Chinoiserien - einst und jetzt

Chinoiserien - einst und jetzt

Aspekte der Kulturgeschichte Chinas

Andreas Wirz-Ridolfi


EUR 29,90
EUR 23,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 432
ISBN: 978-3-99130-224-7
Erscheinungsdatum: 30.01.2023
Eine Essay-Sammlung mit Hintergrundinformationen zu diversen typisch chinesischen Themen. Der italienische Jesuit Matteo Ricci (1552–1610) befand: „China ist nicht nur ein Land, es ist eine ganze Welt.“ Diese Welt bringt uns das Buch näher.
1 Die Chinesischen Feiertage – Sitten und Gebräuche


Im chinesischen Kalender fällt das Neujahrsfest auf den zweiten Neumond nach der Wintersonnenwende, dies entspricht in Nichtschaltjahren dem Neumond vor der Frühlings-Tagundnachtgleiche. Somit kann das chinesische Neujahrsfest zwischen dem 21. Januar und dem 21. Februar stattfinden. Wie funktioniert eigentlich der chinesische Kalender? Im Prinzip ist der chinesische Kalender ein lunisolarer (Mond-Sonnen-)Kalender, was bedeutet, dass er vom Mond regiert und nach der Sonne korrigiert wird. Die Zeit zwischen zwei Neumonden beträgt 29,53 Tage, was 354 Tage pro Jahr ergibt. Es fehlen somit 11 Tage gegenüber dem Sonnenjahr, und die Jahreszeiten würden sich verschieben. Um dies zu vermeiden, wird alle zwei oder drei Jahre ein 13. Monat eingeschoben. Das chinesische Jahr beginnt mit dem Frühlingsfest (chun jie), das bis zum Laternenfest dauert. Seit der Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) gilt der chinesische Lunisolar-Kalender, nach welchem das Laternenfest (deng jie) am 15. Tag des 1. Mondmonats gefeiert wird. Kunstvolle, farbenfrohe Laternen aus Holz, Papier, Perlmutt und Horn zeigen Tierkreiszeichen, Szenen aus klassischen Romanen und Kampfszenen. Kinder spielen mit selbst gebastelten Laternen. Gegessen werden Klebreiskugeln mit süßer Füllung (chinesisch tangyuan, was ähnlich klingt wie tuanyuan = Familientreffen), sie symbolisieren die Eintracht in der Familie. Sowohl in Festlandchina als auch in Taiwan finden große Freiluftausstellungen mit den Laternen statt. Die Reihenfolge der 12 Tiere im Horoskop geht auf folgende Legende zurück: Der mythische Jadekaiser lud alle Tiere zu einem großen Fest und ordnete an, dass die Reihenfolge ihres Eintreffens auch die Reihenfolge der Tierkreiszeichen bestimmen soll. Mit dem Überbringen der Einladungen an die Tiere war die Ratte betraut. Auch die Katze hätte eine Einladung bekommen sollen, doch der schlauen Ratte war dies zu gefährlich, weshalb sie die Katze ausließ. Um als Erster einzutreffen, brach der Ochse schon am Vortag auf. Der Weg zum Fest führte über einen reißenden Fluss, ein Problem für die Ratte. Deshalb sprang sie behände auf den Rücken des Ochsen und ließ sich hinübertragen. Sobald sie in Sichtweite des Jadekaisers waren, sprang die Ratte herunter und war deshalb das erste Tier auf dem Fest und im Zodiak. Die Grundlage des chinesischen Kalenders ist ein Zyklus von 60 Jahren. Es gibt einerseits die bekannten 12 Tierkreiszeichen (Zodiac) von Ratte bis Schwein, welche alle 12 Jahre wiederkehren und Erdzweige genannt werden. Dazu gibt es die 10 Himmelsstämme, welche aus den fünf Elementen Holz – Feuer – Erde – Metall – Wasser bestehen, jeweils in ihren Yin- oder Yang-Manifestationen. Diese werden als die 10 Himmelsstämme bezeichnet. Jahre mit einer geraden