JOYA auf Nordkurs

JOYA auf Nordkurs

Mit dem selbstgebauten Katamaran von Basel nach Schweden und zurück bis Winningen an der Mosel

Verena Schwarzer-Zaugg


EUR 15,90
EUR 9,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 180
ISBN: 978-3-99048-034-2
Erscheinungsdatum: 27.05.2015
Fünf Monate dauerte die abenteuerliche Fahrt mit dem selbstgebauten Motorkatamaran vom Rhein in der Schweiz bis nach Schweden hinauf und wieder zurück. Jörg und Vreni erzählen dabei in eindrücklicher und humorvoller Weise ihre nicht so harmlosen Erlebnisse.
13. 06. 2014

Wir verabschieden uns von Anke, die am Morgen schon im Laden steht. Geplant ist, heute nach Dänemark zu fahren, da wir wenig Wind haben gemäß Vorhersage. Doch das Wetter hat sich verändert. Es windet stark und schwarze Regenwolken ziehen auf. Es geht nicht lange, dann regnet es. Wir laufen gegen Mittag in Kappeln ein und entscheiden uns, hier anzulegen und eine Nacht zu bleiben. Für morgen ist fast kein Wind zu erwarten. Wir schauen uns noch mal die norwegische Wettervorhersage (www.yr.no) an, die bis auf eine halbe Stunde genau stimmen soll. Also, morgen gehen wir sicher los!
Bewegung tut gut und wir gehen unser Leergut entsorgen. Zudem kaufen wir einen Steig- oder Treppenfender. Bei den tiefen Schleusen komme ich nur schwerlich von Bord mit meinen kurzen Beinen. Jetzt kann ich mich über diesen Fender runterlassen. Außerdem kaufe ich einen Kescher (Netz), damit ich künftig ins Wasser gefallene Sachen einfacher rausfischen kann. Wahrscheinlich fällt jetzt nie mehr etwas runter! Unser Mittagsbierchen genehmigen wir uns am Pier des Städtchens. Heute ist wieder viel los. Ganze Busladungen Rentner werden ausgeladen und sie strömen gleich in die Hafen-Beizen.
Das Wetter hat aufgefrischt, aber es regnet nicht mehr. Wieder auf der „JOYA“ fülle ich noch eine Maschine mit Wäsche und starte sie. Wer weiß, ob wir in Dänemark dazu eine Gelegenheit haben. Zum Znacht mache ich Fleischkugeln an Currysoße. Aus frischen Mett-Bratwürsten drücke ich den Inhalt heraus und forme die Kugeln. Mit viel Zwiebeln werden sie scharf angebraten. Dazu Wildreis und überbackenen Blumenkohl. Jetzt müssen wir mal den Inhalt des Kühlschrankes leer essen, bevor wieder neue Ware gekauft wird.
Obwohl heute Freitag, der 13. ist, hatten wir weder Pannen, noch liefen uns schwarze Katzen über den Weg. Dafür ist heute Vollmond!


