Das schwarze Schaf im Kloster

Das schwarze Schaf im Kloster

Ursula Antonitsch


EUR 15,90
EUR 9,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 158
ISBN: 978-3-99048-748-8
Erscheinungsdatum: 22.06.2017
Ursula wächst erst bei Pflegefamilien, dann in drei verschiedenen Klöstern auf. Doch der Frieden währt nie lange, denn sie ist für diese fromme Lebensweise einfach nicht geeignet, und ihre Streiche und Ausbruchversuche werden streng geahndet …
Das schwarze Schaf im Kloster

Meine Autobiografie ist in erster Linie ein Seitenhieb gegen die römisch-katholische Kirche und der leidige Versuch, das Zölibat endlich zu reformieren. Warum mir das ein so großes Anliegen ist, werde ich Ihnen auf den kommenden Seiten genau erzählen.
Wir alle leben gemeinsam im 21. Jahrhundert nach Christi Geburt und das sollte keine große Weltreligion ausgrenzen. Als bekennende Atheistin glaube ich an Aktion und Reaktion, Ursache und Wirkung. Und doch biete ich meinen Kindern eine Wahlmöglichkeit, indem ich noch immer Kirchensteuer bezahle! Meine Kinder werden, wenn sie es denn so wollen, die heiligen Sakramente der Taufe und Firmung erhalten.
Ich darf Ihnen versichern, dass eine gute Tat weniger mit einer Örtlichkeit als mit dem Glauben zu tun hat. Es ist viel mehr die Fähigkeit zur Herzensgüte sowie die Förderung und Entwicklung eines freien Geistes. Begriffe wie Ethik und Moral sowie Aufklärung über alle Religionsformen sollten endlich in den ebenfalls reformbedürftigen Religionsunterricht aufgenommen werden!
Auf unserem Planeten verhungern im Jahr EINE MILLIARDE Menschen, darunter eine mir Gott sei Dank unbekannte, hohe Zahl an Kindern.
Glauben Sie, dass das sein muss? Nein, aber es kümmert UNS nicht! Wir sitzen ja alle vor voll beladenen Tellern und schlemmen meist zu viel in uns rein!
Ehrlich, kennen Sie noch das Gefühl des knurrenden Magens, bei dem Ihnen schon eine zarte Übelkeit über die Speiseröhre kriecht? NEIN? Kein Vorwurf, aber ein globales Umdenken wäre wünschenswert! Aber ich werde hier kein Kochbuch schreiben, denn ich küsse besser, als ich koche.
Im Anhang werden Sie erfahren, was es mit diesem Satz auf sich hat. Ich fand also im Alter von 14 Jahren in drei unterschiedlichen Klöstern, natürlich ungefragt, ein neues Zuhause. Meine Wenigkeit, das schwärzeste Schaf unter allen, würde auch seinen Platz in der Herde finden.
So lade ich Sie ein auf meine Reise hinter hohe Mauern. Geprägt von Emotionen, Eindrücken und vielen Persönlichkeiten, die ich nicht immer kennenlernen wollte. In diesem Sinne Halleluja und viel Spaß beim Lesen! Ich machte mich auf den Weg in einem Zeitraum von nicht mal zwei Jahren durch drei Bundesländer. In meinem Rucksack hatte ich die unendliche Liebe – zu einer älteren Dame – verschnürt, eine Menge Mut und körperliche sowie geistige Fitness.



