Die Allianz der Wildtiere

Die Allianz der Wildtiere

Jens Purus


EUR 15,90

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 184
ISBN: 978-3-95840-990-3
Erscheinungsdatum: 03.03.2020
Buderus und Epidar verändern als Pioniere auf kreative, lustige und pfiffige Weise die Welt der wilden Tiere. Ihre Allianz der Wildtiere wehrt sich als Bewahrer von Natur und Umwelt gegen weitere Eingriffe der Menschen, geht aber auch innovativ auf die Menschen zu.
Vorwort

Ab 1980 habe ich zunächst meinem Sohn, dann später auch seiner Schwester die Rückkehr ins abendliche Bett mit allerlei Geschichten zu versüßen. Am Anfang waren die Helden Tiere, aber auch Pflanzen und sogar eine ausgebüxte Nudel.
Aber allmählich verlangte mein Publikum nur noch „Buderus-Geschichten“. Jede Geschichte an solchen Abenden folgte einer spontanen Eingebung. Und so kristallisierte sich im Laufe der Zeit eine Tierallianz heraus, die Abenteuer aller Art bestand. Und meine Geschichten sollten immer mit einer Kombination von Überraschung und Humor unsere Kinder erfreuen.
… und dann wurde ich Opa!
Es war klar, dass Papas Buderus-Geschichten auch für die nächste Generation geeignet sein sollten! Als dies abgesichert war, schrieb ich meine Geschichten auf. Es waren stets in sich abgeschlossene Geschichten.
Aber ich war nicht mehr derselbe und auch die Welt hatte sich völlig verändert. Es wäre mir 1980 nie in den Sinn gekommen, dass bereits eine Generation später unsere Erde, oder wie es heute heißt, unser Planet, in großer Gefahr ist.
Wir Menschen haben aufgrund unserer durch Manipulation entstandenen Wünsche und Konsumgewohnheiten die Tier- und Pflanzenwelt, aber auch die Umwelt, das Klima und unsere eigene Zukunft akut gefährdet. Meine Tiere rund um den Scheichenberg schließen eine ehrliche Allianz, die ihre Interessen gegenüber den Menschen wahrnehmen soll. Sie gehen sogar auf die Menschen zu, suchen eine Art Zusammenarbeit.
Es ist klar, dass damit die Grundlagen der klassischen Kinder- und Märchengeschichten verlassen werden. Aber die Hilflosen und Benachteiligten entdecken eine geschichtsbildende Kraft, die die Menschen stets beeinflusste: Den Schöpfergott!
Die zweite Hälfte der vorliegenden Geschichten können auch als abgeschlossene Geschichten gelesen werden, sie folgen jedoch einer inneren Entwicklung.
Sie sollen nicht zeigen, was ist oder was sein sollte, sondern das, was auch sein könnte!