14. 06. 2014

Heute Morgen starten wir zeitig, da wir eine lange Fahrt vor uns haben. Das Wetter ist nicht so, wie gestern noch im Wetterbericht angegeben. Wir verlassen die Schlei und biegen in die Ostsee ein. Es windet stark aus Nordost und anfänglich sind die Wellen kurz und heftig. Zum Glück regnet es nicht. Wir tauchen tief in die Wellen ein und die Gischt spritzt bis ans Steuerhaus hoch. In Kürze ist alles mit einer Salzkruste überzogen. Ganze Straßen von weißen bzw. durchsichtigen Quallen treiben im Meer. Diese sind zwar ungefährlich, aber hier schwimmen möchte ich keinesfalls! Wir versuchen, uns möglichst an der Küste zu halten, doch ganz ohne offenes Meer geht es nicht. Fiiny bekommt ihre Schwimmweste verpasst. Das stinkt ihr gewaltig! Unser Ziel heute ist Dänemark. Wir haben Gegenwind und die „JOYA“ kämpft sich zügig voran. Je weiter wir ins offene Meer kommen, umso höher werden die Wellen. Wir schätzen sie jetzt auf ca. 1,80 m. Meist sitzen noch weiße Schaumkronen auf den Wellen. Das geht so runde drei Stunden, dann beschließen wir eine Kursänderung Richtung Soenderborg. Hier biegen wir in den Als Sund ein, wo wir etwas geschützter sind. Wir fahren den Sund hoch bis zum Ende und nach der Spitze der Insel Als wieder ins offene Meer. Erneut wellt es zünftig. Nach insgesamt knapp 8 Stunden Fahrt erreichen wir unser Etappenziel, die Insel Aeroe. Hier müssen wir leider direkt neben der Fähre anlegen, die noch bis 23.00 Uhr fährt und morgens schon um 07.00 Uhr wieder den Betrieb aufnimmt. Wir zahlen für diese Übernachtung (ohne Strom/Wasser) 22 ?! Fiiny ist froh, endlich an Land gehen zu können und macht einen nicht enden wollenden Bisi. Überall liegen Krabbenscheren herum und schwarze Muschelschalen. Fiiny stürzt sich gierig drauf und frisst alles zusammen, bevor wir es richtig wahrnehmen. Hoffentlich kann sie danach noch normal stuhlen. Wir werden sehen …
Da wir keine dänische Währung mithaben, fragen wir am Kiosk zuerst vorsichtig, ob sie auch Euro nehmen. „Klar doch, gerne“, ist die Antwort. Jörg probiert ein dänisches Bier aus. Es schmeckt ihm ganz gut. So ein 33-cl-Fläschchen kostet 2 ?. Da es mittlerweile schon 18.30 Uhr ist, beginne ich mit der Zubereitung des Nachtmahls: Salat, frische Rösti und Spiegeleier mit Schinken. Ein herrlicher Sonnenuntergang entschädigt uns für die lange und unbequeme Fahrt. Ich lese noch meinen Krimi von Minette Walters zu Ende und gehe dann auch schlafen. Jörg träumt bereits …


15. 06. 2014

Um 07.00 Uhr werde ich wach, weil die Fähre ihre Motoren startet bzw. losfährt. Ein herrlicher Tag erwartet uns. Ich gehe mit dem Hund raus. Sie kann ganz normal ihr „dickes“ Geschäft machen. Haben ihr die Krabbenscheren doch nichts gemacht. Bei den noch verlassenen Fischerhütten liegen Netze, Bojen, leere Fischkisten etc. herum. Da sitzt doch tatsächlich in einer weißen leeren Kiste ein ausgewachsener brauner Feldhase. Der lässt sich von uns jedoch nicht stören und genießt sein Sonnenbad. Nachdem Fiiny ihren Morgenspaziergang beendet hat, essen wir ein kurzes Frühstück. Wir nutzen die Gunst der Stunde und legen um 09.00 Uhr ab Richtung Middelfart (Meerenge), an Frederica vorbei, überqueren den Vejle Fjord und laufen den Hafen Juelsminde an. Das Meer ist total ruhig und es hat kaum noch Wind. So können wir die dänische Südsee genießen! Um 15.00 Uhr kommen wir im Hafen an. Hier haben wir einen schönen Platz und müssen zum ersten Mal für Mehrrumpfboote bezahlen. Das kostet pro Nacht ohne Strom 250 dänische Kronen (DKR), was ca. 35 ? sind. In der nahegelegenen Bank holen wir etwas dänische Währung aus dem Bankomaten. Das reicht noch für die nächsten zwei Übernachtungen und ein wenig Bier in der Fiske Bar.
Ein dänisches Seglerpaar liegt vor uns. Sie sprechen etwas Deutsch und Englisch. Wir unterhalten uns ein wenig und erfahren, dass sie das gleiche Endziel haben wie wir. Die meisten Segler sind im Alter zwischen 65 und 80 Jahren. Junge Leute siehst du kaum auf langen Strecken. Naja, die müssen eben noch arbeiten und ihre Rente verdienen.
Wir sind noch am Essen, da sagt jemand „Grüezi“ vom Pier her. Eine Frau aus der Schweiz? Ja, sie ist mit ihrem Mann mit dem Segelboot unterwegs. Sie haben unsere Schweizerflagge gesehen und sind neugierig geworden. Sie sind seit vielen Jahren am Segeln, überwintern aber immer in der Schweiz. Da kommt auch noch ihr Mann dazu. Beide erzählen uns Geschichten, es hört nicht mehr auf! Den GöK (Götakanal) finden sie sehr schön und würden ihn nochmals machen. Aber, meinen sie, wir würden Mühe haben mit unserem großen Boot, und wenn wir hochkommen, sei Hauptsaison und ganz Schweden am GöK unterwegs. Wir werden sehen. Der Diesel kostet in Dänemark auch 2 ? pro Liter. Wir hoffen, unser Diesel reicht noch, bis wir wieder in Deutschland sind.


