Mitternacht der Welt

Mitternacht der Welt

Born after midnight

Erich Skopek


EUR 14,90
EUR 11,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 98
ISBN: 978-3-99131-956-6
Erscheinungsdatum: 20.02.2023
Es ist das Jahr 2098. Eine Zeit des Umbruchs und Wiederaufbaus beginnt. Inmitten des Chaos eines gestürzten Systems will Felix Novak Ordnung schaffen: Ordnung in der Gesellschaft, aber auch im eigenen Leben, der Liebe und vor allem in seinem Glauben.
Die Prätorianer

Als Felix Novak durch die Auslage, in der kunstvoll verzierte Torten und andere Süßigkeiten ausgestellt waren, ins Innere des Kaffeehauses blickte, erkannte er drei Männer – so um die Achtzig und alle mit Anzug und Krawatte gekleidet – heftig miteinander diskutieren. Wäre Novak bereits im Lokal gewesen, hätte er einen von ihnen zu den anderen sagen gehört: „Endlich können wir uns, die weißen bösen alten Männer, wieder offen treffen und müssen uns nicht mehr mit vorgehaltener Hand austauschen.“ Denn rund siebzig Jahre war es verboten gewesen, über die Diktatur und die damit verbundene Misswirtschaft zu reden. The New Dark Ages nannte man diese Zeit der Meinungs-, Sprach- und Ökodiktatur. Die drei hatten einem von ihnen, einem „Prätorianer“, die letzte Ehre erwiesen und waren danach hier eingekehrt. Das Treffen nach dem Begräbnis in einem Lokal in der Nähe des Friedhofs hatten sie bewusst ausgelassen und waren lieber hierher gekommen. Als Felix das Wort Prätorianer auf den Lippen der Männer las, betrat auch er das Lokal und setzte sich an einen Nebentisch. Er tat so, als hörte er nicht zu, las in der Speisekarte und bestellte Kaffee und Sachertorte mit Schlagobers. Natürlich war er an dem Gespräch interessiert und mit der Zeit ließ er kleine Nebenbemerkungen fallen und begann Fragen zu stellen.

„Was meinen sie denn mit dem Wort Prätorianer?“, fragte er in Richtung der drei älteren Herren. Diese blickten sich längere Zeit fragend an und als zwei mit dem Kopf nickten, begann der dritte zu reden: „Im antiken Rom waren die Prätorianer Angehörige der kaiserlichen Leibwache. Sie lassen sich bis auf die Zeit der Scipionen um das Jahr 275 v. Chr. zurückverfolgen. Obwohl sie die Gardetruppe waren, wurden sie auch für verschiedene andere Aufgaben herangezogen. Der Begriff rührt vom Hauptplatz des Legionslagers mit dem Zelt des Feldherrn, dem Prätorium, her. Zu unserer Zeit, denn auch wir verwendeten dieses Wort, meinte es einen Geheimbund, der sich dem Sturz des Systems, verschrieben hatte. Anfangs waren wir nur wenige und es war schwierig, untereinander zu kommunizieren. Denn das System überwachte alles – Telefon, Internet, alle digitalen und analogen Kommunikationssysteme – und man wich wie in alter Zeit auf verschlüsselte Geheimbotschaften und Ähnliches aus. Trotzdem fanden sich schnell neue Anhänger, die über den ganzen Kontinent verstreut auf das Ende der Diktatur hinarbeiteten.“

