Die Braut aus dem Katalog

Die Braut aus dem Katalog

Oskar Szabo


EUR 16,90
EUR 10,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 258
ISBN: 978-3-99107-365-9
Erscheinungsdatum: 09.02.2021
Überraschendes, Enttäuschendes und Absurdes kann sich anbahnen, wenn ein unbedingt heiratswilliger Herr aus Mangel an anderen Gelegenheiten sich seine Zukünftige aus einem Katalog aussucht.
1
Präludium

Er wollte sein Glück vom Zaun brechen und erntete nur Unglück! Schade, er war ein lieber Kerl! Leider war er zu alt, um daraus zu lernen, denn er verschwendete vorher viel Zeit und dann war’s wirklich zu spät.

Es war ein amtlicher Brief, der mich eines Tages erreichte und mich mit behördlicher Autorität aufforderte, über Frieders Ehe mit Irina Auskunft zu erteilen. Er war mein Freund. Es ginge darum, abzuklären, ob die beiden nur eine Scheinehe führten oder es wirklich ernst meinten, gewisse Vorgänge würden von meiner Antwort abhängen. Es sei dringend erforderlich, die Fragen vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten, widrigenfalls würde ich mich strafbar machen … ja, ja, die Staatsgewalt behelligt mich einmal mehr, droht mit Strafen, sofern … und woher sollte ich die Kenntnisse nehmen, um in diesem Fall die Wahrheit zu sagen, wenn gar nicht feststeht, dass ich alles weiß, was ich dazu wissen müsste? Sollte ich mich denn dem Freund zuliebe strafbar machen, oder einfach mitteilen, dass ich zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der Anfrage zu wenige Informationen hätte? Das wäre eine raffinierte Ausrede, um mich der Verantwortung zu entziehen, doch käme sie einem Schuss in Frieders Rücken gleich und das wäre für ihn, das wusste ich, ziemlich fatal, würde es doch seinen ausgeklügelten Plan, den er mir mehrmals unterbreitete, hintertreiben. Also schrieb ich, was ich wusste, und hielt gleichzeitig fest, dass sich allfällig anderslautende Umstände meinen Kenntnissen entzögen.
Frieder und Irina waren noch nicht sehr lange verheiratet, aber ich kannte sie beide recht gut, sodass es naheliegend war, dass man mich um Auskunft bat. Ich hatte mir natürlich längst eine Meinung über deren eigenartige Eheschließung gebildet, doch wollte ich diese nicht ungefiltert den Behörden zukommen lassen, weil dann vielleicht einige Vorgänge nicht möglich, zumindest aber für eine Weile blockiert gewesen wären. Es war mir klar, dass Frieder allen Ernstes hinter der Echtheit seiner Ehe stand, Irina hingegen hatte ich in Verdacht, dass sie ein falsches Spiel treibe, ja womöglich gar einen ausgeklügelten Plan abwickle, der Frieder ins Verderben führen könnte. Sie hatte jedoch keinen augenfälligen Anlass, ihm zu schaden, aber er bot sich freiwillig als Opfer an und sie griff zu, so zumindest meine Vermutung, die ich an gewissen Bemerkungen und Beobachtungen festmachte. Die unangenehme Aufgabe, nun Zünglein an der Waage zu spielen, musste aber erledigt werden und so entschloss ich mich, wider jede Vernunft, einen möglichst schablonenhaften Text zu verfassen, sodass man mich nicht einer Falschaussage bezichtigen konnte. Aber helfen, den Amtsschimmel zufriedenzustellen, das wollte ich schon, Frieder zuliebe:

