Der Feind in meiner Ehe

Der Feind in meiner Ehe

28 Jahre mit einem Narzissten

Wally Gruber


EUR 18,90
EUR 11,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 160
ISBN: 978-3-99107-820-3
Erscheinungsdatum: 22.12.2021

Leseprobe:

Vorwort

Es ist der 3. August 2020 – der erste Tag einer neuen Idee.

„Ich werde ein Buch schreiben!“

Noch nie hatte ich mich vorher mit diesem Thema beschäftigt. Aber nun ist es ganz klar, dass ich das tun muss. Tun muss, um endlich die Heilung für meine Seele einzuleiten. Tun muss, um der Welt zu zeigen, dass mein Mann, der mich seit 28 Jahren unterdrückt und demütigt, nicht der tolle, bewunderungswürdige, kreative, wohlhabende Mensch ist, den viele in ihm sehen. Er ist anders. Das Buch ist keine Abrechnung mit meinem Mann, es ist eine Befreiung.
Ich muss dieses Buch auch schreiben, für die zahlreichen Menschen, die unter narzisstisch gestörten Partnern leiden, sei es im privaten oder beruflichen Bereich, und diese Bürde nicht loswerden können. Leider habe ich selbst viel zu spät gemerkt, dass ich mit einem Narzissten verheiratet bin – seit mittlerweile 27 Jahren.
Dabei geht es mir in diesem Buch nicht darum, „schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen“, sondern darum, zu zeigen, dass sich Frauen wehren können, wenn schon nicht körperlich, dann mit alternativen Methoden. Ich schreibe dieses Buch als energetischen Ausgleich. Meine Ehejahre haben mich viel Energie gekostet. Zu viel. Vielleicht kommt nun ein bisschen davon wieder zurück zu mir.
In meinem privaten Umfeld trennen sich nach langen Ehejahren immer mehr Frauen von ihren Männern, da sie diese narzisstischen Tendenzen bei ihren Partnern einfach nicht mehr aushalten. Auch für diese Leidensgenossinnen schreibe ich dieses Buch. Ich möchte sie wissen lassen, dass sie nicht alleine sind und dass nicht SIE es sind, die ein verkehrtes Weltbild in sich tragen. Durch den jahrelangen Umgang mit einem Narzissten ist es schwer, seinen Selbstwert aufrechtzuerhalten. Kopf und Seele werden systematisch mürbe gemacht, die Selbstzweifel werden immer mehr. Es kostet unglaublich viel Kraft, diesem Vorgehen Paroli zu bieten.
Viele haben diese Kraft nicht mehr. Auch für sie schreibe ich dieses Buch.
Auch für meine drei erwachsenen Kinder. Sie haben kaum Ahnung, wie es mir emotional geht, wie ich die vielen Ehejahre überstanden und erduldet habe, auch um sie zu schützen. Niemand weiß, wie es in mir aussieht. Auch deshalb muss ich dieses Buch schreiben.
Aufarbeitung und Psychohygiene.
Namen und Orte in diesem Buch sind verändert. Die Geschichte aber ist genauso passiert. Ein Tatsachenbericht. Alles ist wahr und von mir so erlebt.

Wally Gruber

*****

1 - Wie alles begann

Ich habe seine über alles geliebten Chilipflanzen vergiftet. Nicht alle, aber einige. Von ihm selbst gezogen, permanent gepflegt und gehätschelt, manche so scharf, dass sie ein normaler Mensch nicht essen kann und man selbst zum Schneiden Handschuhe anziehen muss. Sie wachsen im Wintergarten, das quasi als Gewächshaus fungiert.
Nun werden vier von ihnen sterben, da ich eine große Portion Salz in den Topf mit Erde gestreut habe. Nun geht es mir besser. In den letzten 28 Jahren habe ich alles probiert: Ich habe diskutiert, ich habe geweint, ich habe getobt, ich habe gefragt. Aber nichts hat geholfen, um meinen Mann dazu zu bewegen, mich nicht mehr mit Worten zu demütigen. Ein verbaler Schlag tut genauso weh wie ein Schlag ins Gesicht. Ich fühle mich misshandelt. Seit vielen Jahren.
Heute habe ich beschlossen, mich aktiv zu wehren. Vier Chilipflanzen werden sterben. Es ist der 4. Juli 2020.
Wie konnte es zu dieser Aktion kommen, die so gar nicht zu meiner Person passt?
Ein langer Weg.
Im Spätsommer 1992 besuchte ich meine Eltern in einer bayerischen Kleinstadt. Mein Vater holte mich ans Telefon, es sei ein Matthias Gruber dran, der fragte, ob hier noch die Wally wohnen würde. Matthias Gruber? Das lag aber sehr lang zurück …

