Ein planloses Leben – Teil 2

Ein planloses Leben – Teil 2

Meine Odyssee von Schlesien nach Ostdeutschland, nach Westdeutschland und nach Australien

Heinz Suessenbach


EUR 19,90
EUR 11,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 444
ISBN: 978-3-99064-574-1
Erscheinungsdatum: 23.01.2020
Arbeit in den Goldminen von Australien. Eine neue Liebe und eine Frau, mit der er endlich seine Träume verwirklicht. Gladys. Heinz Suessenbachs Träume zerplatzen wie eine Seifenblase. Aber es kommen neue. Eine fulminante, verstörende Lebensgeschichte ...
67 Die Missionäre

Sie besuchen uns eines Tages und Vatl bringt sie hoch; seine Augen flehen mich an ja vorsichtig zu sein. Sie sind in ihren 30-iger Jahren und stellen sich vor als Mitglieder der ‚Gesellschaft, die sich für Deutsche Emigranten im Ausland interessiert‘ und geben mir auch ihre Visitenkarte. Ich habe schwer zu tun nicht laut zu lachen über solchen Quatsch. Muttl macht ihnen Kaffee und die Kerle machen einen freundlichen Eindruck aber ich bin auf der Hut. Die wissen doch ganz genau, dass ich nicht emigriert bin und die anderen 2 Millionen Menschen, die von hier geflohen sind, auch nicht. Ich versuche langsam und schul-deutsch zu sprechen und fische manchmal nach ’nem Wort. Sie verstehen, dass eine Zunge mit ständigen Englisch sprechen etwas träger, fauler wird. Einer schlägt vor uns auf Englisch zu unterhalten, denn Vatl musste ja sowie wieder runter in die Werkstatt. Sie können wirklich nicht genug von Australien erfahren und schauen sich voller Interesse die Bilder an, die ich mitgebracht habe. Ich erzähle ihnen auch über meine Liebe zum Speedwaysport und bereue es im selben Moment, ermahne sie aber das nicht weiterzusagen. Ich wusste, dass Vatl nicht lange wegbleibt und da kommt er schon im Schlosseranzug und mit Dieselgeruch. Einer ist ein eifriger Briefmarkensammler und er würde sich sehr freuen wenn ich ihm von England schreiben würde und vielleicht paar Briefmarken mitschickte. Man bekommt wirklich das Gefühl, dass die Kerle echt sind aber ich bleib auf der Hut. Dann hängt sich Vatl rein mit lauten Lobgesang über Australien und ich zweifle ob das passend ist. Nur als sie bald gehen, kommen sie zum Punkt der Sache indem sie mir vormalen, was für ein schönes Leben ich hier auch führen kann und Arbeit, Wohnung und Reisefreiheit für mich wären kein Problem. Es klingt so deppert denn dabei geben sie doch zu, dass u.a. Wohnung und Reisefreiheit hier was Kostbares sind. Ich sage ihnen, dass ich ja aller 6 Monate von England herkommen werde und mal sehen was die Zukunft bringt. Beim Abschied wünscht mir der eine viel Glück beim Speedway und Vatl guckt mich verdutzt an aber ich erkläre ihm, dass dabei Geländefahren gemeint war. Sie fragen mich ob ich bereit wäre mal einen Vortag über Australien zu halten bei einem ihrer Jugendveranstaltungen in der Nähe des Clara-Zetkin-Parks, aber ich lehne ab. Sie würden sich aber sehr freuen, wenn sie mich bei einem meiner Besuche zu einem Staatsessen in Berlin einladen dürften aber ich antworte, dass wir das auch der Zukunft überlassen. Als sie weg sind staunt Vatel, dass die Jungs kein Parteiabzeichen trugen und eigentlich ganz nett waren aber wir wissen, dass man hier Keinem trauen kann. Vatl war aber nicht überzeugt mit meiner Geländefahren-Erklärung und am Ende gebe ich zu, dass ich bissel mitmache beim Speedway und dann erkläre ich die niedrigen Geschwindigkeiten dieses Sports und das ist wirklich wahr. Die Durchschnittsgeschwindigkeit beim Speedway ist ungefähr 85 Km/h. In den Geraden kommt man vielleicht auf 120 aber die Hälfte der Bahnen sind ja Kurve und da man da seitwärts schiebt, ist die Geschwindigkeit in denen ungefähr 50 Km/h. Natürlich bekommt mein Heinzelmann ’ne Predigt bei seinem nächsten Besuch wegen seines Schweigens über diese Sache. Der arme Kerl ist total durcheinander darüber. Niemand könnte sich einen besseren Kamerad wünschen wie diesen Bengel. Der hat was mitgemacht wegen mir und meiner Verrücktheit, meckert aber nie.