Sehr geehrte Herren
Ich beziehe mich auf Ihr Schreiben vom … und beantworte ihre Fragen wie folgt: Ich kenne das Ehepaar Lindenmann sehr gut und bin vor allem ein alter Freund von Frieder Lindenmann. Ich habe häufigen Kontakt zu ihnen und auch einige Ferienreisen zusammen mit ihnen unternommen. Ich vermag bis heute, abgesehen von kulturellen Unterschieden, keine Abweichungen von üblichen Verhältnissen zu entdecken, wenigstens soweit ich dazu in der Lage bin. Über die Ausgestaltung der Intimsphäre weiß ich naturgemäß nicht Bescheid.
Ich halte die Ehe, welche vor Jahresfrist geschlossen wurde und bis heute hält, für glaubwürdig und hatte nie den Eindruck, dass hier ein falsches Spiel gespielt würde, ja, wundere mich darüber, dass Sie nach einer Scheinehe fragen. Sollte Ihr Verdacht berechtigt sein, dann würden sie über eine sehr gute Tarnung verfügen, sodass auch ich getäuscht worden wäre. Lassen Sie mich daher diese Klausel anbringen, die mir zum Schutz meiner Person von einiger Bedeutung zu sein scheint, denn ich kann mich für die Ehrlichkeit des Gatten verbürgen, nicht aber für die Aufrichtigkeit der Gattin.

Ich habe in opportunistischer Weise nur geschrieben, was ich mit Sicherheit wusste, meine heimlichen Bedenken jedoch zurückgehalten und natürlich meinen Verdacht nur andeutungsweise kundgetan, dachte ich doch damals noch, dass sich höchstwahrscheinlich alles zum Guten wenden, mithin eine unproblematische Familiengeschichte resultieren könnte. Aber ich irrte und weiß heute, dass meine ursprüngliche Ahnung berechtigt war. Ob es für alle Beteiligten besser gewesen wäre, wenn die Behörden gewusst hätten, wo der Hund begraben ist? Darauf gibt’s wie immer keine Antwort. Doch nachdem ich den Brief abgeschickt hatte, fragte ich mich kurz, ob ich dadurch nicht eine ungewöhnliche Geschichte losgetreten habe, unterließ es aber, den Gedanken fortzuspinnen, und vergass bald darauf, was ich geschrieben hatte. Ob ein Brief mit unverfänglichem Inhalt, etwa mit der Bemerkung, nicht genau Bescheid zu wissen und daher die Fragen nicht beantworten zu können, den Verlauf der Geschichte nennenswert verändert hätte, sei dahingestellt.

Die Geschichte niederzuschreiben, ist schon wegen ihrer Skurrilität erbaulich. Sie gewissermaßen zu erkunden und dabei all ihre verborgenen Winkel zu beleuchten, dürfte wohl Erkenntnisse vermitteln, welche letztlich Allgemeingültigkeit haben könnten, indem grundlegende Mechanismen geschildert werden, die auch andernorts, natürlich in unterschiedlicher Form, zum Tragen kommen. Nun ja, es ist immer wieder verblüffend, wie uniform sich anscheinend typisches menschliches Verhalten unter gewissen Umständen ausnimmt. Das ist eine kühne Behauptung, die sich allerdings im Laufe der Geschichte bewahrheiten sollte, obwohl sie eine ungewöhnliche Handlung wiedergibt. Ob demzufolge dem Gebaren der Protagonisten Modellcharakter innewohnt, könnte sich von der Mutmaßung zur Tatsache wandeln, doch es ist freilich jeder und jedem unbenommen, sich darüber ein eigenes Urteil zu bilden.
Meine Informationen stammen jedoch fast ausschließlich von Frieder selber. Selbst, wenn er keinen Grund hat, mich anzulügen oder sonst wie irgendwelche Räubergeschichten zu erzählen, so ist doch Vorsicht angebracht, denn die Tendenz, zu beschönigen, ja, und sich selber als Saubermann darzustellen, ist allemal gegeben, sodass ich mit etlichen Übertreibungen oder Notlügen rechnen muss. Die andere Seite in jedem einzelnen Fall zu beleuchten, war nicht einfach, denn Irina, obwohl schlagkräftige Kontrahentin aller beschriebenen Szenen, kommt selten zu Wort, was sich für sie nachteilig ausnehmen könnte. Doch dadurch, dass sie mir später einmal mit Ermahnung, Stillschweigen zu bewahren, ihr Tagebuch zur Verfügung stellte, konnte ich etwas Licht ins Dunkel bringen, Licht, das durch die Wiedergabe einiger Stellen entzündet wurde.