*****

7 - Respektlosigkeit, Provokation, verbale Misshandlung

Artikel 1 unseres Grundgesetzes lautet: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Artikel 2 (2): Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Artikel 3 (1): Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Artikel 3 (2): Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

Wenn ich mir den Artikel 2 anschaue, dann heißt das im Umkehrschluss, dass alle, die einem anderen körperliches Leid zufügen, vom Gesetz her verfolgt und bestraft werden können. Meiner Meinung nach besteht hier eine Lücke im Gesetz. Ehemänner, die ihre Frauen körperlich misshandeln, können dafür bestraft werden. Aber Männer, die ihre Frauen psychisch und verbal misshandeln, werden nicht verfolgt. Hierin besteht die Lücke. Verbale Misshandlungen tun mindestens genauso weh wie ein Faustschlag ins Gesicht, sind aber nicht nachzuweisen, da man keine Schwellungen und Hämatome davonträgt. Verbale Attacken wirken jedoch weitaus subtiler und destruktiver als körperliche. Die Seele erleidet einen dauerhaften Schaden, das Selbstbewusstsein wird zerstört und die Selbstachtung konterkariert. Warum muss man das aushalten? Warum kann sprachliche Gewalt nicht bestraft werden? Warum kann der Täter nicht zur Rechenschaft gezogen werden? Es kann doch nicht sein, dass diese Taten gesellschaftlich geduldet werden! Dagegen muss etwas getan werden. Auch dafür habe ich dieses Buch geschrieben. Aus psychohygienischen Gründen.
Dazu schreibt Christine Merzeder in ihrem Buch „Wie schleichendes Gift“:

Unkontrollierte, unvorhersehbare Wutausbrüche, Schreien und Beschimpfungen, ständige Abwertungen, bösartige Beleidigungen, haltlose Beschuldigungen – psychische Gewalt ist so brutal wie physische Gewalt, doch wird dies meist nicht anerkannt. Psychische Gewalt gibt es in vielen Varianten, doch immer verursacht sie bei ihren Opfern eine tiefe Verunsicherung. Angst und der Verlust des Selbstbewusstseins spielen eine entscheidende Rolle, dass die Täter Macht über ihre Opfer erlangen und diese leichter manipulieren können. Psychischer Missbrauch erfolgt jedoch auch in Formen, die von der Gesellschaft wenig wahrgenommen und weithin akzeptiert werden. Dazu gehören „Witze“ über scheinbare Unzulänglichkeiten, Lügen, Respektlosigkeit, Herablassung und Bevormundung. Diese sogenannte Mikrogewalt kann bei den Opfern verheerende Folgen haben, insbesondere wenn sie ihr auf Dauer ausgesetzt sind. Als immer wiederkehrende spitze Nadelstiche können Attacken der Mikrogewalt die Seele schwer verletzen.

Zwei der zahlreichen Misshandlungen, die mir mein Mann zugefügt hat, habe ich bereits im vorletzten Kapitel beschrieben.
Nun werde ich von weiteren verbalen Tiefschlägen berichten und versuche, sie chronologisch zu ordnen und mich an alles zu erinnern. In großen Teilen habe ich sie bereits in ein Büchlein notiert, nachdem sie mir um die Ohren geflogen sind.
Am Anfang waren es nur kleine Sticheleien oder Äußerungen, die mich wundern ließen.

*****

10 - Pathologie eines Narzissten

Wie erkennt man einen Narzissten? Mir ist leider viel zu spät klar geworden, dass ich mit einem bösartigen Narzissten verheiratet bin. Hätte ich etwas ändern können? Leider nein. Narzissten kann man nicht ändern. Das sagen sowohl Psychologen als auch Psychotherapeuten. Denn ein Narzisst erkennt nicht, dass er ein Narzisst ist. Wenn jemand wirklich sein Herz öffnen kann und erkennt, wieviel Leid er in eine Beziehung gebracht hat, dann ist Heilung für die Seele des Partners möglich. Dazu gehört aber auch eine aus tiefster Überzeugung kommende Entschuldigung.
Da ich mich in den letzten fünf Jahren sehr viel mit dem Thema beschäftigt habe, möchte ich in diesem Kapitel die Wissenschaft zur Hilfe nehmen, um darzustellen, wie man einen Narzissten erkennen kann.
In erster Linie möchte ich Univ.-Doz.Dr.med.Dr.scient. Raphael M. Bonelli anführen, einen österreichischen Neurowissenschaftler, Psychiater und Psychotherapeut. Er arbeitet als Psychiater und systemischer Psychotherapeut in Wien und hat diverse Publikationen über Perfektionismus und Narzissmus verfasst.
Sein Buch „Männlicher Narzissmus: Das Drama der Liebe, die um sich selbst kreist“, erschienen 2016, verwende ich als Grundlage meiner Forschung über das Thema. Erweitert wird dies durch zahlreiche Vorträge und Seminare, die sich mit dem Thema Narzissmus beschäftigen. Eine Zusammenfassung meiner Recherche erfolgt in diesem Kapitel.
Zitate aus Bonellis Buch sind in Kursivschrift abgedruckt und im Quellenverzeichnis angegeben.

