Einfluss der Großmächte auf die Entwicklung des Iran

Einfluss der Großmächte auf die Entwicklung des Iran

Geschichte des Iran

Dr. Amir Keyany


EUR 23,90
EUR 19,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 424
ISBN: 978-3-99130-290-2
Erscheinungsdatum: 16.08.2023
Ich habe die Revolution 1979 gegen den Schah im Iran miterlebt. Solange das Mullah-Regime durch religiöse Tyrannei, Korruption, Vetternwirtschaft und Folter im Iran herrscht, wird es keinen Frieden und keine Freiheit im Nahen und im Fernen Osten geben …
1. Einleitung


Die Geschichte des Iran spiegelt die Komplexität der politischen Landschaft im Nahen Osten mit vielen kulturellen und religiösen Widersprüchen wider. Aufgrund der geopolitischen Lage des Iran und der Erdöl- und Erdgasressourcen erweckte das Land im letzten Jahrhundert großes Interesse der Großmächte. Der Iran war in seiner Geschichte zwar nie als Kolonialland besetzt gewesen, durchlebte aber die größten Machtkämpfe zwischen den rivalisierenden Großmächten. Die Geschichte des Iran verdeutlicht, wie schwer es mit den oben beschriebenen Voraussetzungen ist, einen normalen Entwicklungsprozess zu durchlaufen. Es ist interessant, zu erfahren, wie viel Leid und Opfer die iranische Bevölkerung seit der Konstitutionellen Revolution (1905–1911) für eine demokratische, politisch unabhängige Regierungsform bis heute gebracht hat. Ich behaupte sogar, dass es nirgendwo auf der Welt in den letzten 50 Jahren so viele politische Bewegungen mit so vielen politischen Gefangenen, die gefoltert und hingerichtet worden sind, wie im Iran gegeben hat. In diesem Buch werde ich versuchen, neben den politischen Ereignissen im Iran, auf die politische und militärische Einmischung der Großmächte im Iran einzugehen, um zu verdeutlichen, dass sich das Land durch die permanenten militärischen und politischen Einmischungen nicht normal entwickeln konnte. Seit der Revolution 1979 erlebt das Land die dunkelste Epoche seiner Geschichte und die Entstehung der religiösen Tyrannei als islamischer Gottesstaat im Iran hatte gravierenden Einfluss nicht nur auf den Nahen Osten, sondern auf die ganze Welt. Es wird über die Kausalität der Entstehung der Islamischen Republik bei der Revolution 1979 und auch auf die Rolle des Westens beim Sturz des Schahs und der Machtübernahme von Khomeini eingegangen. Hier ist zuerst die Zusammenfassung meiner Sichtweise als Einleitung.

Die politische und militärische Einmischung der Großmächte im Iran geschieht bereits seit dem 18. Jahrhundert. Damals war der Iran (vormals Persien) Spielball zwischen dem britischen Imperium und der Großmacht Russland. Im Jahr 1901 sicherten sich die Briten langfristig durch ein Abkommen mit der damaligen schwachen Regierung die Explorationsrechte für Erdöl im Süden des Landes. Als dann im Jahr 1907 die ersten Erdölfelder entdeckt wurden, begann der lukrative Erdölexport. Die britische Regierung annektierte die erdölreiche Provinz Khozestan im Süden des Iran und kontrollierte die Region über Jahrzehnte eigenmächtig. Die Briten erbauten im Jahr 1930 die größte Erdölraffinerie der Welt in meiner Geburtsstadt Abadan. Nach dem Zweiten Weltkrieg verließen zwar die britischen Soldaten das Land, aber die britische Regierung behielt die Kontrolle über die Erdölfelder. Erst durch den nationalen Volksaufstand unter der Führung von Mohammed Mossadegh im Jahr 1951 konnte die Erdölindustrie nach mehreren landesweiten Protesten und internationalen Gerichtsverfahren verstaatlicht werden.