Endziffer gelten als Yin, Jahre mit einer ungeraden Endziffer sind Yang. Somit ergibt die Verbindung der zehn himmlischen Stämme (die fünf Elemente, jeweils Yin und Yang) mit den zwölf Erdstämmen die Zahl 60. Jedes himmlische Yin (5) mit jedem irdischen Yin (6) ergibt 30, analog jedes himmlische Yang (5) mit jedem irdischen Yang (6) nochmals 30, was also insgesamt einen Zyklus von 60 Jahren ergibt, die Grundeinheit des chinesischen Kalenders seit 1900 v. Chr. Wer das nicht alles auf Anhieb begriffen hat, soll bitte nicht verzweifeln – mir ging es genauso, und man kann ja alles nachschauen! Wegen des traditionellen Mondkalenders (Lunisolar-Kalender) fällt das chinesische Neujahr, auch Frühlingsfest genannt, jeweils auf den zweiten Neumond zwischen dem 21. Januar und dem 21. Februar. In einer wahren Völkerwanderung begeben sich Jahr für Jahr über 250 Millionen Chinesen auf Verwandtenbesuch, die weltweit größte Migrationsbewegung. Sämtliche Flüge und Züge sind ausgebucht und die Autobahnen verstopft. Gegessen wird an Neujahr vor allem Fisch, der auf Chinesisch Yu heißt, was gleichlautet wie das Wort für „Ersparnisse“. Deshalb darf der Fisch auf keinen Fall vollständig aufgegessen werden, damit auch im neuen Jahr noch Geld übrig bleibt. Die chinesischen Tischsitten verlangen ohnehin, dass man immer noch Reste liegen lässt, damit der Gastgeber nicht als Geizhals das Gesicht verliert. Eine andere traditionelle Speise sind auch gefüllte Teigtaschen, Jiaozi. Der 3. Tag des Neujahrsfestes wird auch Chi Kou genannt, was „freier Mund“ oder Streit bedeutet, ein Phänomen, das auch· bei uns an Weihnachten bestens bekannt ist, wenn sich die Verwandtschaft trifft. Offiziell gibt es an Neujahr drei freie Tage für die Bevölkerung, die Feierlichkeiten dauern bis zum 15. Tag des neuen Jahres und enden mit dem Laternenfest. Am Vorabend des Neujahrstages wird zuerst ein Spaziergang unternommen, um die Spuren des alten Jahres aus dem Haus zu locken, anschließend werden Fenster und Türen geöffnet, um das Glück des neuen Jahres hereinzulassen. Von 23 Uhr bis in die Morgenstunden wird mit Feuerwerk geballert, was das Zeug hält, um das menschenfressende Jahresmonster Nianshou zu verscheuchen. Die in der Song-Dynastie (960 bis 1289 n. Chr.) entwickelte Pyrotechnik zeichnete sich ursprünglich mehr durch den Knalleffekt als durch die optische Freude aus, erst später kam die poetische Bezeichnung „Hua huo“, Blumen aus Feuer, auf. Am chinesischen Neujahr dominiert die Farbe Rot, weil Rot einerseits für Glück, Freude und Wohlstand steht – und wiederum das Jahresmonster durch Lärm und rote Farbe vertrieben wird. Traditionell werden deshalb an Kinder und unverheiratete Verwandte rote Umschläge, die sogenannten „hong bao“ mit Geldbeträgen verschenkt. Das Neujahr gilt als wichtigster Anlass im Jahresbrauchtum in China. Nach dem traditionellen Lunisolar-(Mond-Sonne)-Kalender fällt der Beginn des Neujahrsfestes auf den ersten Neumond zwischen dem 21. Januar und 21. Februar. Obwohl gesetzlich drei Feiertage vorgesehen sind, dauern die Festlichkeiten meist 15 Tage, bis sie mit dem Laternenfest enden. Rote Laternen gelten als Symbol für Glück (im umfassenden Sinne – nicht wie hierzulande im Rotlichtbezirk, wo sie den Weg zu relativ kurzfristigem „Glück“ weisen). Da die chinesische Zeitrechnung offiziell im