Jeder Mann trägt narzisstische Anteile in sich. Der eine mehr, der andere weniger. Wahrnehmbar an einer unbändigen Freude an sich selbst.
Im Gegensatz zu einem Perfektionisten kreist der Narzisst nicht angstvoll um sich selbst – sondern er kreist verliebt um sich selbst. Der narzisstische Mann ist völlig davon überzeugt, dass er etwas Besonderes ist und dass es deswegen auch ganz natürlich, legitim und stimmig ist, wenn ihn andere lieben, wertschätzen – und bewundern. Der männliche Narzisst hat kein Problem mit der Angst. Dafür hat er ein größeres Problem mit der Liebe. Es ist ein Mann, der von den Fesseln des Narzissmus an sich selbst gebunden ist. Er liebt, aber leider als Rohrkrepierer: Er kommt über sich selbst nicht hinaus.
Schon im griechischen Mythos ist der begehrte Jüngling Narziss daran zugrunde gegangen, dass er als Mann die weibliche Liebe nicht erwidern konnte, sondern sich selbst – beziehungsweise sein Spiegelbild – zum Objekt seiner Liebe erwählt hatte.

In dieser Beschreibung finde ich meinen Mann wieder. Jedes Mal, wenn ich mich um ihn gekümmert habe, wenn ich etwas für ihn getan habe, hatte er mir gesagt, ich müsse das nicht tun. Ich solle das lassen. Aber ich tat es immer gern und wenn man eine Familie hat, ist man gegenseitig füreinander da und hilft sich. So sehe ich das. Ich hatte das Gefühl, ihm sei es fast peinlich, dass ich ihn unterstützt habe. Ich wollte ihm doch nur eine Freude machen. Er hat es nicht verstanden. Es wäre so schön gewesen, wenn er es einfach genossen hätte. Er konnte es nicht. Schade. Ich war oftmals frustriert.
Viele Male habe ich mich gefragt, ob das Verhalten meines Mannes angeboren oder erworben sei. Diesbezüglich erwähnt Raphael Bonelli die These von C. Robert Cloninger, einem amerikanischen Psychiater und Genetiker, dass narzisstische Verhaltensweisen mit dem erworbenen „Charakter“ zusammenhängen und weniger mit dem angeborenen „Temperament“. Man wird also nicht als Narzisst geboren, sondern dazu gemacht.
Bonelli beschreibt die Drei narzisstischen Fesseln folgendermaßen:

Narzissmus hat in allen drei Dimensionen des Charakters erhebliche Defizite: die Selbstidealisierung, die Abwertung der anderen und die völlige Unfähigkeit zur Selbsttranszendenz.
Diese drei Stricke fesseln den Narzissten an sich selbst. Die erste Fessel, die Selbstidealisierung, ist eine pfauenartige Selbsterhöhung, die sich aus einer gesteigerten Selbstliebe entwickelt und klinisch in einem überzogenen Selbstwertgefühl wahrnehmbar wird. In der Fachliteratur ist häufig vom „grandiosen Selbstbild“ oder „Grandiosität“ die Rede: der Narzisst blendet alles Nichtgrandiose an sich selbst aus, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Dazu gehören vor allem persönliches Scheitern, seine Fehler und Schuld. Weil er aber das Negative ausblendet, neigt er zur Beratungsresistenz.

Dieser Satz beschreibt meinen Mann im Kern. Niemals würde er ehrlich seine Schuld eingestehen, auch wenn sein Fehler noch so groß wäre! Ich spreche von einer ehrlichen Entschuldigung und nicht von theatralisch geäußerten Schuldbekenntnissen oder einem unglaubwürdigem „Ich, weiß, ich bin wieder mal schuld. Was willst du denn noch hören? Ich hab doch schon gesagt, dass ich schuld bin!“

Die zweite Fessel, die Abwertung der anderen, folgt aus der ersten Fessel. Abgewertet wird jeder, aber besonders jemand, der an der Grandiosität kratzen könnte.