Novak, der auch ein Prätorianer war, gab sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu erkennen und stellte hin und wieder Zwischenfragen. Denn er war einer jener Beauftragten der neuen Regierung, die die alten Archive aufzuarbeiten hatten, die nach den Ursachen der finsteren Zeiten forschten, um den Spuren der vorhergegangenen Geschichte, bevor all das Böse begonnen hatte, auf den Grund zu gehen. Die Erkenntnisse sollten dabei helfen, wieder dort anzuknüpfen, wo die finsteren Zeiten noch nicht begonnen hatten: Die Zeiten, in denen man eine Weltregierung schaffen wollte und alle Grenzen beseitigt wurden. Der Wahlspruch „no nations, no borders“ hatte den Kontinent in Finsternis getaucht und die Menschen zu weiteren schrecklichen Verhaltensweisen verleitet. Die Wirtschaft wurde an die Wand gefahren und auch die landwirtschaftlichen Erträge verminderten sich kontinuierlich. Für alles fand man Ausreden, nur die Unfähigkeit des Systems, für Innovation und Investitionsfreudigkeit zu sorgen, durfte nicht angesprochen werden. Wie sollte das auch bei gleichgeschalteten Medien funktionieren? Man hatte für die komplette wirtschaftliche Abhängigkeit der Menschen gesorgt, indem man jedem einen Code zugeteilt hatte, mit dem er berechtigt war, zu kaufen und Handel zu treiben. Die Prätorianer fanden immer mehr Zulauf, wobei die Verantwortlichen darauf achteten, kleine Gruppen zu bilden, die untereinander nur losen Kontakt hielten. Was sie einte, war der böse Feind und der Wille zu einer positiven Veränderung. Es wurde ihnen viel Geduld abverlangt, denn die Vorbereitungen mussten unter völliger Geheimhaltung durchgeführt werden.

Als Novak auf die Uhr sah, merkte er, wie spät es geworden war. Es war bald Sperrstunde und die vier Herren verabredeten sich für den nächsten Tag. Sie wählten ein anderes Kaffeehaus, denn sie wussten nicht genau, wie weit die Fangarme des alten Systems noch reichten und sie wollten kein Risiko eingehen. Die drei älteren Herren hatten den gleichen Weg nach Hause, denn sie wohnten im gleichen Stadtteil. Zu Hause angekommen, dachten sie lange nach, wie sie sich weiter verhalten sollten. Auch Felix ging nach Hause und setzte sich an seinen Laptop, um ein Protokoll des Gesprächs vom Nachmittag anzufertigen.

Als die drei Prätorianer sich am nächsten Tag trafen, tauschten sie ihre Gedanken aus und berieten, wie viel sie von sich preisgeben sollten. Wer war denn dieser Novak, warum hatte er sich ausgerechnet zu ihnen gesetzt und über die Prätorianer ausgefragt? Diese Gedanken beschäftigten sie, als sie zum Café spazierten. Felix Novak saß bereits im Lokal, vor sich eine Melange und einen Mohnstrudel. Er begrüßte die älteren Herren und als hätte er die drei auf dem Weg hierher belauscht, begann er das Gespräch: „Ich möchte euch reinen Wein einschenken, auch ich bin einer von euch, auch ich bin ein Prätorianer. Auf Grund meines Alters, ich bin erst vierunddreißig Jahre alt, bin ich erst spät zu dem Bund gestoßen. Jetzt bin ich damit beauftragt, die Geschichte der New Dark Ages aufzuarbeiten. Vielleicht können künftige Generationen davon lernen. Und es wäre schön, mehr über die Ausschaltung des Systems zu erfahren.“ Die drei waren perplex und mussten das Gehörte erst verarbeiten. Da stellten sich die Angesprochenen mit Namen vor und versprachen Felix, ihn bei seiner Arbeit zu unterstützen.