16. 06. 2014

Es ist bewölkt und fast windstill. Das Meer total ruhig - wie schön! Wir legen um 09.45 Uhr die Leinen los und fahren wieder ins offene Meer. Es ist trotz Bewölkung warm. Jörg pumpt den Fäkalien-Tank ins Meer ab. Oh, ich hasse diesen ätzenden Gestank!! Mir wird fast übel davon. Bis jetzt bin ich nicht seekrank geworden, trotz dem starken Wellengang den wir vor ein paar Tagen hatten. Aber dieser Duft von unserer eigenen Sch… widert mich an! Doch muss es sein, denn eine andere Abpumpmöglichkeit gibt es hier nirgends.
Mittlerweile sind wir im Kattegat, so heißt das Meer hier oben. Gegen 15.00 Uhr frischt es heftig auf und wir haben wieder starken Wellengang. Heute wollen wir bis Oere gelangen. Hier gibt es einen kleineren Kanal mit einer Schleuse. Davor soll es Liegemöglichkeiten haben und wir müssten nicht in einen Hafen. Endlich da angekommen, ist alles belegt. Kein Platz für uns, wir drehen um und fahren nochmals drei Stunden bis nach Grenaa. Hier können wir seitlich anlegen, was zum Ein- und Aussteigen für den Hund immer besser ist. Wiederum zahlen wir 270 DKR. Langsam gewöhnen wir uns an diese Preise! Vor uns liegen Norweger Segler, drei Stück. Sie sind sehr hilfsbereit und freundlich.
Es ist später geworden als geplant. Heute kochen wir Spaghetti mit Sugo und Piccata dazu. Das schmeckt doch immer! Vorher sind wir noch schnell ein Bier trinken gegangen. Auswärts Essen macht uns nicht mehr richtig an. Alles hat einen süßen „Touch“ und der Salat ist auch gezuckert. Da lob ich mir doch meine Küche!
Während ich hier so sitze und schreibe, habe ich das Gefühl, wir hätten hohen Wellengang. Doch das ist eine Fata Morgana, wir liegen ganz ruhig hier. Wie immer am Abend wird es schön und windstill. Ein toller Sonnenuntergang lässt unseren langen Tag ausklingen.