Genau das ist es, was ich 28 Jahre lang erlebt habe und erleiden musste. Da ich an Matthias’ Grandiosität des Öfteren gekratzt und seine Worte und Taten infrage gestellt habe, hat er mich insgeheim zu seiner persönlichen Feindin erklärt. Und somit hatte er nichts unversucht gelassen, mich zu demütigen und mir zu zeigen, dass ich ihm selbstverständlich nicht ebenbürtig sei.

Der Narzisst sieht sich letztlich nicht auf gleicher Augenhöhe mit seinem Nächsten. Er nimmt die bedingungslose Liebe, die Menschen ihm schenken, als selbstverständlich – ohne dass er den Impuls verspürt, die Liebe zu erwidern.
Die dritte Fessel knüpft sich aus den ersten beiden: Die Asymmetrie zwischen sich selbst und dem Du ist das Markenzeichen des Narzissten, das Selbsttranszendenz unmöglich macht. Man könnte das Selbstimmanenz nennen: der Mensch bleibt in sich selbst stecken. Er bleibt in sich, dreht sich nur um sich selbst, ist unfähig oder unwillig, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und etwa die klassischen Transzendentalen wie das Schöne, Wahre und Gute
wahrzunehmen.
Die narzisstische Trias – Selbstidealisierung, Fremdabwertung und Selbstimmanenz – bremst den Mann aus und verhindert seine menschliche Entfaltung.

Menschliche Entfaltung, die hat mein Mann wirklich nicht durchgemacht. Es ist einfach unmenschlich, sich über andere zu erhöhen und auf sie herabzusehen. Sie permanent zu erinnern, dass sie weniger wissen, können, also weniger wert sind. Dieses Verhalten ist asozial.

Die amerikanische psychiatrische Klassifikation (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders. Fifth Edition) aus dem Jahr 2013 weist die narzisstische Persönlichkeitsstörung mit neun verschiedenen Symptomen aus. Sie sind international gebräuchlich, praxisnah und phänomenologisch angelegt und geben einen sehr guten Überblick.

Neun verschiedene Diagnosepunkte der narzisstischen Persönlichkeitsstörung nach DSM-5:

1. Hat ein grandioses Verständnis der eigenen Wichtigkeit (übertreibt etwa Leistungen und Talente, erwartet, ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt zu werden).
2. Ist stark eingenommen von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Brillanz, Schönheit und idealer Liebe.
3. Glaubt von sich, „besonders“, und einzigartig zu sein und nur von anderen besonderen oder hochgestellten Menschen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder mit diesen verkehren zu müssen.
4. Benötigt exzessive Bewunderung.
5. Legt ein Anspruchsdenken an den Tag, das heißt, hat übertriebene Erwartungen auf eine besonders günstige Behandlung oder automatisches Eingehen auf die eigenen Erwartungen.
6. Ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch, das heißt, zieht Nutzen aus anderen, um eigene Ziele zu erreichen.
7.Zeigt einen Mangel an Empathie: ist nicht bereit, die Gefühle oder Bedürfnisse anderer zu erkennen/anzuerkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren.
8. Ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn.
9. Zeigt arrogante, hochmütige Verhaltensweisen oder Ansichten.

Für eine Diagnosestellung einer „narzisstischen Persönlichkeitsstörung“ benötigt man nur fünf zutreffende Punkte.

Die Punkte 1, 3, 4, 7 und 9 treffen uneingeschränkt auf meinen Mann zu.
Die Erkenntnis, dass ich mit einem Narzissten verheiratet bin, war sehr erleichternd für mich.

Wo der Narzissmus meines Mannes seinen Ursprung hat, darüber habe ich mir jahrelang Gedanken gemacht. Wie R. Bonelli es beschreibt, hat der Narzissmus seinen Ursprung in der Kindheit und im Jugendalter. Das hatte ich schon vermutet.

So trägt es eben auch zum Narzissmus bei, wenn man ständig gesagt bekommt, wie toll, schön und fehlerlos man ist. Irgendwann glaubt man es. Schlimm ist, wenn dieses Trommelfeuer von frühester Jugend an von den eigenen Eltern kommt. Aber diese giftige Indoktrination können auch der Fanclub, die speichelleckenden Untergebenen oder die Ehefrau besorgen. Selig, wer noch kritisches Feedback bekommt – und es auch zulässt.

