Haskyta

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Der weiße Engel

Ralf Alexander


EUR 22,90
EUR 13,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 238
ISBN: 978-3-903271-40-1
Erscheinungsdatum: 30.04.2020
Nach langem Zögern entschließt sich Philipp dazu, Djumy, eine Husky-Akita-Mischlingshündin, bei sich aufzunehmen. Die aufgeweckte neue Mitbewohnerin erobert alle Herzen im Nu und trägt außerdem zur Aufklärung eines Kriminalfalls bei.

Die eine Garage steht offen, das Auto des Hausherren ist in der Einfahrt zu sehen. Das deutet darauf hin, dass er zuhause ist. Er ist bestimmt wieder dabei, etwas kürzerzutreten. Bei schönem Wetter hält er sich gerne im Garten auf und macht dabei seine langen, ausgiebigen Rundgänge. Es ist wieder mal einer dieser warmen Spätsommerabende, wo alles und jeder draußen sitzt, um die letzten schönen Tage zu genießen. Man hört in der Nachbarschaft Leute reden und lachen oder das Gebell eines Hundes. Wenn man ganz genau hinhört, bekommt man sogar den Plopp beim Öffnen einer Bierflasche mit.
Der Geruch von frisch gegrilltem Fleisch verteilt sich sanft in der Umgebung. Einer der Nachbarn versteht sein Handwerk besonders gut. Es riecht leicht mediterran, nach Knoblauch, Olivenöl und Lamm oder auch Lachs. Am liebsten möchte man sich selbst einladen, Hallo sagen und den wunderbaren Duft genießen.
Ein Mann mit gräulichen Haaren in einem blauen Oberhemd und einer Weste ist zu sehen. So wie es aussieht, ist es Philipp, der Hausherr und Chef der Firma. Er steht auf der Zufahrt, um sich etwas umzusehen. Man sollte meinen, er versucht zu lokalisieren, woher der feine Geruch kommt.
„Nicht schlecht“, sagt er leise zu sich. „Man bekommt richtig Appetit.“ Er schaut sich noch etwas um und spaziert dann langsam ein Stückchen zurück. Um den Weg abzukürzen, geht er über den Rasen zu seiner geliebten, in die Jahre gekommenen Gartenbank. Bis auf die Sitzflächen ist sie im Laufe der Zeit ganz schön grün geworden. Auf der rechten und linken Seite der Bank stehen zwei über hundert Jahre alte Eichen, die noch von Philipps Urgroßvater gepflanzt wurden. Ein paar Meter vor der Bank sieht man ein wuchtigen, großen Granitstein, der fast komplett mit Moos bedeckt ist und schon ewige Zeiten dort liegen muss. Philipp fragt sich manchmal, wie der Stein dahin gekommen sein könnte. Vor dem Granitstein ist eine Steintafel aufgestellt. „Djumy“ ist darauf zu lesen.
Er geht zur Steintafel und wischt den Schriftzug mit der Hand sauber, wobei er gleich einige Gräser entfernt. Dann geht einen Schritt zurück, schaut noch mal und stellt sich hinter die Bank, um einen Augenblick zu verweilen. Er stützt sich danach auf die Lehne, atmet einige Male tief durch und setzt sich anschließend auf die Bank. Der schöne Geruch ist leider verflogen. Nur das Pfeifen der Regionalbahn in weiter Ferne ist zu hören. Es ist langsam stiller geworden.
Er kann jetzt genau hören, wie jemand vom Haus erst über den Weg und dann über den Rasen zu seiner Bank kommt. Er weiß natürlich, dass das nur seine Tochter Anna sein kann, die sich immer Sorgen macht, wenn sie nicht weiß, wo ihr Daddy abgeblieben ist. Sie freut sich dann, ihn zu sehen, und ruft leise:
„Hallo Daddy!“
„Hallo, mein Engel“, ruft er leise zurück.
„Daddy! Ich habe dich von oben aus dem Fenster schon eine Zeit hier sitzen sehen und mir gedacht, du wirst bestimmt nichts dagegen haben, wenn ich mich ein wenig zu dir setze. Ich habe uns einen Becher Kaffee und eine Decke mitgebracht.“
„Ich habe bestimmt nichts dagegen, wenn meine Tochter auch ein wenig Zeit für ihren Vater hat. Das mit dem Kaffee ist eine gute Idee. Danke, mein Schatz.“ Er nimmt den Becher in beide Hände und wärmt sich die Finger.