Die Niederlage des britischen Imperiums im Iran löste eine Welle von nationalistischen Bewegungen gegen das britische Imperium in der Region, insbesondere in Ägypten aus. Das Ende des britischen Imperiums wurde im Iran durch das Erscheinen der neuen Weltmacht USA besiegelt. Diese verdrängte mit der Zeit die Briten und übernahm den Platz des alten Rivalen.

Der erste Schauplatz dieser Machtkämpfe um die Kontrolle der Erdöl- und Erdgasressourcen war der Iran. Der Militärputsch im Jahr 1953 gegen die demokratische Regierung von Mossadegh erfolgte durch die erste Zusammenarbeit der amerikanischen und britischen Geheimdienste CIA und MI6 mit einer weitreichenden negativen Wirkung auf die Entwicklung des Iran. Durch den Militärputsch im Iran sendeten die damaligen westlichen Mächte eine klare Botschaft an die weiteren nationalen Bewegungen in der Region, dass eine politisch unabhängige nationale Regierung nicht geduldet wird. Die negative Auswirkung dieses Militärputsches veränderte die politische und gesellschaftliche Entwicklung des Iran nachhaltig bis heute.
Dies verursachte eine tiefe Wunde mit langanhaltendem Misstrauen in der iranischen Bevölkerung gegenüber den westlichen Ländern, besonders gegen die britische und die amerikanische Regierung. Die politischen und militärischen Einmischungen der Globalmächte führten zu kollektiven posttraumatischen Belastungsstörungen, die sich in den politischen Stimmungen bei der Revolution 1979 gegen den Schah als engen Verbündeten des Westens widerspiegelten. Im Gegensatz zu den Briten übernahm die US-Regierung später die Verantwortung für den Militärputsch gegen Mossadegh und die damalige US-Außenministerin Albright entschuldigte sich bei der iranischen Bevölkerung. Nach dem Putsch wurde der nach Italien geflohene Schah Mohammad Reza nach Teheran zurückgebracht und Mohammad Mossadegh in einem Scheinverfahren verurteilt und bis zu seinem Tod unter Hausarrest gestellt.

Das Schicksal von Schah Mohammad Reza wurde von Anfang an durch die Großmächte bestimmt. Er erlebte als Jugendlicher, wie die britische Regierung seinen Vater mit der Begründung der politischen Nähe zu Hitler während des Zweiten Weltkriegs stürzte und aus dem Iran verbannte. Als Kompromiss wurde Schah Mohammad Reza durch die Alliierten als König anstelle seines Vaters eingesetzt. Nach dem Sturz von Mossadegh kam Schah Mohammad Reza zum zweiten Mal als Monarch durch die Hilfe der ausländischen Mächte an die Macht. Er musste als junger, unerfahrener Schah hilflos mitansehen, wie der iranische Premierminister von der US-Regierung bestimmt wurde. Die US-Regierung beanspruchte durch die Beteiligung der CIA beim Sturz von Mossadegh ihren Anteil bei den Verteilungsrechten der iranischen Erdölindustrie. So einigten sich im Jahr 1954 die rivalisierenden Weltmächte in einem Abkommen auf die Verteilung des lukrativen Erdölgeschäfts. Mit dem neuen Abkommen erhielten die britischen und amerikanischen Erdölkonzerne jeweils 40 % und die französischen und niederländischen Konzerne je 10 % der Erdölexportrechte für 25 Jahre. Somit endete das Abkommen nach 25 Jahren im Jahr 1979. Interessant ist das Enddatum des Erdölabkommens zwischen dem Iran und den vier westlichen Erdölkonzernen, nämlich das Jahr 1979, in dem die Pahlevi-Dynastie durch eine Revolution endete und Khomeini eine Islamische Republik im Iran gründete, die nicht nur den Iran, sondern die ganze Region und die Weltgemeinschaft veränderte. Ich werde meine Sicht über die Kausalität der Entstehung der Islamischen Republik und den plötzlichen Sturz von Schah Mohammad Reza später detailliert erläutern und die Frage aufwerfen, inwieweit die vom Schah angekündigte Beendigung der Verträge mit den mächtigen Erdölkonzernen einerseits und die Zunahme der regionalen Machtansprüche des Schahs andererseits für die Beendigung der Pahlevi-Dynastie eine Rolle gespielt haben.