Vorwort

Es ist der 3. August 2020 – der erste Tag einer neuen Idee.

„Ich werde ein Buch schreiben!“

Noch nie hatte ich mich vorher mit diesem Thema beschäftigt. Aber nun ist es ganz klar, dass ich das tun muss. Tun muss, um endlich die Heilung für meine Seele einzuleiten. Tun muss, um der Welt zu zeigen, dass mein Mann, der mich seit 28 Jahren unterdrückt und demütigt, nicht der tolle, bewunderungswürdige, kreative, wohlhabende Mensch ist, den viele in ihm sehen. Er ist anders. Das Buch ist keine Abrechnung mit meinem Mann, es ist eine Befreiung.
Ich muss dieses Buch auch schreiben, für die zahlreichen Menschen, die unter narzisstisch gestörten Partnern leiden, sei es im privaten oder beruflichen Bereich, und diese Bürde nicht loswerden können. Leider habe ich selbst viel zu spät gemerkt, dass ich mit einem Narzissten verheiratet bin – seit mittlerweile 27 Jahren.
Dabei geht es mir in diesem Buch nicht darum, „schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit zu waschen“, sondern darum, zu zeigen, dass sich Frauen wehren können, wenn schon nicht körperlich, dann mit alternativen Methoden. Ich schreibe dieses Buch als energetischen Ausgleich. Meine Ehejahre haben mich viel Energie gekostet. Zu viel. Vielleicht kommt nun ein bisschen davon wieder zurück zu mir.
In meinem privaten Umfeld trennen sich nach langen Ehejahren immer mehr Frauen von ihren Männern, da sie diese narzisstischen Tendenzen bei ihren Partnern einfach nicht mehr aushalten. Auch für diese Leidensgenossinnen schreibe ich dieses Buch. Ich möchte sie wissen lassen, dass sie nicht alleine sind und dass nicht SIE es sind, die ein verkehrtes Weltbild in sich tragen. Durch den jahrelangen Umgang mit einem Narzissten ist es schwer, seinen Selbstwert aufrechtzuerhalten. Kopf und Seele werden systematisch mürbe gemacht, die Selbstzweifel werden immer mehr. Es kostet unglaublich viel Kraft, diesem Vorgehen Paroli zu bieten.
Viele haben diese Kraft nicht mehr. Auch für sie schreibe ich dieses Buch.
Auch für meine drei erwachsenen Kinder. Sie haben kaum Ahnung, wie es mir emotional geht, wie ich die vielen Ehejahre überstanden und erduldet habe, auch um sie zu schützen. Niemand weiß, wie es in mir aussieht. Auch deshalb muss ich dieses Buch schreiben.
Aufarbeitung und Psychohygiene.
Namen und Orte in diesem Buch sind verändert. Die Geschichte aber ist genauso passiert. Ein Tatsachenbericht. Alles ist wahr und von mir so erlebt.

Wally Gruber

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1 - Wie alles begann

Ich habe seine über alles geliebten Chilipflanzen vergiftet. Nicht alle, aber einige. Von ihm selbst gezogen, permanent gepflegt und gehätschelt, manche so scharf, dass sie ein normaler Mensch nicht essen kann und man selbst zum Schneiden Handschuhe anziehen muss. Sie wachsen im Wintergarten, das quasi als Gewächshaus fungiert.
Nun werden vier von ihnen sterben, da ich eine große Portion Salz in den Topf mit Erde gestreut habe. Nun geht es mir besser. In den letzten 28 Jahren habe ich alles probiert: Ich habe diskutiert, ich habe geweint, ich habe getobt, ich habe gefragt. Aber nichts hat geholfen, um meinen Mann dazu zu bewegen, mich nicht mehr mit Worten zu demütigen. Ein verbaler Schlag tut genauso weh wie ein Schlag ins Gesicht. Ich fühle mich misshandelt. Seit vielen Jahren.
Heute habe ich beschlossen, mich aktiv zu wehren. Vier Chilipflanzen werden sterben. Es ist der 4. Juli 2020.
Wie konnte es zu dieser Aktion kommen, die so gar nicht zu meiner Person passt?
Ein langer Weg.
Im Spätsommer 1992 besuchte ich meine Eltern in einer bayerischen Kleinstadt. Mein Vater holte mich ans Telefon, es sei ein Matthias Gruber dran, der fragte, ob hier noch die Wally wohnen würde. Matthias Gruber? Das lag aber sehr lang zurück …