68 Noch ein Plan

Einmal schnappen Lotsche und ich Heinz und nehmen ihn mit zum Tanzen, wogegen er sich zu sträuben versucht. Wenn ich mich richtig erinnere hiess das Lokal ‘Der Schorschl’ und wir raten ihm uns mit seinem Käfer zu folgen, mit der Erklaerung, dass wir ja schliesslich unsere Damen nach Hause fahren werden. Ich weiss, dass Heinzelmann nicht tanzen kann und dafür helfen paar Getränke. Ich freue mich nun die Rolle Dick Stevens’ zu spielen und das Mädel mit der ich schon eng tanze hat ’ne Freundin, die einwilligt und so stelle ich sie Heinz vor und er muss mitmachen. Sie ist wirklich ein liebes Kind und wir lassen die Beiden in Ruhe. Das Nächste was ich höre zwei Tage später ist, dass der scharfe Romeo mit ihr zu ihren Eltern ins Erzgebirge fährt und ich jauchze. Bin ich nicht ein guter Kamerad? Ich fühle mich aber nicht so gut wenn der Schlingel meint, dass er sich total verliebt hat und wir haben eine tiefe Besprechung mit dem Erfolg, dass er die Affäre abbricht. Aber dann besucht er seine alten Mieter in Engelsdorf unweit von unserer alten Bude in Paunsdorf. Ihre Tochter Lisa ist eine Kinderkrankenschwester, ist drei Jahre älter als er und ich schnuppere, dass sich hier auch ein Problem entwickeln kann. Die Beiden geh’n nun oft miteinander aus und Frau Lipfert hofft natürlich, dass ihr Sohn in ein festes Verhältnis rutscht und vielleicht hier bleibt, was ich ja als hellen Wahnsinn empfinde. Heinz meint es ernst und sagt, er will sich erkundigen, ob, wenn er Lisa hier heiratet, er sie mitnehmen kann. Er erkundigt sich, ich weiss nicht wo, aber der Plan klappt nicht und wieder werfe ich ihm vor, dass er sich nicht Nationalisieren liess in Ozz. Nach ’ner Weile merke ich aber, dass es den armen Kerl ganz schön mitnimmt und es kommt mir in den Sinn, warum ich nicht das Mädel für ihn heirate und raushole aus diesem ‚Gefängnis‘? Ich höre aber zwei leise Stimmen in mir: eine sagt, dass ich total bekloppt bin und die andere mahnt, dass Heinz auch sonstwas für mich tun würde, ohne Zweifel. Ich erkundige mich im Rathaus wo man mir mitteilt, dass es solche Genehmigungen gibt aber jeder Fall wird unabhängig behandelt und ich nehme mir die Formulare mit. Ich muss lange und geduldig mit den Meinen darüber diskutieren und mein Hauptpunkt ist, dass es ja eigentlich überhaupt kein Risiko darstellt. Der Prozess dauert ein Jahr und danach sagt die Behörde entweder ja oder nein; doch kein schweres Problem, oder? Natürlich sehen vernünftige Leute es nicht so ohne und Lothar sagt sofort: Süsser, Du hast nicht nur einen sondern mehrere Klapse. Mir kommt’s vor als wenn Du unbedingt Nervenkitzel brauchst und die folgenden Debatten sind endlos. Beim nächsten Besuch in Altenburg geht die Diskussion weiter und weiter. Persönlich bin ich von Lisa nicht gerade berauscht aber was solls? Wir wissen, dass Lisa und ich nach dem offiziellen Antrag Kontakt behalten müssen im Falle die Genossen beobachten uns, aber auf der anderen Seite hatte ich ja im Rathaus erfahren, dass es hunderte von solchen Anträgen gibt aber die meisten davon nur nach dem Westen wollen. Natürlich geht mir diese Sache auch ordentlich im Kopf herum und so stehe ich oft sehr früh auf und wandere oder fahre durch die dunklen Strassen. Mir tun die Leute so leid, die da im Dunklen vermummt durch den Matsch waten um auf Arbeit zu gehen. Die miese Atmosphäre bedrückt mich und immer wieder komm ich mir