Jahr 2637 v. Chr. beginnt, fängt zum Beispiel im Jahr 2012 in China das Jahr 4649 an. Das Neujahrsfest wird mit viel Feuerwerk eröffnet, welches allerdings in Beijing innerhalb der 4. Ringstraße wegen Brandgefahr und Luftverschmutzung verboten ist. Im Kreis der Familie wird viel gegessen, man opfert aber auch den Ahnen, die als Teil der Familie angesehen werden. Wenn es den Ahnen nicht gut geht, kann es der Familie nicht gut gehen. Ohne Herkunft keine Zukunft. Zahlreiche Neujahrsbräuche sollen Glück bringen und Unglück fernhalten: Man soll Fenster und Türen öffnen, um das Glück hereinzulassen, deshalb lässt man auch das Licht brennen, damit das Glück den Weg findet. Das Haus wird fein säuberlich geputzt, damit sich das Glück auch niederlassen kann. Man isst Süßigkeiten, um das neue Jahr zu versüßen. Umgekehrt bringt es Unglück, sich während der Festtage die Haare schneiden zu lassen, da das Wort „fa“ – nur anders betont, aber mit gleichem Schriftzeichen – sowohl Haare wie auch Wohlstand bedeutet – und den will man ja nicht wegschneiden. Sogar Bücher zu kaufen in dieser Zeit ist nicht empfehlenswert, da das Wort für Buch „shu“ (gleiche Betonung, anders geschrieben) auch Verlust bedeutet. Weitere wichtige Festtage in China sind: Nach dem Neujahrs- oder Frühlingsfest im Februar kommt 15 Tage später das oben beschriebene Laternenfest. 15 Tage nach der Frühlings-Tagundnachtgleiche wird das Qingming-Fest begangen, an welchem die Chinesen der verstorbenen Vorfahren gedenken und deren Gräber besuchen. Diese werden gereinigt, man legt dort Essen und Getränke, Früchte und Blumen nieder. Es wird Papiergeld verbrannt und Gegenstände aus Papier, die den Verstorbenen nützlich sein können: Kleider, Schuhe, sogar Autos – alles aus Papier. Natürlich dürfen bündelweise Räucherstäbchen nicht fehlen, welche die Besucher über den Kopf halten und sich damit verneigen. Am Qingming-Fest (Bedeutung: helles Licht) lässt man auch zahlreiche Drachen und Lampions in den Himmel steigen. Als Nächstes folgt im traditionellen chinesischen Kalender das Drachenbootfest, genauer am 5. Tag des 5. Monats, weshalb es auch Duanwujie (Doppelfünf-Fest) genannt wird. Es gehört mit dem Neujahrsfest und dem Mondfest zu den drei wichtigsten Anlässen Chinas. Zu seinem Ursprung gibt es folgende Geschichte: Zur Zeit der Streitenden Reiche (445 bis 221 v. Chr. lebte der erste historisch fassbare Dichter Chinas, Qu Yuan. Er bekleidete ein hohes Amt am Hofe des Königs Huai, wurde aber aufgrund seiner politischen Meinung entlassen. Aus Gram ob des erlittenen Unrechts ertränkte er sich im Fluss Miluo, die mit Booten herbeigeeilten Fischer kamen zu spät. Damit der Leichnam des ertrunkenen Dichters nicht von Fischen gefressen wurde, warfen die Anwohner mit Schweinefleisch und Bohnen Klebreistaschen ins Wasser, welche traditionell heute noch am Drachenbootfest verzehrt werden. Der Name kommt von den traditionellen Drachenbootrennen, die zu diesem Anlass auf der ganzen Welt ausgetragen werden. Ein solches Boot ist mehr als 30 Meter lang, aus Holz geschnitzt, vorne ein bunt geschmückter Drachenkopf und hinten der entsprechende Schweif. An Bord geben 70–80 Ruderer ihr Bestes, angefeuert von einem Trommler als Taktgeber und dem Steuermann im Heck. In jüngerer Zeit entwickelte sich das Drachenbootrennen zu einem