Die 7 geprägten Buchstaben

Die 7 geprägten Buchstaben

Anna Brocco-Grossrieder


EUR 17,90
EUR 10,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 450
ISBN: 978-3-99048-024-3
Erscheinungsdatum: 28.10.2015
Prinz Eclipse Stuart entgeht nur knapp einem Mordversuch durch seinen Halbbruder Trevor, welcher danach aus dem Königreich verbannt wird. Als Eclipse Prinzessin Eliza heiraten soll, stirbt diese und deren Schwester Odile wird ihm versprochen - doch dann lernt Eclipse plötzlich seine Märchenbraut kennen.
Vorwort

Gewidmet allen Lesern und Leserinnen welche gerne einmal in die Welt der Phantasie abtauchen möchten.
Aber seid auf der Hut! Wer zum Aberglauben neigt, sollte diese Geschichte auf keinen Fall an einem Freitag, dem „13.“ und während der Evolution der Sonnenfinsternis lesen. Gerade diese Komponenten sind dem Thronfolger von Golden-Bird Kingdom zum Verhängnis geworden.


Die 7 geprägten Buchstaben

Urplötzlich gab es kein Halten mehr. Das Bauwerk von Kolben, Zylindern, Rohren, Destillierapparaten mit etlichen Verbindungsstücken, die sie jahrelang erbaut hatte, begann zu zittern und zu beben.
Ein Knall. Es klirrte ohrenbetäubend. Hunderte von Glassplittern wirbelten durch die Luft. Trümmer, Scherben, Staub, soweit das Auge reichte, lagen verstreut auf dem Tisch. Mit einer Wucht prallten die chemischen Flüssigkeiten ineinander und – die ganze Lauge explodierte. Für einen Moment herrschte Chaos. Dicke, weiße Nebelschwaden strömten durch den Raum. Man konnte die eigene Hand vor Rauch nicht mehr erkennen.
„Um Himmels Willen! Was geht denn hier vor?“ Eine Frau, Mitte siebzig, starrte verblüfft auf ihr Experiment. Ihr langes, weißes Leinenkleid hatte schwarzen Ruß abbekommen. Dem Anschein nach waren ihre Zutaten bombastisch. Selbst aus der steingebauten Mauer ragte ein riesiges Loch hervor. Ein seltsames Geräusch trat aus dem Innern. Bewaffnet mit einem Besenstiel stand das Mütterchen vor der Öffnung. Jedoch der Besen fand keine Beschäftigung. Fast wäre die Siebzigjährige in Ohnmacht gefallen. Erschrocken klatschte sie die Hand auf den Mund.
Ein Außerirdischer, in menschlicher Gestalt, trat zum Vorschein. Zweifelsohne, der Fremdling stammte nicht aus der irrgläubigen Epoche. Erstaunt prüfte der Neuling seine Arme und schaute auf seine Füße und lächelte siegesbewußt. „Wow!“
Dieses Wort nahm er als erstes in den Mund. Sein Aussehen präsentierte sich nicht von tadelloser Tugend. Wenn man die Haare beschreiben müßte, hätte man sie mit einem Hahn vergleichen können – knallrot. Zudem klebte durchsichtiges Gel daran. Die blauen Jeanshosen waren zu weit und ließen das Oberteil des nackten Gesäßes heraus gucken. Eine gemalte, unverfrorene Zunge, die auf dem seltsamen Baumwollhemd haftete, ließ das Bild noch skandalöser erscheinen.
Den Jugendlichen schien ihr Blick wenig zu stören.
Ungeniert fragte er sie: „He Alte! Wo befinde ich mich hier?“
Etwas eingeschüchtert gab die Brüskierte zur Antwort: „Ihr befindet Euch in Blue-Kingdom.“
Derjenige schüttelte den Hahnenkamm und erklärte, er meine doch, in welchem Zeitalter.
Langsam begriff das Mütterchen. Schon wieder hatte sich ein Eindringling von einem anderen Jahrhundert