Hallo Tagebuch
Ich werde dich als Freundin behandeln, denn ich habe einige Geheimnisse zu horten, die ich allein dir anvertrauen möchte. Dieses Vorgehen ist längst bekannt, literaturwürdig sogar und verhilft mir zu einem Speicher meiner Gedanken, die nicht in Vergessenheit geraten, aber auch nur wenigen zugänglich sein sollten:
Ich bin eine junge, gut aussehende Frau und möchte mit deiner Hilfe mein Leben nach eigenem Gutdünken gestalten. Ich werde dir Geheimnisse anvertrauen, welche allesamt meine Zielsetzungen wiedergeben. Sie möglichst weitgehend umzusetzen, ist mein deklariertes Ziel, das unbedingt zu erreichen ich angetreten bin.



2
Aus heiterem Himmel

Wie ein aus Himmelshöhen herabkommender Engel stand er eines Tages strahlend vor mir und bot mir das ‚Du‘ an. Ja, er kam aus heiterem Himmel zu mir und erklärte sich zum Freund, hieß Frieder und war etwa im gleichen Alter wie ich. „Hm … freut mich, ich heiße Simon … Hm, wie komme ich zu dieser Ehre?“ … „Viele Gründe, doch dazu später mehr … einverstanden?“ Es gab keinen Grund, das feierliche Angebot auszuschlagen.
Nein, es gab keine fassbare Vorgeschichte, keinen erkennbaren Anlass, nur diese eine Ansage, mehr nicht. Etwas mysteriös freilich, aber im Grunde völlig unverdächtig, keine Finte und auch kein Anlass für Argwohn. Sympathie wohl eher, womöglich gar reiner Altruismus? Fragwürdig zwar die Anwartschaft, aber dennoch so freimütig vorgebracht, dass der Zuschlag gewiss war. Es ging ja nicht darum, gleich die Seele zu verkaufen, und alles Weitere würde sich schon ergeben; mal auf Zusehen hin mitspielen also!
Er war dynamisch, gutmütig, liebenswürdig und alleinstehend, leistete Dienste, die nicht gefragt, aber gleichwohl willkommen waren. Er war Kettenraucher mit braun verfärbten Fingern, weil er aus Sparsamkeit die Zigaretten bis hinunter zum Filter rauchte, versprach immer wieder aufs Neue, das Rauchen einstellen zu wollen, tat es aber nie, zu sehr war er verseucht. Beim Essen war er wählerisch und maßvoll und er war stolz auf die alten Bordeaux-Flaschen, die er im Keller hortete: beste Jahrgänge nur. Alkoholiker war er aber nicht, nein, das hätte er der Mutter niemals zuleide getan, sie war sein Ein und Alles. Ja, er lebte noch immer bei der Mutter, die er nicht nur wegen ihrer wertvollen Dienste verehrte, sondern tatsächlich liebte, ein Verhalten, das mitunter zu kritischen Fragen führte, die niemals beantwortet wurden. Diese Lebensweise entsprach aber nicht zuletzt auch einem sonderbaren Sparprogramm, das ihm außerhalb von Mutters Einflussbereich den Genuss einiger luxuriöser Lebensfreuden erlaubte. Er war eben eine widersprüchliche Persönlichkeit, von konservativem Zuschnitt, nahm sich jedoch Freiheiten heraus, die man ihm niemals zugetraut hätte. Er war weder Hagestolz noch schwul, wie er auffallend oft betonte, nein, er ging vielmehr auf Freiers Füßen – eine opernhafte Formulierung, die aber in seinem Fall zutraf.