internationalen Wettkampfsport, der in Australien, Europa, Kanada, Malaysia, Neuseeland und Südafrika ausgetragen wird. Der suizidale Dichter Qu Yuan hätte vielleicht seine Freude daran. Eher in Vergessenheit geraten ist das Geisterfest (guijie), das am 15. Tag des siebten Monats gefeiert wird. Sein Ursprung liegt in der taoistischen und der buddhistischen Tradition Chinas, nach welcher im siebten Monat die Seelen der Toten aus der Unterwelt auf die Erde kommen, um ihre verbliebenen Familien zu besuchen. Bei den Buddhisten heißt es Ullambana-Fest. Der siebte Monat wird deshalb auch „Geistermonat“ genannt. Parallelen zu Halloween oder zum Dia de los Muertos in Mexiko sind offensichtlich. Höhepunkt ist das Geisterfestival (Zhongyuan jie) oder Fest der hungrigen Geister. Der Legende nach haben diese einen derart riesigen Hunger entwickelt, dass die Lebenden ihnen nicht nur Gebete bieten, sondern auch vor den Häusern Speisen aufstellen und sogenanntes Höllengeld als Opfergabe für die Seelen der Verstorbenen verbrennen müssen. Inzwischen ist dieses Fest bei den Jungen in den chinesischen Metropolen zu einer gruseligen Variante von Halloween mutiert mit Kostümpartys und dergleichen. Umherirrende Geister können aber recht böswillig sein, weshalb man im Geistermonat lieber nicht alleine in der Nacht spazieren oder schwimmen gehen soll. Auch rote Kleider können Geister anziehen. Heiraten oder Wohnungsumzüge sollten zu einem anderen Termin stattfinden. Als Abschluss des Geistermonates lässt man beleuchtete Papierboote auf dem Wasser schwimmen, die den Geistern den Weg zurück ins Jenseits zeigen sollen. Mitte August folgt dann Qixi, das Fest der Liebenden, welches dem Valentinstag im Westen entspricht. Es fällt auf den Abend des siebten Tages des siebten Monats, deshalb die Bezeichnung „Nacht der doppelten Sieben“, und wird vor allem von den Jugendlichen gefeiert. Die Legende dahinter geht so: Es waren einmal ein Kuhhirte (niulang) und ein Webermädchen (zhinü), die sich so sehr liebten, dass sie ihre Arbeit vernachlässigten. Das erzürnte den Himmelskaiser dermaßen, dass er die beiden durch den Himmelsfluss trennen ließ. Die Elstern, gerührt von so viel Liebe, kamen geflogen und bildeten eine Brücke mit ihren Flügeln, sodass sie sich einmal im Jahr auf der Elsternbrücke treffen konnten, am 7. Tag des 7. Monats. Am Himmel ist das Liebespaar als die Sterne Altair (Niulang) und Wega (Zhinü) verewigt, getrennt durch die Milchstraße. Am 15. Tag des achten Monats findet das Mondfest oder Mittherbstfest (zhongqiujie) statt. Seit der Tang-Dynastie (618–907 n. Chr.) gilt es als eines der wichtigsten Feste Chinas, wo sich Familien aus der ganzen Welt treffen, miteinander opulente Abendessen genießen und den Vollmond betrachten. Laternenausstellungen, öffentliche Akrobatikvorführungen und Drachentanz sind ebenfalls Tradition. Nicht fehlen dürfen Mondkuchen, welche an Verwandte und Freunde verschenkt werden. Sie messen rund 10 Zentimeter im Durchmesser und können mit süßem oder salzigem Inhalt gefüllt sein. Im Inneren befindet sich oft ein Eidotter als Symbol des Vollmondes. Im Mond wohnt nach der chinesischen Legende eine Frau, Chang’e, mit einem Kaninchen, die aufgrund ihrer Neugierde dorthin strafversetzt wurde. Und das kam so: Einst gab es 10 Sonnen, welche die Erde versengten. Der