17. 06. 2014

Wieder ein wunderschöner sonniger Tag mit Wind aus Südost und damit Zeit, weiterzugehen. Wir fahren los um 10.45 Uhr. Kaum sind wir im Kattegat draußen, haben wir wieder relativ kurze, spitze Wellen.
Als Kattegat bezeichnet man das 22.000 km2 große und durchschnittlich 80 m tiefe und äußerst schwierig zu befahrende Meeresgebiet zwischen Jütland (Dänemark) und der Westküste Schwedens.
Ein paar Kormorane sind am Fischen. Unser Ziel heute ist Hals. Die Wellen werden immer heftiger und auch von der Seite kommen sie. Jetzt „rollt“ das Schiff sehr stark. Wir haben eine Fahrzeit von ca. 6 Stunden vor uns. Das kann ja heiter werden! Bis jetzt ist mir noch nie schlecht geworden. Aber das „Rollen“ macht mir zu schaffen. Nach drei Stunden Ankämpfen gegen das Übelwerden werde ich so müde, dass ich mich hinlegen muss und anscheinend sofort einschlafe. Jörg steuert eisern weiter und bringt uns sicher übers Meer! Was würde ich nur ohne ihn machen!
Heute begrüßt uns in Küstennähe eine Taube - fast wie bei der Arche Noah in der Bibel! Allerdings hat sie keinen Olivenzweig im Schnabel. Sie sitzt auf den Solarpanels ab und merkt, dass sie heiße Füße bekommt, denn sie fliegt sofort wieder auf und weg ist sie.
Im Hafen haben wir wiederum einen schönen seitlichen Liegeplatz. Hier gibt es zwar einen Hafenmeister, doch man zahlt an einem Automaten mit der Kreditkarte. Heute kosten wir 255 DKR. Jedes Mal andere Preise, aber immer sauteuer! Nach uns legen noch zwei dänische Segler mit Bavaria Booten an. Nachdem wir tidensicher vertäut haben, gehen wir mit Fiiny spazieren. Auf einer breiten Wiese kann sie sich austoben, nachdem sie 6 Stunden ausharren musste. Sie ist wirklich ein toller Hund; immer hält sie sich zurück, bis wir angelegt haben. Aber dann kennt sie kein Halten mehr! Hier gefällt es uns sehr gut und da morgen großer Markt grade vor der Haustür ist, bleiben wir nochmals eine Nacht. Ich brauche unbedingt ein Paar Flip Flops. Das Wetter soll erst am Donnerstag schlechter werden. Bis dann müssen wir einfach auf der Insel Laesoe sein. Das ist eine Insel zwischen Schweden und Dänemark. Da können wir dann auf gutes Wetter warten für die Überfahrt nach Göteborg.
Jetzt habe ich doch Hunger bekommen, trotz meiner Übelkeit vor ein paar Stunden noch. Es gibt Spaghettireste und Servelatschnitze (Wurst) dazu. Als Salat habe ich noch eine reife Avocado. Um 20.00 Uhr gehen wir auf einen Erkundungsspaziergang. Überall werden Buden vorbereitet für den morgigen Markt. Beim Hafenmuseum auf dem Vorplatz wird eine breite Bühne aufgestellt. Vielleicht für ein Theater oder eine Musikband? Wir lassen uns morgen überraschen.
Im „Café Cayman“ genehmigen wir uns noch ein Bier für Jörg und einen Cappuccino für mich. Wir kommen mit zwei dänischen Frauen ins Gespräch. Sie sagen uns, dass es seit einem Monat hier nicht mehr geregnet hat und sie einen Jahrhundertmonat erlebt hätten. So warm und schön sei es normalerweise in Dänemark nicht. Sie bewohne mit ihrer Freundin ein Sommerhaus hier in der Gegend. Viele Dänen leben in Städten und haben für die Sommermonate irgendwo am Strand ein Haus, wo sie den Sommer verbringen.
Morgen früh gibt es wieder mal frische Brötchen. In den letzten Tagen haben wir altes und fast hartes Brot gegessen, weil wir keine Möglichkeit hatten, einen Bäcker zu finden. Ich habe aber noch eine Not-Brotmischung in petto, falls es mal eng wird. Dann backe ich uns ein Brot. Es ist jetzt 23.00 Uhr und immer noch hell - am 21. 06. ist schon der längste Tag und dann wird es bald wieder früher dunkel.