in ihre Welt manövriert. Wie es sich bald herausstellte, gehörte der Außerirdische zum digitalen Zeitalter. Der Fremde war gekommen, um die Arbeit seines seligen Vaters zu beenden. Aus seiner Hosentasche holte er ein Kästchen mit einer Glasplatte heraus. Darauf legte er seine Fingerspitzen und tippte auf das sogenannte „Touchscreen“. Er schrieb richtige Buchstaben und Zahlen. Anschließend suchte er im Raum einen Punkt auf und drückte eine neue Option. Diesmal erschien eine leuchtende Landkarte. Mit diesem gläsernen Ding – welches er „Tablet“ nannte, hantierte der Jugendliche die ganze Zeit herum. Musik ertönte, ohne ein Instrument zu betätigen. Selbst ein Porträt vom Mütterchen hatte er gemalt, ohne Pinsel. Schlußendlich wandte er sich wieder an die Frau.
Er sagte: „Ich bin gekommen, um einen Tausch anzubieten. Letztes Mal hatte mein Vater drei Geschenke mitgebracht: das Buch der sieben Siegel und die hochtechnologische Armbrust zusammen mit dem passenden Pfeil. Ah, und nicht zu vergessen, die rote Baseballmütze, welche du auf dem Schädel trägst.“
„Ja, das stimmt“, meinte die Zuhörerin mit Nachdruck: „Anno dazumal wollte Euer Vater einen Handel mit dem reichen König abschließen. Seid Ihr hier, um die Goldvögel zu rauben?“
Sie hatte den Fremden schnell entlarvt, denn dieser meinte im gleichgültigen Ton: Schon möglich!“
„Junger Mann“, sprach das Mütterchen weiter. „Damals hatte Euer Vater seinen Vorteil verspielt. Denn ich weiß, daß auch Ihr ohne meine Hilfe nicht mehr nach Hause finden werdet. Also mach ich Euch einen Vorschlag. Ihr bekommt zwei Goldflamingos, einen männlichen und weiblichen. Mein Angebot ist aber mit einer Bedingung verknüpft. Ihr oder sonst jemand aus Eurem Zeitalter, dürft nie wieder unser Leben betreten!“
Da der Fremde auf der Verliererseite war und das Mütterchen jeglichen Handel mit dem König verweigert hatte, lief er im Raum nachdenklich hin und her. Dabei fiel sein Blick auf ein Buch, welches den königlichen Wappenmantel zeigte. Interessiert blätterte der Fremdling in der Agenda herum. Eigenartig – jeder dreizehnte Tag im Monat war auf der Buchseite mit einem schwarzen Balken verschmiert. Diesem Phänomen mußte der junge Mann unbedingt auf den Grund gehen.
Die Frau schob einen Stuhl vor und bat ihren neugierigen Gast, sich zu setzen und erklärte Folgendes:
„Vor nicht allzulanger Zeit gehörte die Zahl „13“ in diesem Land dem Satan und sonst niemandem. Keiner der Bewohner von Golden-Bird Kingdom hatte das Recht, diese unheimliche Zahl für irgendeinen Vorwand zu benutzen oder auch nur zu erwähnen. Die Nummer „13“ fand man weder in einem Buch, Maßband oder sonstigen Verträgen vor. Oh, welch Gräuel – wenn das Schicksal brutal zugeschlagen hatte und unschuldige Kreaturen ausgerechnet an einem Satanstag ins Leben gerufen worden waren. Die sogenannten Satanen-Sprosse hatte man hinrichten lassen. So verlangte es das Gesetz. Aber erst am darauffolgenden Tag, versteht sich. Keine menschliche Seele getraute sich, am „13.“ Tag des Monats der Arbeit nachzugehen. Deshalb versuchten die Bewohner, den Satanstag mit diesem schwarzen, gemalten Balken zu vertuschen.“
Beim Zuhörenden löste die Einleitung der Geschichte eine regelrechte Faszination aus. Er wollte mehr erfahren und war ganz Ohr.
Die Frau blätterte im Diarium herum und blieb bei einer gewissen Seite hängen. Die kohlenschwarze Farbe verdeckte den 13. Juli. Sie fügte hinzu: „Oh, ja! Es war ein düsterer Tag für den neuen Erdenbürger. Daran kann ich mich noch recht gut entsinnen.“ Das Mütterchen begann, wieder in der Vergangenheit zu wühlen und ließ den ganzen Vorgang aufleben.