meisterhafte Bogenschütze Houyi erhielt vom Kaiser den Auftrag, neun Sonnen herunterzuschießen, was ihm auch gelang. Als Dank erhielt er ein Kästchen mit zwei Pillen der Unsterblichkeit. Seine Frau Chang’e öffnete das Kästchen und schluckte aus Versehen beide Pillen, worauf sie zum Mond strafversetzt wurde. Der chinesische Nationalfeiertag ist der 1.Oktober, weil Mao Zedong am 1.10.1949 die Volksrepublik China (Zhonghua Renmin Gongheguo) ausgerufen hat. Anschließend folgt jeweils die Goldene Woche, eine ganze Woche frei für jedermann, welche 1999 eingeführt wurde, um den Binnentourismus zu beleben und entfernte Verwandtenbesuche zu ermöglichen. Als letzter großer Festtag im chinesischen Jahr wird das Chong-Yang-Fest gefeiert, am 9.Tag des 9.Monats, wenn die Chrysanthemen blühen. Die Doppelneun ist ein besonders glückverheißendes Datum, das klanglich im Chinesischen gleich lautet wie das Wort „für immer, ewig“: yong yuan. Deshalb ist es auch der Festtag der Chrysanthemen, den Senioren gewidmet, welchen man seine Dankbarkeit und seinen Respekt erweist. Die Tradition will es, dass an diesem Tag ein Berg bestiegen wird, weshalb der Tag auch „Auf die Höhen steigen“-Festtag genannt wird. Dies waren nur die wichtigsten chinesischen Feiertage, welche staatlich anerkannt und in der ganzen Volksrepublik China begangen werden. Natürlich gibt es noch zahlreiche lokale Bräuche, die von den zahlreichen Minderheiten zelebriert werden.



2 Die Ratten und der Schwarze Tod


Ratten symbolisieren in chinesischen Mythen Yin und Yang: Die Vorderpfoten sind das Yang der Gegenwart und die Hinterpfoten das Yin der Vergangenheit. Menschen, die im Zeichen der Ratte geboren sind, besitzen die Fähigkeit, mit ihrem scharfen Intellekt schnell zu reagieren. Sie sind sympathisch und verständnisvoll, fröhlich und liebenswert. Mit ihrer Kombination von Witz und Weisheit sind sie kreativ und unternehmerisch. Sie sind gut darin, Gelegenheiten zu nutzen. Negativ zu Buche schlagen ihr Mangel an Ehrgeiz, Mut und Einsicht. Menschen, die im Jahr der Ratte geboren sind, neigen dazu, keine eigene Meinung zu haben und manchmal stur zu sein. Sie können aber auch unhöflich sein und kritisieren andere häufig. Außerdem sind sie oft übertrieben profitsüchtig, es wird ihnen eine außerordentliche finanzielle Begabung zugeschrieben.
Bei der chinesischen Bezeichnung „Shu“ für das erste Tierkreiszeichen zeigt sich einmal mehr die quantenphysikalische Unbestimmtheit in der chinesischen Sprache (man muss sich erst festlegen, wenn man das vieldeutige chinesische Wort in eine andere Sprache übersetzen will: reine Quantenphysik). Wie schon bei Schaf oder Ziege, Hase oder Kaninchen, Ochse oder Büffel ist nicht völlig klar, welches Tier mit „Shu“ gemeint ist: Die Ratte oder die Maus? Beide werden mit dem gleichen Schriftzeichen bezeichnet. In Übersetzungen wird meist vom Jahr der Ratte gesprochen, auf den zahlreichen Darstellungen zum neuen Jahr ist jedoch fast durchgehend ein niedliches Mäuschen dargestellt. Auch die Zusatzbezeichnung „Lao Shu“ wird sowohl für die Maus als auch für die Ratte verwendet – warum jedoch das Epitheton „alt“ verwendet wird, ist nicht klar. Lao ist auch eine Respektbezeugung, im Sinne von ehrwürdig. Eher hilfreich ist der Zusatz
Da-laoshu (groß) für die Ratte und Xiao-laoshu (klein) für die Maus.
