Glasperlenreihe

Glasperlenreihe

Zusammenhalt

Gina Hofmann


EUR 25,90
EUR 20,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 324
ISBN: 978-3-99130-276-6
Erscheinungsdatum: 31.08.2023
Im letzten Teil der Glasperlenreihe müssen die Begabten noch einmal ihre telepathischen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Der mächtige Zirkel bündelt all seine dunklen Kräfte, um Mike, Phoebe und die Farm endlich auszuschalten ...
9. Die Signierstunde


Pünktlich zur verabredeten Zeit fuhren sie am Haupteingang der Buchhandlung vorbei, und Phoebe betrachtete ehrlich erfreut die lange Warteschlange, die sich dort bereits gebildet hatte. „Sie haben mich anscheinend doch nicht vergessen und nehmen mir den Genrewechsel nicht so krumm, wie ich dachte.“ Sanft streichelte ihr Mike über die Wange. „Wer könnte dich und deinen unvergleichlichen Schreibstil jemals vergessen? Im Gegenteil, ich denke, du hast dadurch jede Menge Fans dazu gewonnen. Die Menschen lieben nun mal Geschichten, durch die sie der Realität ein wenig entfliehen können.“ Der Chauffeur bog in eine Seitenstraße ein, wo sie beim Hintereingang von der Geschäftsführerin des imposanten Ladens in Empfang genommen wurden, die Phoebe sofort wiedererkannte. „Miss Strauss, ich freue mich aufrichtig, Sie nach so vielen Jahren in meinem Etablissement erneut willkommen zu heißen.“ Sie schüttelten sich kräftig die Hände. „Madison, wie schön, bitte nennen Sie mich doch Phoebe. Ich erinnere mich sehr gerne an die wunderschöne Autorenlesung bei Ihnen. Ich hoffe, es bereitet Ihnen keine Probleme, dass ich so ein großes Team mitgebracht habe?“ – „Nicht im Geringsten. Mister Chambers war bereits so nett, mich über die Notwendigkeit des Sicherheitspersonals in Kenntnis zu setzen. Doch jetzt kommen wir zu den angenehmeren Dingen des Lebens. Wie wäre es mit einem Schluck Champagner zur Feier Ihrer Wiederauferstehung?“ Dem stimmte Phoebe nur allzu gerne zu, und Madison führte sie in ihr Büro, wo nicht nur Champagner, sondern auch leckere Kanapees auf sie warteten, während Mike mit Joe eine Runde durch das Geschäftslokal machte.
„Das wird eine lange Nacht, wenn ich mir die Menschenmassen so ansehe, Joe.“ – „Kein Wunder, im Internet und auf allen Kanälen läuft beinahe nichts anderes als Phoebes unerwartetes Coming-out. Es ist Hochsommer, die meisten Promis sind im Urlaub und die Medien stürzen sich überschwänglich auf die Geschichte, um das Sommerloch zu stopfen.“ – „Ja, der Zeitpunkt war unbewusst gut gewählt. Bleibt zu hoffen, dass die erwünschte Person hier auftaucht. Das würde uns wirklich einen großen Schritt nach vorne bringen.“ Joe blieb stehen und sah Mike streng in die Augen. „Bitte versprich mir, dass du dich zurückhältst, wenn Justin auftaucht. Was auch immer der Kerl macht, bleib wo du bist. Ich werde mich darum kümmern und Phoebe wird nichts geschehen.“ – „Natürlich, ich vertraue dir voll und ganz.“ – „Das sagt dein Verstand, aber deine Augen sagen etwas ganz Anderes. Ich kann dich ja verstehen, wenn Ellen von ihrem Ex so etwas angetan worden wäre, könnte mich niemand davon abhalten, ihm die Fresse zu polieren. Aber wenn du dich hier zeigst, und nur ein einziges Foto davon ins Netz gelangt, weiß Novikov, wer du in Wirklichkeit bist, und unser Plan ist damit zum Scheitern verurteilt.“ Ein wenig ertappt ließ Mike seine Schultern sinken. „Es fällt mir unglaublich schwer, in diesem Fall die Zügel aus der Hand zu geben und bei dieser Konfrontation nicht an ihrer Seite zu sein. Aber ich bin Manns genug, um zu wissen, was davon abhängt, und werde auf unsere eigene Art alles mitbekommen.“ Dabei tippte er sich gegen seine Schläfe und brachte ein schiefes Grinsen zustande. Einen Moment lang musterte Joe ihn eindringlich, nickte dann zufrieden und brachte Mike zu seinem Platz im hinteren Teil des Ladens, wo er vor neugierigen Blicken geschützt war.
