Marlin. Nur Marlin

Marlin. Nur Marlin

Gina Ferreira


EUR 22,90
EUR 18,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 464
ISBN: 978-3-99146-219-4
Erscheinungsdatum: 14.08.2023
Marlin ist ein junger Mensch, der in der Gesellschaft ernst genommen und respektiert werden will. Seit Es sich als non-binär geoutet hat, gestaltet sich das nicht so einfach. Ausbildung, Jobsuche und Privatleben stellen eine umso größere Herausforderung dar.
Vorwort


In diesem Roman werden die LeserInnen das Personalpronomen Es und den bestimmten Artikel Das großgeschrieben sehen, die sich auf Marlin (Hauptfigur des Romans) beziehen.
Marlin ist non-binär, was bedeutet, dass non-binäre Menschen sich nicht mit dem männlichen und auch nicht mit dem weiblichen Geschlecht identifizieren, sondern mit dem neutralen (es). Aus diesem Grund werden Sie, liebe LeserInnen, das Personalpronomen Es in der Geschichte sehr oft geschrieben finden, anstatt Er.
Lassen Sie sich bitte nicht von den obengenannten Änderungen irritieren, aber es ging nicht anders und es war mir wichtig zu respektieren, wie non-binäre Menschen bevorzugen, genannt zu werden.

Non-binäre und auch gender-neutrale Begriffe bezeichnen ein sehr aktuelles Thema unserer Gesellschaft, das ich in diesem Roman versuchte, so gut wie möglich zu erläutern.
Ich möchte dennoch nicht viel dazu zu sagen, da ich die Neugier der LeserInnen auf diese Geschichte nicht mindern möchte, sondern betonen, wie wichtig es ist, unsere Mitmenschen zu respektieren, egal, welche geschlechtliche Haltung, Religion, Hautfarbe, Interessen sie haben.

Ich wünsche nun Ihnen, liebe LeserInnen, genauso viel Spaß bei der Lektüre, wie ich beim Schreiben hatte.

Eure
Gina Ferreira
2023



1.