„Weißt du, Anna, ich habe, bevor deine Mutter verstorben ist, viele Male mit ihr auf dieser Bank gesessen. Wir haben uns dann den Stein und die Tafel von meinem Hund Djumy angeschaut. Hier neben dem Granitstein haben wir ihn begraben. Es tut mir heute noch weh, wenn ich daran denke, wie Djumy gestorben ist.“
„Ich weiß, Daddy, ich habe euch ja öfter hier sitzen sehen.“
„Deine Mutter mochte es, mir laufend Fragen zu stellen. Sie wollte alles aus meiner
Jugend wissen. Wir haben geredet und viel gelacht. Es war immer wieder ein Erlebnis und herrlich, wenn sie gelacht hat.
Ich habe ihr Lachen geliebt, sie wurde dann immer ganz hibbelig und hat mir vor Freude einen Kuss gegeben, mich dann eingehakt und ihren Kopf an meine Schulter gelehnt. Das werde ich niemals vergessen. Das vermisse ich schon sehr.“
Anna schaut ihren Vater an, lehnt sich auch dicht an ihn und zieht die Decke über ihre und seine Beine.
„Daddy! Wie warst du denn als Kind? Würdest du mir auch einiges erzählen, was Mama zum Lachen gebracht hat, und warum du so gerne hier sitzt und auf den Stein schaust?“
Er überlegt kurz, nimmt ihre Hand in die seine und fängt an, über die Bedeutung des Steins zu sprechen.
„Weißt du, Anna, ich habe mir als kleiner Junge nichts sehnlicher gewünscht als einen Hund. Wie willst du das in dem Alter aber deinen Eltern beibringen? Ich war acht oder neun Jahre alt. Ich habe mir immer wieder gesagt: ‚Heute muss es passieren, heute werde ich sie fragen.‘ Ich habe es zwar noch einige Male verschoben, aber dann ist der Tag gekommen. Mein Vater und meine Mutter, also deine Großeltern, und ich saßen in der Küche am Tisch und haben wie jeden Morgen gefrühstückt. Ich habe sie genau beobachtet, um den richtigen Moment abzupassen.
‚Philipp, du bist heute Morgen so still‘, meinte mein Vater. ‚Willst du uns etwas sagen?‘ Ich sah ihn an und erwiderte: ‚Nöö!‘ Ich dachte nur: ‚Woher weiß er das? Das steht doch nicht auf meiner Stirn geschrieben.‘ Ich schaute mir meine Mama und Daddy noch einmal genau an, um zu testen, ob sie auch gut drauf sind. Sonst machte das Ganze überhaupt keinen Sinn. Sie unterhielten sich und machten auf mich auch so im Großen und Ganzen einen friedlichen Eindruck. Ich holte noch einmal tief Luft.
‚Mami, Daddy, ich habe euch doch etwas zu sagen.‘ Beide schauten mich neugierig und fragend an.
‚Na, was ist es denn heute, mein Sohn?‘
‚Sehr witzig, Daddy! Ihr könnt mich in meinem Alter ruhig etwas ernster nehmen.‘
‚Machen wir doch, mein Schatz‘, erwiderte meine Mutter. ‚Und, was willst du uns denn nun sagen?‘
In dem Moment dachte ich nur, dass es gar nicht so leicht ist, etwas rauszubringen, wenn dich so viele anstarren. Ich nahm allen Mut zusammen.
‚Mama, Daddy, ich will nicht lange drum herumreden, ich möchte sooo gerne einen Hund, bitte bitte.‘ Mein Vater sah mich an und sagte dann ganz gelassen:
‚Philipp! Das Thema haben wir doch nun oft genug besprochen. Natürlich ist ein Hund was Schönes. Aber die Arbeit haben dann letztlich deine Mama und ich. Was ist denn mit deiner Schildkröte? Da ist es doch dasselbe.‘
‚Das ist nicht dasselbe‘, erwiderte ich. ‚Hast du schon mal mit einer Schildkröte Hol-das-Stöckchen gespielt? Bestimmt nicht, es dauert ewig. Manchmal bis zum nächsten Tag, bis ich wieder zur Schule muss.‘
‚Wo ist die Schildkröte denn jetzt?‘, fragte mich meine Mutter.