18. 06. 2014

Heute Morgen werden wir geweckt mit drei Kanonenschüssen! Was ist denn da los? Das Segelschiff der dänischen Königin ist in den Limfjorden eingefahren. Sie fährt bis Aalborg und soll heute Abend gegen 22.00 Uhr wieder zurückfahren. Leider habe ich das Schiff nicht mehr gesehen. Aber das Kriegsschiff der Marine, das hier im Hafen liegt, begleitet sie und ist soeben aus dem Hafen gefahren. Vielleicht haben wir heute Abend mehr Glück.
Da ich jetzt sowieso angezogen und wach bin, gehe ich mit Fiiny spielen. Sie genießt diesen Morgen sehr. Nach dem Frühstück beginnt Jörg mit der Kontrolle der Motoren, Ölstand, Filterreinigung etc. Dies dauert eine gute Stunde. Danach gehen wir mit dem Hund über den angekündigten Markt. Es ist aber mehr ein Flohmarkt, wie wir feststellen. Aber auch da kann man Trouvaillen finden, wenn man das Auge dafür hat. Ich erblicke ein kleines Ankerbild, gerahmt - es ist nur ein Kunstdruck -, eine alte Schiffsglocke, alte Barometer in Messing und allerlei Ramsch. Wir kaufen eine Shorts für mich und handeln die Verkäuferin runter auf 90 DKR. Das sind etwa 12 ?. Mehr ist die Hose auch nicht wert, aber sie ist praktisch. Flip Flops sind mir zu teuer, obwohl es sehr schöne in Leder mit Verzierungen oben drauf hat. Dann finde ich noch drei Ansichtskarten. Eine schreibe ich an Mutter. Die anderen beiden gehen ins Calancatal. Heute teilen wir uns ein grosses Bier, weil ich nur Lust auf einen Schluck habe. Zurück auf dem Schiff trinke ich aus dem Kühlschrank einen kleinen Hugo. Jörg geht wieder schlafen, ich lese in meinem Buch von Nicholas Sparks, „Wie ein Licht in der Nacht“. Ist spannend; halb Krimi, halb Liebesroman, eine gute Mischung von beidem.
Nach Jörgs Ruhezeit besprechen wir das nächste Ziel. Morgen soll es Sturm geben. Sogar die Dänen vor uns sagen, dass sie morgen nicht rausfahren. Also haben wir nochmals einen Tag im Hafen. Wir studieren die Wetterkarten und denken, dass wir am Freitag auf die Insel Laesoe rüberfahren können. Es sind ca. 70 km und die Windstärken liegen um 6 Bf (Beaufort). Das sind schon happige Wellen bei dem Wind! Aber es kann sich ja alles nochmals ändern. Wir stehen etwas unter Zeitdruck, und wenn wir infolge schlechten Wetters länger liegen bleiben müssen, dann bleibt für Schweden nicht mehr allzu viel Zeit.
Ich gehe mir noch etwas Früchte kaufen. Nun gibt es auch hier Kirschen und Erdbeeren. Zudem Pfirsiche, Nektarinen, Trauben. Jetzt bin ich eingedeckt. Zum Znacht mache ich heute ein Mah-Meh mit viel Curry und frischem Gemüsemix.
Dann stehe ich ab 21.00 Uhr an der Hafenmauer vorn und harre der Dinge, die da kommen sollen. Die königliche Jacht nämlich. Es stehen schon viele Leute mit Fotoapparaten und Filmkameras herum. Der Westwind weht immer stärker. Ich bin immer noch in Shorts und Leibchen da draußen und friere langsam. Also hole ich mir noch meine Fleecejacke und geh wieder nach vorn. Um fast 22.00 Uhr kommt sie angerauscht. Eine stattliche Jacht! Das Warten hat sich gelohnt! Jetzt aber schnell in die Wärme und einen Tee Rum zum Aufwärmen. Es wird Nacht und im Hafen ist es ruhig geworden. Ich lese noch eine Weile. Jörg schaut TV. Gegen Mitternacht tauchen wir ab. Morgen können wir ausschlafen - es gibt einen Hafentag sprich Schlechtwettertag.


19. 06. 2014

Nach einer stürmischen Nacht geht es heute Morgen so unvermindert weiter! Der Wind, immer noch West, heult und die Wanten der Segelboote um uns herum schwirren. Fiiny fühlt sich nicht so wohl und will gar nicht raus. Aber es muss trotzdem sein. Es bläst uns fast fort. So schnell sind wir seit Beginn der ganzen Reise nicht wieder aufs Boot zurückgekehrt! Gemäß Wetterbericht soll es im späteren Mittag abflauen.
Heute haben wir Zeit, uns etwas mit der Geschichte von Hals zu befassen. Hals bedeutet Verengung und gilt als kleinste Stadt Nordjütlands. Mit nur 3000 Einwohnern erhielt Hals 1656 das Stadtrecht. Eine Kirche steht im alten Teil des Städtchens und wird als die größte Dorfkirche Dänemarks bezeichnet. Auf dem Marktplatz steht das Wahrzeichen der Stadt aus dem Jahre 1955: die Kiefer eines Blauwals. Das Gebiet an der Mündung des Limfjords in das Kattegat heißt im Volksmund „Ecke des Landes“. Hier gibt es noch drei Bunker aus dem 2. Weltkrieg. Während des Krieges war die Anlage durch einen Wald getarnt und diente als Arbeitsplatz für 600 Menschen. Es handelt sich immer noch um militärisches Gebiet und nur der westliche Bunker kann heute noch besichtigt werden. Die beiden anderen Bunker werden durch Verbände des Territorialheeres genutzt. Daher liegt hier auch noch ein Kriegsschiff im Hafen, das täglich auf Fahrt geht. Nordmandshage, ein Niedrigwassergebiet oberhalb der Hafeneinfahrt ist ein Wildreservat für Vogelarten. Hier kann man Seeschwalben, Basstölpel, verschiedene Möwenarten und dunkelbauchige Ringelgänse beobachten. Vom 01. 04. bis 15. 07. darf man das Reservat nicht betreten.
Wir erkunden die kleine Stadt zu Fuß und machen ein paar Fotos von den Walzähnen und den Rückenwirbeln des Wals, gigantisch! Die Kirche ist leider verschlossen, aber der Friedhof ist sehr schön mit Buchs bepflanzt, wie in einem Irrgarten. Da wir dänische Verwandte haben, finden wir auch ein Grab mit dem Namen Soerensen. Ob dieser Verstorbene allerdings zu unserem Stammbaum gehört, wissen wir nicht.
Es ist jetzt schon 15.00 Uhr. Die Sonne scheint, der Wind hat ein wenig nachgelassen. Nicht einer hat heute den schützenden Hafen verlassen! Morgen wird dann der große Run losgehen. Auch wir gehören dazu.