Endlich sonnig. Der Frühling hatte sich bis jetzt noch nicht von seiner besten Seite gezeigt und die wenigen freien Minuten in der Wärme taten Marlin gut. Mit dem Gesicht in Richtung der strahlenden Sonne und mit geschlossenen Augen erinnerte Es sich daran, dass die Familie schon längst im Restaurant angekommen sein musste und nur darauf wartete, dass Es ankam.
Eigentlich war es für Marlin wichtig, pünktlich zu sein und Es versuchte immer, sich an Termine zu halten. Aber manchmal schien seine Uhr anders zu ticken und so war es genau heute.
Mit einem breiten Lächeln kam Marlin ins Restaurant herein, das die Großeltern für das familiäre Treffen vorgeschlagen hatten. Sobald Es durch die Tür des fast vollen Restaurants trat, entdeckte Es schon den Rücken von Hanspeter, seinem Vater. An seiner Seite saß seine Frau Sandra und ihnen gegenüber Marlins Großeltern, die Eltern väterlicherseits.
Die ganze Familie war also gekommen und saß schon am Tisch.
„Guten Tag, allerseits.“ Aus Respekt vor dem Alter begrüßte Marlin zuerst das ältere Paar und anschließend seine Eltern.
Ganz deutlich und wahrscheinlich absichtlich, um ihn zu irritieren, blickte Hanspeter auf seine Uhr und zeigte eine Grimasse. „Wir warten schon auf dich seit …“
„Ich weiß“, unterbrach ihn Marlin, während Es sich auf die rechte Seite der Großmutter setzte. „Ich bin ungern unpünktlich, aber heute ging es nicht anders.“
„Es waren nur ein paar Minuten“, seine Großmutter legte eine Hand auf seinen Arm. „So hatten wir eine entspannte Möglichkeit, uns miteinander auszutauschen.“ Und anschließend blickte sie zu ihrem Sohn mit warnenden Augen.
„Zwanzig, um präzise zu sein“, korrigierte ihr Sohn sie und ignorierte die Warnung.
Um das Thema zu wechseln und das Klima am Tisch wieder zu beruhigen, hob Michael sein Glas Wein. „Wir stoßen jetzt auf die Familie an, die es endlich geschafft hat, zusammen zu kommen.“
Alle folgten seinem Beispiel und Marlin zwinkerte dem Großvater zu. „Danke für die Einladung.“
Die Wärme von Nadias Augen war für Marlin schon sein ganzes Leben lang ein Geschenk gewesen und heute war keine Ausnahme.
„Ich habe schon Appetit“, schlug Nadia vor. „Lasst uns schon bestellen, bevor die Menschenmasse kommt.“
So viel Hunger fühlte Marlin an jenem Mittag noch nicht, denn er hatte in der letzten Nacht noch lange mit Luisa vor dem Computer gesessen, um einen Film anzuschauen, und immer wieder Chips zusammen mit ein paar Bieren konsumiert.
Marlin wusste, dass Es an jenem Morgen nicht besonders gut aus aussah, denn Es war recht spät aufgestanden. In der kurzen Zeit, die Marlin noch vor seinem Termin mit der Familie hatte, duschte Es sich schnell, griff nach dem ersten Kleidungsstück, das Es auf einem Stuhl liegend fand, und sauste praktisch zum Restaurant.
„Muss das wirklich sein?“
Am Anfang merkte Marlin nicht, dass der Satz in seine Richtung gesagt wurde. Sein Vater stellte Marlin die Frage mit einem kritischen Blick und Es schaute sofort seine Fingernägel an, die abwechselnd blau und gelb lackiert waren.
Am vorigen Abend, während Marlin die Nachrichten sah, hatte sich Luisa die kleinen Lackflaschen mit den verschiedenen Farben geholt und sich ohne zu fragen ans Werk gemacht. Ein Lächeln huschte über Marlins Lippen und sein Vater glotzte immer noch die bunten Fingernägel an mit einem angeekelten Blick.
Marlin entschied sich, die Reaktion seines Vaters lieber zu ignorieren und zuckte mit den Schultern. „Ein Spaß von Luisa.“
„Und du hast heute, als du aufgestanden bist, nicht daran gedacht, das abzuwischen?“ Hanspeter deutete mit dem Kinn in Richtung Marlins Hände.
Das Thema fing allmählich an, Marlin zu irritieren, aber Es wollte seinem Vater das Leben nicht zu leicht machen. „Es stört mich nicht, im Gegenteil!“
„Puff“, reagierte der Vater sofort.
„Lass Es in Ruhe“, mischte sich Nadia ins Gespräch ein, das sie schon zu gut kannte. „Marlin hat einen eigenen Stil und wir müssen Es respektieren.“
Wenn sie dachte, dass sie ihren Sohn mit ihrer Aussage beruhigt hatte, dann dachte sie falsch. Hanspeter trank seinen Wein ganz aus und goss sich mehr ein. Plötzlich spürte er die Hand seiner Frau auf seinem Arm.
„Bitte, Hans, denke an dein hohes Cholesterin.“
Ohne richtig auf seine eigene Reaktion zu achten, ließ er die Hand seiner Frau ein bisschen zu brüsk los und sein Gesicht wurde leicht rot.
