Die Weberin der letzten Wünsche

Die Weberin der letzten Wünsche

Ayman Al Nasser


EUR 20,90
EUR 12,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 90
ISBN: 978-3-99064-281-8
Erscheinungsdatum: 16.04.2018
Wie gerne würde Waldo alles vergessen und ein neues Leben beginnen, doch er ist im Schatten der Vergangenheit gefangen. Auf der inneren Reise in den Dschungel seiner melancholischen Seele hält er an dem Wunsch fest, den Morgen nicht aufzugeben.
Es war so heiß am Sonntagnachmittag, dass das Wasser unter der Sonne fast kochte, aber das hatte niemanden interessiert. Ja, sie waren Kinder, Mädchen und Junge, die zusammen sehr leidenschaftlich Fußball spielten.
Zwei von denen waren sehr böse aufeinander, eigentlich sehr aggressiv sich gegenüber. Sie waren ein Mädchen namens Waldi und ein Junge namens Waldo, beide waren 13 Jahre alt.
Waldo ebenso wie Waldi hatten geschworen den Spielplatz erst zu verlassen, wenn sie sich besiegen oder wenn sie ja Blut auf dem Feld hinterlassen.
Die Reife der Zeit rollte wohl schnell die Jahre nach vorn, aber der Waldo erinnerte sich immer noch an diesen Tag, als ob es gestern gewesen wäre, und doch denkt er an die Universitätszeit, denn dort hatte er sie an dem dritten Tag in seiner ersten Vorlesung zufällig getroffen.
Sie hatten sich ganz normal über die Kleinigkeiten des Tages unterhalten und sie gingen danach auch Kaffee trinken. Waldi sah ganz anders aus, denn sie war ja nun 20 Jahre alt … eine junge Dame. Er sah ja auch mit zwanzig Jahren nicht mehr aus wie mit 13 Jahren.
Er wusste heute immer noch, worüber er mit ihr damals gesprochen hatte, aber er wusste nicht mehr, was die beiden studiert hatten. Ja, er hatte es vergessen, was ihn schon wütend machte. Früher versuchte er andauernd sich daran zu erinnern, was ihm nicht gelungen war, und mittlerweile probierte er es nicht mehr.
Vieles von seinem früheren Leben lief vor seinen Augen bis heute wie ein Film in keiner Reihenfolge ab. Hilflos quälte er sich jede Nacht, um die Lücken zu füllen, aber er hatte es noch nicht geschafft.
Manchmal glaubte er, dass er die verlorenen Ereignisse gar nicht wollte, weil sie sicher beschissen und schlimm waren, aber vielleicht waren sie ja auch die schönsten Momente seines Lebens … Dann fing er wieder an, sich zu bemühen, alles aus dem Verlorenen zurückzubekommen.
Seine Vergangenheit ließ ihn nicht in Ruhe oder er ließ seine Vergangenheit nicht in Ruhe. Wie sollte man das auch machen? … Man sollte ein Stück Fleisch von seinem eigenen Körper abschneiden und man sollte danach einen Totengräber besuchen und mit ihm zusammen in den Wald in der tiefen Nacht gehen, um das Stück Fleisch zu begraben, somit könnte man seine Vorgeschichten loslassen … man glaubte es zumindest.
Am nächsten Tag käme ein Vogel, irgendeiner, und er grub sie alle aus, hielt sie fest mit seinen Füßen und er flog mit denen so weit wie nötig, um sie auf das richtige Dach zu schmeißen, dafür fütterte ihn der Waldo.
Es war jetzt so spät, seine Zigaretten schmecken ihm nicht mehr und sein Whisky wurde immer bitterer. Er stand noch schnell wieder auf, dafür hatte er keinen einzigen Grund.
Er lag auf seinem Bett und er begann für den Schlaf zu kämpfen. Er musste jede Nacht in die Schlacht der Schlaflosigkeit ziehen, und doch war es ihm fast immer gelungen, einzuschlafen.
Am nächsten Morgen tat er sich wie an jedem Morgen unglaublich schwer, das Bett zu verlassen, doch stand er irgendwann auf. Er ging in der kleinen Wohnung hin und zurück und besuchte die drei Zimmer in seiner Wohnung mehrmals. Mehr gab es auch nicht. Er saß in jedem Zimmer zwei Stunden und fünfunddreißig Minuten und er hatte es immer wieder wiederholt.