Ich über mich

Es folgen einige Fakten, die ich Ihnen nicht ersparen kann, damit Sie wissen, wo wir hier einsteigen. Am 30.10.1967 kam ich gesund und munter zur Welt. Meine Mutter hatte damit wenig Freude und mein biologischer Erzeuger war überrascht. So gesehen bin ich ein Produkt eines Abends, aber mit ungeahnten Nebenwirkungen, wie sich bald zeigen sollte.
So begibt sich meine Mutter auf die Suche nach einer Tagesmutter, da bin ich gerade mal sechs Monate alt. In einem Fleischergeschäft wird sie auch bald fündig, eine 62-jährige Pensionistin wird mich bei sich aufnehmen.
Die wiederum hat die Entscheidung wohl eher mit ihrem Herzen getroffen als mit dem Verstand. Aber ich darf sagen, ich war ein süßer Fratz und von mir aus war es Liebe auf dem ersten Blick.
Mit Sack und Pack wurde ich dann bei meiner neuen Leih-Oma abgeliefert. Zu meinem Besitz gehören ein hölzernes Gitterbett, Babybekleidung und mein weißes Seidentuch. Dieses Seidentuch ist meine Einschlafhilfe. Ich reibe es zwischen meinen Daumen hin und her, rauf und runter, immer wieder – und schwups bin ich eingeschlafen.
Zu diesem Zeitpunkt konnte ich sitzen, das machte ich auch. So schwankte ich immer angeblich brummend hin und her wie ein kleiner Bär.
Vier Monate vergehen, meine Mutter schickt das vereinbarte Geld und ich bin endlich mal erwünscht. Was meinen Sie, was das für ein Gefühl ist und wie ich mich prächtig entwickle.
Ja, da schau her, ich hörte nach wenigen Tagen auf zu brummen! Können Sie sich denken, wer dafür verantwortlich ist? Ja, dieses unsichtbare Band der sogenannten Liebe. Es wurde zwischen drei Personen geknüpft!
Zwischen der älteren Dame mit ihrem Sohn und diesem kleinen, süßen, fremden Spatz. Er, der Sohn, ist wohl mein größter Fan und ich seine kleine Prinzessin. Ich wurde verwöhnt und auf Händen getragen. Ein Nein, den deutschen Begriff der Verneinung, dessen Bedeutung kannte ich nicht. Ich bekam alles, was ich mir nur wünschte, Spielzeug und allem voran Puppen. Sogar die haben fast alle Nationalitäten, ich hab sogar ein schwarzes Baby. Ich äußerte meinen Wunsch und da schau her, es wurde gekauft. Den Großteil meiner Wünsche bezahlte mein Papa und in den ganzen 14 Jahren wurde er mir gegenüber nur ein einziges Mal richtig sauer. Es gab da mal ein Erdbeben in einem angrenzenden südlichen Land, bei dem Hunderte Menschen zu Tode kamen. Ich wollte denen helfen und bestellte im Verlauf einer Schulaktion 100 grüne Schrauben mit dem Schriftzug: WIR HELFEN FRIAUL! Das Stück kostete seinerzeit 10 Schilling und so hatte ich 1000 Schilling zu bezahlen. Da bin ich zwischen zehn und elf Jahre alt und möchte halt helfen, aber so viel Geld habe ich nicht zur Verfügung. Was meine liebe Klassenlehrerin dazu veranlasste, mein Mitteilungsheft für einen Roman zu halten. Eine Mahnung jagte die nächste.
Mal waren die Ausreden zu Ende und mein Papa entdeckte das, ich bekam dafür ein paar Schläge auf den Hintern. Dafür hatte ich aber endlich das notwendige Geld und 100 grüne Kugelschreiber – das hatte doch was.
Weil ich mich so sehr für dieses Erdbeben interessierte, fuhr er mit mir dorthin und zeigte mir die zerstörten Ortschaften.
Und Oma war für meine seelische Entwicklung sehr prägend. Sie war immer für mich da, kochte täglich, was ich wollte, las mir alle Kinderbücher vor, die sie zur Verfügung hatte. Und ich konnte, bevor ich zu lesen begann, alles auswendig aufsagen und verstand die Bedeutung der Worte schon ziemlich früh.
Das und vieles mehr verdanke ich ausschließlich dieser unendlichen Liebe, die diese ältere Dame für mich übrig hatte. Mein Lieblingsspiel ist die Puppenküche, ein Stockwerk mit Möbeln und Puppen. Stunden verbringe ich hier spielend als Lehrerin. Mit diesem Puppenhaus verbinde ich nicht nur meine schönsten Kindheitserinnerungen, da drinnen steckte ein kleiner Teil von mir!