Er sah Marlin in die Augen und beugte seinen Körper ein wenig über den Tisch, damit die Personen am Nachbartisch nichts davon mitbekämen, was er zwischen den Zähnen zischte: „Ich hatte einen Sohn, der sich vor ein paar Jahren noch ganz normal benommen hat. Ein Sohn, der sich als Mann …“
„Was denn?“, kam plötzlich die ruhige Gegenfrage von Marlin.
Sein Gesicht war ernst, aber die Ecken seines Mundes zuckten leicht, unauffällig. Das Thema hatten sie schon so oft zu Hause; Gespräche, die zeitweise zu hitzigen Diskussionen wurden. Mittlerweile amüsierte sich Marlin öfter darüber, als dass sie Es aufregten.
Schade war nur, dass sein Vater noch nicht in der Lage war, die Situation endlich anzunehmen. Aber das sollte auch nicht mehr sein Problem sein, denn Marlin hatte ihm schon viele Male erklärt, wie Es war. Mittlerweile rechnete Es nicht mehr mit der Akzeptanz seines Vaters.
Marlin beugte sich auch leicht über den Tisch und sprach leise: „Ich bin ein Mensch, der sich sehr wohl bewusst ist, dass er die Gesellschaft schockiert, obwohl ich nichts Falsches tue. Und das macht mich nicht weniger Mensch als die Männer und die Frauen, die hier sitzen.“ Es ließ seinen Blick im Restaurant umherschweifen und hörte dann bei seinem Vater auf. „Du solltest eigentlich am besten wissen, dass ich damals nur meine Identität versteckt habe, bis ich mich ganz offen vor euch und vor der Öffentlichkeit gezeigt habe. Und du weißt genauso auch, wie erleichtert ich seitdem lebe. Nur Marlin. Nicht mehr, nicht weniger.“
Zum Glück kam der Kellner schon mit zwei vollen Tellern, die er zuerst vor Sandra und anschließend bei Nadia servierte. Hinter ihm erschien ein zweiter Kellner, der beim Rest der Familie jeweils einen Teller abstellte.
„Ich wünsche Ihnen einen guten Appetit.“ Der Kellner lächelte höflich und entfernte sich langsam.
Alle bedankten sich und Hanspeter bemerkte die schönen Farben der Krevetten und Miesmuscheln, die in einer pinken Soße schwammen. Unsicher wegen der neuen und gewagten Bestellung pickte er mit seiner Gabel eine Krevette auf und führte sie mit einer langsamen Bewegung zum Mund. Auf einmal war sein Appetit nicht mehr so groß.
Im Gegensatz zu ihm schien Marlin die vorherige Nacht längst vergessen zu haben. Mit sichtbarem Genuss zerschnitt Es sein großes Stück Steak und kaute mit zufriedener Miene. Beim Duft des gegrillten Fleischs auf seinem Teller rumorte sein Magen plötzlich, sodass Marlin zugeben musste, dass Es eigentlich mehr Appetit hatte als gedacht.
Michael goss seiner Schwiegertochter noch etwas Wein ein, die sich sofort bei ihm bedankte.
„Schmeckt dir dein Reis mit Pute?“ Er schaute zu ihrem Teller und bedauerte innerlich, dass Sandra nichts Neues probieren mochte. Fast immer aß sie Pute, egal, ob sie zu Hause oder in einem Restaurant war.
„Sehr“, antwortete sie mit einer forcierten Zufriedenheit, sodass die anderen sich fragten, ob sie ihre Enttäuschung über das Essen oder über das vorige Gespräch zu verstecken versuchte.
Nadia war in ihrem Alter auch nicht mehr viel an kulinarischen Experimenten interessiert und bestellte für sich einen Gemüseeintopf mit Fleisch. Das war etwas, was sie sehr gerne aß.
Sie wandte sich Marlin zu. „Wie läuft’s mit deinem Abschluss? Schaffst du es, ein gutes Zeugnis zu kriegen?“
Hanspeter hörte sofort auf zu kauen und schaute in Marlins Richtung. Er war ebenfalls neugierig auf die Antwort, denn vor drei Jahren hatte Marlin einfach so eine traumhafte Ausbildung als Jurist abgebrochen und sich für etwas anderes entschieden. Mittlerweile hatte Es seine Ausbildung als Kaufmann fast fertig und hatte schon ein paarmal über eine Weiterbildung gesprochen und über die Möglichkeit, einen Master zu machen.
Hanspeter hatte sich schon oft gefragt, was das wohl werden würde. Er war wütend, weil Marlin eine Chance für eine gute Karriere als Jurist verpasst hatte. Aber im Moment entschied er sich, seine Gedanken nicht laut auszusprechen und trank lieber einen Schluck seines Rotweines.
Langsam kaute Marlin sein Stück Fleisch, schluckte es runter und blickte dann zu seiner Großmutter. „Ich bin so gut wie fertig. Nur ein paar letzte Prüfungen und ich bin durch.“
„Freut mich für dich.“ Sie lächelte ehrlich. „Und dann? Suchst du dir einen Job?“