20. 06. 2014

Um 09.30 Uhr legen wir die Leinen los und fahren aus dem schützenden Hafen. Einige Segler sind bereits gestartet. Kaum sind wir draußen im offenen Meer, haben wir eine leichte Brise und ca. 2 m hohe Wellen. Auf den Wellenspitzen weiße Kronen. Jörg meint: „Entweder kehren wir um oder steuern den nächsten Hafen (Hou) an.“ Ich bin fürs Weiterfahren, solche Wellen hatten wir ja auch schon mal. Solange wir nicht zu „rollen“ anfangen, ist mir die Wellenhöhe egal. Jörg möchte den nächsten Hafen anfahren. O. k., dann eben das. Auf der Höhe von Hou lassen die hohen Wellen etwas nach und wir fahren weiter zum allenfalls nächsten Hafen Asaa. Inzwischen haben Fiiny und ich die Schwimmwesten an, falls wir reinfallen sollten, kann man uns besser rausfischen.
Jetzt, Höhe Asaa, gibt es nur noch Entweder-Oder. Wir wagen es und fahren durch bis Oesterby auf der Insel Laesoe. Ein gewagter Törn, doch wir haben Glück und praktisch kein „rollen“, aber hohen Wellengang und Wind aus Nordost. Es ist ungemütlich und saukalt geworden. Nach einer siebenstündigen Wellenfahrt laufen wir im Hafen Oesterby ein. Oje, alles voll mit fahnengeschmückten Seglern aus Schweden, die hier wohl die Sonnenwendfeier abhalten werden. Die liegen schon alle im Päckli. Der Hafenmeister winkt uns an einen Platz im Fischerhafen. Zwar gleich bei der Dieseltankstelle, dafür sind wir hier ungestört. Oh nein, doch nicht ganz! An der Hafeneinfahrtsmauer liegt eine dreistöckige Motorjacht aus Norwegen. Die Popmusik dröhnt schon aus allen Lautsprechern bei denen. Das gibt wohl eine lustige Nacht heute. Wir studieren jetzt die Wetterkarten - nicht allzu gute Aussichten. Einzig morgen früh wäre es gut, rüber nach Schweden zu fahren. Wir beschließen, um 05.00 Uhr abzufahren, dann haben wir gute Chancen für eine ruhige Überfahrt.
Nach dem Duschen beginne ich mit dem Rüsten. Heute gibt es Tomatensalat mit frischem Basilikum, Kartoffelgratin und Bratwurstschnecken vom Grill. Wir haben beide Hunger, haben wir doch seit dem Frühstück nichts mehr im Magen. Jörg berechnet die morgige Route. Fiiny frisst ihren Znacht und ist auch zufrieden. Der Hafenmeister kommt kassieren: 270 DKR. Scheinbar sind wir hier im Hafen DIE Attraktion. Viele kommen, stellen Fragen und möchten gerne reinschauen. Wir haben viele gute Gespräche und nette Leute kennengelernt. Die meisten sind Segler!