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7 - Respektlosigkeit, Provokation, verbale Misshandlung

Artikel 1 unseres Grundgesetzes lautet: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Artikel 2 (2): Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Artikel 3 (1): Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Artikel 3 (2): Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

Wenn ich mir den Artikel 2 anschaue, dann heißt das im Umkehrschluss, dass alle, die einem anderen körperliches Leid zufügen, vom Gesetz her verfolgt und bestraft werden können. Meiner Meinung nach besteht hier eine Lücke im Gesetz. Ehemänner, die ihre Frauen körperlich misshandeln, können dafür bestraft werden. Aber Männer, die ihre Frauen psychisch und verbal misshandeln, werden nicht verfolgt. Hierin besteht die Lücke. Verbale Misshandlungen tun mindestens genauso weh wie ein Faustschlag ins Gesicht, sind aber nicht nachzuweisen, da man keine Schwellungen und Hämatome davonträgt. Verbale Attacken wirken jedoch weitaus subtiler und destruktiver als körperliche. Die Seele erleidet einen dauerhaften Schaden, das Selbstbewusstsein wird zerstört und die Selbstachtung konterkariert. Warum muss man das aushalten? Warum kann sprachliche Gewalt nicht bestraft werden? Warum kann der Täter nicht zur Rechenschaft gezogen werden? Es kann doch nicht sein, dass diese Taten gesellschaftlich geduldet werden! Dagegen muss etwas getan werden. Auch dafür habe ich dieses Buch geschrieben. Aus psychohygienischen Gründen.
Dazu schreibt Christine Merzeder in ihrem Buch „Wie schleichendes Gift“:

Unkontrollierte, unvorhersehbare Wutausbrüche, Schreien und Beschimpfungen, ständige Abwertungen, bösartige Beleidigungen, haltlose Beschuldigungen – psychische Gewalt ist so brutal wie physische Gewalt, doch wird dies meist nicht anerkannt. Psychische Gewalt gibt es in vielen Varianten, doch immer verursacht sie bei ihren Opfern eine tiefe Verunsicherung. Angst und der Verlust des Selbstbewusstseins spielen eine entscheidende Rolle, dass die Täter Macht über ihre Opfer erlangen und diese leichter manipulieren können. Psychischer Missbrauch erfolgt jedoch auch in Formen, die von der Gesellschaft wenig wahrgenommen und weithin akzeptiert werden. Dazu gehören „Witze“ über scheinbare Unzulänglichkeiten, Lügen, Respektlosigkeit, Herablassung und Bevormundung. Diese sogenannte Mikrogewalt kann bei den Opfern verheerende Folgen haben, insbesondere wenn sie ihr auf Dauer ausgesetzt sind. Als immer wiederkehrende spitze Nadelstiche können Attacken der Mikrogewalt die Seele schwer verletzen.

Zwei der zahlreichen Misshandlungen, die mir mein Mann zugefügt hat, habe ich bereits im vorletzten Kapitel beschrieben.
Nun werde ich von weiteren verbalen Tiefschlägen berichten und versuche, sie chronologisch zu ordnen und mich an alles zu erinnern. In großen Teilen habe ich sie bereits in ein Büchlein notiert, nachdem sie mir um die Ohren geflogen sind.
Am Anfang waren es nur kleine Sticheleien oder Äußerungen, die mich wundern ließen.

*****

10 - Pathologie eines Narzissten

Wie erkennt man einen Narzissten? Mir ist leider viel zu spät klar geworden, dass ich mit einem bösartigen Narzissten verheiratet bin. Hätte ich etwas ändern können? Leider nein. Narzissten kann man nicht ändern. Das sagen sowohl Psychologen als auch Psychotherapeuten. Denn ein Narzisst erkennt nicht, dass er ein Narzisst ist. Wenn jemand wirklich sein Herz öffnen kann und erkennt, wieviel Leid er in eine Beziehung gebracht hat, dann ist Heilung für die Seele des Partners möglich. Dazu gehört aber auch eine aus tiefster Überzeugung kommende Entschuldigung.
Da ich mich in den letzten fünf Jahren sehr viel mit dem Thema beschäftigt habe, möchte ich in diesem Kapitel die Wissenschaft zur Hilfe nehmen, um darzustellen, wie man einen Narzissten erkennen kann.
In erster Linie möchte ich Univ.-Doz.Dr.med.Dr.scient. Raphael M. Bonelli anführen, einen österreichischen Neurowissenschaftler, Psychiater und Psychotherapeut. Er arbeitet als Psychiater und systemischer Psychotherapeut in Wien und hat diverse Publikationen über Perfektionismus und Narzissmus verfasst.
Sein Buch „Männlicher Narzissmus: Das Drama der Liebe, die um sich selbst kreist“, erschienen 2016, verwende ich als Grundlage meiner Forschung über das Thema. Erweitert wird dies durch zahlreiche Vorträge und Seminare, die sich mit dem Thema Narzissmus beschäftigen. Eine Zusammenfassung meiner Recherche erfolgt in diesem Kapitel.
Zitate aus Bonellis Buch sind in Kursivschrift abgedruckt und im Quellenverzeichnis angegeben.