„Eine andere Chance hat Marlin auch nicht, denn von mir bekommt er keinen Rappen mehr.“
Sofort richteten sich Nadias Augen auf ihren Sohn. „Warum bist du immer so unfreundlich, wenn wir mit Marlin über seine Zukunftspläne reden?“
Ihr Sohn hatte nicht mit dieser Frage gerechnet und griff nach seiner Gabel, ohne ein weiteres Wort zu äußern.
Nadia wandte sich wieder Marlin zu. „Also, erkläre mir, was du vorhast!“
Dankbar, dass die Großmutter so beharrlich war, schenkte Marlin ihr ein charmantes Lächeln, mit dem Es jede Frau schwach machen könnte.
„Als Nächstes muss ich mir einen Job suchen, da ich bald meine eigenen Rechnungen zahlen muss. Ich würde mich später allerdings weiterbilden, aber dies muss noch warten.“ Marlin blieb ein paar Sekunden lang ruhig und sah nachdenklich aus. Als Es merkte, wie die Familie angespannt in seine Richtung starrte und auf eine weitere Erklärung wartete, zuckte Es leicht mit den Schultern. „Ich gebe mir zuerst Zeit, mich dem Arbeitsmarkt anzupassen und werde dann entsprechend entscheiden.“
Vom Vater blickte Marlin zu seiner Mutter, die plötzlich nicht sehr glücklich zu sein schien; Es fragte sich, woran das liegen konnte. Es war für jeden in der Familie sichtbar, dass sie heute besonders schweigsam war.
Nichtsdestotrotz entschied sich Marlin, die schlechte Stimmung der Eltern zu ignorieren und begegnete wieder den freundlichen Augen der Großmutter, die ihn ermutigte, weiter zu erzählen.
„Wahrscheinlich“, lächelte Marlin schließlich die Großeltern an, „ich betone wahrscheinlich, werden ich und Luisa bald zusammenziehen.“
„Oh!“, kam es sofort von der Mutter.
„Das sind Pläne!“, reagierte der Opa mit einem breiten Lächeln.
„Das kannst du wohl vergessen!“, sagte Hanspeter prompt. Und als alle Augen zu ihm blickten, lächelte er freudlos. „Marcel wird es nie erlauben.“
„Warum nicht?“, fragte ihn seine Mutter in der nächsten Sekunde.
Ihr Sohn zuckte mit den Schultern. „Ganz einfach. Luisa ist noch zu jung und ihr kennt ihn. Marcel wird seine Tochter nicht einfach gehenlassen, ohne dass sie zuerst ihre Ausbildung beendet.“
„Sie ist neunzehn Jahre alt“, entgegnete Marlin schnell.
„Vergiss nicht“, Hanspeters Augen waren nun in Marlins Richtung gerichtet, „dass er verwitwet ist und seine Kinder alles für ihn bedeuten. Luisa ist noch kaum volljährig und nicht einmal fertig mit ihrer Ausbildung …“
„Ich werde für sie sorgen. Sobald ich einen Job gefunden habe, mieten wir eine schöne Wohnung und ich bezahle ihre Ausbildung.“
„Und wie denkst du das genau zu tun?“ Der Vater vermied den Blick zu Marlins Fingernägeln, die immer wieder seine Aufmerksamkeit erregten. „Warte mal ab, ob du so schnell eine Stelle findest.“
„Hans!“
„Es ist so, Mutter.“ Seine Stimme wurde lauter. „Der Stellenmarkt ist klein und es gibt viel Konkurrenz …“ Wieder schaute er zu den bunten Fingernägeln. „Nicht alle sind so offen wie …“
„Wie wir?“ Zum ersten Mal seit Langem sprach Michael, der die Diskussionen bis dahin ruhig verfolgt hatte. Da sein Sohn ihm nicht auf die Schnelle eine Gegenantwort lieferte, nickte dieser nur mit dem Kopf. „Ich glaube, ein Kaufmann wird immer wieder gesucht, und soweit ich weiß, hat Marlin ausgezeichnete Noten. Abgesehen davon, dass er mehrere Fremdsprachen gut beherrscht. Nein.“ Michael trank von seinem Wasser, weil sein Mund trocken geworden war. „Marlin wird es schon schaffen, eine Stelle zu finden. Daran zweifle ich überhaupt nicht.“
„Suchst du schon etwas? Eine Wohnung, meine ich.“ Endlich hörte Marlin die Stimme seiner Mutter.
„Noch nicht, aber bald werde ich damit anfangen müssen. Luisa muss auch mitkommen, weil es schließlich für uns beide ist.“
„Da bin ich froh, dass du von deinem kleinen Zimmer ausziehst. Es sieht mehr wie ein Loch aus als ein eigenständiges Zimmer.“
„Na ja“, Marlin blickte auf seinen Vater, „viel mehr Geld habe ich nicht für die ganzen monatlichen Rechnungen und dieses Zimmer war das Beste, was ich finden konnte.“
„Ich an deiner Stelle würde mich nicht beklagen. In deinem Alter habe ich schon für mein eigenes Einkommen gearbeitet und gleichzeitig gelernt“, entgegnete Hanspeter ruhig.
„Ich beklage mich nicht, Vater. Ich erkläre Mama nur, warum ich so lebe, wie ich lebe.“
„Ich glaube, dass es eine gute Idee wäre, jetzt das Dessert zu bestellen“, schlug Michael schnell vor, um das nächste unangenehme Thema zu vermeiden.