Am Abend bestellte er sein Essen aus dem näheren Gasthaus. Als er seine Speise bekam, bezahlte er dem Lieferanten das Geld, ohne ihm ins Gesicht zu sehen. Er aß schnell, dabei wünschte er sich ein bisschen Salz, das in der Küche war. Es war für ihn so weit, dass er darauf verzichten musste, ja, es ging auch ohne das Salz … Auch wenn er das Salz geholt hatte, hatte sich in seinem Leben nicht viel geändert. Ja gut, außer das Essen mit mehr Salz, was eigentlich sein Wunsch war. Man sollte sich immer seine kleinen Wünsche erfüllen, man bleibt zwar sich gegenüber klein, aber man wird glücklicher.
In dieser Nacht vor 27 Jahren, als er sich Salz aus der Küche seines Elternhauses holte, hörte er den ersten Schuss. Seine Leute hatten behauptet, dass die anderen den ersten Schuss abgefeuert hatten und dass sie erst danach mit dem zweiten Schuss reagiert haben. Hingegen erzählten die anderen, dass seine Leute damit angefangen und dass sie ja wohl nur zurückgeschossen hatten.
Es interessiert heutzutage kein Schwein mehr, es hat vielleicht auch damals keine Sau interessiert.
Jahrelang wurden Schüsse zwischen seinen Leuten und den anderen gewechselt und doch manchmal nur zwischen seinen Leuten unter sich oder nur zwischen den anderen ebenfalls unter sich. Ja, es kam sogar häufiger vor, dass die beiden auf sich geschossen hatten.
Es gäbe sehr wahrscheinlich eine dritte Seite, die daran beteiligt war, aber da war er sich nicht ganz sicher. Vielleicht hatten sich seine Leute in irgendeiner Phase dieser schwierigen Zeit gespalten, vielleicht hatten sich die anderen auch gespalten oder gar niemand.
Das waren die Lücken in seinem Gedächtnis, woran er sich nicht mehr erinnern konnte, und immer wenn er sich mit diesem Thema konfrontieren musste, fing er damit an die Fenster zu putzen.
Das Fensterglas zu putzen hatte ihm so viel Freude bereitet, danach stand er vor dem Küchenfenster und sah sich alles draußen an, was man anschauen konnte.
Manchmal schloss er währenddessen seine Augen, aber blieb trotzdem vor dem Fenster, bis seine Füße ihn darauf aufmerksam machten, dass es nicht so weitergehen konnte und dass er sich setzen muss, was er widerstandlos tat.
Der Waldo war mit dem allem, was geschah, zwar nicht zufrieden, aber er hatte es auch akzeptiert, ja, er tat es ganz einfach, um weiterzukommen.
Am Abend war ihm aufgefallen, dass er stank, deswegen hatte er sich überreden müssen, unter die Dusche zu gehen. Er duschte sich ohne Shampoo, das tat er seit einer Weile so, das kalte Wasser reichte ihm schon und er verwendete auch kein heißes Wasser, weil er Atemschwierigkeiten danach bekam oder weil es für ihn auch nicht unbedingt nötig sei.
Als das angefangen hatte, standen Waldo und Waldi in der Küche und sie hatten sehr lange diskutiert. Waldi hatte ihre Leute sehr vertreten beziehungsweise sie hatte sie verteidigt und er hatte natürlich seine Leute vertreten und er hat sie ebenfalls verteidigt. Die beiden wurden beim Reden immer lauter, irgendwann waren sie erschöpft. Sie schliefen zum ersten Mal in zwei getrennten Schlafzimmern und am Morgen hatten sie sich dazu entscheiden, sich zu trennen. Ja, es würde so sicher nicht weitergehen, denn es wurde immer schlimmer. Wenn zwei Menschen glauben, zwei verschiedene absolute Wahrheiten zu besitzen, mussten sie sich lieber nicht konfrontieren, sondern sie müssten auf zwei verschiedenen Wegen gehen.
Wie Waldo und Waldi zusammenkamen, konnte er nicht mehr wissen, dafür hatte das Gedächtnis nicht mehr mitgemacht. Es war ihm auch mittlerweile egal, es würde sich nichts weiter ändern, das hatte er schon einmal probiert. Sie ja auch, aber es hatte wohl scheiße gebracht, nun wusste er, dass das, was kommen musste, würde schon kommen und nicht anders.
Eine Sache schmeckte ihm jetzt besser als vor dem Geschehen und das war sein Tabak, besonders der letzte Zug. Hingegen schmeckte ihm sein Whisky nicht mehr, trotzdem entschied er sich seinen unzähligen Whiskygläsern gegenüber loyal zu bleiben.