Schah Mohammad Reza sehnte sich wie sein Vater nach einem modernen Iran nach westlichem Muster. Aber seine Vorstellung über den Westen bezog sich nicht auf eine demokratische Regierungsform und Pluralismus oder ein Mehrparteiensystem, sondern auf den industriellen und militärischen Fortschritt des Westens. Seinen Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem Westen kompensierte der Schah mit massiver militärischer Aufrüstung, Verbreitung des westlichen Lebensstils und westlicher Kultur, was im krassen Kontrast zur iranischen Kultur und Tradition stand. Der Schah konnte durch die massive westliche Unterstützung eine absolutistische Monarchie aufbauen, die gegensätzlich zur noch gültigen iranischen Verfassung nach der Konstitutionellen Revolution 1905–1911 war. Im Laufe der Zeit konnte der Schah das ganze Machtgefüge in seine Hand bringen und durch seine enge Beziehung zu den USA zum stärksten Mann der Region aufsteigen. Der iranische Geheimdienst SAVAK wurde durch die kräftige Unterstützung der CIA, des MI6 und des Mossad zu einer der stärksten Geheimdienste der Region aufgebaut, der durch Verhaftung, Folter und Hinrichtung von Oppositionellen für die Ausbreitung der Repression sorgte.

Um das Land für die kapitalistische Marktwirtschaft zu öffnen, benötigte man eine komplette Änderung des vorhandenen Wirtschaftssystems. Die Rahmenbedingungen für eine gesellschaftliche Umwälzung von einem feudalistischen System zu einem modernen kapitalistischen Wirtschaftssystem waren durch die Erdöleinnahmen vorhanden. Im Jahr 1964 setzte der Schah nach japanischem Muster durch eine Landreform die Basis für eine gravierende gesellschaftliche und ökonomische Veränderung gegen den massiven Widerstand der Oppositionellen durch. Zu dieser Reform gehörte auch die Wahlberechtigung für Frauen, die auf massive Proteste der islamischen Kleriker und Teile der Bevölkerung aus der Provinz und religiösen Städten stieß. Hier machte Khomeini zum ersten Mal durch seine harsche Kritik am Schah auf sich aufmerksam. Khomeini griff die Einführung der westlichen Kultur und die Wahlberechtigung für Frauen scharf an und rief zu den Protesten gegen die Landreform auf. Im Mai 1964 kam es zu Demonstrationen in der religiösen Stadt Ghom, die von der Armee niedergeschlagen wurden. Dabei starben dutzende Menschen und Khomeini wurde verhaftet. Es folgten auch in anderen Städten Proteste, die niedergeschlagen wurden. Khomeini wurde später aus dem Land in den Irak verbannt. Bei der Protestbewegung im Jahr 1964 kam es zum ersten Mal zu einem bunten Bündnis zwischen unterschiedlichen politischen Strömungen von islamischen Fundamentalisten bis Nationaldemokraten und Linken, die mit vereinten Kräften gemeinsam gegen den Schah als Symbol für westliche Unterdrückung auf die Straße gingen.