Es war zunächst unklar, was er sich dabei dachte und wie er die angekündigte Freundschaft verstanden haben, sowie auch welchen Vorstellungen und Begehren er Nachdruck verleihen wollte, indem er sich so gewinnend anbiederte, dass einem das „Nein“ im Hals stecken blieb. So blieb ein Quäntchen Skepsis bestehen, prohibitiv wirkte sie sich aber nicht aus. Nun ja, ich hatte zuzeiten ab und zu das Vergnügen, von Schwulen angemacht zu werden, und befürchtete zunächst erneut, in diese Falle zu tappen, beruhigte mich aber wieder, als ich feststellte, dass ich nichts zu befürchten hatte. Ich ärgerte mich jeweils sehr über diese Anmache, denn ich war strikte heterosexuell orientiert und hätte viel lieber einen vergleichbaren Erfolg bei den Frauen verbucht. Doch das war im Augenblick nicht von Belang, der Bedarf war gedeckt. Frieders Gebaren war derweil auffällig, sein Ansinnen, dessen Natur undurchschaubar war, hätte weiterer Erklärungen bedurft, die er vorerst nicht herausrückte, ja sich womöglich gar nicht bewusst war, dass man ihrer bedurfte. Doch er setzte sich durch, mit Freundlichkeit, Beharrlichkeit und seiner unübersehbaren Anwesenheit, die sich nicht selten bis zur Aufdringlichkeit steigerte. Ach ja, seine Dienste wurden nach einiger Zeit unverzichtbar, sein Eifer, sie anzubieten, auffällig, sein Wohlwollen scheinbar grenzenlos. Er war zweifellos ein lieber Kerl, und nur ein kleiner Rest von Unterwürfigkeit trübte das Bild.
Ich ließ ihn einfach gewähren, genoss die „Bedienung“, die mir einige Vorteile verschaffte, und ließ auf mich zukommen, was sich in der Folge ergeben sollte, ja, ob und wie sich diese unverhoffte Sympathie zu einer echten Freundschaft durchmausern würde; ich war vorerst eher passiv, reserviert vielleicht, aber dennoch gespannt, welchen Weg das ungewöhnliche Unterfangen einschlagen könnte. Zuweilen beginnt man wohl eine Reise, deren Ziel unbekannt ist, und freut sich auf Erkenntnisse, die sie einem verschaffen könnte.
Frieder arbeitete im Kader einer größeren ortsansässigen Firma, welche Dienstleistungen anbot, die auch mir zupasskamen. Ich war dort seit Langem akkreditiert und galt wohl als guter Kunde, alle waren freundlich, auch seine Untergebenen; auf Geheiß? Egal, es war angenehm, dort zu verkehren, denn ich wurde ernst genommen. Vermutlich ist er durch eine anfangs rein geschäftliche Beziehung auf mich aufmerksam geworden, doch sollte sich zeigen, dass seine Wahl nicht einem plumpen Zufallsprinzip unterlag, sondern gezielt getroffen wurde. Er wollte sich so mein Wohlwollen sichern, da er seinerseits von meinen Angeboten zu profitieren gedachte, ja, sich anschickte sicherzustellen, dass er sich ihrer jederzeit bedienen könne, ein Anliegen, das er seinem höchstpersönlichen Sicherheitsdenken zu schulden glaubte.
Ich war Arzt und er hatte eine Gesundheit, der er nicht vertraute, war ängstlich und unsicher, oft gänzlich von der Rolle und fragte sich immer wieder, ob er nicht unvermutet einer Katastrophe entgegensah. Sein Anliegen hieß Sicherheit, Verlässlichkeit, Vorzugsbehandlung, seine Gegenleistung war Offenheit und Treue sowie Sorgfalt beim Ausführen nützlicher Arbeiten, die er dank Wissen und Können zu meinem Wohl erledigte. Glücklicherweise war er kerngesund.
Diese eigenartige Begebenheit ist die Grundlage für alles Weitere, das nun zu schildern ist, die Niederschrift all dessen nämlich, was sich in ebenso ungewöhnlicher Art und Weise abspielen sollte. Es machte den Anschein, als ob er sozusagen einen Berater an seiner Seite haben wollte, um weitere Schritte seiner Laufbahn nicht auf eigene Verantwortung vornehmen zu müssen. Ob ich dazu die richtige Person war, steht auf einem anderen Blatt, doch sein beinahe apodiktisches Gebaren schien keine Ausflucht zuzulassen.