Schon kamen Phoebe und Madison aus dem Büro, und Mike drückte seiner Liebsten einen flüchtigen Kuss auf die Wange, bevor sie an dem vorbereiteten Schreibtisch ihren Platz einnahm. Tami setzte sich direkt neben sie und war dafür zuständig, ihr die Bücher zu reichen und allzu aufdringliche Fans in ihre Schranken zu weisen. Vor dem Eingang hatten Joes Leute bereits alle Hände voll damit zu tun, die wartende Menschenmasse im Zaum zu halten, als sie Phoebes Anwesenheit bemerkten. Mit glänzenden Augen blickte Madison auf Phoebe hinab. „Sind sie startklar?“ Sie ließ ihre Schultern kreisen, lockerte ihre Finger und antwortete: „Lasset das große Signieren beginnen.“
Mike saß einige Meter hinter Phoebe und beobachtete die Menschenschlange ganz genau. Bis jetzt verhielten sich alle sehr diszipliniert, und Phoebe war in ihrem Element. Für jeden hatte sie nette Worte übrig und stellte sich bereitwillig für Selfies zur Verfügung, bevor sie einige Zeilen und ihre Unterschrift in die Bücher setzte. Sie hatte sich mental für ihn geöffnet, und Mike amüsierte sich köstlich über ihre Assoziationen von so manchem Fan zu ihren Romanfiguren. Besonders der Vergleich eines über und über gepiercten, jungen Mannes mit dem grausigsten Dämon aus ihrem aktuellen Band ließ ihn leise lachen. Nebenher versuchte er aber auch den Durchsagen in seinem In-Ear genug Aufmerksamkeit zu schenken, um nichts zu verpassen. Der erste Hinweis auf Justins Erscheinen kam von Phoebe selbst, die plötzlich innehielt und in seinem Kopf entgeistert flüsterte: „Justin kommt, ich kann bereits seine Präsenz deutlich wahrnehmen.“ Nur Sekunden später meldete Sergio: „Justin Brighton ist soeben mit seinem Chauffeur vorgefahren und betritt in wenigen Augenblicken das Geschäft.“ Unwillkürlich hielt Mike den Atem an, als Joe seine Leute instruierte: „Alle bleiben auf ihren Plätzen, der Mann gehört mir.“
Hastig trank Phoebe einige Schlucke Wasser, um den ersten Schock zu verdauen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass er wirklich auftaucht, und schon gar nicht so schnell. Tami blickte sie ein wenig besorgt von der Seite an, doch Phoebe wandte sich bereits dem nächsten Fan zu und versuchte, ruhig zu bleiben. Mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck stürmte Justin an der Warteschlange vorbei auf Phoebe zu und sah sich plötzlich Joe gegenüber, der sich ihm unnachgiebig in den Weg stellte. „Sir, würden Sie sich bitte hinten anstellen?“ Der hochgewachsene, braun gebrannte Mann schnaubte nur verächtlich: „Das werde ich nicht, ich bin ein sehr guter Bekannter der Autorin.“ Joe blieb vollkommen unbeeindruckt. „Das ist gut möglich, aber ich habe die eindeutige Anweisung von Miss Strauss, hier niemanden zu bevorzugen.“ – „Gehen Sie aus dem Weg, Mann, wissen Sie denn überhaupt, wer ich bin? Ich bin Mitarbeiter im Beraterstab des Präsidenten!“ Der Security trat ein wenig näher an ihn heran, und seine Mundwinkel zuckten amüsiert. „Und wenn Sie der Präsident persönlich wären, hier drinnen sind alle gleich.“
Mike ballte auf seinem Platz die Hände zu Fäusten und lauschte gespannt der Unterhaltung. Alles in ihm schrie danach, aufzuspringen und diesem Abschaum die Faust ins Gesicht zu schlagen, doch er zwang sich zur Ruhe. Währenddessen wurde Justin immer lauter: „Ich verlange sofort, zu Miss Strauss durchgelassen zu werden!“ Nun packte ihn Joe ziemlich unsanft am Oberarm und nutzte dabei die Gelegenheit, mit der anderen Hand den kleinen Peilsender tief in Justins Sakkotasche gleiten zu lassen. Seine Stimme war gefährlich leise geworden: „Wir können das hier auf zwei Arten regeln, Mister. Entweder auf die sanfte, was bedeutet, Sie stellen sich hinten an. Oder auf die harte Tour, und ich befördere Sie sehr medienwirksam vor die Tür. Die ersten Kameras sind bereits auf uns gerichtet, und Ihr Chef wird sich über entsprechende Bilder im Netz sicherlich sehr freuen.“ Justins Mund öffnete sich kurz für einen Widerspruch, aber als er immer mehr hochgehobene Handys sah, machte er zornig auf dem Absatz kehrt und stellte sich wütend ans Ende der Warteschlange.