Die beiden waren ja Wirtschaftsflüchtlinge mit jüdischen Wurzeln. Sie wissen, was das damals bedeutete. In bescheidenen Arbeiterverhältnissen wurde ehrlich und freundlich in einer Mietwohnung gelebt. Es dauerte nicht lange und bald waren wir im ganzen Stadtviertel bekannt. Und irgendwann nahm mal wieder das Schicksal seinen Lauf.
Der junge Berufskraftfahrer und meine gut aussehende, aber trinkfreudige Mutter lernten sich kennen und vielleicht sogar lieben. Wir, also seine Mutter und ich, hatten keinen Einfluss mehr. Es wurde schnell geheiratet und ich war endlich meinen ledigen Namen los. Zu diesem Zeitpunkt säuft meine Mutter schon wie ein Bauarbeiter und verhält sich auch nicht anders, echt peinlich.
Jahre vergehen, ich bin glücklich und es macht sich ein Geschwisterchen auf den Weg zu mir. Auf einmal stehen die beiden da mit so einem ganz kleinen, fast zerbrechlich wirkenden Baby. Da bin ich schon neun und denk mir nur: witzig, wie er da so liegt. Eingedreht und dünn, etwas kränklich ausschauend. Das ist mein Bruder und endlich hab ich ein lebendiges Spielzeug. Gemeinsam ist es doch am schönsten, obwohl ich sagen muss, bis er laufen konnte, hielt sich meine Freude in Grenzen.
Die Alkoholprobleme wurden immer größer und es kam zur Trennung. Zuvor wurde noch eine große Eigentumswohnung gekauft mit Geld, das niemand hatte. Für Kinder, die wir nun mal waren, ist es ja schon schlimm genug, wenn es zur Scheidung kommt, aber die Streitereien davor sind unerträglich für mich und meinen Bruder.
Alles ist geklärt, glauben zumindest die Erwachsenen, und für uns geht die Reise zu unserer leiblichen Oma am Rande der Stadt. Zuvor waren wir aber noch kurzfristig bei drei anderen Pflegefamilien untergebracht. Koffer packen konnten wir sehr bald ganz schnell.
Besagte leibliche Oma steht als Witwe mit zwei heranwachsenden Jungs, einer 18 und einer 19, alleine da. Mein Opa starb recht früh an Lungenkrebs und den Folgen des Alkohols. Viel Mitgefühl brauchten wir da nicht erwarten, sie ist bekennende Nationalsozialistin und kennt nur eine Lebensregel – Arbeiten macht frei! Ich wandere sofort, so kommt es mir zumindest vor, zur Gruppenübung beim Bundesheer. Ein Wahnsinn, von Montag bis Freitag mit dem Rad zur Schule, im Winter zu Fuß, und am Wochenende war ich Bauhilfsarbeiter! Ich bin mir nicht sicher, ob sie überhaupt bemerkte, dass ich ein Mädchen war. Auch als Reinigungsdame bin ich im Einsatz.
Meine Onkel, einer davon Maurer, der andere Fliesenleger, hatten nicht mal die Möglichkeit zur freien Berufswahl. Der Oberfeldwebel liebt also Beton und so kommt eine alleinstehende Frau im Handumdrehen zu zwei Einfamilienhäusern. Bei einem davon habe ich vom Fundament bis zur Deckung mitgearbeitet. Der Maurer hatte die Bauaufsicht und mein anderer Onkel hatte wie ich zu helfen. Ich führte mit dem Schubkarren den Beton, oft war mir richtig schummrig vor den Augen. Die Zementsäcke wogen damals fünfzig Kilogramm und ja, die hob ich alleine vom Fleck. Am Abend wie tot ins Bett, zum Frühstück warme Milch mit Honig und vor dem Wegfahren einen Löffel Lebertran als Starthilfe. Zum Kotzen, ich hätte liebend gerne darauf verzichtet. Oft genug schluckte ich die Kotze wieder runter, hielt mir dabei den Mund zu und atmete nicht.
Aber da sie in der Nacht – welch Zufall – in einem Betonwerk sauber machte, kamen wir als Einzige in unserer Siedlung in den Genuss von frischen Semmeln und Zuckerschnecken. Bald sah ich körperlich auch so aus wie ein Bauarbeiter. Unsere Mutter bekamen wir kaum mehr zu sehen, die jobbte im Ausland. Und sobald alle zusammenkamen, gab es unaufhörlich eh nur Streit. Mein Onkel, der Fliesenleger, hatte wie wir nichts zu lachen, er war immer nur ein Trottel und Versager.
Er starb im Alter von 48 Jahren an den Folgen des Alkoholmissbrauchs. Ich behaupte heute, auch an den Folgen der suggestiven Kräfte, die wir als Eltern auf unsere Kinder bewusst oder unbewusst einwirken lassen.
Als Belohnung dafür, dass ich so brav geschuftet habe, bekam ich jede Menge Taschengeld, das ich natürlich in Klamotten und Schminkzeug investierte. Und ich war echt gehorsam und machte alles, was der Oberfeldwebel verlangte. Ich stahl sogar auf Anordnung jedes Gemüse, das im ganzen Umkreis unserer Siedlung mit dem Fahrrad erreichbar war.
Das Originellste war ja die Kartoffelernte nächtens mit dem Anhänger.
Da verlor mein Onkel in der Nacht 100 Schilling irgendwo am Acker beim Bauern. Was glauben Sie, was die erneut verlangte? Die Kartoffeln bleiben da und retour zum Acker, bewaffnet mit Taschenlampen machten wir uns gemeinsam auf die Suche nach dem verlorenen Geld. Und wehe, ihr findet den Hunderter nicht! Für so viel Geld hätten wir ja die Kartoffeln auch gleich kaufen können.