Das Siegel der Verschwiegenheit

In Crownhill Castle herrschte reges Leben. Wie jeden Monat thronte der schwarze Kohlenstift in Trevors Händen. Die schwarze Farbe führte vom oberen, goldenen Bütten-Rand bis zum unteren und malte einen dicken Balken ins Diarium. Mit energischen Schritten trat König Gerhard, sein Gesicht war feuerrot angelaufen, in den kleinen Saal.
„Donner und Doria! Wer hat mit meiner Königskrone, dem Zepter und dem Royalen Reichsapfel gespielt?“
Der Finger des Lakaien deutete auf den Jungen mit dem Kohlenstift.
„Mit Verlaub, Majestät! Es war Euer Herr Sohn!“
„Sohn!“, schnauzte der König seinen Angestellten mürrisch an.
„Dieser Bastard ist nicht mein Sohn! Merkt Euch das! Page!“
Die Knabenohren hörten jede Silbe mit. Augenblicklich demonstrierte der 14-Jährige (in Wirklichkeit war er „13“) seine Trotzreaktion. Anstatt auf den Buchseiten zu malen, verschmierte er absichtlich den edlen Tisch. Zwar blieb dem Schutzherren fast die Luft weg. Sein Gebrüll jedoch war unüberhörbar.
„Bringt den Dickschädel ins Bett! Übrigens – ab dem heutigen Tag steht Trevor die luxuriöse Prinzensuite nicht mehr zur Verfügung. Mein leiblicher Sohn – der echte Thronfolger – soll das Gemach bekommen!“
Bitterböse Blicke stierten aus den braunen Knabenaugen, und seine Hand ballte die Faust. Das Königskind war noch nicht auf der Welt, dennoch drehte sich alles nur noch um die Ankunft des neuen Stammhalters. Oder, wie Trevor es ausgedrückt hätte, die Ankunft des Hosenscheißers.
Bevor der Knabe mit seinem Aufpasser an der Türe angelangt war, stürmte der Goldschmied herein. In der einen Hand trug er das königliche Amulett, welches er dem König unter die Nase hielt.
„Eure Exzellenz! Wessen Namen soll ich für den Neuankömmling auf den Goldschmuck einprägen lassen?“
Stolz wie ein Pfau erwiderte der König: Mein Leiblicher soll Richard, wie mein seliger Vater, heißen.“
„Und wenn es ein Mädchen wird?“ hakte der Angestellte nach.
„Zweifelsohne, es wird ein Junge, da bin ich mir sicher“, gab der künftige Vater mit Bestimmtheit zur Antwort. Trevor, der noch im Raum weilte, schrie in neidischem Ton: „Zweifelsohne –, es wird ein Satanskind!“
Der Monarch ordnete an, man solle den Bastard fortschaffen. Um die schlechte Laune zu verdrängen, flüchtete der Landesvater nach draußen auf den Balkon. In heller Begeisterung erklärte der König seinen Untertanen, daß es sich bei der Geburt des Erbberechtigten nur noch um wenige Sekunden handeln dürfte. Somit die Existenz des Familienstammbaums bald gesichert sei. Aber aus den Sekunden wurden Minuten, und aus den Minuten – reifte eine volle Stunde heran. Immer wieder trat der König achselzuckend auf den Balkon und vertröstete das Volk – welches treu auf dem Hofe ausgeharrt hatte –, sich in Geduld zu üben. Selbst bis Mitternacht bekam man zum Leidwesen aller Beteiligten kein Babygeschrei zu hören.
Die Lage spitzte sich allmählich zu. Denn am „13.“, an einem Satanstag, durfte das Königskind auf keinen Fall auf die Welt kommen. Obwohl die Mediziner und Professoren das Beste aus sich herausholten, um die Wehen zu vertagen. Das Zeit-Ungeheuer holte alle ein. Wohlgemerkt – der Thronfolger suchte sich nicht nur den prekärsten Zeitpunkt aus. Sondern es kam noch viel schlimmer.
Als stieße die Kirchenglocke böse Verwünschungen aus, schlug sie an diesem teuflischen Freitagmittag nicht „12“ sondern „13“ Schläge an. Ausgerechnet in diesem Moment, da erblickte der kleine Thronfolger von Golden-Bird Kingdom das Licht der Welt.
Aber welches Licht?
Der Himmel verdunkelte sich auf einen Schlag. Die Nelken hatten sich in Windeseile verschlossen. Die „13.“ Stunde – genannt die satanische Stunde – begann sich höllisch zu amüsieren. Leute, welche sich zufällig auf dem Hofe aufgehalten hatten, reckten die Köpfe zum Himmel. Es fuhr ihnen Angst und Schrecken in die Knochen. Bei vollständigem Bewußtsein wurden die unfreiwilligen Bürger und Bürgerinnen Augenzeugen eines schrecklichen Mythos. Jede Seele befürchtete, einen Weltuntergang zu erleben. Sie glaubten, den Fürsten der Finsternis zu erkennen, wie er die Sonne Bissen für Bissen in sich verschlang. Das Volk schrie im Durcheinander der Verzweiflung. Panikartig stürmten die Irrgläubigen, als sei der Teufel hinter ihnen her, in alle Himmelsrichtungen davon. Die Mütter schnappten sich die weinenden Kinder. Ohnmächtig legten sich die Greise auf den Boden, bekreuzigten sich, beteten und zitterten um ihr Leben. Mutige Männer bewaffneten sich mit Degen, Schwertern, Knüppeln und Armbrüsten. Einfach mit allem, was ihnen in die Hände fiel. Aber ohne ein Ziel zu verfolgen. Denn welches?