Die Einigung dieser widersprüchlichen politischen Konstellation kann man nur mit den tiefen Wunden aus den früheren politischen und militärischen Einmischungen der Großmächte im Iran erklären, die sich bis zur Revolution 1979 gegen den Schah als Symbol des US-Imperialismus fortsetzten. Nach diesem Ereignis verschärfte der Schah die Repressionen durch die Gräueltaten des damaligen Geheimdienstes SAVAK. Durch diese Verschärfung blieb kein politischer Raum für eine parlamentarische Opposition, die zur Radikalisierung der Opposition führte.
Die damalige jüngere Generation, die durch die antiimperialistische Stimmung wegen des Vietnamkriegs und der Befreiungskämpfe sowie Guerillakämpfe in Lateinamerika und Palästina beeinflusst wurde, suchte nach einem neuen Weg. So entstanden Ende der Sechzigerjahre zwei Untergrundorganisationen fast gleichzeitig, aber unabhängig voneinander, eine marxistisch-leninistische Organisation „Fedajin“, unabhängig von der kommunistischen Sowjetunion, und die islamische „Volksmojahedin“ mit einer neuen Interpretation des Islams, die vom Schah und später von Khomeini als islamische Marxisten bezeichnet wurden. Aufgrund des Kalten Krieges und der geopolitischen Lage des Iran profitierte der Schah aus den militärischen Spannungen zwischen den kapitalistischen und kommunistischen Systemen, um seine Ziele zu verwirklichen.

Außerdem ermöglichte die veränderte US-Strategie während der Präsidentschaft Nixons, als Nixon-Doktrin vom 25. Juli 1969 bekannt, dem Schah die historische Gelegenheit, seinen illusorischen Machtansprüchen näher zu kommen. Der US-Präsident Nixon zog aus der militärischen Niederlage in Vietnam den Entschluss, amerikanisches Militär nicht mehr ins Ausland zu entsenden, und die westlichen Verbündeten sollten selbst die Möglichkeit bekommen, durch den Aufbau ihres Militärs die westlichen Interessen mit eigenen Kräften zu verteidigen. Die Nixon-Doktrin besagte: „Dieses Konzept setzt voraus, dass wir bereit sind, unseren Partnern bei der Entwicklung ihrer eigenen Fähigkeiten zu helfen. Wir müssen unsere Hilfe jedoch sorgfältig dosieren: Helfen wir zu wenig …, so verlieren sie möglicherweise den unbedingt erforderlichen Willen zur Selbstverteidigung und die Hoffnung auf eine positive Entwicklung. Wenn wir aber zu viel helfen, wenn amerikanische Truppen die Aufgaben übernehmen, die eigentlich von den einheimischen Streitkräften erledigt werden sollten, dann fördern wir nicht Unabhängigkeit, sondern Abhängigkeit.“ (Der Spiegel 01.03.1970, Die Nixon-Doktrin) Dazu kam zusätzlich die enge persönliche Beziehung zwischen dem Schah und dem US-Präsidenten Nixon, die für den rasanten Aufstieg des Schahs in der Region sorgte. Der Schah investierte die Erdöleinnahmen in die Modernisierung der Armee und kaufte um dreistellige Millionenbeträge Rüstungsgüter aus den westlichen Ländern. Anfang der Siebzigerjahre betrugen die Militärausgaben über 40 % der gesamten Jahreseinnahmen des Landes. Die iranische Armee stieg zur modernsten Armee der Welt auf und stand auf dem fünften Rang der stärksten Armeen der Welt.

Schah Mohammad Reza galt als enger Verbündeter des Westens und vertrat die geopolitischen Interessen des Westens in der Region, und als erstes islamisches Land erkannte man den Staat Israel an und pflegte eine gute Beziehung zu Israel. Innerhalb einiger Jahre stieg der Schah zum stärksten Mann im Iran und in der Region auf. Im Jahr 1971 feierte der Schah das 2.500-jährige persische Königreich mit einer Megaveranstaltung, an der die wichtigsten politischen Persönlichkeiten der Welt teilnahmen. Diese hollywoodreife Inszenierung fand abgeschottet in den historischen Ruinen von Persepolis im Südwesten des Landes ohne die Beteiligung der iranischen Bevölkerung statt. Mit dem Ausbau seiner Machtposition duldete der Schah keine Kritik mehr und entwickelte einen Größenwahn für die eigene Unbesiegbarkeit.