Kurzerhand dann holte er zu einem ersten „Schlag“ aus und lud mich zu einem Abendessen in einem der angesagtesten Lokale der Stadt ein … nein, er ließ sich nicht lumpen, ein bisschen Glamour musste sein, darauf legte er sogar besonderen Wert, denn nur was teuer sei, ist gut genug, sein Credo. Das Lokal war gut besetzt, aber der Herr Direktor, so ließ er sich anreden, hatte freilich einen Tisch reserviert, einen besonders schönen, wie die Empfangsdame versicherte, die uns sogleich hinführte. Feierliche Begrüßung also, Geschäker mit der Kellnerin, wohl um anzuzeigen, dass er hier bestens bekannt war, Stuhl zurechtrücken, Serviette ausbreiten, Speise- und Getränkekarte reichen … was darf es denn sein … natürlich nur erlesene Speisen, teure Weine, ein Schlaraffenland, der Sonderklasse! Die Wartezeit bis zum Auftischen der Vorspeise wurde mit Smalltalk möbliert, beschnuppern, sich annähern, wir waren uns noch ziemlich fremd, denn keiner wusste, aus welcher Brut der andere hervorging. Einiges davon sollte nun verraten werden: Nun, er kannte wohl seine Achillesferse und bemühte sich gleich zu Beginn, den Verdacht, der Schwulenszene anzugehören, aus der Welt zu schaffen, eine Unterstellung, die er eben allzu oft hören musste, war er doch schon über 40 und bewohnte, wie gesagt, weiterhin Hotel Mama. Das war auffällig, aber aus seiner Sicht normal, er kannte nichts anderes und die Mutter tat einen Teufel, um den ‚Buben‘ endlich ins Erwachsenenleben zu entlassen. Es war eine Symbiose, die keiner stören durfte, sie war sakrosankt.
Bisque de hommard … heiß, teuer, ausgezeichnet, die Löffel arbeiteten fleißig, die Rede verstummte, bis die Teller leer waren, dann zog sie wieder an und erfuhr eine Fortsetzung mit gelockerter Zunge, war doch auch ein kräftiger Schluck Sauternes mit dabei:
„Ich bin ein einfacher Bursche“, so das Selbstporträt, „aber ich bin zielstrebig, beharrlich, und habe genaue Vorstellungen über mein weiteres Fortkommen, das ich nur ungerne dem Zufall überlassen möchte. Ich bin anspruchsvoll, oft voreingenommen, aber niemals arrogant. Aber ich bin auch zuverlässig und vertrauenswürdig, mein Markenzeichen nämlich, ein wichtiges Arbeitsinstrument mithin, das ich gerne meinen Kunden zugutekommen lasse.“
Eine kurze Auslegeordnung der Welt seiner eigenen Vorstellung also, auch eine Willenskundgebung und gleichzeitig auch eine Art Propaganda für seine Person, buchstäblich also ein Werbespot. Das sei natürlich seine Einschätzung, ob sie denn auch einer objektiven Prüfung standhalten würde, war die Frage, die noch der Bestätigung bedurfte. Nun, das sei unerheblich, die Erwiderung, es sei nämlich gegeben, dass das Zusammenwirken seiner Eigenschaften für ihn stimmig sei, denn er müsse ja im Ernstfall damit leben. Ja, das sei unstreitig, aber andererseits erhebe er Anspruch auf anspruchsvolle Begleitung, die, egal in welchem Zusammenhang, ebenfalls gewisse Ansprüche geltend machen könne. Es sei nicht abwegig, dafür zu sorgen, dass diesem Grundsatz jederzeit Rechnung getragen werde, es sei auch striktes Prinzip seiner selbst.