‚Hab ich doch gesagt! Sie holt das Stöckchen.‘
Mein Vater schaute meine Mutter fragend an und sagte dann zu mir:
‚Gut, mein Sohn. Wenn du drei Punkte für eine Schularbeit nachhause bringst, werden deine Mama und ich zumindest darüber nachdenken, ob du schon erwachsen genug bist, die Verantwortung für einen Hund zu übernehmen.‘
Ich strahlte übers ganze Gesicht. Mit so einer Antwort hatte ich nicht gerechnet.
‚Danke Mama, danke Daddy.‘ Ich war außer mir vor Freude.
‚Hallo, mein Sohn, wir werden es uns überlegen. Nichts weiter‘, gab mein Vater mir noch mit auf den Weg. Dann schaute er auf die Uhr und sagte:
‚Ich muss jetzt auch los. Es sind einige Dinge in der Firma zu klären. Lasst euch nicht stören und viel Spaß in der Schule.‘ Es gab noch schnell einen liebevollen Kuss für meine Mami und ein Streicheln über meinen Kopf.
‚Und denk an das, was ich dir gesagt habe.‘ Er nahm seine Tasche mit den Unterlagen und verließ im selben Moment das Haus.
‚Toll, ich bekomme einen Hund, ich freue mich so sehr, Mami.‘ Meine Mutter erwiderte: ‚Du weißt aber auch, was Daddy gesagt hat.‘
‚Ja, Mami, ich habe verstanden.‘ Ich musste nun meinen ganzen Charme spielen lassen. Ich lehnte meine Ellenbogen auf den Tisch, um dann den Kopf aufzustützen und sie dann ganz genau zu beobachten. Ich schaute ihr dabei in die Augen und lächelte sie an. Meine Mama fragte etwas verlegen:
‚Was schaust du mich denn so an?‘
Ich nahm den Kopf hoch, um sie noch einmal zu mustern, und sagte ihr dann ganz trocken:
‚Mami, wenn ich dich so anschaue, muss ich feststellen, dass du eigentlich eine sehr fleißige und schöne Frau bist. Du kannst gut kochen und mein Zimmer ist immer schön aufgeräumt.‘ Meine Mutter sah mich verblüfft an und lächelte.
‚Danke, mein Sohn, aber über dein Zimmer müssen wir bei Gelegenheit noch mal sprechen. Du bist genauso ein Charmeur wie dein Daddy. Das Ganze kommt mir irgendwie sehr bekannt vor. Deinen Daddy habe ich auf die gleiche Weise kennen--
gelernt.‘
‚Wieso? Hast du denn Daddys Zimmer auch aufgeräumt?‘, fragte ich. Meine Mutter lachte.
‚Nein, bestimmt nicht.‘ Sie stand auf und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Beim Tischabräumen fragte sie mich dann ganz schnippisch:
‚Wenn mein Herr Sohn so anfängt, will er doch bestimmt etwas von seiner Mama. Also raus damit!‘
‚Daddy hat mal zu mir gesagt: Wenn du bei Frauen etwas erreichen willst, musst du höflich sein, ihnen auch mal ein Kompliment machen und jeden Wunsch von den Augen ablesen, dann kannst du viel mehr erreichen und sie kriegen weiche Knie und sind viel netter. Das ist zwar ganz schön viel, was man machen muss, aber um etwas zu erreichen, muss man auch mal über seinen Schatten springen.‘
‚Das hat dir unser Daddy gesagt?‘
‚Ja! Genau so.‘ Sie lächelte und dachte sich ihren Teil.
‚Und warum möchtest du, dass ich weiche Knie bekomme?‘
‚Mami, ich bin doch für mein Alter schon ganz schön erwachsen. Ich gehe einkaufen, bringe den Müll raus und kümmre mich um die Schildkröte.‘
‚Und was willst du mir jetzt damit sagen, mein erwachsener Sohn?‘
‚Ich will doch nur, dass du dich bei Daddy für mich einsetzt. Ich werde mich mein ganzes Leben um den Hund kümmern. Für das Futter könnt ihr mir etwas vom Taschengeld abziehen.‘
Meine Mutter schaute mich an.
‚Ich werde es mir überlegen. Und denke an die drei Punkte. Ohne die geht nichts‘, meinte sie ganz ernst.
‚Du musst jetzt aber auch los, sonst kommst du noch zu spät in die Schule. Hast du
alles? Nichts vergessen und denk an die drei Punkte.‘
‚Ja, Mami!‘
Dann bekam ich noch einen Kuss auf die Wange und sie gab mir die gepackte
Schultasche.
