbst erklärte Bodenhaftung beginnt nach und nach zu bröckeln.
Gegen Mitte des Jahres 1942 weht meine leider nie erloschene Vorahnung mit relativ hoher Windstärke in mein Herz, mein Hirn … kurzum in meine Realität.