Es wagte niemand, etwas zu sagen, ich kam nur oft aus dem Staunen nicht heraus. Es gab noch zwei, drei Vorfälle und dann die Tatsache, dass mein Körper immer mehr zur Frau wurde – Sie wissen, wie sich das bei Mädchen ankündigt. So kamen mit der Pubertät nicht nur Akne und Körperhaare, sondern auch mein innerer Widerstand kündigte sich schrittweise an. Mit meiner Tante aus Amerika stand ich in diesem Haus völlig allein da. Sie meinte nur, ich solle ja aufpassen, aber von einem aufklärenden Gespräch waren wir meilenweit entfernt. Ich war schon froh, dass sie mir alles einkaufte, was ich benötigte. Ich hätte das wohl nicht gekonnt, immerhin bin ich erst 13 Jahre alt, da schämt man sich noch. Sexualität und Aufklärung gab es in erster Linie in der Schule und bei meinen Freundinnen. Dort wurden meine weiblichen Anliegen auch ernst genommen, wir hatten alle das gleiche Problem und jede Menge zum Lachen. Und da es ohnehin um unser Lieblingsthema ging, hatten wir noch dazu eine Menge Spaß und das Jugendmagazin „Bravo“ diente aufklärend als fachliche Information für uns – Doktor Sommer.

Ich hatte dann aber doch genug von dem ganzen Zirkus dort und meine richtige Oma konnte ich bald nicht mehr anschauen! Nachdem sie einige Hamsterjunge neben mir mit heißem Wasser überbrühte und so zu Tode brachte, hatte ich nur noch Ekel für sie übrig!
Ihre Befehle hörte ich nicht mehr und so wurde aus einem Skorpion ein Esel im Tierkreiszeichen. Für mich gab es noch einmal echt geile Sommerferien mit meinen Freunden in unserer Siedlung. Einige Unwahrheiten wurden verbreitet und so wurden sie mich dann endgültig los. Meine Mutter und meine richtige Oma waren im Lügen echte Landesmeister.
Meinen Bruder nahm sie mit nach Deutschland in ein Mönchskloster. Es sollte Jahre dauern, bis ich ihn wiedersehen konnte – in Worten nicht zu beschreiben, was man ihm damit antat. Einem Hund im Tierheim ging es zeitgleich bestimmt besser. Es steht beim Jugendamt fest, dass ich in ein Heim für verhaltensauffällige Jugendliche komme.
Zu meiner geliebten älteren Dame durfte ich nicht zurück und das nur, weil wir nicht biologisch verwandt waren.