bald schuldig vor das unverdiente Glück zu haben in einer anderen Welt zu leben. Diese Fahrten beende ich beim Bäcker (den sie Knibbelbäcker nennen) in der Sellerhäuser Strasse, der sehr zeitig aufmacht und da stehn sich die Leute an für ihre warmen Semmeln mit denen ich dann heimfahre. Ich parke den Wagen bissel weiter weg davon aber trotzdem höre ich die Leute murmeln, dass da vorne ein Westauto steht. An diesem Morgen fahre ich gerade los und sehe im Dunkeln eine junge Frau, die eine Panne mit ihrem Fahrad hat. Im Korb am Lenker sitzt ein weinendes Kind. Ich frage ob ich ihr helfen kann und das arme Mädel ist dem Weinen nahe. Sie muss den Jungen zur Krippe bringen und hernach in die Stadt wo sie in der Peterstrasse in einem Laden arbeitet. Ich bitte sie sich mit dem kleinen Kerl ins Auto zu setzen während ich das Rad in den Kofferraum stecke; es passt zwar nur halb rein, binde aber die Haube drüber. Sie macht sich Sorgen, dass der Wagen Kratzer bekommt aber ich lache. Sie ist jung und ledig. Ihre Mutter ist körperbehindert und kann auf den Jungen nur ab und zu aufpassen; nicht den ganzen Tag. Das Knäblein ist ruhig geworden und schaut sich ganz verwundert um. Bei der Krippe liefert sie ihn ab und da scheint schon allerhand Betrieb zu sein. Sie will das Rad hier lassen, weil sie von hier mit der Strassenbahn zur Stadt fährt. Ich schlage ihr vor, sie in die Stadt zu fahren, den Reifen zu flicken und das Fahrrad dann bei der Krippe abzustellen. Sie ist sehr gerührt und meint, dass sie auch Reifen flicken kann aber ich bestehe auf meinem Vorschlag. Sie heisst Schmiedel und arbeitet in einem Schuhgeschäft und als ich ihr meinen Namen sage, nennt sie mich Herr Heinz und ich erkläre, dass das mein Vorname ist und sie ist bissel verdattert und sie heisst Ingrid. Mensch tut mir das Mädel leid aber ich versuche sie aufzuheitern und sie sieht auf einmal wie ein kleines Kind aus, was sie ja eigentlich ist. Sie sagt, dass sie Glück hatte, ihr Kind in diese Krippe zu bekommen, weil die in ihrer Nähe ist, sonst wäre es schwierig für sie. Mensch, denke ich, ist ihre Lage nicht schwierig genug? Sie will am Augustusplatz aussteigen und ich setzte sie bei Blumen-Hanisch ab wo ich sie um 5 Uhr abholen werde. Meine Eltern hatten sich schon Kummer gemacht, weil ich bissel später komme und ich entschuldige mich aber die Semmeln sind noch warm obwohl Vatl schon gefrühstückt hat. Er geht runter in die Werkstatt und kommt gleich wieder hochgerannt wegen des Fahrrades in meinem Wäglein und ich erzähle ihnen von meinem Samariterdienst und sie schütteln nur ihre Köpfe. Bei Fahrrad-Preisser wollte ich zwei neue Reifen mit Schläuchen draufgemacht bekommen aber die hatten sie nicht und ich erzähle ihnen meine Geschichte und der nette Mann will sehen was er tun kann. Ich hole ’ne Stange Marlboro’s und eine Tafel Schokolade vom Auto und der Mann sagt lachend, dass er nicht raucht aber sein Alter würde sich draufstürzen. Ich bitte ihn darum, das ganze Rad zu überprüfen und ich kann aber nur mit Westgeld bezahlen und er guckt mich an und lacht (das war nicht wahr, denn ich hatte ja bei der Anmeldung 2250 Ostmark bekommen für meine Ozzie Dollars). Um 4 Uhr hole ich das Rad ab und bestaune die handwerkliche Kunstarbeit des Meisters. Nicht nur neue Reifen sondern auch ein neuer Sattel und Handgriffe strahlen mich an. Er hat auch ’ne neue Kette draufgemacht und ich danke ihm herzlich und