Er stand heute relativ früh auf und doch hatte er das Haus verlassen, weil er was besorgen musste. Er kaufte Ziegenkäse und ein halbes Kilo Oliven, danach sah er auf dem Rückweg nach Hause ein Laufhaus. Er überlegte nicht so lange, bevor er reingegangen war. Er schaute sich die Frauenfotos auf der Wand unsorgfältig an und hatte dann bei einer geklopft. Er unterhielt sich mit ihr ganz kurz, bevor es zur Handlung kam, ca. eine halbe Stunde später ging er raus. Er war davor sehr aufgeregt, dass er beim Sex nicht wirklich Spaß hatte, aber danach, als er das Laufhaus verließ, fühlte er sich wohl. Sein Besuchsziel war vielleicht die Erleichterung, als ob er auf ein Stück von seinem Stress mit einem Hammer gegangen wäre und das verdammte Stück Stress zertrümmert hätte.
Zu Hause hatte er für sich eine Kanne Tee gekocht und er aß seinen Ziegenkäse mit Oliven. Er konnte mit dem Essen nicht aufhören, er aß weiter und weiter, bis er mit allem fertig war. Er lag danach auf dem Sofa und versuchte einen Film anzuschauen, leider war ihm das nicht gelungen, weil er sich nicht konzentrieren konnte.
Langsam spürte er seinen Magen schmerzen, aber es war keine Überraschung für ihn, denn immer wenn er so viele Oliven aß, bekam er Magenschmerzen. Wenn er eigentlich nur so viel Käse gegessen hätte, wäre der Abend ohne Schmerzen verlaufen, aber das war für ihn nicht wirklich ein Problem, weil er gut gelernt hatte, mit seinem Magenproblem umzugehen.
Er holte sich schnell seine Tropfen gegen seine Schmerzen und er nahm statt fünfundzwanzig Tropfen dreißig ein. Ja, immer nahm er ein bisschen mehr als das, was der Arzt beschrieb, denn alle wussten, dass die dummen Ärzte ihre Patienten immer weniger zur Medikamenteneinnahme aufforderten, weil es ihnen bekannt war, dass die Menschen so was von ungeduldig waren, dass sie nicht darauf warten würden, bis die Medikamente wirkten, sondern sie nahmen mehr.
Das, was jeder extra nahm, half zwar nicht gegen den Schmerz, aber es wirkte gegen das Warten. Ja, wer auf vieles warten muss, war nicht immer der Mensch, der warten kann, und dies war schon der Fall in dem heutigen Leben von dem Waldo. Irgendwann fühlte er keinen Schmerz mehr und er schlief wie ein Bär im Winter, okay, vielleicht konnte er nicht durchschlafen, aber er hatte echt tief in dieser langen, kalten gewöhnlichen Nacht geschlafen.
Nachdem Waldo ein neues Bild angemalt hatte, trank er eine Flasche Mineralwasser und ging zum Waschbecken, um seine Hände zu waschen. Wie immer hatte er seine Hände nicht ganz sauber gewaschen, weil er den Rest der Farben darauf sehen wollte, damit er nicht vergessen konnte, dass er malen kann. Ja, er hatte Angst, es zu vergessen. Schlimmer für ihn als seine Angst war die Angst vor seiner Angst.
Der Waldo sah die Waldi zum ersten Mal nach ihrer Trennung auf einer kleinen Straßenschlacht in einem kleinen vergessenen Dorf. Sie hatte sich sehr verändert, denn sie hatte gut zugenommen und sie baute ziemlich viele Muskeln auf, früher hatte sie das bei Frauen gehasst. Sie sagte andauernd, dass eine Dame keine Muskeln haben darf, ansonsten würde sie wie ein Mann aussehen.
Er hatte sich auch verändert, was ihm nicht bewusst war, er nahm extrem ab, man konnte seine Knochen fast sehen. Früher hatte er einen großen Bauch, was die Waldi nicht sehr an ihm mochte, sie hatte ihn immer wieder aufgefordert, seinen dicken Bauch abzubauen, was er schon ernsthaft versuchte, aber nicht geschafft hatte, weil er sehr gerne Fett gegessen hatte.
Er sah, wie die bewaffnete Gruppe von Waldi sich aus dem Schlachtfeld zurückgezogen hatte, nachdem sie Verluste erlitten hatten. Seine Gruppe musste sich auch zurückziehen, weil sie ein paar Tote zu begraben hatten und ein paar Verletzte, die sie ins Krankenhaus bringen mussten.