Zoologisch gehört die Ratte (lateinisch: Rattus) in die Ordnung der Rodentia (Nagetiere) und dort zur Familie der Mäuseartigen (Muridae).
Laut Wikipedia ist die Grenzziehung zwischen „Maus“ und Ratte“ künstlich und ohne zoologische Bedeutung. Im engsten Sinne wird unter Maus die Hausmaus verstanden und unter Ratte die Hausratte oder die Wanderratte. Bis zu 140 Millimeter Kopf-Rumpf-Länge gelten Mäuseartige als Maus, was größer ist als Ratte. Und da gibt es am einen Ende des Spektrums die Zwergspringmaus (Salpingotus), die gerade mal 4 cm lang ist und 6 g wiegt, und oben an der Skala befindet sich die afrikanische Riesenhamsterratte (Cricetomys), die 45 cm ohne Schwanz misst und 2,5 kg auf die Waage bringt.
Die Wanderratte (Rattus norvegicus) stammt nicht – wie man aufgrund ihres Namens annehmen könnte – aus Skandinavien, sondern ursprünglich aus dem nördlichen Ostasien und wurde erst im 16. Jahrhundert mit Schiffen oder über die Seidenstraße nach Europa gebracht. Mit bis 350 g und 26 cm Kopf-Rumpf-Länge ist die Wanderratte ziemlich größer als die Hausratte. Laut Schätzungen leben weltweit bis zu 350 Millionen Ratten, was vier Ratten pro Erdenbewohner ergibt. Die als Haustiere gehaltenen sogenannten Farbratten (Rattus norvegicus forma domestica) stammen, wie auch die Laborratten, von der Wanderratte und nicht etwa von der Hausratte ab. 1906 begann das „Wistar Institute for Anatomy and Biology“ der University of Pennsylvania in Philadelphia standardisierte Albino-Laborratten zu züchten. Seither werden die sogenannten Wistarratten weltweit in wissenschaftlichen Versuchen verwendet, so auch in der Dissertation des Schreibenden, welche die „Ultrastrukturelle Morphometrie der perinatalen Rattenleber-parenchymzelle“ zum Thema hatte. Darin wurden erstmals anhand von Hunderten von elektronen-mikroskopischen Aufnahmen die quantitativen Veränderungen von Mikroorganellen (Mitochondrien, Ribosomen, endoplasmatisches Reticulum usw.) in Rattenleberzellen vor und nach der Geburt ausgezählt.
Durch die Domestizierung wurden die Farbratten zutraulicher, weniger aggressiv und zeigten weniger Bewegungsdrang. Durch ihre gesteigerte Fertilität sind sie auch prädestiniert für genetische und epigenetische Untersuchungen. Sie werden im Alter von fünf bis sechs Wochen geschlechtsreif, nach einer Tragzeit von knapp 22 Tagen werden durchschnittlich 12–14 Jungtiere geworfen, es können auch 20 oder mehr sein. Ein Rattenpärchen kann theoretisch pro Jahr 1000 Nachkommen haben. Bei den Farbratten werden außer den meist in Laboratorien verwendeten Albinoformen mehr als 18 verschiedene Farb- und Fleckvarianten beschrieben. Auch praktisch felllose Nacktformen werden gezüchtet, die allerdings sehr empfindlich sind gegen Zugluft und Sonnenbrand. Sogar schwanzlose (tailless) Exemplare gehören eher zu den Qualzuchten, denn der von manchen Leuten als eklig betrachtete Schwanz erfüllt bei der Temperaturregelung und beim Klettern als Balancierstange oder als fünfte Extremität eine wichtige Rolle.