Ganz der Profi, machte Phoebe in aller Ruhe ihren Job weiter und versuchte auszublenden, dass sie in Kürze ihren Ex-Freund vor sich stehen haben würde. Ihre Fans hatten es verdient, diese kurzen Momente mit ihr genießen zu können, und das war viel wichtiger als ein aufgeblasener Möchtegernpolitiker. Als er schließlich wahrhaftig vor ihr stand, tat sie sehr überrascht. „Justin, ich wusste gar nicht, dass du ein Faible für Fantasyromane entwickelt hast.“ Er knurrte nur: „Du hast vielleicht Nerven, mich in der Schlange anstehen zu lassen.“ Sie zuckte nur gleichgültig mit ihren Schultern. „Gleiches Recht für alle, das war schon immer meine Devise, wie du weißt.“ Zuckersüß lächelte sie ihn an: „Für wen darf ich das Buch denn signieren? Für dich oder deine Verlobte Naomi?“ – „Was? Ich bin doch nicht wegen deines Buches gekommen, und das weißt du genau. Außerdem erachte ich es immer noch als schrecklich, dass du dich auf ein derartiges Niveau hast sinken lassen.“ Nur mühsam unterdrückte Phoebe ihre aufsteigende Wut. „Weswegen du auch immer gekommen bist, es muss warten, bis alle Fans ihre Unterschrift erhalten haben. Danach können wir uns meinetwegen vor dem Geschäft kurz treffen.“ Sie schickte sich an, eine Widmung ins Buch zu schreiben, und brachte ihn damit zur Weißglut. Mit einer drohenden Geste ließ er die Hände auf die Tischplatte sausen und starrte sie wütend an. Ruckartig fuhr Mike von seinem Sitzplatz hoch, aber Joe war schon zur Stelle. „Gibt es hier Probleme, Phoebe?“ – „Keine Probleme, Joe. Mister Brighton wollte gerade sein Exemplar nehmen und gehen.“ Sie reichte ihm das aufgeschlagene Buch, damit er ihre Widmung lesen konnte. „Für Justin, dessen kaltherziger Egoismus mir zu diesem großartigen Erfolg verholfen hat. Ich danke dir!“
Auch Joe hatte die Zeilen gelesen und musste sehr an sich halten, um nicht laut loszulachen. Stattdessen lotste er den sprachlosen Justin vom Schreibtisch weg. „Wenn Sie sich nun zur Kasse begeben würden, Sir? Der Herr hinter Ihnen hat ebenfalls ein Anrecht auf Miss Strauss’ Aufmerksamkeit.“ Phoebe atmete erleichtert aus und klopfte sich innerlich auf die Schulter, als sich Mikes Stimme sanft meldete: „Ist alles in Ordnung?“ – „Es geht mir gut, und ich habe hier noch zu tun.“ Damit konzentrierte sie sich wieder auf die letzten Wartenden und schrieb Autogramme, bis sie ihre Hand beinahe nicht mehr spüren konnte. Sergio meldete sich zu Wort: „Brighton sitzt stinksauer in seiner Limousine und telefoniert ununterbrochen. Er wirkt wie eine Bombe vor dem Explodieren, und ich werde ihn keine Sekunde aus den Augen lassen.“ Phoebes ruppige Antwort beunruhigte Mike sehr, das Trauma der Trennung und des Verrates ging tief. Doch er konnte in diesem Moment nicht mehr tun, als im Hintergrund für sie da zu sein. Als das letzte Selfie gemacht und die letzte Unterschrift gesetzt worden war, sprang Phoebe entschlossen auf, verabschiedete sich dankend von Madison und stürmte in Richtung Tür, um sich ihrer Vergangenheit zu stellen.