‚Fahr bitte vorsichtig und rase nicht so mit dem Rad.‘
‚Ja, Mami!‘
Ich lief zur geöffneten Garage und traf dabei meine Schildkröte auf dem Rasen.
‚Hallo Schildy, hast du das Stöckchen gefunden? Bald habe ich nicht mehr so viel Zeit für dich, ich bekomme nämlich einen Hund.‘
Ich holte mein Fahrrad aus der Garage. Meine Mutter stand draußen vor der Tür. Sie winkte mir noch mal zu. Ich fuhr die Auffahrt runter Richtung Straße. Das Tor ging etwas schwer auf, aber ich machte es schon alleine wegen der Schildkröte wieder richtig zu. Danach stieg ich auf mein Rad und fuhr los.
Auf dem Schulweg traf ich wie immer meinen Freund Tommy. Er war in meinem Alter und wir machten alles zusammen. Mit dem war ich schon viele Jahre befreundet.
‚Du bist so gut drauf‘, bemerkte er. ‚Gibt es etwas Neues?‘, fragte er neugierig. Wir fuhren nebeneinander, schauten uns an und ich sagte freudig und ganz laut zu ihm:
‚Ich bekomme einen Hund! Hurra, einen Hund!‘
‚Wie hast du das denn geschafft?‘, fragte Tommy.
‚Na gut‘, meinte ich, ‚noch nicht ganz. Muss in der Schule einen Dreier machen, dann wollen meine Eltern sich das Ganze überlegen.‘
‚Drei Punkte‘, erwiderte Tommy, ‚drei Punkte sind doch übergalaktisch und nie zu schaffen. Den Hund kannst du vergessen.‘ Ich schaute ihn an.
‚Lass mich nur machen.‘
‚Ein Dreier!‘ Tommy lachte und konnte sich gar nicht wieder einkriegen.
‚Du brauchst gar nicht zu lachen, ich werde es allen beweisen, ihr werdet schon sehen.‘
Als wir an der Schule angekommen waren, stellten wir unsere Räder wie gewohnt in den Fahrradunterstand und schlossen sie ab.
‚Philipp bekommt vielleicht einen Hund‘, rief Tommy einigen Klassenkameraden zu, die am Eingang der Schule standen.
‚Aber nur, wenn alles klappt‘, erwiderte ich.
Im gleichen Moment ertönte die Klingel und die Kinder stürmten rechts und links in ihre Klassen. Am Ende des Flurs war die Klasse 5 B. Tommy und ich liefen hinein.
‚Hallo, Hallo, es geht auch etwas ruhiger!‘, rief die Lehrerin in die Klasse. Langsam gingen wir rein und jeder auf seinen Platz. Frau Johanson, unsere Lehrerin, die meistens ganz in Ordnung war, packte gerade ihre Tasche aus. An der Tafel standen noch die Sachen von gestern.
‚Wer wischt die Tafel ab?‘, fragte sie in die Runde. Die Finger blieben wie immer unten. ‚Tommy ist heute dran!‘ Die anderen Schüler lachten und sahen ihm beim Wischen zu. Die Lehrerin kam dann nach vorne und ließ ihren Blick über die Köpfe schweifen.
‚Und? Alle da?‘ Die Schüler schauten einander an.
‚Alle da!‘, rief ich dann laut.
‚Na gut, Philipp, dann können wir ja jetzt anfangen. Wie ihr wisst, haben wir heute den letzten Schultag vor den großen Ferien, und ich habe mir gedacht, dass jeder eine kleine Geschichte darüber schreibt, was er in den Ferien so macht.‘
‚Oh Mann, ätzend, Manno‘, war die erste und in diesem Moment einzige Reaktion der Schüler.
‚Nun seid mal nicht so‘, sagte unsere Lehrerin, ‚das ist der letzte Tag.‘
‚Na gut‘, war zu hören. Langsam gingen alle Köpfe runter und wir fingen an zu schreiben. Erst wusste ich nicht so richtig, was ich schreiben sollte. Mir ist einfach nichts eingefallen. Da mein Daddy so viel arbeiten musste, waren die Ferien für mich manchmal langweilig.
Ich stupste Tommy an, der neben mir saß.
‚Ich weiß nicht, was ich schreiben soll!‘ Tommy überlegte.