Ein Sozialarbeiter kommt mich am Montag in der Früh mit seinem uralten VW abholen und bringt mich weg. Es ist die erste Woche vor meinem eigentlich letzten Schuljahr – ach ja, und ich hatte nur gute Noten. Im Herbst ist das Wetter wie meine Stimmung, dunkel und vernebelt wie meine künftigen Aussichten. Mein Sozi ist ein ungepflegter Mann und sein Auto ist flotter als er. In wenigen Minuten Fahrzeit erreichen wir das riesige Kloster. Mein Fahrer ist erleichtert, er macht seinen Job und möchte mich so schnell als möglich forthaben. Dass er von dieser Aktion selber nicht überzeugt ist, sehe ich ihm an. Er beobachtet mich traurig, wie ich meine Habseligkeiten wortlos vom Rücksitz nehme.
Traurig bin ich schon, aber auch etwas neugierig, denn ich hätte es dort, wo ich war, nicht mehr ausgehalten. Ich werde kurz und bündig informiert und danach begleitet er mich schnellen Schrittes hinein.
Das Gebäude ist echt riesig. Was mir aber sofort auffällt, sind die vergitterten, großen, bunten Fenster. Ich selbst sehe auf den ersten Blick aus wie ein frecher, kleiner, durchtrainierter Junge. Bekleidet bin ich mit Jeanshose, Kurzarmleibchen und darüber ein Armeehemd.
Wir oder besser gesagt ich werde erwartet von der Oberin dieses Klosters, eine dünne Nonne mit kalten Augen. Im Pinguin-Stil läuft sie mir geschäftig entgegen. Auch sie beobachtet mich im Gehen und ist sichtlich amüsiert. Dabei grinst sie so, als wisse man ja bestens Bescheid über meine Wenigkeit.
Die guten Hirtinnen, wie sie sich nennen, gehören zu den Franziskanern. Mal sehen, ob sie halten werden, was sie versprechen, ich habe so eine dunkle Vorahnung.
Im nächsten Moment sitzt sie mir direkt gegenüber in einem gepflegten Zimmer mit einem beeindruckenden alten, schönen Schreibtisch. In die Nase steigt mir der angenehme Duft der Möbelpolitur, im Moment das einzig Wärmende in diesem Raum. Die Formalitäten sind innerhalb weniger Minuten erledigt und ich werde nach einer knappen Verabschiedung in mein neues Zuhause geleitet.
Schon als ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen ließ, erkannte ich meinen dramatischen Fehler sofort. Beim Datenaufnehmen gab ich meinen Stiefvater als meinen leiblichen – also richtigen – Vater an, der er ja für mich auch immer war. Aber hier wurde das wohl anders aufgenommen, keinen Schimmer.
Ich sah meinen richtigen Vater das erste Mal, als ich vier Jahre alt war. Daran kann ich mich kaum noch erinnern. Aber wir waren Eis essen gegangen, daran kann ich mich noch sehr genau erinnern. Aber ich weiß, dass es eine erbbiologische Untersuchung gab in einem anderen Bundesland. Bis auf die weiblichen Geschlechtsteile totale Übereinstimmung mit meinem Erzeuger.
Ich werde also nach einer kurzen telefonischen Voranmeldung von der Oberin persönlich in die Gruppe geleitet. Einen sehr langen Gang runter, das Nebengebäude hinauf und dort in den zweiten Stock.