2.


Luisa war noch dabei, sich die richtige Bluse zu suchen, die sie an jenem Nachmittag zum Treffen mit Marlin tragen wollte. Sie hatte gerade zwei ihrer Lieblingsblusen auf dem Bett liegen und schielte von einer zur anderen. Sollte sie die Hellblaue oder die Rote tragen. So unentschieden war sie selten bei der Auswahl ihrer Kleidung, aber heute war eine Ausnahme. Luisa seufzte und griff nach der roten Bluse. So, sie hatte sich dafür entschieden und Punkt.
Schnell zog sie sie an und betrachtete sich im Spiegel. Eine schlanke Frau mit enger schwarzer Hose und passender Bluse; sie fühlte sich weiblich und hübsch. Luisa lächelte sich selbst an.
Sie kannte Marlin sehr gut, denn Marlin liebte sie sogar, wenn sie ganz in Schwarz oder in Gelb mit riesigen Bällen als Muster erscheinen würde. Es spielte für Marlin keine Rolle, welche Kleidung sie trug. Sie musste sich nur gut fühlen dabei.
Als Luisa einen Blick auf ihre Uhr warf, erschrak sie. Bald würde Marlin vor der Tür stehen und sie hatte sich noch nicht geschminkt. Mit einer raschen Bewegung nahm sie den rosa Lippenstift und betupfte sich damit sorgsam die Lippen. Mit sicherer Hand schminkte sie sich weiter, Eyeliner über die Augenlider und dunkle Tusche auf die Wimpern. Noch ein letzter Blick auf ihr Werk und sie warf sich selbst einen Kuss in der Luft zu.
Als sie schon auf dem Weg die große Treppe hinunter war, hörte Luisa die Klingel und eilte zur Tür, um zu öffnen. Das war sicher Marlin, denn Es war normalerweise pünktlich.
Plötzlich nahm sie die Gestalt ihres Vaters aus ihrem rechten Augenwinkel wahr und sah, wie er die Tür noch vor ihr erreichte.
„Ah, Marlin!“, hörte Luisa die ersten leise ausgesprochenen Worte ihres Vaters. Obwohl sie sein Gesicht nicht sehen konnte, nahm sie am Ton seiner Stimme sofort wahr, dass er sich nicht besonders freute, ihren Freund zu sehen.
„Guten Tag, Herr Portmann.“ Im Gegensatz zu ihrem Vater klang Marlins Stimme fröhlich. „Darf ich reinkommen?“
Luisa spürte eine gewisse Unsicherheit in ihrer Brust und fragte sich, was ihr Vater noch vor Marlin dort machte. Wollte er Marlin nicht ins Haus lassen? Marcel bewegte sich endlich etwas zur Seite, um Marlin zu erlauben, in sein Haus zu treten, und in diesem Moment erreichte Luisa die beiden Männer.
Als Marlin sie sah, lächelte Es breit und küsste sie flüchtig auf die Lippen. Aus Respekt dem älteren Mann gegenüber wollte Marlin ihn nicht provozieren mit einem richtigen Kuss. Denn die Art und Weise, wie Herr Portmann in ihre Richtung schaute, zeigte unmissverständlich, dass er keine gute Meinung über die Beziehung seiner Tochter mit ihm hatte.
Im Bewusstheit, dass sie beobachtet wurden, wandte sich Marlin ganz Luisa zu, die leicht verwirrt aussah, und lächelte sie an. „Bist du schon bereit?“
„Gerade eben“, antwortete sie mit leicht zitternder Stimme. „Gehen wir zu unserem Lieblingsrestaurant?“
„Ich fürchte schon, dass Marlin nicht in der Lage ist, deine verwöhnten Wünsche zu erfüllen.“ Wie aus dem Nichts spuckte Luisas Vater seine Worte aus.
Seine Tochter wollte schon den Mund aufmachen, um etwas zu erwidern, als sie Marlins Antwort hörte: „Bei allem Respekt, Herr Portmann, Luisa ist keine verwöhnte Frau. Bis jetzt hatten wir keine Schwierigkeiten, unsere eigenen Interessen selbst zu finanzieren.“
„Das klingt gut.“ Marcel gab nicht nach und dies gefiel seiner Tochter gar nicht. Luisa spürte den Wunsch ihres Vaters, Marlin ins Schwitzen zu bringen, was er manchmal liebend gern tat, wenn er jemanden nicht besonders mochte. „Es wird eine Frage der Zeit sein, bis du verstehen wirst, was ich meine“, erwiderte Marcel weiter mit bestimmter Stimme.
„Das glaube ich nicht.“ Marlins Ton klang noch ruhig, aber die Enttäuschung war nicht zu überhören.
Was war auf einmal los mit dem Mann, den Marlin schon als kleiner Junge kannte?
5 Sterne
…sensationeller Roman - 09.02.2024
Sibylle