TEIL 1

Wie alles begann

In den Vorbergen der Chiemgauer Alpen und seiner Umgebung lebten die gleichen Tiere wie auch sonst am Alpenrand. Es gab eine mittlere Anzahl Rehe und Hirsche, nur noch wenige Hasen, Füchse und Dachse. Zahlreiche Eichhörnchen zeigten sich in den Wäldern und Marder, Wiesel und Hermeline bewegten sich sommers wie winters in Wald und Flur.
An der Traun und den einmündenden Bächen lebte seit kurzem wieder eine Biberfamilie. Daneben konnte man am Ufer und im Wasser immer wieder Ringelnattern, Wildenten, Wasseramseln und Fischreiher antreffen. Oft kreuzten Blindschleichen und seltener eine Kreuzotter die Wege des Menschen.
Die Vogelwelt der größeren Flieger war zahlreich vertreten durch Kolkraben, Krähen, Elstern, Habichte, Bussarde und Milane, aber auch einige Eulen und Kauze. Wanderer berichteten, dass sie einem Auerhahn in einsamen Höhen begegnet waren. Eichelhäher waren die Warner und Kontrolleure des Waldes. Daneben gab es Amseln, Meisen aller Art, Spatzen und Sperlinge, Rotkehlchen und Rotschwänzchen, den Dompfaff, Buch- und Grünfinken. Immer wieder konnte man Bunt- und Grünspechte hämmern hören.
Von allerlei Kleingetier wollen wir hier nicht sprechen.
Als fast schon exotische Tierart hatte sich ein Wildschwein auf der Wanderung nach Süden hier soeben fest eingerichtet. Das Futterangebot war zwar für Wildschweine eher karg, es gab keine Kartoffeläcker oder Maisfelder, dafür einen wachsenden Bestand an Buchen. Dieses männliche Wildschwein hatte sich in die Landschaft verliebt und entschied sich trotz der schlechteren Lebensbedingungen hierzubleiben. Als junger Eber war er Einsamkeit gewöhnt und konnte im Notfall gut damit leben. Gleichzeitig liebte er aber auch den Umgang mit anderen Tieren. Ja, er war sogar neugierig darauf, andere Tiere kennenzulernen, und suchte die Freundschaft mit ihnen.
Und so war es dann eher kein Zufall, dass das neugierige Wildschwein ein anderes, ebenso neugieriges Tier traf.
Der kluge Rabe Epidar lebte hier unweit vom Gipfel des Scheichenbergs am Rabenstein und war allen Tieren bekannt. Als er wieder sein Revier überflog auf der Suche nach Futter, aber auch, um Neues auszukundschaften, entdeckte er den Eindringling. Das Wildschwein interessierte ihn sofort, weil es hier im Umkreis von 15–20 km nur selten Schwarzkittel gab. Er setzte sich auf einen Baum, auf den das Wildschwein zu trottete: „Was machst du denn hier als einziges Wildschwein? Hast du dich verlaufen? Soll ich dich wieder dahin führen, wo du hergekommen bist?“
Das Wildschwein antwortete sofort: „Schön, dich hier zu treffen, und danke für deine Hilfsbereitschaft! Ich komme vom Norden und möchte eigentlich hier für immer bleiben. Da bin ich für nützliche Tipps dankbar. Darf ich mich übrigens vorstellen:
Mein Name ist Buderus, zumindest hat mich meine Mutter immer so genannt, weil ich sie an einen schwarzen Herd in einem Bauernhof erinnerte!“ „Und ich heiße Epidar und wohne da drüben auf diesen Felsen, den die Menschen Rabenstein nennen.“
Viele Menschen werden sich hier wundern, denn sie haben noch nie Tiere miteinander sprechen gehört, weder Tiere der gleichen oder einer anderen Gattung. Können Katzen miteinander oder mit Hunden sprechen, wenn sie unmittelbare Nachbarn sind?
Ja, auch Tiere haben fünf Sinne und im Grunde die gleichen Bedürfnisse wie wir Menschen. Sie wollen keinen Streit mit ihren Artgenossen und anderen Lebewesen. Sie wollen in Sicherheit leben, nicht gefressen werden. Und sie wollen immer genügend zu fressen haben. Und sie sehnen sich nach Freundschaft und auch nach Liebe. Um also in Frieden zu leben, braucht man keinen großen Sprachschatz. Die Tonlage der Kommunikation kann oft mehr Inhalte vermitteln als lange Sätze. Deshalb konnten sich Buderus und Epidar mit Krächzen und Grunzen genauso gut unterhalten wie wir Menschen mit vielen Worten. Und sicher kennt ihr auch die Art und Weise, wie Blicke als Nachrichten verstanden werden können. Die erwachsenen Menschen nennen das nonverbale Kommunikation.