Ab den 1980er-Jahren wurden Farbratten häufig von Punks gehalten, um Normalbürger zu erschrecken, wenn dies mit grüngefärbten Haaren oder Sicherheitsnadeln in den Lippen nicht mehr gelang.
Die Hausratte (Rattus rattus) ist mit einer Kopf-Rumpf-Länge von 17–22 cm und einem Gewicht von bis 200 g deutlich kleiner als die Wanderratte. Sie stammt ursprünglich aus dem Himalayagebiet und gelangte als Kulturfolger bereits zur Bronzezeit via Persien nach Ägypten ins Mittelmeergebiet. Als Beweis für die Anwesenheit von Ratten wird die Attische Seuche angeführt, die von 430–426 v. Chr. im von den Spartanern belagerten Athen wütete. Sie ging als Pest des Thukydides in die Geschichte ein. Ob es sich dabei effektiv um eine Pest-Epidemie handelte oder eine andere Infektionskrankheit, kann trotz der detaillierten Symptombeschreibung des Historikers Thukydides nicht mit Sicherheit bestimmt werden. Im 2. Jahrhundert n. Chr. wird in Londinium (London) eine Pest-Epidemie beschrieben, was als Beweis gilt, dass die Ratten mit den Römern nach Großbritannien gelangt sind. Erste Nachweise der Hausratte in Deutschland stammen aus der Wikingerstadt Haithabu in Schleswig-Holstein aus dem 11. Jahrhundert. So konnten sich Ratten mit den Schiffen der Wikinger und später der Hanse in die ganze Welt verbreiten. In Europa ist die Zahl der Hausratten mittlerweile stark rückgängig, weil sie von den stärkeren Wanderratten verdrängt werden. Deshalb steht die Hausratte in Deutschland auf der roten Liste der gefährdeten Arten und gilt als vom Aussterben bedroht.
2 Sterne
Chaotisch, zerstreut - 14.12.2023
Th. Vögeli

Aufgrund einer Empfehlung in der Ärztezeitung habe ich das Buch bestellt und gelesen: Nebst unzähligen Detailinformationen über alles Mögliche in der ganzen Welt bleibt ein total chaotische Eindruck bestehen. Offensichtlich hat keine Zweitperson eine auch nur minimale Lektoratsaufgabe übernommen - trotz gegenteiliger Angaben im Anhang.Es fehlt ein roter Faden. Entschuldigt ist dies eventuell damit, dass ursprünglich alle Kapitel als Einzeltexte gedacht wurden. Es braucht viel Durchhaltewillen, um die ganze Sammlung zu lesen.

5 Sterne
Chinoiserien – einst und jetzt. Aspekte der Kulturgeschichte Chinas - 02.05.2023
Severin Bühlmann

Bücher sind oft meine beste Einschlafhilfe, aber mit Andys Buch, seinem Sachverstand und oft einer Prise Schalk blieb ich lange hellwach und konnte nicht aufhören, noch ein Kapitel zu lesen und dann noch eines und noch eines.Dass Zheng He um 1400 mit riesigen Schiffen, dagegen sich Kolumbus’ Schiff wie eine Nusschale ausnahm, bis nach Ostafrika fuhr, wusste ich, aber dass er eigentlich eine Landratte aus Kunming war, obendrein kastriert, also Eunuch und nicht nur mit einem Schiff, sondern mit 60 und 20’700 Mann Besatzung unterwegs war und das nicht aus blossem Gwunder, sondern mit seiner Armada alles dem chinesischen Reich einverleibte, was er ansteuerte, wusste ich nicht und auch nicht, dass er gläubiger Moslem war und es sich nicht nehmen liess, in Jeddah am Roten Meer an Land zu gehen und Mekka zu besuchen.Dass die Mumien, die man in der Wüste Taklamakan fand, lange Nasen, blaue Augen und rote Haare hatten und Kelten waren, war mir auch neu, ebenso, dass genetische Analysen zeigten, dass die Urkelten aus der Gegend des