Auch hier werde ich schon ungeduldig erwartet und es herrscht kollektive Unruhe. Ich bin der Neuzugang, so wird das hier genannt. Und schon wieder kommt eine Nonne auf mich zu. Sie watschelt wie eine Riesenente mir entgegen, die Beine auffällig seitlich weggedreht. Im gleichen Moment frage ich mich, wie so eine Gestalt sich überhaupt fortbewegen könne. Ihr Gesicht hat nichts Liebliches an sich und ich sollte mit meinem ersten Eindruck recht behalten. Es geht wieder bis zum Ende der Enziangruppe, der letzte Raum vor der Küche, dort befindet sich das Büro. Dieses ist der Stützpunkt und Aufenthaltsort vom Gruppendrachen, wenn er nicht gerade in der Kirche weilt, und den beiden weltlichen Erzieherinnen, die von außerhalb der Klostermauern kommen. Sie wechseln sich ab, alle zwei Wochen oder wöchentlich, keine Ahnung. In der Zwischenzeit ist die Chefin irgendwohin abgebogen. Ich habe keinerlei Orientierung im Gebäude, was mich total nervt. Das sollte sich bald ändern, ich beginne sofort, Kontakte zu knüpfen. Die Mädchen sitzen ja ohnehin alle im selben Boot und jede von ihnen ist überaus freundlich. Von den Nonnen haben sie sich das aber bestimmt nicht abgeschaut. Das wäre unmöglich, da lacht kein Pinguin, immer wird die Fassung gewahrt, keine Emotion wird sichtbar.
Die Menschheit sucht verzweifelt nach anderen Lebensformen. Ja, dann machen Sie mal einen Klosterbesuch, besser noch, Sie buchen einen Urlaub.
Meine neue Gruppenchefin erklärt mir müde und mit wenig Interesse den genauen Tagesplan, der sofort penibel einzuhalten ist. Der, auf den Punkt gebracht, viele Verpflichtungen, aber keinerlei Rechte für mich beinhaltet. Sie lässt bei mir keinen Zweifel, dass sie mich nicht ausstehen kann.
Von einer pädagogisch ausgebildeten Erzieherin werde ich in mein neues Zimmer gebracht, hier sollte ich mich mal ordnen. Was das genau bedeutet, weiß ich nicht, es ist mir schlicht und ergreifend egal.
Zur Verfügung stehen mir ein Kasten, ein unbequemes Bett mit alter Matratze, ein Schreibtisch aus Holz, eine Schuhablage und zwei schmale Regale. Hier sind wir zu viert im Zimmer untergebracht und ich sehe in den Innenhof dieses Klosters mit dem Ausgangstor!
Nun bin ich ein Zögling. Dieses Wort leitet sich von Zucht ab und man will auch bei mir mit der Züchtigung sofort beginnen. Um Gewalt auszuüben, benötigen sie nicht zwingend eine Peitsche, es genügen Worte der Demütigung.
5 Sterne
Das schwarze Schaf im Kloster - 12.01.2021
H.S.

Ausgezeichnet!Hat mich emotional sehr berührt, Schöne, aber traurige Geschichte. Hoffentlich gibt es eine Fortsetzung!

5 Sterne
Ex-Pflegefamilie - 12.06.2019
T&H L

Liebe CarmenDie Schilderung deiner Erlebnisse hat uns sehr beeindruckt ! Das Buch ist auch sehr spannendzu lesen. Es ist erfreulich, daß du mutig undselbstbewußt die schwierigen Jahre überwindenkonntest. Wir wünschen dir und deiner Familieweiterhin einen liebevollen Lebensweg !j

5 Sterne
Lesenswert!! - 13.11.2017
Melanie C.

Eine wahre, berührende und tragische Geschichte, jedoch humorvoll verpackt. Man taucht ein in die Welt der Ursula Antonitsch und bekommt einen kleinen Einblick in die Gefühlswelt von Kindern die unbehütet aufwachsen müssen.

5 Sterne
Weltklasse - 09.09.2017
Georg conreder

Aus der Sicht des Opfers das zu Schlachtbank geführt wurde. Doch sich gekonnt wehrt.

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