21. 06. 2014

Die Nacht war laut, der Schlaf unruhig und um 04.30 Uhr dröhnt schon wieder die Musik von der norwegischen Jacht herüber. Wir stehen auf, richten alles für die Abfahrt und lassen Fiiny noch ihr Geschäft verrichten. Ohne Frühstück fahren wir um 05.00 Uhr los. Die Sonne scheint, doch haben wir mäßigen Wind aus West und kleine Wellen. Vor uns liegt eine riesige schwarze Wolkenwand. Sind es wirklich Wolken oder ist es ein Unwetter? Wir müssen genau durch diese Wand. Um 06.10 Uhr dreht der Wind auf Ost, es frischt auf und die Wellen werden höher. Zum Fahren immer noch akzeptabel. Um 07.30 Uhr beginnt es zu blasen und die Wellen bekommen wieder ihre weißen Kronen. Jetzt müssen wir einfach durch. Jörg flucht kräftig, aber es nützt alles nichts. Die immer näherkommende dunkle Wand vor uns wirkt bedrohlich, doch die Sonne scheint uns immer noch kräftig ins Gesicht. Wir halten Kurs auf Schweden. Wiederum müssen wir einen größeren Bogen machen, da eine Untiefe unsere Fahrrinne kreuzt. Danach sehen wir am Horizont Land - Schweden, wir kommen!
Doch es zieht sich noch endlos und die Küste kommt nur zögerlich näher. Um 09.30 Uhr läuft eine Stena Line Fähre vor uns in die Einfahrt vor Göteborg. Wir sehen sie von Weitem. Jetzt wissen wir genau, wo es in die Schären reingeht. Es ist relativ gut betonnt. Um 10.30 Uhr fahren wir in Göteborg ein. Die dunkle Wand und einen fast schwarzen Himmel lassen wir hinter uns. Da braut sich etwas zusammen. Wir mögen heute nicht mehr weiterfahren, haben genug von den Wellen und legen im Jachthafen Lilla Bommen in Göteborg an. Das ist mitten in der Stadt.
Schweden begrüßt uns mit starkem Regen und einer Affenkälte! Jetzt schnell Fiiny versäubern lassen und dann legen wir uns aufs Ohr. Einen Hafenmeister für die Bezahlung des Platzes finden wir nicht. Um 15.00 Uhr scheint die Sonne wieder und wir gehen frisches Brot kaufen. Wegen des heutigen Feiertags haben alle Läden geschlossen. Ein einziger Lebensmittelladen in der Nähe hat offen. Hier finden wir frisches Baguette und ein Krustenbrot. Heute machen wir wieder mal Käsefondue. Die Witterung passt dazu.
Ca. 300 m neben dem Jachthafen liegt das Kriegsmarinemuseum, wo die alten Kriegsschiffe und auch ein Unterseeboot besichtigt werden können. Leider ist aber alles geschlossen und erst am Mittwoch wieder geöffnet. Bis dann sind wir längst weiter.
Jörg lagert in der Backskiste* der Plicht unsern Wein und das Bier. Er kontrolliert unseren Vorrat. Dabei schauen ihm von der Hafenmauer aus zwei komische Typen mit Fliegerstiefeln und schwarzen Jacken zu. Jeder hat eine Bierdose in der Hand. Sie können den Blick nicht von unserer Backskiste abwenden. Das gefällt mir gar nicht. Ich sage Jörg, er soll die Backskiste unbedingt sichern, sonst räumen uns diese beiden heute Nacht den Wein aus. Wenn wir tief schlafen, hören wir nichts, und ob Fiiny angibt, wissen wir nicht. Er sichert die Kiste mit zweierlei Schraubenarten. Nach dem gemütlichen Essen gehen wir um 23.00 Uhr noch mit Fiiny auf die letzte Runde, und es ist unglaublich, wir haben noch Sonne! Wir spazieren an einer Kirche vorbei, in welcher wochentags der Fischmarkt stattfindet. Deshalb heißt sie auch die Fischkirche. Man riecht es schon von außen! Wieder an Bord lege ich den Zweistep-Fender vor das Türchen, denn wenn einer im Dunkeln hineinkommt, stolpert er gleich mal darüber. Dann stelle ich einen Klappstuhl von unten an das Türchen, das macht auch Lärm, falls einer kommt. Nach diesen Vorkehrungen gehen wir beruhigt schlafen. Wir sind alle todmüde nach den Strapazen der misslichen Überfahrt.
*Stauraum in der Plicht

4 Sterne
Unterhaltsam - 20.08.2015
Schelling Lilian

das geschriebene Erlebnis ist sehr identisch mit der Autorin so wie sie ist als Mensch so wie mann sie kennt.Bravo

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