„Ich bin Hubert“, sagte der Älteste von ihnen, „und die beiden anderen heißen Peter und Michael“, wobei er auf den jeweiligen seiner Freunde zeigte. „Wir werden dir alles erzählen, was wir erlebt haben und wie das System gestürzt wurde. Lediglich über die Dinge, bei denen wir zur Geheimhaltung verpflichtet sind, müssen wir Stillschweigen bewahren.“ Felix dankte seinen drei neuen Freunden, denn so nannte er sie ab jetzt, und freute sich auf die Zusammenarbeit. „Ich bin überzeugt, dass es da einen großen Schatz an Wahrheit zu heben gibt, der mir die Aufarbeitung der Geschehnisse erleichtern wird“, meinte er. „Wir werden über alles Geschehene nachdenken, für dich eine Zusammenfassung ausarbeiten, damit wir dir deine Aufgabe erleichtern“, versprach Michael. Novak dankte ihnen, verabschiedete sich jedoch bald, da er noch in der Behörde, in der er arbeitete, ein paar Angelegenheiten zu ordnen hatte. Er war sehr gewissenhaft, genau und akribisch, was manche als ‚Erbsenzählerei‘ abgetan hätten.

Felix neue Freunde blieben noch im Kaffeehaus und arbeiteten an der Zusammenfassung, so wie sie es versprochen hatten. Bis zum Abendessen blieben sie im Lokal und jeder bestellte einen Toast und ein kleines Bier. Erst danach brachen sie nach Hause auf. Sie konnten lange nicht einschlafen, denn das Gespräch hatte sie innerlich aufgewühlt und, dass Novak einer von ihnen war, beschäftigte sie noch intensiv. Erst weit nach Mitternacht fanden sie den ersehnten Schlaf. Tags zuvor hatte Novak sie gebeten, in sein Büro zu kommen. Er wollte das Gespräch über die Befreiung aufnehmen, denn dies half ihm, Zeit zu sparen. Er hatte ihnen auch Getränke und belegte Brote versprochen, um den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Sie freuten sich schon darauf, Felix helfen und wieder einmal in alten Erinnerungen schwelgen zu können. Das taten sie ohnehin immer öfter, wenn sie zusammenkamen und die Aussicht, einen Zuhörer zu haben, beflügelte sie. Sie wollten abwechselnd ihre Erfahrungen preisgeben, damit keiner von ihnen zu müde wurde, ‚denn sie stellten sich auf eine lange Erzählung ein, um alles bis ins kleinste Detail für die Nachwelt zu erhalten.



Feuerball

Als die drei Freunde im Büro von Felix eintrafen, waren die Vorbereitungen für die Aufnahme bereits getroffen worden. Für jede Person hatte man ein Mikrofon bereitgestellt, sowie ein Glas samt einer kleinen Mineralwasserflasche für jeden. Gespannt wartete Novak auf den Bericht der drei Augenzeugen über die Befreiung aus den „Dark Ages“. Hubert begann als erster zu sprechen: „Über die Zustände auf dem Kontinent, die zur Gründung der Prätorianer geführt haben, haben wir bereits ausführlich gesprochen. Jeder aus dem Geheimbund wartete auf den Tag X, auf das Startzeichen zum Befreiungsschlag. Endlich wurde der Code, versteckt in Hotelbeurteilungen, die im Internet verbreitet wurden, für den Aufstand gegeben. In Europa gab es zu dieser Zeit sechzehn Zentralen, von denen aus der Kontinent regiert, besser gesagt unterdrückt, wurde. Die Zentrale für Österreich, der Slowakei und Ungarn, Länder, die es heute wieder gibt, befand sich circa sechzig Kilometer nördlich von Wien. Die Gegend dort war lange als die Gemüsekammer für die Hauptstadt und auch für das übliche Österreich bekannt. Die verschiedensten Gemüsesorten wurden dort angebaut, besonders berühmt war dieser Flecken Erde für seinen Spargel.