Das Buch MARLIN ist grossartig geschrieben und hat mich von Anfang an völlig in den Bann gezogen! Die Autorin hat viele Themen in diesen Roman verpackt und mit ihrer frischen Art zu schreiben gezeigt, dass dieses Buch sogar zu einem Kinohit werden könnte.Ich hoffe, wir dürfen noch mehr Romane von dieser positiven Autorin in Zukunft lesen..

5 Sterne
Gelungene Geschichte über ein umstrittenes Thema - non-binär! - 14.11.2023
Sandra

Durch diese kurze Reise in Marlins Alltag als non-binär bekommt man eine klare Vorstellung über dieses Thema. Gina Ferreira hat mit ihrem lebendigen und erfrischenden Schreibstil geschafft, meine Aufmerksamkeit zu fesseln, sodass ich die Geschichte nie aufhören wollte zu lesen.

5 Sterne
Thematik non-binär, absolut lesenswert! - 17.08.2023
Rose

Die Geschichte von Marlin und seinem Leben als non-binäre Person ist mit viel Einfühlungsvermögen von Gina Ferreira geschrieben. Von Kapitel zu Kapitel ist man mehr gespannt, wie es bei Marlin weitergeht, denn Es hat viele Hürden zu überwinden um an sein Ziel zu kommen. Sehr tiefgründig aber auch spannend.

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