Jeder Mann trägt narzisstische Anteile in sich. Der eine mehr, der andere weniger. Wahrnehmbar an einer unbändigen Freude an sich selbst.
Im Gegensatz zu einem Perfektionisten kreist der Narzisst nicht angstvoll um sich selbst – sondern er kreist verliebt um sich selbst. Der narzisstische Mann ist völlig davon überzeugt, dass er etwas Besonderes ist und dass es deswegen auch ganz natürlich, legitim und stimmig ist, wenn ihn andere lieben, wertschätzen – und bewundern. Der männliche Narzisst hat kein Problem mit der Angst. Dafür hat er ein größeres Problem mit der Liebe. Es ist ein Mann, der von den Fesseln des Narzissmus an sich selbst gebunden ist. Er liebt, aber leider als Rohrkrepierer: Er kommt über sich selbst nicht hinaus.
Schon im griechischen Mythos ist der begehrte Jüngling Narziss daran zugrunde gegangen, dass er als Mann die weibliche Liebe nicht erwidern konnte, sondern sich selbst – beziehungsweise sein Spiegelbild – zum Objekt seiner Liebe erwählt hatte.

In dieser Beschreibung finde ich meinen Mann wieder. Jedes Mal, wenn ich mich um ihn gekümmert habe, wenn ich etwas für ihn getan habe, hatte er mir gesagt, ich müsse das nicht tun. Ich solle das lassen. Aber ich tat es immer gern und wenn man eine Familie hat, ist man gegenseitig füreinander da und hilft sich. So sehe ich das. Ich hatte das Gefühl, ihm sei es fast peinlich, dass ich ihn unterstützt habe. Ich wollte ihm doch nur eine Freude machen. Er hat es nicht verstanden. Es wäre so schön gewesen, wenn er es einfach genossen hätte. Er konnte es nicht. Schade. Ich war oftmals frustriert.
Viele Male habe ich mich gefragt, ob das Verhalten meines Mannes angeboren oder erworben sei. Diesbezüglich erwähnt Raphael Bonelli die These von C. Robert Cloninger, einem amerikanischen Psychiater und Genetiker, dass narzisstische Verhaltensweisen mit dem erworbenen „Charakter“ zusammenhängen und weniger mit dem angeborenen „Temperament“. Man wird also nicht als Narzisst geboren, sondern dazu gemacht.
Bonelli beschreibt die Drei narzisstischen Fesseln folgendermaßen:

Narzissmus hat in allen drei Dimensionen des Charakters erhebliche Defizite: die Selbstidealisierung, die Abwertung der anderen und die völlige Unfähigkeit zur Selbsttranszendenz.
Diese drei Stricke fesseln den Narzissten an sich selbst. Die erste Fessel, die Selbstidealisierung, ist eine pfauenartige Selbsterhöhung, die sich aus einer gesteigerten Selbstliebe entwickelt und klinisch in einem überzogenen Selbstwertgefühl wahrnehmbar wird. In der Fachliteratur ist häufig vom „grandiosen Selbstbild“ oder „Grandiosität“ die Rede: der Narzisst blendet alles Nichtgrandiose an sich selbst aus, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Dazu gehören vor allem persönliches Scheitern, seine Fehler und Schuld. Weil er aber das Negative ausblendet, neigt er zur Beratungsresistenz.

Dieser Satz beschreibt meinen Mann im Kern. Niemals würde er ehrlich seine Schuld eingestehen, auch wenn sein Fehler noch so groß wäre! Ich spreche von einer ehrlichen Entschuldigung und nicht von theatralisch geäußerten Schuldbekenntnissen oder einem unglaubwürdigem „Ich, weiß, ich bin wieder mal schuld. Was willst du denn noch hören? Ich hab doch schon gesagt, dass ich schuld bin!“

Die zweite Fessel, die Abwertung der anderen, folgt aus der ersten Fessel. Abgewertet wird jeder, aber besonders jemand, der an der Grandiosität kratzen könnte.