Der Autor unternimmt daher hier nur den Versuch, die gefühlte Unterhaltung der Tiere in menschliche Sprache zu übertragen.
Buderus fuhr fort: „Und kannst du mir bitte dabei helfen, dass ich mit den anderen Tieren hier Freundschaft schließe? Für sie alle bin ich ein Eindringling. Ich will ihnen aber nichts wegnehmen und bin als überzeugter Vegetarier auch kein Fressfeind.“
„Gerne werde ich diese Aufgabe übernehmen. Du hast so eine lustige Art. Das wird den Tieren hier gefallen. Und vielleicht haben ja viele Tiere immer nach einem Kumpel gesucht, der ihnen einfach nur helfen will und aufgrund seiner beeindruckenden Größe für alle auch eine Respektsperson ist.“ Buderus war von der Rede Epidars beeindruckt. Das ging ihm wie ein warmer Willkommensgruß runter: „Danke, Epidar, wollen wir Freunde werden?“ „Ist doch klar“, entgegnete Epidar.
„So, dann will ich dir erst einmal unsere Region und die darin lebenden Tiere vorstellen. Wir leben hier im südlichen Landkreis Traunstein. Die Grenze zwischen Süden und Norden stellt für die Bodentiere die Autobahn München–Salzburg dar, die von Westen nach Osten verläuft.
Man kann von hier oben bei Maria Eck sogar den Verkehrslärm im Hintergrund hören. Nachts zieht sich ein Lichterband von Autoscheinwerfern in beide Richtungen. Die Autobahn ist im Winter auch oft die Schneegrenze. Bis zur Autobahn bleibt der Schnee liegen. Im Norden und in den tieferen Lagen des Chiemsees bleibt es meist grün. Je höher die Berge und Hügel sind, umso mehr Schnee gibt es. Vom Süden fließen die weiße und die rote Traun nach Norden und vereinigen sich bei Siegsdorf. Wie du siehst, sind alle mittleren Berge wie der Scheichenberg oder der Zinnkopf fast völlig bewaldet. Ab einer Höhe von 1.500 m wachsen keine Bäume, sondern nur noch Büsche. Südlich der Autobahn betreiben die Bauern hauptsächlich Milchwirtschaft. Du wirst daher selten Schweine als Haustiere finden.“
Buderus unterbrach ihn: „Von hier oben sieht man auch die Ortschaften der Menschen. Meine Mutter hatte uns früh beigebracht, dass die größte Gefahr für alle Tiere von den Menschen ausgeht. Grün gekleidete Menschen, die sich Jäger oder Förster nennen, machen zu bestimmten Zeiten Jagd auf Tiere. Aber nicht alle Tiere werden gejagt. Manche stehen unter Artenschutz. Was kannst du denn hier so allgemein über die Jagd bei euch sagen?“
„Auch wir sehen die Jagd als eine große Gefahr für uns Tiere an. Wir Raben und auch die Krähen, Raubvögel und Singvögel werden aber derzeit nicht bejagt. Offenbar stellen wir für die Menschen auch einen Nutzen dar. Die Raubvögel machen auch Jagd auf Mäuse. Vorrangiges Ziel der Jagd sind Hirsche, also Rotwild, und Rehe. Die Menschen ermitteln jedes Jahr den Schaden an jungen Bäumen, den das Rotwild im Winter durch Verbiss junger Baumkronen anrichtet. Daraus wird dann eine Anzahl an Tieren abgeleitet, die abgeschossen werden sollen. In jedem Jagdrevier gibt es Abschussquoten, die tunlichst eingehalten werden sollen.“
„Das kenne ich von meiner alten Heimat“, sagte Buderus. „Wir Wildschweine vermehren uns bekanntlich sehr fleißig, und wer hungrig ist, braucht auch etwas zu fressen. Wir Schwarzkittel durchwühlen dann Kartoffeläcker, Maisfelder, aber auch Laubwälder auf der Suche nach Eicheln und Bucheckern.“ „Hier bei uns bist du also relativ sicher, wenn du deinen Verstand einsetzt und die wenigen Kartoffel- und Rübenfelder der Menschen nicht heimsuchst.“
„Danke für den guten Rat, Epidar! Für heute haben wir genug gesprochen. Kannst du mich das nächste Mal vielleicht mit anderen Tieren, meinen neuen Nachbarn, bekannt machen? Und achte immer etwas auf mich und meine Umgebung, wenn du in meiner Nähe bist. Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann, und vier Augen sehen mehr als zwei. Besonders auch, weil du von oben den besten Überblick über drohende Gefahren für uns hast und diese aufgrund deiner Klugheit schnell erkennst. Das könnte nicht nur für mich hilfreich werden!“