Im Jahr 1973 machte der Schah seinen größten strategischen Fehler, als er öffentlich keine Verlängerung der Erdölverträge mit den westlichen Konzernen nach dem Ablauf des Abkommens ankündigte. Er sagte sinngemäß, dass sich die Erdölkonzerne erst mal hinten in der Warteschlange für die Erdölverträge anstellen mussten, bis sie an der Reihe sind. Auch die Position des Schahs bei der Erhöhung des Erdölpreises in der OPEC sorgte für Verärgerung bei den westlichen Verbündeten.

Der Schah verdrängte die Tatsache, dass er nur durch die politische und militärische Unterstützung des Westens zum „Gendarm der Region“ aufsteigen konnte und seine Armee nur durch die permanente Unterstützung der US-Armee voll funktionsfähig war. Die neuen hegemonialen, nationalistischen Machtansprüche des Schahs standen im Widerspruch zu den wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen der Großmächte. Die US-Strategen beschlossen, durch den politischen Druck auf den Schah seine Machtposition zu schwächen und ihn daran zu erinnern, dass er nur durch deren Unterstützung so mächtig geworden war.

Als der demokratische Präsident Jimmy Carter im Jahr 1977 an die Macht kam, kritisierte er die Menschenrechtsverletzungen im Iran und forderte den Schah auf, Reformen durchzuführen. Auf Druck der neuen US-Regierung gab es im Iran einen Hauch von politischen Reformen. Diese geringen Reformen reichten bereits aus, um das politische Leben im Iran wachzurütteln. Es kam zuerst zu den sozialkritischen kulturellen Veranstaltungen, wie die Goethe-Abende in Teheran, die sich bald zu politischem Diskurs entwickelten. Die Opposition wagte jetzt, die Regierung offen zu kritisieren. Im Jahr 1978 saß der Schah mit seinem starken Machtapparat noch fest im Sattel und niemand glaubte an eine baldige Revolution. Aus einem unbekannten Grund erschien ein Artikel gegen den in den Irak verbannten Geistlichen Khomeini in der bekannten Teheraner Zeitung „Keyhan“. Dieser Artikel verursachte großes Aufsehen und führte zu einer Protestaktion von einigen fundamentalistischen Anhängern Khomeinis in der Stadt Ghom, die von der Armee brutal niedergeschlagen wurde. Dies löste eine Welle von Protesten in mehreren Städten aus. Außerdem wurden durch den Druck der US-Regierung einige politische Gefangene freigelassen.

Die iranische Opposition erlebte durch die Lockerung der Repressionen eine Wiederbelebung, die sich hauptsächlich durch den Druck der US-Regierung auf den Schah rasant ausbreitete. Am Anfang standen nur politische Reformen im Iran auf dem Plan und die Frage nach der Alternative zum Schah wurde erst durch eine bis heute noch nicht eindeutig geklärte Reise von Khomeini nach Paris aufgebaut. Es wurde berichtet, dass die irakische Regierung Khomeini wegen seiner politischen Aktivitäten gegen den Schah unter Druck setzte, das Land zu verlassen. Zuerst sollte Khomeini nach Kuweit abgeschoben werden. Nach der Weigerung Kuweits reiste Khomeini nach Paris. Die Reise von Khomeini vom Irak nach Paris im Herbst 1978 überraschte alle Oppositionellen und Iran-Experten. Sie hatte eine historische Bedeutung und ist für den Verlauf eines halben Jahrhunderts im Iran und im Nahen Osten von größter Wichtigkeit. Deswegen sind die Recherchen über die Urheber dieses Vorschlags, der zum Sturz des Schahs führte, sehr wichtig. Woher der Vorschlag der Reise von Khomeini nach Paris ursprünglich kam, bleibt bis heute offen. Dr. Ebrahim Yazdi, der seit 1960 in den USA lebte und Beziehungen zu den amerikanischen Funktionären pflegte, schrieb im dritten Band seines Buches, dass er die Reise von Khomeini nach Paris vorgeschlagen habe. Aufgrund der historischen Bedeutung dieser Reise für die Entstehung der Islamischen Republik im Iran wird die Rolle von Ebrahim Yazdi bei der Wahl der Stadt Paris wegen seiner bekannten Nähe zu den USA durch die iranischen Machthaber verschwiegen. Der französische Journalist Dominique Lorentz analysierte später wie folgt: „Um für Khomeini als Revolutionsführer Akzeptanz und Bekanntschaft zu erlangen, war es notwendig, den Irak zu verlassen. Eine direkte Rückkehr von Khomeini aus dem Irak nach Teheran war unmöglich. Da die US-Regierung und die französische Regierung zusammenarbeiteten, haben sich die Amerikaner für eine Reise von Khomeini nach Paris entschieden.“ (S. 151, Khomeini in Paris von Hushang Nahavandi) Bereits im September 1978 schätzte der amerikanische Botschafter Sullivan die Situation im Iran so ein, dass der Schah nicht mehr zu halten war. Es musste über eine Alternative nachgedacht werden.