Genau das ist es, was ich 28 Jahre lang erlebt habe und erleiden musste. Da ich an Matthias’ Grandiosität des Öfteren gekratzt und seine Worte und Taten infrage gestellt habe, hat er mich insgeheim zu seiner persönlichen Feindin erklärt. Und somit hatte er nichts unversucht gelassen, mich zu demütigen und mir zu zeigen, dass ich ihm selbstverständlich nicht ebenbürtig sei.

Der Narzisst sieht sich letztlich nicht auf gleicher Augenhöhe mit seinem Nächsten. Er nimmt die bedingungslose Liebe, die Menschen ihm schenken, als selbstverständlich – ohne dass er den Impuls verspürt, die Liebe zu erwidern.
Die dritte Fessel knüpft sich aus den ersten beiden: Die Asymmetrie zwischen sich selbst und dem Du ist das Markenzeichen des Narzissten, das Selbsttranszendenz unmöglich macht. Man könnte das Selbstimmanenz nennen: der Mensch bleibt in sich selbst stecken. Er bleibt in sich, dreht sich nur um sich selbst, ist unfähig oder unwillig, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und etwa die klassischen Transzendentalen wie das Schöne, Wahre und Gute
wahrzunehmen.
Die narzisstische Trias – Selbstidealisierung, Fremdabwertung und Selbstimmanenz – bremst den Mann aus und verhindert seine menschliche Entfaltung.

Menschliche Entfaltung, die hat mein Mann wirklich nicht durchgemacht. Es ist einfach unmenschlich, sich über andere zu erhöhen und auf sie herabzusehen. Sie permanent zu erinnern, dass sie weniger wissen, können, also weniger wert sind. Dieses Verhalten ist asozial.

Die amerikanische psychiatrische Klassifikation (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders. Fifth Edition) aus dem Jahr 2013 weist die narzisstische Persönlichkeitsstörung mit neun verschiedenen Symptomen aus. Sie sind international gebräuchlich, praxisnah und phänomenologisch angelegt und geben einen sehr guten Überblick.

Neun verschiedene Diagnosepunkte der narzisstischen Persönlichkeitsstörung nach DSM-5:

1. Hat ein grandioses Verständnis der eigenen Wichtigkeit (übertreibt etwa Leistungen und Talente, erwartet, ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt zu werden).
2. Ist stark eingenommen von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Brillanz, Schönheit und idealer Liebe.
3. Glaubt von sich, „besonders“, und einzigartig zu sein und nur von anderen besonderen oder hochgestellten Menschen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder mit diesen verkehren zu müssen.
4. Benötigt exzessive Bewunderung.
5. Legt ein Anspruchsdenken an den Tag, das heißt, hat übertriebene Erwartungen auf eine besonders günstige Behandlung oder automatisches Eingehen auf die eigenen Erwartungen.
6. Ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch, das heißt, zieht Nutzen aus anderen, um eigene Ziele zu erreichen.
7.Zeigt einen Mangel an Empathie: ist nicht bereit, die Gefühle oder Bedürfnisse anderer zu erkennen/anzuerkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren.
8. Ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn.
9. Zeigt arrogante, hochmütige Verhaltensweisen oder Ansichten.

Für eine Diagnosestellung einer „narzisstischen Persönlichkeitsstörung“ benötigt man nur fünf zutreffende Punkte.

Die Punkte 1, 3, 4, 7 und 9 treffen uneingeschränkt auf meinen Mann zu.
Die Erkenntnis, dass ich mit einem Narzissten verheiratet bin, war sehr erleichternd für mich.

Wo der Narzissmus meines Mannes seinen Ursprung hat, darüber habe ich mir jahrelang Gedanken gemacht. Wie R. Bonelli es beschreibt, hat der Narzissmus seinen Ursprung in der Kindheit und im Jugendalter. Das hatte ich schon vermutet.

So trägt es eben auch zum Narzissmus bei, wenn man ständig gesagt bekommt, wie toll, schön und fehlerlos man ist. Irgendwann glaubt man es. Schlimm ist, wenn dieses Trommelfeuer von frühester Jugend an von den eigenen Eltern kommt. Aber diese giftige Indoktrination können auch der Fanclub, die speichelleckenden Untergebenen oder die Ehefrau besorgen. Selig, wer noch kritisches Feedback bekommt – und es auch zulässt.

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