das Ganze kostet nur 60 DM und ich frage ihn ob er mein Auto auch überholen könnte und er lacht laut. Als ich Lotsche abhole, sage ich ihm, dass ich die Frau meines Lebens gefunden habe und sie heirate und hierbleiben werde. Lotsche: Weeste Süsser, nichts, aber auch gar nisch würde mich bei Dir überraschen Du verrückter Hund, und ich berichte meine story. Ich lass Lotsche fahren und das süsse Mädel steht bei Hanisch und ist sichtlich aufgeregt als ich ihr die Tür öffne und ihre Arbeitskolleginnen klatschen lustig. Bei der Krippe geht sie rein ihr Kind abzuholen und ich lade das Rad ab und im Korb hab ich paar Tafeln Schokoladen und ’ne grosse Büchse Kaffee eingewickelt und wir fahren los; warten aber um die Ecke damit keiner das Rad klaut. Wir sehen wie sie sich ihr Fahrrad anguckt, suchend um sich schaut und wir verschwinden. Ich sage zu Lotsche wie herrlich es doch wäre Jesus zu sein und immer solche Taten zu tun und er ist still und schmunzelt. Ich erzähle ihm von unserer Wunderfrau von damals, die Frau Wagner und ihrem weisen Hund Harras und er staunt. Als ich das nächste Mal beim Knibbelbäcker bin, kennt die Bäckersfrau die story und gibt mir paar Stück Kuchen mit.Lotsche ist sehr sauer, weil er nun bald zum Kommiss muss. Die Genossen waren ja grosszügig gewesen ihm nahezu ein Jahr Praxis nach seinem Studium zu gewähren. Ich sage ihm: Meckere nicht Du Windei; es ist doch eine Ehre Dein Sozialistisches Vaterland gegen faschistische Feinde zu verteidigen zu lernen, und der freche Kerl sagt, ich kann ihm mal Götz von Berlichingen, und das ist mein treuer Lotsche.Einmal fahr ich mit Heinz in seinem Käfer nach Wurzen um seinen älteren Bruder Gerhard zu besuchen. Gerhard ist verheiratet, hat zwei Kinder und ob seiner Stellung in ’ner Motorenfabrik musste er in der Partei sein. Wir müssen den Käfer ’ne Meile weg parken und in Gerhards Wohnung müssen wir flüstern, denn die Wände sind dünne und seine Nachbarn sind 100%-ige. Es ist eine feine Familie und wir können uns ordentlich über alles unterhalten. Es ist so traurig: Hier ist ein anständiger Mann, der studiert hat, bestimmt ein Meister seines Faches ist und muss in ’ner Partei sein, deren Parolen ihn anwidern. Sie wohnen in ’ner Neubauwohnung im ersten Stock wo nur zwei Schlafzimmer sind. Wie immer, machen sich die Leute hier ihr Heim sehr gemütlich wie nur möglich aber, wenn ich das mit Ozz vergleiche, ist es ziemlich enge. Gerhard kann nicht genug von Ozz hören und stellt vernünftige Fragen denn, wie er bedauert, ist sein kleiner Bruder stinkend schreibfaul. Heinz sitzt da und tut als wenn wir von jemand anders sprechen aber ich verspreche Gerhard, dass ich den Kerl schwer rannehmen werde. Gerhard nimmt aber mich nun ran mit dem Thema Lisa und hält mich für deppert. Heinz soll zurück nach Ozz, sich tüchtig mit seiner Liebe schreiben, sich die Ozz Staatsbürgerschaft annehmen und dann herkommen und den ganzen Laden selber schmeissen und wir haben ’ne sehr rege Diskussion. An einem Samstag gehen wir alle zur ‘Napoleonstein’ Gaststätte wo wir drei Tische zusammenschieben, ordentlich schmausen und bei der schönen Musik muss natürlich getanzt werden. Bei einem Tanz bin ich der erste der auf eine Schöne zusteuert und, vielleicht weil ich so schnell ankam oder auch nicht besonders hübsch bin, gibt sie mir einen Korb; das ist in Ozz keine Seltenheit aber hier im Vaterland ist dass ’ne kleine Sensation und