Auch Fisolen, Spinat und die verschiedensten Salatsorten wurden dort kultiviert. Was nicht gleich in den Wirtschaftskreislauf gebracht wurde, verarbeitete man zu Tiefkühlgemüse. Erntefrisch wurde das Gemüse in Fabriken gebracht, wo es sofort verarbeitet und tiefgekühlt wurde. Das ganze Jahr über fanden sich diese Köstlichkeiten in den Regalen der Supermärkte. Die dort lebenden Gemüsebauern und Gärtner hatten lange Zeit ein gutes und geregeltes Auskommen. Dann, nachdem all das Böse begann, wurden die Erträge und somit auch das Auskommen immer geringer. Nachdem man Pflanzenschutzmittel und mineralischen Dünger, den viele fälschlicherweise als Kunstdünger bezeichneten, verboten hatte, reduzierten sich die Ernten, was sich auch in den Preisen niederschlug. Die Bevölkerung musste viel mehr für ihre Vitamine bezahlen. Auch die Niederschläge hatten sich Jahr für Jahr reduziert und vermehrten die Ernteausfälle noch mehr. Aber anstatt gentechnisch veränderte Pflanzen zuzulassen, die die Trockenheit besser vertragen und zu höheren Ernteerträgen geführt hätten, machte man dagegen in den Medien Stimmung.“

Da fiel Michael Hubert ins Wort: „Wir wollen doch nicht über Gemüse und die Zustände während der New Dark Ages reden, sondern darüber, wie wir uns davon befreit haben. Wie gesagt gab es sechzehn Zentralen über ganz Europa verstreut. Pünktlich um 02.15. Uhr des 3. Mai 2098 begann der Befreiungsschlag. Nur jene Zentrale, die am nächsten zur russischen Grenze lag, verspätete sich um zwei Minuten, was aber keinerlei Bedeutung hatte. Bereits drei Jahre vorher hatte man in die Zentralen Prätorianer eingeschleust, die als trojanische Pferde oder als fünfte Kolonne galten. Die meisten von ihnen waren IT-Fachleute, die dann bei der Befreiung eine wichtige Rolle spielten. Sie arbeiteten sich in die Sicherheitssysteme ein, um sie dann zum gegebenen Zeitpunkt außer Kraft setzen zu können. Auch Sicherheitsleute wurden in die Zentralen eingeschleust. Bevor der Startschuss zur Befreiung gegeben wurde, kreisten Drohnen mit hochauflösenden Kameras über den Gebäuden. Sie schickten den Befreiungsteams Bilder von den Eingängen der Gebäude, aber auch das Umland im Radius von fünf Kilometern wurde beobachtet.“

Als Letzter übernahm Peter das Wort: „Die eingeschleusten Prätorianer, oder soll ich sie als Trojaner bezeichnen, warfen Giftgasgranaten in die Schlafräume des Personals. Das Gift war nicht sehr stark und sollte auch nicht lange anhalten. Die Schlafenden wurden überwältigt, gefesselt und in einen größeren Raum zur Bewachung gebracht. Das an den Bildschirmen arbeitende Personal wurde ebenfalls überwältigt und zu den anderen gebracht. Die Verbindung zu den anderen Zentralen wurde unterbrochen, so dass sie nicht mehr in der Lage waren, miteinander zu kommunizieren. Das Sicherheitssystem, das vor einem Eindringen von außen schützen sollte, war außer Betrieb gesetzt worden. Vor der Eingangsschleuse wartete bereits ein Trupp Prätorianer, der mit einem alten Reisebus an das Portal gebracht worden war. Das Fahrzeug hatte man in einem aufgelassenen Reisebüro entdeckt und überholt. Denn Reisen, vor allem mit dem Flugzeug, waren ja verpönt, und bis auf ein paar wenige Menschen, die es geschafft hatten, trotz oder vielleicht sogar wegen des wirtschaftlichen Niedergangs im Luxus zu leben, konnte sich ja kaum mehr jemand einen Urlaub in die Ferne leisten.“