Epidar fühlte sich geschmeichelt. Er wusste natürlich selber, dass er klug und weise war. Aber zum ersten Male hatte ein anderes Tier, und dann auch noch ein Fremdling in dieser Region, ihn darauf angesprochen, dass er in Zukunft vielleicht noch eine wichtige Rolle für die Sicherheit und Zusammenarbeit der Tiere spielen könnte.
Beide verabschiedeten sich freundschaftlich voneinander. Epidar flog zurück zu seinem Stein der Weisen. Er dachte noch lange über die Worte von Buderus nach. Viele Vögel, ob Eulen, Habichte oder Raben wie er, konnten sich immer wieder einen guten Überblick über ein begrenztes Gebiet, die Lebewesen darauf und ihre Tätigkeiten machen. Und sie nutzten dieses Wissen ausschließlich für sich. Wissen ist Macht! Nur wer als Raubvogel aus der Luft spielende Mäuse auf der Wiese sieht, kann sie auch erlegen.
War das eigentlich der Unterschied zwischen den Menschen und den Tieren? Die Menschen sprachen miteinander und tauschten Informationen zum Nutzen für beide Seiten aus. Das machten sogar diejenigen, die sich nicht mochten.
Sie tauschten Informationen über das Wetter von morgen und die damit einhergehenden Gefahren aus. Sie wurden von Radiogeräten informiert, wenn Einbrecher unterwegs waren. Sie halfen sich gegenseitig, wenn ein Haus brannte. Epidar konnte oft sehen, wie die Feuerwehren aus vielen Orten gezielt auf den Brandherd zufuhren. Wenn jemand am Berg verunglückte, waren die Retter meist in kurzer Zeit da und halfen den Verletzten.
Bei den Menschen gab es offenbar viele unterschiedliche Netzwerke mit jeweils einer zentralen Zielstellung. Und die Menschen erhielten nicht nur die benötigten Informationen, sondern sie organisierten auch, mit welchen Mitteln sie die gewünschte Zielstellung erreichen konnten. Diese Zusammenarbeit machte nicht an Gemeinde- oder Landesgrenzen halt!
Wenn es irgendwo, vielleicht sogar im Walde, brannte, wurde diese Information von vielen Beobachtern an eine Leitstelle weitergeleitet. Und von dort wurden die nächstgelegenen Feuerwehren informiert. Es ertönten Sirenen und die Feuerbekämpfer rückten systematisch an den Brandherd vor und bekämpften ihn mit den geeigneten Mitteln.
„Und wir, die Tiere hier am Alpenrand oder sonst irgendwo auf der Welt, was machen wir eigentlich? Wir denken nicht an die anderen Artgenossen, geschweige denn an alle anderen Tiere! Jedes Tier gibt den Eigennutz erst dann auf, wenn es einen Partner sucht und wenn es dann später Nachwuchs gibt. Jeder kennt das Bild von der Amselmutter, die sich bei Hagel schützend über ihre Jungen wirft und dabei erschlagen wird.“
Epidar dämmerte es langsam, warum die Tiere den Menschen immer unterlegen sein mussten: Es gab keinerlei Form der Zusammenarbeit. Jeder dachte nur an sich selbst oder musste im Rotwildrudel das ausführen, was ein „Obertier“ befahl. Es gab keine Solidarität!
Er fand Gefallen an der Vorstellung, dass er und Buderus vielleicht eine Zusammenarbeit der Tiere organisieren sollten. Er war nicht so naiv, die Ordnung der Natur infrage zu stellen. Ein Fressfeind blieb für sein Opfer immer eine Gefahr. Fleischfresser sollten nicht zu Vegetariern umerzogen werden – also keine Nächstenliebe allen gegenüber.
Aber es sollte eine Zusammenarbeit und Solidarität organisiert werden, wenn es darum ging, einander und auch allen in schwierigen Situationen zu helfen. Diese Zusammenarbeit war nicht gegen die Menschen gerichtet, sondern sollte allen Tieren dienen!
Und er, Epidar, war dazu ausersehen, als Aufklärer und Beobachter aus der Luft, unterstützt von fliegenden Helfern, die Informationen zu sammeln. Er sollte mit geeigneten Tieren dann eine Gefährdungslage ermitteln und zusammen mit Buderus, der Leitstelle am Boden, die geeigneten Maßnahmen zum Schutze aller Tiere ergreifen.