das ungeschriebene Gesetz heisst, dass die Dame die nächsten drei Tänze sitzenbleiben muss; das hatten wir ja in der Tanzschule gelernt. Ich gehe also zur nächsten und zur nächsten und zur nächsten und habe mehr Körbe als Blumen-Hanisch und natürlich ist der Tanzsaal noch leer, denn das Drama muss angeschaut werden und hier ist ein sehr braves Dämchen, die aufsteht und mit mir tanzt und die Kapelle gibt einen Fanfarenstoss (Tusch). Es dauert ’ne Weile bis sich andere Paare wagen mitzutanzen. Meine Kleine hat nicht nur ein feines Antlitz sondern auch offenbar Mut und Intelligenz. Auf meine Frage ob ihrer Tapferkeit antwortet sie, dass sie wusste, dass ich nicht besoffen war, denn nur ein Besoffener würde so unverfroren sein; also musste es was anderes sein und sie vermutet, dass ich nicht von hier bin. Ich schmolle und sage ihr, dass ich dachte meine Schönheit hätte sie überrumpelt und sie lacht ein wunderbares Lachen. Ich tanze ganz nahe an unserem Tisch vorbei und sage zu Muttl, dass ich diese Dame heiraten werde aber meine Mannschaft schüttelt nur ihre Köpfe. Ich wusste, dass es ihnen alles ein bisschen zu peinlich war. Es macht wirklich Spass mit diesem Geschöpf zu plaudern und wir tanzen zusammen bis zur Pause, wo ich sie dann zur Bar bitte. Sie heisst Adelheid und ist eine Chemie-Ingenieurin in Borna und kommt manchmal mit ihren zwei Freundinnen her mit dem Bus, fahren aber dann mit ’ner Taxe heim. Darf ich sie und ihre Freundinnen nach Hause fahren? Sie will Ihre Freundinnen fragen. Ich muss erst meine Familie heimfahren, komme mit Lothar zurück und wir haben unser - Wage vollgelade, voll mit jungem Weibchen, als wir in die Stadt reinkamen - Wir unterhielten uns prächtig auf der Fahrt. Adelheid macht sich Kummer, weil ich doch bestimmt was getrunken hatte, worauf Lotsche hinzufügt, dass ich ja verrückt bin und die Polizei würde mich als zu schwierigen Fall gehen lassen. Die Mädels sind natürlich sehr interessiert von Ozz zu hören aber ich habe inzwischen gelernt ja nicht zu viel davon zu berichten, denn ich weiss wie es den Hörern zu Mute sein muss. Was für ein grober Unterschied, Largs Bay in Adelaide und das übelriechende Borna. Es tut einem immer wieder aufs Neue weh. Wir verabschieden uns herzlich und ich danke dem Mädel nochmals für ihren Mut.Wieder sitzen Lotsche und ich im Auto in der Schlippe vor seiner Eltern Haus und plaudern über unseren Fluchtplan für ihn bis der Morgen dämmert. Lotsche hat Gewissensbisse wegen meines Risikos aber ich beschwichtige ihn. Habe ich überhaupt manchmal Angst, will er wissen und ich erzähle ihm von dem Moment wo der deutsche Häftling in Neapel mir tröstend sagte, dass ich nicht mehr als zwei Jahre sitzen werde. Angst? Nee - totale Panik erfasste mich da. Und ich tröste ihn, dass wir beide uns bestimmt nett unterhalten werden im Knast aber er findet das nicht allzu lustig. Ich erkundige mich im Polizeipräsidium ob es möglich wäre den Opel meinem Veter zu überlassen. Ich weiss, dass Vatl zwar arg protestieren würde aber weiss auch wie viel Spass es ihm am Ende machen würde und das sind mir die 50 Pfund allemal wert. Ich müsste den Wagen hier verschrotten lassen und dafür gibt es eine Filiale in Holzhausen. Der Mann dort informiert mich, dass er meinen Wagen natürlich gerne interniert, d.h. verschrottet aber den Vatl zu übergeben - keine Chance - denn das ist nur den Bonzen überlassen, meint er, und ich staune