Die Prätorianer waren mit Stahlhelmen und kugelsicheren Westen ausgestattet. Einige trugen auch Gasmasken an ihrem Gürtel, wo sich auch noch ein Taser befand. Bewaffnet waren die Kämpfer mit Uzi-Maschinenpistolen vom Typ MP2A1. Der Riemen bei dieser Waffe ermöglichte es ihnen, die Maschinenpistolen umgehängt in Anschlag zu nehmen und abzudrücken. Nachteilig war, dass es etwas schwierig war, das Ziel genau zu treffen. Ein weiterer Vorteil aber war, dass die Waffen verhältnismäßig klein und günstig zu erwerben waren. Da es noch Bestände gab, die auf dem Kontinent produziert worden waren, war es leicht gewesen, diese Waffen zu besorgen. Nur einer aus dem Befreiungsteam trug ein Scharfschützengewehr vom Typ Steyr SSG 69 mit Kaliber 7.62 x 51 mm NATO-Munition, das durch sein Zielfernrohr mit einer genauen Treffsicherheit bestach. Es war einfach gewesen, dieses aus alten Militärbeständen zu besorgen. Uniformen trugen sie keine. Die Gefangenen wurden aus der Zentrale in den Bus und damit in eine aufgelassene Fabrik gebracht. Einige Prätorianer waren zur Bewachung mitgefahren.

Nachdem der Bus abgefahren war, kreisten nochmal Drohnen über der Zentrale und dem Umland. Bisher dürfte der Ausfall der Verwaltungsgebäude noch nicht bemerkt worden sein. Auch diesmal gaben sie grünes Licht für die weiteren Handlungen. Ein alter Tanklastwagen für Gas parkte direkt vor dem Eingang. Der Schlauch, der sich auf dem Auto befand, wurde entrollt und in das Innere des Gebäudes geleitet. Zwischenzeitlich hatte man Plastiksprengstoff in der Zentrale verteilt und mit Zünder versehen. Nach circa zwanzig Minuten war der Tanklaster leer und fuhr sofort vom Gelände. Die noch verbliebenen Prätorianer wurden von einem VW-Bus abgeholt und in die Fabrik gebracht. Als die Entfernung zwischen dem Gebäude und den Fahrzeugen groß genug war, zündete man den Sprengstoff mittels Fernsteuerung. Die gewaltigen Detonationen wurden noch im weiteren Umkreis gehört. Das brennende Gas leuchtete hell in der Dunkelheit der Nacht und brachte die Luft zum Flimmern.

Es dauerte lange, bis sie über Satellitentelefon erfuhren, dass die Befreiungsschläge auch in den anderen fünfzehn Zentralen geglückt waren. Schlachten waren gewonnen worden, aber noch kein endgültiger Sieg errungen. Zunächst mussten noch die Hauptschuldigen für die schrecklichen Taten des Systems aufgespürt und zur Verantwortung gezogen werden. Man plante, mit ihnen ähnlich wie in den Nürnberger Prozessen, die schon lange zurücklagen, zu verfahren. Die schwierigste Arbeit lag darin, ihre Verbrechen aufzudecken und Anklageschriften zusammenzustellen. Die meisten würden in gewohnter Weise alles leugnen und sich für nicht schuldig bekennen. Windige Anwälte würden zu ihrer Verteidigung ausrücken, um die Arbeit der Ankläger zu zerpflücken. Einige der Verbrecher, die ihr Vermögen bereits ins Ausland gebracht hatten, würden ihrem Geld dorthin nachfolgen und in Saus und Braus leben. Manche würden sich einer Gesichtsoperation unterziehen, aber man würde sie größtenteils aufspüren, um sie bestenfalls vor Gericht zu stellen. Auch dabei konnte die Geschichte ein großer Lehrmeister sein. Alles in allem warteten gewaltige Anforderungen auf die neuen Verantwortlichen.