Eine Allianz formiert sich – in der Luft!

Epidar schlief die nächste Nacht sehr unruhig. Er wachte immer wieder auf und sah Buderus vor sich. Mehr noch, in seinem Kopf entstand eine Fülle von Bildern, wie er mit Buderus die Tiere ihrer Heimatregion für die Anfänge einer Tiergemeinschaft gewinnen könnte. Er sah sich, wie er zusammen mit Buderus die vielen Einwände von Rehen, Hasen, Füchsen und anderen Tieren zu widerlegen versuchte. In den wachen Momenten der Nacht, wo er sich weder Bilder der tierischen Zusammenkünfte vorstellte noch vom gleichen Vorhaben träumte, analysierte er die bisweilen recht heftigen Gespräche. Es tauchte dabei immer wieder ein Einwand der Tiere auf, den er nicht so richtig widerlegen konnte:
Warum eine Tiergemeinschaft bilden? So, wie wir jetzt leben, haben wir, unsere Eltern und Großeltern immer gelebt. Das haben wir immer so gemacht. Das war gut und hat sich bewährt! Warum jetzt etwas Neues wagen?
Und Epidar wurde klar, dass da eine Mammutaufgabe auf Buderus und ihn zukam. Jedes Tier einer Tiergattung musste überzeugt werden. Hatte man einige Rehe überzeugt, bestand die Chance, dass die für diese Idee gewonnenen Rehe auch ihre übrigen Artgenossen überzeugen konnten. Und so musste jede Tiergattung nacheinander für die Idee einer Tiergemeinschaft gewonnen werden. Es mussten überzeugende Argumente vorgestellt werden, dass auch eine Zusammenarbeit mit den Tieren einer anderen Art für alle vorteilhaft sei.
Und dann musste eine Prioritätenliste erarbeitet werden. Welche Tiere kamen überhaupt für eine Zusammenarbeit infrage? Welche Tierarten hatten gemeinsame Interessen? Es war klar, dass sowohl Füchse, Dachse, Rehe, Hasen und Hirsche Angst vor einem Jäger oder einem sich ausbreitenden Waldbrand haben. Und alle wären vielleicht in einem harten Winter dankbar Hinweise zu erhalten, wo es noch etwas Futter gab. Aber warum sollten dann Krähen, Amseln und Eichelhäher diese Tiere rechtzeitig warnen und informieren? Was konnten diese Sensoren der Lüfte gewinnen? Natürlich machte es keinen Sinn, Fische zu gewinnen. Fische lebten in einer ganz anderen Welt. Es gab keine Kommunikation. Es gab auch fast keine gemeinsamen Interessen außer einer Bekämpfung des Eintrags von Giften wie Nitraten, Pestiziden usw. in die Böden und in der Folge damit auch in die Gewässer. Also eine Umweltvergiftung, die alle betraf!
Epidar schwirrte der Kopf. Er suchte nach Buderus und traf ihn an, wie er mit seinem Rüssel nach Kastanien aus dem Vorjahr wühlte. Er berichtete ihm von seinen Einfällen, Ideen und Diskussionen mit den Tieren in der letzten Nacht, und wie diese ausgingen.
„Du bist ein Engel, Epidar! Schön, dass dich wie auch mich diese Idee eines besseren Zusammenhalts der Tiere in dieser Region auch nicht mehr losgelassen hat. Auch ich habe mir in unzähligen Bildern und Gesprächsszenen den Fortgang unseres Abenteuers ausgemalt. Immer wieder war ich dabei, alles hinzuwerfen und unseren Ansatz als nicht umsetzbaren Quatsch abzutun. Aber immer wieder, wenn ich enttäuscht alles beenden wollte, kamst du und hast mich wieder aufgerichtet! Mindestens ein Dutzend Mal hast du mich wieder motiviert von Neuem anzufangen. Ich bin nur ein Schwarzkittel und auch als Einzelkämpfer aktiv. Aber allein kann ich weder Tiere noch Menschen zu einer Änderung der Verhaltensweisen