Er sah aber auch, dass die Waldi unverletzt der Schlacht entkommen konnte, er wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte. Es sprach dagegen, dass die Waldi für die andere Seite gekämpft hatte, und doch sprach es dafür, dass sie immer auf seiner Seite war, bis auf das Fußballspiel damals, als sie noch dreizehn waren. Aber das war doch nur ein Spiel, jetzt nicht mehr, man durfte fast mit allem spielen, aber nicht mit dem eigenen Leben oder mit dem Leben der anderen.
Am Abend hatte er sich von seinen Erinnerungen freundlich verabschiedet und er stand wieder vor dem Fenster, um auf die Nacht zu warten, damit er die Sterne sehen konnte. Ja, sobald er die vielen Lampen am Dach des Himmels sah, fing er damit an, sie zu zählen. Er tat es immer weiter, bis er den Schmerz an seinem linken Bein zu spüren bekam, denn dort hatte er eine alte Verletzung, die ihm ab und zu wehtat, wenn er lange stehen musste.
Er hatte für das Beinproblem eine Lösung und zwar würde er schlafen gehen, davor putzte er sich die unteren Zähne, die oberen Zähne hatte er gestern geputzt. Seit einer Weile machte er das so, an einem Tag putzte er sich die oberen Zähne, an dem anderen die unteren, ansonsten wäre das für ihn sehr anstrengend gewesen.
Er zog eine alte kurze Hose und ein altes T-Shirt an. Als er diese Kleider an seinem schmalen widerstandslosen Körper fühlte, brach in ihm der Vulkan der Sehnsucht aus, er schwitzte und zitterte, dabei hatte er mit all seiner Kraft versucht, leise zu weinen. Die Tränen flossen auf seinem Gesicht wie ein Fluss, der aus einem hohen Berg rann. Er war der Meinung, wenn man schweigsam weinte, war man würdiger und es war auch für ihn leichter alleine zu weinen. Vor fremden Menschen weinen zu können, brauchte Mut, den er nicht hatte.
Er stand mehrmals in dieser Nacht auf, hatte sogar Eier gebraten und Tomaten dazu geschnitten. Ziemlich geschmacklos hatte er beim Stehen seine verspätete Mahlzeit aufgegessen, weil er sehr müde war und wieder ins Bett gehen wollte. Kurz danach ergab er sich der Macht des Schlafens, aber er wachte dreimal auf, rauchte immer eine weitere Zigarette und schlief wieder ein.
Der Waldo plante wochenlang, ins Kaffeehaus zu gehen und doch heute, als er am Morgen aufwachte, hatte er sich selbst gut gerochen. Früher hatte er immer einen schönen Körpergeruch, was die Frauen glücklicherweise anlockte, aber seit dem Geschehen hatte er das Gefühl, dass er immer stinkt. Er fragte sich regelmäßig nach dem Grund und wohin sein schöner Geruch verschwunden ist.
Er glaubte in der Zwischenzeit, dass die Männer einen schönen Geruch haben, nur wenn sie den anderen was gutes antun. Es ist nicht der Körper, der stinkt, sondern es sind unsere schlechten Taten, hingegen riechen die Frauen gut, nur wenn sie verliebt sind, schlecht riechen sie, wenn sie mit einem höflichen reichen Mann ins Bett gehen. Zum Schluss ging er doch Kaffee trinken. Es war am Nachmittag ca. 12:37 Uhr, trotz seinen Versuchen und Wünschen hatte er nicht feststellen können, ob der Tag heiß oder kalt war.
Es gab im Kaffeehaus fünf Gäste, vier von ihnen waren zwei alte Liebespaare. Sie waren wahrscheinlich zusammengeblieben, damit sie nicht alleine ihre letzten Jahre verbringen mussten.
Eine Dame übernahm das Reden als ihr eigenes Privileg, trotzdem beschwerte sie sich über ihren Ehemann, der sie angeblich in den letzten neunzehn Jahren nur dreiunddreißig Mal zu Wort kommen lassen hatte. Die zweite Frau in der Gruppe hatte sie darum gebeten, mit dem Scheiß aufzuhören, weil sie auch mal reden wollte. Sie hatte die Befürchtung, dass ihr Ehemann ihr in den letzten fünfundzwanzig Jahren nur siebzehn Mal zugehört hatte.
Die zwei Männer schienen an dem Gespräch ihrer Frauen nicht interessiert zu sein, dafür tranken sie lieber ihre Biere und unterhielten sich über ihre Hunde.