‚Schreib doch, dass du einen Hund bekommst und dir das schon immer gewünscht hast, dann bekommst du mit Sicherheit auch deinen Dreier.‘
‚Einen Dreier‘, überlegte ich. ‚Gute Idee, das muss ich schreiben.‘ Ich fing an und war gar nicht mehr zu bremsen. Tommy stupste mich an.
‚Hey, schreibst du ein Buch?‘
‚Nee, ich bin aber gleich so weit.‘ Er schaute auf meine Seite und staunte.
‚Du hast ja fast eine Seite voll bekommen.‘
‚Ja, siehst du!‘, antworte ich. ‚Jetzt tut mir aber auch der Finger weh.‘
‚Seid ihr fertig?‘, fragte die Lehrerin.
‚Gleich!‘, kam von einigen Schülern, ‚ein Satz noch.‘
‚Gut, dann fangen wir jetzt an. Wer möchte seine Geschichte zuerst vorlesen?‘ Wie immer wollte niemand der Erste sein.
‚Keiner?‘, fragte sie noch mal. Die Finger blieben unten. Ich dachte in dem Moment an die drei Punkte, das war meine Chance. Ich hob den Arm, Tommy konnte es kaum fassen.
‚Darf ich vorlesen?‘, rief ich.
‚Mann, Philipp! Das kenne ich ja gar nicht von dir. Es gibt immer ein erstes Mal.‘
‚Das sagt mein Daddy auch immer.‘
‚Recht hat dein Daddy‘, antwortete Tommy.
Vierundzwanzig Kindergesichter schauten mich an und lauschten gespannt meiner Geschichte. Viele wussten, dass ich mir schon seit langem einen Hund wünschte. Ich fing also an, vorzulesen:
‚Es war einmal ein Junge, der wünschte sich so sehr einen lebendigen Hund. Der sollte aber größer sein als der von den Nachbarn, damit es sich auch lohnte, mit ihm rauszugehen. Er sollte aber nicht so viel fressen, weil der Junge angeboten hatte, etwas von seinem Taschengeld für das Futter abzugeben. Der Hund würde mit dem Jungen Ball spielen, neben dem Rad herlaufen und noch einiges mehr.‘ Die Geschichte endete mit dem Satz ‚Und ich hoffe, dass meine Mama und mein Papa jetzt ja sagen werden. Das ist mein größter Wunsch für die Ferien.‘
Einen Augenblick war es noch nachdenklich ruhig, aber dann lachten alle und freuten sich über meine schöne Geschichte. Im gleichen Moment ertönte dann die langersehnte Pausenglocke, die die sechs Wochen Sommerferien einläutete. ‚Ferien!‘, tönte es aus der Klasse. Mit lautem Getöse wurden die Federtaschen, Brotdosen und Trinkflaschen eiligst wieder im Ranzen verstaut. Einige erzählten beim Rausgehen noch schnell, wohin es im Urlaub ging. Die Lehrerin rief den Kindern noch ‚Schöne Ferien!‘ zu. Sie hob noch einmal den Arm und rief laut nach mir.
‚Philipp, kannst du noch mal kurz nach vorne kommen?‘ Bei dem Krach habe ich sie erst gar nicht verstanden, dann sah ich aber ihren gehobenen Arm und dass sie mich meinte. Nachdem ich meine Tasche gepackt hatte, ging ich zu ihr.
‚Was will sie denn jetzt noch von mir?‘, dachte ich so vor mich hin. Ich stand hinter ihr und beobachtete, wie sie die letzten Worte von der Tafel wischte. Als sie sich umdrehte, sagte sie in einem warmen und liebevollen Tonfall:
‚Mein lieber Philipp, das war wirklich eine sehr schöne Geschichte, die du da aufgeschrieben hast.‘ Sie streichelte mir mit der Hand über den Kopf.
‚Ich hoffe, dass du deinen Hund bekommst. Von mir bekommst du für die Geschichte zwei dicke Punkte ins Klassenbuch eingetragen, die hast du dir verdient.‘ Ich wischte mir mit der Hand die Haare aus den Augen und lächelte sie an. Ich stützte meine Ellenbogen auf den Tisch, legte meinen Kopf in die Hände und beobachtete sie beim Zusammenpacken ihrer Unterlagen.
‚Na Philipp, noch nicht nachhause?‘
‚Frau Johansen! Wenn ich Sie so anschaue, finde ich, dass Sie eigentlich eine nette und schöne Frau sind.‘ Verdutzt schaute die Lehrerin mich an.