Mit schnellen Schritten holte Mike sie ein und hielt sie an der Schulter zurück. „Phoebe, warte kurz, wir müssen reden.“ Sie wirbelte mit einem Orkan in ihren Augen zu ihm herum. „Da gibt es nichts zu bereden. Dort draußen wartet der Mann, dem ich diesen ganzen Schlamassel zu verdanken habe, und ich werde ihn wissen lassen, was ich davon halte.“ Obwohl sie sich ein wenig wehrte, zog Mike sie kurz an seine Brust. „Dazu hast du jedes Recht, nur vergiss bitte nicht, wer ihm den Rücken stärkt, und versuche das Ganze mit ein wenig Abstand zu betrachten.“ Für einen Augenblick wich ihre Körperspannung und sie schmiegte sich an ihn. „Ich weiß nicht, ob ich das kann, aber ich will es versuchen.“ – „Es tut mir in der Seele weh, dich in diesen Minuten alleine lassen zu müssen. Ich warte um die Ecke und werde keine Sekunde zögern dir beizustehen, falls nötig.“ Liebevoll strich sie ihm über eine Wange. „Das weiß ich, aber dies hier ist meine Schlacht. Ich liebe dich, Mike Chambers.“ Mit diesen Worten kappte sie die mentale Verbindung zu ihm und trat gemeinsam mit Joe und Tami vor die Tür.
Sofort stürmte Justin auf sie zu und sie erlaubte sich nun, ihn genauer in Augenschein zu nehmen. Er hatte sich in den dreieinhalb Jahren kaum verändert, außer einigen feinen Falten um seine Augen und auf seiner Stirn, wie sie mit ein wenig Genugtuung feststellte. Kühl und dominant blickten seine blauen Augen auf sie hinab, und sie fühlte sich bereits gemaßregelt, bevor überhaupt ein Wort über seine Lippen kam. Wehmut, Schmerz und blinde Wut fochten in ihrem Inneren einen schweren Kampf aus, als er sofort zur Sache kam: „Ich möchte unter vier Augen mit dir reden, schick deine Bodyguards weg.“ Seine herrische Stimme ließ sie kurz zusammenzucken, doch dann straffte sie ihre Schultern und bot ihm die Stirn. „Das werde ich nicht, denn ich habe nicht die geringste Lust, mit dir alleine zu sein. Also, wenn du etwas zu sagen hast, tu es, oder wir gehen.“ Mit zusammengepressten Lippen blickte er den Dreien nacheinander in die Augen und gab sich geschlagen. „Nun gut, wie du willst. Trägst du es nach wie vor bei dir, Phoebe?“ Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. „Du meinst, das Medaillon? Du kannst es ruhig beim Namen nennen, deswegen beißt es noch nicht.“ Das Wort „noch“ hatte sie besonders betont, und in Justins Augen meinte sie kurz so etwas wie Unsicherheit aufflammen zu sehen. Schnell hatte er sich wieder unter Kontrolle. „Gib es mir einfach und die ganze Sache ist damit erledigt.“
Phoebe konnte einen kurzen Lacher nicht vermeiden, das meinte er doch nicht ernst? Sie blickte ihm eindringlich in seine kalten Augen, sah darin das Unverständnis auf ihre Reaktion und ihr wurde schlagartig klar: „Du glaubst das tatsächlich und hast keine Ahnung davon, was hier wirklich läuft, nicht wahr?“ – „Lenk nicht vom Thema ab, gib mir das Ding endlich.“ Er wirkte ein wenig verwirrt, ging aber trotzdem einen Schritt auf sie zu und wollte nach ihr greifen. Sofort schnellte Joes Hand vor, und er umklammerte sein Handgelenk mit all seiner Kraft, was Justin einen Schmerzensschrei entlockte. „Vorsicht Mister, so ein Handgelenk ist schnell gebrochen.“ Phoebe legte ihm beruhigend ihre Hand auf den Arm. „Lass ihn los, Joe. Er wird mir nichts tun, wenn er die ganze Wahrheit wissen möchte.“ Mit einem letzten warnenden Blick ließ der Security von ihm ab und stellte sich wieder hinter Phoebe, während sich Justin stöhnend sein Handgelenk rieb. „Du redest in Rätseln, Phoebe.“ – „Haben sie dir eingeredet, dass sie nur hinter dem Medaillon her sind? Und du hast ihnen blind vertraut in deiner Gier nach Macht und Anerkennung und jemandem, der dich ständig weiter die Karriereleiter hochschiebt? Dann will ich dir mal zeigen, wie die Sache hier tatsächlich läuft, Justin.“ Schnell holte sie ihr Handy hervor, öffnete eine Datei und zeigte ihm Fotos von ihr im Krankentrakt nach dem Entführungsversuch und nach dem ersten mentalen Angriff. Nacheinander deutete sie auf die Bilder. „Das hier, mein Lieber, ist entstanden, als dein ach so toller Zirkel mir ein Narkotikum gespritzt hat und ich daraufhin beinahe in einem Weiher ertrunken bin. Und dieses hier zeigt mich nach einem mentalen Angriff derselben, bei dem auch noch eine zweite Person ziemlich stark verletzt wurde.“