„Wenn die Zeit vergeht, vergehen unsere Tage mit“, dachte der Waldo für einen Augenblick, bevor er in seine Vergangenheit zurückkehren musste.
Ja, wie oft vergeht die Zeit in unserem Leben, aber alles andere bleibt stehen. Es war am Nachmittag, als fünfzig von den anderen sein Lager angriffen. Sie wollten damals den klügsten Mann unter Waldos Leuten entführen, um die Friedensverhandlung abzubrechen, oder nein, sie hatten vielleicht einen anderen Grund dafür. Waldo konnte den Grund damals nur erraten, nun war er ihm nicht mehr bekannt, er würde sich auch keine zusätzliche Mühe geben, um ihn wiederzuerkennen.
Als die Angreifer erwischt wurden, wurden sie auf der Stelle erschossen. Der Waldo hatte selbst nicht geschossen, aber er war dabei. Er hatte es eigentlich ziemlich oft nicht geschafft, auf die anderen zu schießen, dafür war er so schwach oder vielleicht auch zu lieb?
Als Waldo und seine Leute die Leichen identifizieren wollten, entdeckten sie eine Frau, die immer noch am Leben war, sie wurde sofort inhaftiert und in einem Keller eingesperrt.
Er erkannte sie an ihrer Stimme. Als man sie fragte, wie ihr Name sei, gab sie einen falschen Namen an.
Erst am nächsten Vormittag konnte er zu ihr gehen, nachdem er der Wache Geld gab, um Pizza zu kaufen. Er gab ihr ein Salamibrot mit Käse und Dattelsaft. Er hatte ihr beim Essen ihr kleines weißes Gesicht sehr langsam gewaschen, und als ihre Tränen zu fließen begannen, hatte er angefangen, ihre Finger zu streicheln und auch ihr Haar.
Die Schweigezeit zwischen den beiden war länger als die Lebenserwartung für die Menschen, die an die Wiedergeburt glauben. Sie schwiegen weiter, bis die Waldi ihn aufgefordert hatte, damit aufzuhören, ihr Haar zu streicheln, ansonsten würde die Wache irgendwann zurückkommen und ihn dabei erwischen. Dafür würde man ihm Verrat vorwerfen und vielleicht auch umbringen. Sie sagte ihm auch, dass sie sich bei ihrer Festnahme beruhigen konnte, weil er sie schnell erkannte.
Er fragte sie mit einer verzögerten Stimme, woher sie wusste, dass er es tat. Sie antwortete, sie hatte es zwar nicht gewusst, sondern gesperrt, da fragte er sie wieder, warum sie einen falschen Namen angab. Darauf sagte sie, dass sie sicher verhindern wollte, dass seine Leute davon erfuhren, dass sie seine Ex-Frau war.
Er musste sich wohl irgendwann von ihr verabschieden, er konnte ja nicht länger bleiben, weil die Wachen ihre Pizza fertig gegessen hatten und schon wieder vor dem Keller standen, aber er versprach ihr, sie wieder zu besuchen, sobald er es konnte.
Heute war der Waldo sehr ruhig, was ihm natürlich nicht gefallen hatte. Ihm nach war es die Ruhe, was die Menschen störte oder auch zerstörte. Sie machte alles leer, alle Leistung unfähig und sie brachte die Menschen auf die falschen Ideen und auch auf die falschen Wege.
Solange der Mensch beschäftigt war, blieb er brav, doch sobald man Freizeit hatte, fing man damit an, Mist zu bauen. Man dürfte Angst vor sich haben, wenn in seinem Leben für lange Zeit ziemlich Ruhe herrschte. In der Geschichte der Menschheit begann ein Krieg immer nach einer Ruhephase.
Nur der Stress und ja, alleine der Stress konnte uns Menschen ausprägen, dazu zu bringen, was zu schaffen, aber natürlich auch in Maßen. Er brauchte den täglichen Stress, um nicht über das Geschehen nachdenken zu müssen. Er machte sich sogar Sorgen, dass er an irgendeinem Morgen ohne Stress aufwachte. Alle hatten sich bis jetzt grundsätzlich geirrt, falsch waren die früheren Interpretationen und die Aufklärungen. Ruhe und Entspannung waren sicher die Gründe für die Seelenerkrankungen und nicht der Stress.
4 Sterne
sehr gut - 03.06.2018
Daniela Feller

Ein berührendes Buch eines vielversprechenden Jungautors.

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