bewegen. Aber zusammen haben wir vielleicht so viel Verstand und Energie, dass wir es zumindest versuchen sollten. Und du hast recht: Wir müssen mit kleinen Schritten beginnen. Wir müssen die Tiere gewinnen, die den größten Nutzen aus solch einer Zusammenarbeit haben. Wenn sie wirklich Vorteile davon haben, werden sie das schnell ihren Artgenossen und vielleicht auch anderen Tieren mitteilen. Wir müssen daher zunächst die Leittiere einer Gattung gewinnen. Wenn das gelingt, wird die ganze Herde das nachmachen!“
„Prima,“ jubelte Epidar, „wie es scheint, hat sich die schlaflose Nacht gelohnt. Darf ich dich erst zu einem kühlen Schluck reinsten Quellwassers einladen?
Danach sollten wir einen Aktionsplan aufstellen: Welche Tiere sprechen wir zunächst an? Wer macht was? Und wir sollten uns immer wieder treffen, um die neuesten Erfahrungen in das weitere Vorgehen einzubauen. Wir wollen schließlich nicht mehr nur das machen, was wir immer gemacht haben. Wir wollen Veränderungen in unser Leben lassen. Nur wenn wir lernbereit bleiben, können wir die ungeheuer schnellen Veränderungen dieser Welt meistern!“
So geschah es. Epidar machte sich auf, um alle Krähen und Raben des Tals zusammenzutrommeln. Ihm war klar, dass sie alle als Beobachter aus der Luft eine zentrale Rolle spielen müssten. Sie konnten schnell mit allen Tieren ins Gespräch kommen, sie konnten weite Strecken unabhängig vom Wetter auch bei Schnee überfliegen, sie hatten keine Berührungsängste mit den Menschen. Weiterhin waren sie klug genug, um die richtigen Schlüsse aus ihren Beobachtungen zu ziehen. Eine umgefallene volle Mülltonne war für eine Krähe immer ein attraktives Ziel. Und Krähen waren auch die geeigneten Transporter für kleinere bis mittlere Luftfrachten. Und eigentlich hatten sie fast keine Feinde. Gelegentlich konnte es aber vorkommen, dass Habichte und Bussarde Jagd auf ihre Jungen machten. Dann sah man immer wieder, wie ein Elternpaar den Räuber angriff und zu vertreiben suchte. Diese Luftkämpfe waren faszinierend, denn man konnte erkennen, dass beide Seiten spezielle Flugkünste beherrschten, die der andere nicht besaß. Es war aber immer ein Kampf auf Augenhöhe. Beide Seiten trennten sich meist unentschieden.
Epidar saß auf einer Buche und sprach zu den Ältesten der Krähen- und Rabenfamilien, die bereitwillig herbeigeeilt waren. Sie hatten genügend Autorität, um ihren Familien die gemeinsamen Beschlüsse zu vermitteln.
„Liebe Artgenossen, wir Krähen und Raben sind hier in den Voralpen die klügsten Vögel. Und vielleicht ist es kein Zufall, dass wir einen größeren Zusammenhalt aller Tiere in unserer Heimat und darüber hinaus organisieren sollten. Ihr alle kennt bereits Buderus, mit dem ich dieses gemeinsame Vorhaben verabredet habe. Wir Krähen sind die einzigen Vögel, die einen gewissen Zusammenhalt, eine gewisse Solidarität zu unseren Artgenossen pflegen. Bekanntlich hackt eine Krähe der anderen kein Auge aus. Wir sind zu klug, um übereinander herzufallen, wo wir doch ständig eine gemeinsame Bedrohung und Herausforderung haben: den Menschen! Und wir sind sicher auch bereit, unsere vielen bei Flügen gewonnenen Informationen und Beobachtungen an andere Tiere weiterzuleiten. Denn wir können alle von dieser Zusammenarbeit profitieren.

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