Entsetzt starrte Justin auf das Display und seine blasierte Fassade begann langsam zu bröckeln. Phoebes Puls beschleunigte sich, ihr Zorn wuchs und das Medaillon begann an ihrer Brust zu pulsieren. Ruckartig griff sie nach Justins Hand und drückte sie auf das Schmuckstück. Dabei spie sie ihm entgegen: „Spürst die Hitze, du arme Seele? Das Medaillon funktioniert nur in Verbindung mit mir! Was meinst du wohl, wird der Zirkel dazu sagen, wenn du ohne mich dort antanzt? Du hast mich an Wahnsinnige verraten, die selbst über Leichen gehen, um zu bekommen, was sie wollen, und seitdem gleicht mein Leben einer Hasenjagd. Also nein, Justin Brighton, ich werde dir das Medaillon nicht geben, heute nicht, morgen nicht und auch in hundert Jahren nicht!“ Mittlerweile strahlte das Schmuckstück eine immense Wärme aus und Justin versuchte mit aller Macht, sich aus Phoebes Griff zu befreien. Er schrie sie an: „Kannst du nicht einmal tun, was man von dir verlangt! Dann kommst du eben mit, du hast ja keine Ahnung, was dir dort für Möglichkeiten offenstehen! Lass dein mickriges Autorenleben hinter dir und werde endlich, wofür das Schicksal dich bestimmt hat!“ Abrupt ließ ihn Phoebe los und er verlor beinahe das Gleichgewicht. Ihre Stimme war nur mehr ein Flüstern: „Das bin ich bereits, du Wichser, und nun verschwinde!“ Damit machte sie kehrt und floh um die Ecke, direkt in Mikes Arme. Tami und Joe begleiteten den vollkommen irritierten Justin bis zu seinem Wagen und warteten, bis er außer Sichtweite war.
Beschützend hielt Mike die vollkommen aufgelöste Phoebe in seinen Armen und versuchte, ihr so viel Geborgenheit zu schenken wie nur irgend möglich. Natürlich hatte er die Unterhaltung über sein In-Ear-Gerät mithören können, und er konnte sehr gut nachvollziehen, wie es ihr nun ging. Sie schwieg und krallte sich einfach an ihm fest, gefangen in ihren Emotionen. Joe und Tami traten an sie heran und Mike erkundigte sich: „Ich nehme an, du konntest den Sender erfolgreich platzieren?“ Sein Sicherheitschef nickte nur, den Blick bekümmert auf Phoebe gerichtet. „Würdest du bitte Zoe darüber informieren, damit sie sich an die Arbeit macht?“ – „Natürlich, können wir sonst noch etwas für euch tun?“ – „Nein, fahrt ihr nur zurück ins Hotel. Phoebe und ich werden einen Spaziergang machen und nehmen uns ein Taxi. Für heute Nacht droht uns sicherlich keine Gefahr mehr.“ Tami strich Phoebe beruhigend über den Rücken, bevor sie mit Joe in den wartenden Wagen stieg.
Langsam löste sich Phoebe von ihm, bückte sich und zog ihre Schuhe aus. „Der Spaziergang ist eine sehr gute Idee, aber mit diesen Dingern an den Füßen werde ich es nicht schaffen.“ Leise lachend nahm ihr Mike die High Heels ab und verschränkte seine Finger mit ihren, während sie sich langsam in Bewegung setzten. Es war eine laue Sommernacht und die Sterne leuchteten von einem klaren Himmel, als sie schweigend nebeneinander hergingen und die Stille nach diesem turbulenten Tag genossen. Sie legten den ganzen Weg zum Hotel zu Fuß zurück und als sie im Lift standen, lehnte Phoebe ihren Kopf an Mikes Schulter und flüsterte: „Wie konnte ich nur so blind sein und einen Mann wie Justin lieben?“ – „Liebe macht eben blind und diese, wenn auch schmerzliche, Erfahrung formt dich zu dem Menschen, der du bist, und hat dir damit neue Türen geöffnet.“ – „Ja“, hauchte sie, „und sie hat mich zu dir gebracht, der Liebe meines Lebens.“ Sie nahm sein Gesicht in ihre Hände und küsste ihn mit all den Gefühlen, die sie gerade für ihn empfand.