‚Wieso denn dieses nette Kompliment? Und vielen Dank für das eigentlich.‘
Ich kratzte mir den Kopf und erwiderte etwas schüchtern:
‚Mein Papa sagt immer, wenn man jemandem ein Kompliment macht und nett zu ihm ist, erreicht man viel mehr.‘
‚Möchtest du denn mehr bei mir erreichen?‘, fragte sie. Ich schaute etwas verunsichert auf den Boden und bejahte.
‚Ich möchte so gerne drei Punkte im Klassenbuch. Mein Papa hat gesagt, wenn ich mal drei Punkte mit nachhause bringe, würde er sich das mit dem Hund wenigstens einmal überlegen.‘
Die Lehrerin musste leise lachen und legte mir beide Hände auf die Schultern.
‚Also liegt es jetzt an mir, dass dein Papa sich das überlegt. Ich muss mal nachdenken‘, sagte sie leise. ‚Ich hab’s. Du bekommst zwei Punkte für die schöne Geschichte und einen Punkt Vorschuss für die Mathearbeit nach den Ferien. Was hältst du davon? Also strenge dich an und enttäusche mich nicht. Bekommst du das hin?‘
‚Bestimmt, ich verspreche es.‘
‚So, Philipp, jetzt aber raus hier. Wir sind die Letzten. Ich wünsche dir schöne Ferien und alles Gute mit dem Hund.‘ Ich schaute sie lachend an.
‚Danke, Frau Johansen, und Sie sind doch eine hübsche Frau.‘
‚Nun aber los‘, sagte sie, schüttelte leicht den Kopf und ging dann den Flur entlang zum Ausgang. Ich konnte das mit den drei Punkten noch gar nicht richtig fassen. Ich lief freudig zum Ausgang und weiter zum Fahrradunterstand, wo Tommy schon lange auf mich wartete.
‚Ich dachte, du kommst gar nicht mehr. Was war denn noch los?‘ Tommy war ganz neugierig.
‚Ich habe den Dreier‘, rief ich ihm zu.
‚Wieso hast du den Dreier?‘, fragte er vorsichtshalber noch mal nach und war ganz erstaunt.
‚Meine Geschichte hat ihr so gut gefallen, da ist sie schwach geworden.‘
‚Wieso schwach geworden? Musstest du sie stützen?‘
‚Nein, du Blödi, sie fand meine Geschichte so toll.‘
‚Und dafür drei Punkte!‘
‚Nicht ganz‘, sagte ich etwas kleinlaut, ‚zwei jetzt und einen nach den Ferien.‘ Zum Glück hat er nicht weiter nachgefragt.
Wir stiegen auf unsere Räder und fuhren in Richtung Zentrum. Ich wohnte ja auf der anderen Seite des Ortes. Dadurch hatten wir immer mal die Gelegenheit, im Ort etwas umherzuschlendern, was natürlich nicht so ganz im Sinne meiner Mutter war. Wir hatten aber nach Schulschluss irgendwie noch nicht so richtig Lust, gleich nachhause zu fahren. Das Wetter war schön und es war der letzte Schultag.
5 Sterne
Haskyta, Der weiße Engel von Ralf Alexander - 07.06.2020
Monika Baack

RezessionHaskyta Der weiße Engel von Ralf AlexanderEs ist ein tolles Buch.In dem Buch geht es um eine Familiengeschichte, wo der Hund eine große Rolle spielt, und einen Kriminalfall. Sehr schlüssig kombiniert.Es spielten nicht zu viele Personen mit, daher sehr übersichtlich, und flüssig geschrieben.Man wollte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen.Es ist sehr emiotional. Manchmal kamen Tränen, ein anderesmal mußte man lachen. So soll es sein.Insgesamt ein lesenswertes Buch. Ich würde mich freuen, von dem Autor Ralf Alexander noch mehr lesen zu können.

5 Sterne
Dieses Buch ist ein Kleinod! - 31.05.2020
Eldo Fröhlich.

Ich bin ganz begeistert von dem Buch! Da ich den Autor persönlich kenne, und ich am Anfang mit ein wenig Skepsis angefangen habe das Buch zu lesen, so war ich doch überrascht wie leicht es für mich war in die Geschichte ein zu tauchen! Ich habe mich jeden Abend gefreut das Buch in die Hand zu nehmen, um weiter daran lesen zu können! Hut ab Herr Alexander.

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