Auf jeden Fall entstand durch diese Reise Khomeinis nach Paris die Alternative zum Schah-Regime. Es ist auch Fakt, dass Paris als die Stadt der Liebe und der Sünde – in den Augen vieler islamischer Fundamentalisten – nicht durch Khomeini oder seine islamischen Gefährten ausgesucht wurde. Zum ersten Mal in der Geschichte konnte man die eminent wichtige Rolle der Massenmedien und die Ausbreitung der Informationen durch Radio oder Tonbänder bei der Iranischen Revolution 1979 beobachten. Aufgrund der Zensur der staatlichen Medien zur Zeit des Schahs hörte die Mehrheit der politisch interessierten Menschen den persischen Sender BBC.

Von der Rolle und der Macht der Presse als wichtigstes Instrument zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung habe ich selbst als 19-Jähriger im Iran vor der Iranischen Revolution durch die manipulative Berichterstattung des persischen Senders BBC über Khomeini erfahren. Ich kannte Khomeini bis zu seiner Reise nach Paris im Jahr 1978 wie Millionen Iranerinnen und Iraner gar nicht. Durch die tägliche positive Berichterstattung des persischen Senders BBC über Khomeini stieg seine Popularität innerhalb nur einiger Monate in der iranischen Gesellschaft an. Es ist inzwischen unumstritten, dass Khomeini ohne die massive westliche Unterstützung nicht zum „absoluten“ Revolutionsführer national und international innerhalb von nur einigen Monaten hätte aufsteigen können. Khomeini lebte insgesamt nur 112 Tage in Frankreich und wurde innerhalb dieser kurzen Zeit von einem Provinzmullah zu einem der berühmtesten politischen Führer hochkatapultiert. Während seines Aufenthalts in Paris gab es über 132 Rundfunk-, Fernseh- und Presseinterviews. Der umstrittene Oppositionelle Ebrahim Yazdi fungierte als enger Berater von Khomeini und auch als Dolmetscher. Er bezifferte die durchgeführten Interviews mit Khomeini in Paris auf über 400. (S. 197, Khomeini in Paris von Hushang Nahavandi) Erstaunlicherweise waren fast alle Berichterstattungen über Khomeini in den internationalen Medien durchwegs positiv. Das damals bekannte Bild von Khomeini als sogenannter „heiliger Greis unter dem Apfelbaum“ verbreitete sich in den westlichen Massenmedien und zeigte ein verzerrtes Bild von einem Kleriker. Die damaligen Berater von Khomeini leisteten beispiellose Arbeit, um das wahre Gesicht von Khomeini für die Iraner und die Weltöffentlichkeit versteckt zu halten. Die veröffentlichten Daten belegen, dass die US-Regierung intern über die mangelnden Aussichten für den Machterhalt des Schahs informiert war und es nur um die Suche nach der Alternative ging.

Das könnte ihnen auch gefallen :

Einfluss der Großmächte auf die Entwicklung des Iran

Joachim von Heinrich

In Ost und West

Buchbewertung:
*Pflichtfelder