Nach einem ausreichenden Schlaf fühlte sich Phoebe am nächsten Tag von einer schweren Last befreit und sie absolvierte gut gelaunt und energiegeladen das Fernsehinterview. Währenddessen erhielt Mike von Zoe die Nachricht, dass sie nicht nur Justins Laptop und Handy, sondern auch seine Überwachungskameras gehackt und die IT-Abteilung nun ständig Zugriff darauf hatte. „Endlich ein Auftrag ganz nach meinem Geschmack, mein Lieber“, flötete sie ins Telefon, und Mike lachte. „Du bist wirklich unbezahlbar, Zoe. Ich danke dir und verspreche, dass in der nächsten Zeit ähnlich knifflige Aufgaben auf dich zukommen werden.“ – „Kann es kaum erwarten, bis dann, Mike.“ Nachdem sie den Fernsehsender verlassen hatten, trennten sich ihre Wege. Während das Securityteam bereits die Heimreise antrat, fuhren Mike und Phoebe mit dem Zug nach Boston, um ihre Verfolger nicht zur Farm zu führen. Dort besuchten sie zwei weitere Schützlinge von Mike und verbrachten einen unbeschwerten Tag mit ihnen. Phoebe dabei wieder von ganzem Herzen lachen zu hören, brachte Mikes Seele zum Schwingen. Die vergangenen Tage waren für sie eine Berg- und Talfahrt der Gefühle gewesen und sie verdiente jede sorgenfreie Minute, die er ihr schenken konnte.
Auf dem Rückflug brach nun doch die Erschöpfung über sie herein. Sie schlief eng an ihn gekuschelt, während Mike mit seinem Laptop auf die Überwachungskameras von Justin zugriff und sich auf diese Weise in dessen Heim umsah. Es handelte sich um ein mehr als großzügiges Penthouse und die Opulenz, mit der sich dieser Mann umgab, unterstrich seine Oberflächlichkeit deutlich. Immer wieder hielt Mike die Aufzeichnungen an und zoomte Einzelheiten näher heran, wobei ihm auffiel, dass es nur Fotos von Naomi und deren Familie gab. Nicht ein einziges zeigte ein Familienmitglied Justins, was ihn ziemlich stutzig und er sich eine gedankliche Notiz machte, noch mehr über dessen Vergangenheit in Erfahrung zu bringen. Rechtzeitig vor der Landung klappte er den Laptop zu. Er wollte Phoebe diese Bilder ersparen und begann sie mit sanften Küssen zu wecken.
Als sie eine Stunde später auf der Farm eintrafen, wartete dort eine Überraschung auf Phoebe. Sämtliche Bewohner der Farm hatten ein Spalier zur Begrüßung gebildet. Über dem Eingang zum Haupthaus prangte ein großes Plakat, auf dem stand: „Willkommen Phoebe, unsere Königin der Worte.“ Gerührt blieb sie stehen und versuchte, sich dieses Bild für immer in ihr Gedächtnis einzuprägen. Freya schickte von ganz hinten Aramis mit einem Korb im Maul los, den er ihr schwanzwedelnd vor die Beine stellte. Sie wuschelte ihm durch das Fell. „Vielen Dank, du Süßer, und was soll ich nun damit machen?“ Der Hund drehte sich um, bellte und alle hielten ihre mit Kirschen gefüllten Hände hoch. Mit einem freudigen Lachen ging sie durch das Spalier und sammelte sie ein. Mike folgte ihr strahlend und klatschte mit jedem Einzelnen dankend ab. Als Phoebe das Ende erreicht hatte und der Korb voll war, stellte sie ihn ab, breitete ihre Arme aus und rief: „Großes Gruppenknuddeln!“ Alle stürmten auf sie zu, bis nichts mehr von ihr zu sehen und nur noch ihr lautes Lachen zu hören war.

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