Schwarzen Meeres stammten und ein Teil nach Westen wanderte und der andere nach Osten, eben bis Taklamakan.Und wie ist schon wieder das mit den verschiedenen Ausrichtungen des Buddhismus: Hinayana, Theravada, Mahayana, Vajrayana, grosses Fahrzeug, Diamantfahrzeug, Chan-Buddhismus, Zen-Buddhismus? In einem Kapitel von 10 Seiten wird alles erklärt, auch wie Buddha in den Kanon der christlichen Heiligen aufgenommen wurde und ich weiss jetzt auch, dass Tina Turner Buddhistin ist, bzw. sich als solche bezeichnet.Konfuzius flüchtete bei seinem Besuch Lao Zi’s aus dessen Höhle, als er dessen Geste, das Heben des Schwertes als Angriff auf ihn missinterpretierte. Er war ja schon mit dem Vorurteil angereist, Lao Zi sei ein gefährlicher Bursche. Dieser Mensch ist höchstgefährlich, er ist ein Drache, er hätte mich fast umgebracht, erzählte Konfuzius seinen Begleitern.Wurde die Akupunktur möglicherweise aus dem Westen nach China gebracht? Ötzi scheint ein Indiz dafür zu sein, denn auf seinem Körper wurden Tätowierungen gefunden, die klassischen Akupunkturpunkten entsprechen, also zu einer Zeit, da noch keine Beweise für das Existieren von Akupunktur in China vorliegen.Feng Shui? 80% Logik und gesunder Menschenverstand, 20% Aberglauben! Weil im Berg hinter diesem Gebäude ein Drache wohnt, würde es Unglück bringen, könnte er nicht durch das Loch im Wolkenkratzer fliegen. Mit welcher Überzeugung Feng Shui noch heute die Gesellschaft Chinas beherrscht, zeigt dieses Bild deutlich. Die Erbauer verzichteten auf 11 Luxuswohnungen, also auf einen Mietpreis von 140'000.-$/Monat. Wir erfahren auch, warum dank Feng Shui Singapore wirtschaftlich so erfolgreich ist und was das Belchen-Dreieck in Basel mit Feng Shui zu tun hat.Das chinesische Schriftzeichen für Familie ‘Jia’ besteht aus den Zeichen für Schwein und Dach. Ein Schwein unter dem Dach bedeutet, immer etwas zu essen zu haben. Und dass weisse Trüffel nach Schweissfüssen riechen, wollte ich eigentlich nicht wissen, aber im Grunde genommen kann es mir egal sein, denn ich muss diesen Luxus nicht haben. Schwarze tun es alle Schaltjahre mal auch. Ich frag jetzt nicht nach, ob die auch wie Weisse riechen.Wie viele chinesische Schriftzeichen gibt es wirklich? Ich verrate jetzt nichts mehr. Lest selber!Auf 430 Seiten hat unser lieber TCM-Kollege Dr.med. Andreas Wirz-Ridolfi eine Fülle von Wissenswertem über China (und auch über uns) zusammengetragen, die ihresgleichen sucht. Hunderte Male war ich überrascht, Neues zu Themen zu erfahren, von denen ich meinte, bereits Einiges zu kennen. Spannend auch die vielen Quervergleiche und Zusammenhänge mit unserem Kulturkreis.Bücher sind oft meine beste Einschlafhilfe, aber mit Andys Buch, seinem Sachverstand und oft einer Prise Schalk blieb ich lange hellwach und konnte nicht aufhören, noch ein Kapitel zu lesen und dann noch eines und noch eines.Weihnachten ist zwar noch lange nicht, aber behalten Sie den Geschenktipp im Kopf – und vielleicht kommt ja nächstens noch ein Geburtstag dazwischen, der ein Geschenk wert ist. Als Buch selbstverständlich. Es wäre auch als E-Book zu haben. Die Printausgabe am besten direkt hier bestellen: andy.wirz@gmail.com.Danke Andy, für dieses wahre Wirzipedia!Severin Bühlmann2023

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