über seine vertrauliche Offenheit. Was für ein verrottetes Scheisssystem dieser Arbeiterzirkus. Lotsche organisiert ein Klassentreffen im Schreberheim in der Holsteinstrasse. Da sind meine guten Kameraden von der 7. und 8. Klasse. Die meisten von ihnen hatten ja noch 4 Jahre Oberschule gebüffelt und dann auch weiter auf Uni. Sie fragen mich immer wieder wie es der Süsse geschafft hat in der freien Welt herumzukurven. Sie sind alle in verantwortungsvollen Karrieren. Roland Beneke wundert sich am meisten. Er ist der Direktor der Leipziger Oper und ich frage ihn ob ich sein Stellvertreter werden könnte, wenn ich, wie er, in die Partei eintrete und er meint, dass die mich gar nicht annehmen würden mit meinen Bauernmanieren, ha ha ha. Und dann werden all unsere Schandtaten der Schulzeit ausgegraben und wir prosten unserem lieben Breitbart immer wieder zu. Von ihm hat niemand was gehört seit seiner Flucht nach dem Westen. Natürlich werden mir Streiche zugeschrieben an die ich mich wirklich nicht erinnern kann aber die blödsinnigen Streiche, die ich noch weiss, lassen mich Gott danken wie ich abgeschnitten habe. Natürlich muss ich von Ozz erzählen und es macht Spass, wenn sie von meinen nicht allzu schlauen Malheurs hören; eines der blödsten war wohl das mit dem Eisautomaten. Wie staunen meine Kameraden über Ozz wo man Gewehre kaufen kann und den Führerschein ohne Fahrschule erhält und wo man Weihnachten am Strand feiert. Wir dürfen natürlich nicht zu laut reden, denn man weiss nie wer am Nebentisch sitzt. Dann werden ordentlich paar Lieder gesungen und wir enden mit guadeamus igitur. Mein Schwesterlein Annelies und Gerhard holen mich ab. Das war Lotsche’s Idee, denn er wusste, dass wir bissel zechen werden und natürlich müssen sich die Beiden noch mehr von meinen ‘Schul-Sünden’ anhören. Wir verabschieden uns und ich verspreche, dass wir ein Wiedertreffen organisieren jedes Mal, wenn ich von England komme. Aber nun kommt mein Urlaub dem Ende zu und schon die ganze Woche kümmert sich mein Mütterlein arg. Der letzte Abend ist der schwerste, aber ich albere herum so viel ich kann und immer wieder ist der Trost, dass ich ja zu Jahresmitte wiederkomme und bissel Zeit brauchen ja meine Leutchen auch um sich von meinem Theater zu erholen. Aber der Abschied ist trotzdem schwer als die Schwestern mit ihren Familien nach Hause fahren. Als ich erwache sind meine lieben Eltern dabei meinen letzten Koffer zu packen. Es ist bald 10 Uhr, als ich endlich in den Opel steige und mein Mütterchen will meinen Kopf nicht loslassen und drückt mich immer wieder. Es ist schwer, verdammt schwer, aber immer wieder frage ich mich ob es den meinen wirklich lieber wäre, wenn ich hierbleiben würde; die Antwort ist letzten Endes immer - nein. An der Grenze reihe ich mich dieses Mal richtig ein. Dem Grenzer gebe ich die ganzen Quittungen vom Geldumtausch und nach ’ner Weile winkt er mich durch. Westdeutsche werden natuerlich gründlich geprüft damit sie ja nicht jemandem ’ne Westmark geschenkt haben. Mein guter Rudi hat schon einen Kunden für den Opel gefunden für 500 Mark; unglaublich, denn das heisst, dass ich das treue Wäglein für 3 Monate für nur 150 DM lieben durfte. Der Käufer ist ein Maurer von Duisburg. Ich lade Nürnbergers zum Essen ein in einem Restaurant in Oberhausen und als nächstes geht’s zum Bahnhof in Richtung England.

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