Nachdem sich die Erzähler mit den belegten Broten, die auf Tabletts unter Plastikfolie bereits vorbereitet lagen, gestärkt hatten, berichteten die drei älteren Herren mit Wehmut über die damaligen Ereignisse. Sie hatten die Pause gebraucht, um wieder Abstand zu gewinnen. Novak zollte ihnen Respekt, für die Gefahren, die sie auf sich genommen hatten, um all das Böse, das die Neuen Dunklen Zeiten gebracht hatten, abzuschütteln und auf den Müllhaufen der Geschichte zu verbannen. Er dankte ihnen, gab ihnen zu verstehen, dass für heute das Gespräch beendet war und bat sie, am nächsten Tag noch einmal zu kommen. Vieles hatte er in seinen Nachforschungen über das Vergangene ans Licht gebracht, aber über die Zeit, über die seine Freunde berichtet hatten, gab es keine Aufzeichnungen, denn die Verantwortlichen des Systems hatten immer mit der Angst gelebt, dass ihre Schandtaten eines Tages ans Licht kommen und sie dafür belangt werden würden. Felix hörte sich die Aufnahmen nochmals an, um am nächsten Tag die drei Alten über etwaige Unklarheiten befragen zu können.




Felix Novak

In der Tat war Felix Novak mit großen Herausforderungen konfrontiert. Sein Vorname Felix stammt aus dem Lateinischen und bedeutet der Glückliche. Novak war ein häufiger tschechischer Nachname, den man am besten mit Neumann oder Anfänger übersetzt. Er war also der glückliche neue Mann, der die Vergangenheit aufzuarbeiten und die Weichen für einen politischen und gesellschaftlichen Neuanfang zu stellen hatte. Glücklicherweise war er nicht der einzige, der diese Aufgabe hatte, sondern es gab in den Ländern des Kontinents, die wieder in ihren ehemaligen Grenzen auferstanden waren, viele, denen diese schwierige Arbeit anvertraut worden war. Felix war mit den meisten gut vernetzt und stand in regem Austausch mit ihnen. Diesen „no nations, no borders“ Wahnsinn hatte man endgültig überwunden. Überwunden war auch der Traum von einer Weltregierung und einer Weltreligion, die Frieden unter den Menschen schaffen sollte. Aber was war der Preis dafür gewesen? Die Wahrheit. Denn diese stirbt zuerst. Felix war auf verschiedene Weise in die geheimen Datenströme eingedrungen und hatte sie entschlüsselt und geordnet. Aber er fand es schwierig, die verschiedenen Teile der erforschten Informationen in ein System – Novak verwendete dieses Wort, obwohl es so viel Unheil gebracht hatte – zu bringen. Ein System, das es den neuen Verantwortungsträgern gestattet hätte, die Ursachen für das Entstehen all des Bösen zu erforschen und aus den alten Fehlern zu lernen, aber auch falsche Neuentwicklungen zu erkennen.

Das Puzzle an Informationen bestand aus so vielen Teilen, dass Novak sich manchmal überfordert fühlte, wenn er seinen Laptop einschaltete. Zumal die Wurzeln des bösen Systems weiter als die New Dark Ages zurücklagen. Immer tiefer drang er in die Wahrheit ein, immer neue Informationen beförderte er ans Tageslicht, konnte aber keine Schlüsse für die Zukunft ableiten. Er fühlte sich, als hätte er tiefe Stollen in ein Bergwerk gegraben, ohne zu wissen, wie er das beförderte Metall verarbeiten sollte. Er suchte Parallelen in Geschichtsbüchern, die in verborgenen Verstecken wieder gefunden wurden. Aber die Fülle der Informationen war so riesig, dass er sich außerstande sah, sie zu verarbeiten. Er forderte daher Leute an, die ihm dabei helfen konnten, die Geschichtsbücher einzuscannen. Zwei Personen wurden ihm als Hilfe zugestanden, um die Informationen rascher verarbeiten zu können. Es dauerte einige Tage, bis Felix seine Mitarbeiter eingeschult hatte. Er informierte sie über die Art des Auftrags, über die Datenfülle und machte sie mit den Geschichtsbüchern vertraut. Die beiden erkannten erst langsam, was Geschichte bedeutete und welche Schlüsse man aus ihr ziehen konnte.

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