Schön und gut, doch wie weiter, was soll aus dem Abend werden? Eine Finte vielleicht, trügerisches Gebaren, Ablenkungsmanöver? Es war doch unwahrscheinlich, dass keine eigennützigen Motive mit von der Partie sein würden … Nun, der moderne Geschäftsmann spricht in diesem Fall von einer ‚Win-Win-Situation‘. Und schon bricht’s hervor, sein Anliegen, das ihn wohl veranlasste, den ungewöhnlichen Handel abzuschließen:
„Ich brauche Rat in heiklen Dingen, verlässlichen Rat für private Angelegenheiten, die bald einmal umzusetzen sind, ja, es ist längst an der Zeit … und gleichwohl ist’s nicht leicht, daran zu denken, die Mutter zu verlassen, sie würde es mir krummnehmen“ … schwer verständlich diese Aussage, eine Art Gedankenflucht, Ausdruck vielleicht einer besonderen Sorge wohl … „Ich bin in einem Dilemma und weiß nicht, was zu tun ist, oder besser gesagt, wie eine Abhängigkeit, die eine namhafte Bedeutung hat, aufzulösen und ob eine Ersatzmaßnahme erforderlich ist.“
„Und was hat das eine mit dem anderen zu tun?“ … ein verwirrlicher Bittsteller, unverständlich einstweilen die Dimension seiner Begehren. Ist er etwa ein Chaot?
„Gute Frage, gute Antwort: Sehr viel eben, mehr als man gemeinhin denkt, ich habe keine Entscheidungsfreiheit.“
„Ach so, dann schieß mal los, wenn du magst, ich höre, ohne jedoch Anspruch auf vertrauliche Gedanken zu erheben, das musst du wissen … Jedem seine eigene Privatsphäre, mein Credo!“
„Ich sage, was ich dazu zu sagen habe, mehr vielleicht, als sonst wem, aber ob ich schon alle meine Geheimnisse offenbare, weiß ich noch nicht, obwohl für eine umfassende Beratung vielleicht auch dies vonnöten wäre. Ich lasse stets Vorsicht walten, musst du wissen.“
„Gut so, aber wie komme ich denn zu diesem unerwarteten Vertrauensbeweis? Du kennst mich ja kaum. Liest du etwa in meinem Gesicht? Habe ich einen Heiligenschein? Hoffe nicht, das wäre mir peinlich, ich habe ihn abgelegt, weil er in letzter Zeit recht viele Kratzer abbekam. Ach ja, wie das Leben so spielt, Kakophonie pur und die Dissonanzen fliegen mir schon um die Ohren.“
„Dissonanzen ja, aber Heiligenschein nein, ich bitte dich … nichts dergleichen, bloß reines Bauchgefühl … ach nein, runzle nicht die Stirn, keine Anmache meinerseits, Fehlalarm! Ja, ich hab’s schon eingestanden, dass ich öfter mal verdächtigt werde, mich an gewisse Herren heranzumachen, das ist Quatsch, ich bin eindeutig heterosexuell, auch wenn ich zugegebenermaßen meiner Mutter sehr nahestehe, das ist doch nicht verboten, und die Diskussionen über Mutterkomplexe langweilen mich. Immer dieselbe Leier, ununterbrochen, seit Freud, dem Erfinder dieser echten Geißel der Männerwelt! Ich erhebe Anspruch, so sein zu dürfen, wie ich sein möchte, solange ich damit niemanden belästige oder sonst wie störe.“
„Zweifellos dein Recht! … und bitte keine vorzeitigen Apologien, sie machen dich verdächtig, das hast du doch nicht nötig als gestandener Mann.“
„Ach weißt du, man erlebt manches, und eine ordentliche ‚Regierungserklärung‘ kann nicht schaden, mir half es zuweilen, die schlimmsten Verdachtsmomente rechtzeitig außer Kraft zu setzen, nicht zuletzt, um Vorverurteilungen zu vermeiden.“
„Also der Weidmann hat seine Fährte aufgenommen, lasst uns zur Jagd blasen! Wer wird wohl als Erster treffen?“

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