Eisige Kälte hielt Einzug. Die Sonne erlosch, und die Finsternis schenkte ihr noch den letzten Todeskuß. Über die ganze Landschaft hatte sich ein öder, grauer Schleier gelegt. Eine Ohnmacht machte sich breit. Das Leben schien für immer vorbei zu sein.
Gott sei Dank! Wie durch ein Wunder rückte diese schwarze Scheibe auf einmal aus der Sonne. Dennoch hatte Crownhill Castle ein Opfer zu beklagen. Der Glöckner, der „13“ mal die Glocke geläutet hatte, lag abgeschlachtet am Boden. Satan hatte seinen Racheakt mit dieser Geste ausgesprochen. Jedenfalls war das irrgläubige Volk dieser Ansicht. Niemand konnte dazumal wissen, daß ihr Satan erst „13“ Jahre zählte und dieser kaltblütige Mord zur geplanten Inszenierung gehörte.
König Gerhard geriet jetzt selbst in Bedrängnis und mußte sein eigenes Gesetz mißachten, um seinen Sohn zu behalten. Er verheimlichte das Geschehen und verkündete das Geblüt des Nachfolgers erst am nächsten Tag. Niemand sollte von dieser schandhaften Geburt erfahren.
Im Palast gab es nicht nur Freunde, sondern auch Feinde. Ausgerechnet Trevor – der Stiefbruder – entpuppte sich als größter Verräter. Nachdem der Bastard aus erster Hand erfahren hatte, daß Herzogin Rose, die Ehegattin des Monarchen künftig keine Kinder mehr empfangen würde, somit keine anderen Thronerben folgen konnten, witterte dieser Möchtegern-König seine Chance. Mit Gier und Habsucht versuchte der Enterbte, die Krone und das Zepter an sich zu reißen. Dabei war ihm jedes Mittel recht. Erbarmungslos beharrte er auf dem Gesetz, alle Satans-Kinder töten zu lassen. Selbstverständlich dürfe man beim königlichen Neugeborenen keine Ausnahme machen.
Trotz des riesigen Drucks, welcher schwer auf dem Gesetzgeber gelastet haben mußte, dominierte schlußendlich das Vaterherz. Er entschied auf Teufel komm raus, seinen einzigen, rechtmäßigen Nachkommen zu behalten. Noch am selben Tag schaffte er, in Persona, das Todesurteil für die Satanskinder ab. Langsam aber sicher spürte der Erb-Schleicher wie sein Thron ihm unter dem Hintern weggezogen wurde. Die Revanche gewann Oberhand, denn die Eifersucht war nicht zu bremsen. Darum schritt der Rachsüchtige zu einer neuen List.
Klammheimlich betrat der Bastard das unbewachte Prinzen-Gemach. Da die Geburt zu diesem Zeitpunkt noch verheimlicht werden sollte, hatte man den königlichen Säugling bei der Wöchnerin in ihrer Bettstatt verstecken lassen. Trevor wußte Bescheid. Mit eiligen Schritten gelangte er zur leeren Wiege, in der schon bald sein ärgster Feind schlafen sollte. Er packte das wertvolle Medaillon, welches der Vater extra für den Neuling hatte herstellen lassen. Sich die Hände reibend verschloß er die Türe. Man konnte neben der porigen Trüffelnase die teuflischen Blicke erkennen. Sie führten nichts Gutes im Schilde.
Am Morgen darauf, als Königin Rose ihren kleinen Prinzen Richard Gerhard William in die Wiege legen wollte, blieb der Armen fast das Herz stehen. Sie stieß einen markerschütternden Schrei aus. Binnen kürzester Zeit war das ganze Prinzengemach von einem Regiment Soldaten belagert. Trevor – der entmachtete Erbe – hetzte nun alle Hofleute auf und gab ketzerisch das wahre Geburtsdatum des Kronprinzen preis. Mit einer Genugtuung reichte der Bastard das Amulett im Kreise herum und hielt es jedem Anwesenden unter die Nase. Hierbei mußte er höllisch aufpassen, daß er sich keine Verletzungen an dessen messerscharfen Klingen zuzog.
Voller Furcht schnellte jeder Irrgläubige einen Schritt von der Wiege zurück. Der winzig kleine Thronfolger konnte noch nicht begreifen, was die Eifersucht in manchen Menschen zu bewirken vermochte. Er lächelte mit seinem Honigmondgesicht der heilen Welt entgegen. Der Stiefbruder jedenfalls deutete auf das königliche Medaillon. Man konnte die Handschrift des Satans daraus lesen. In der Mitte waren sieben Buchstaben tief eingeprägt; ECLIPSE.
Andere Beweise benötigte keiner mehr. Irrgläubig wie die Leute waren, meinten sie tatsächlich, daß in den Adern des Jungen kein blaues, sondern satanisches Blut floß.
„Tod dem Satan-Sproß!“, schrie der eifersüchtige Bastard aus lauter Kehle und befahl den Soldaten, das kleine Monster zu töten. Da sich die Wächter nur verstohlen anschauen konnten, griff der Dreizehnjährige willkürlich in die Waffenhülle eines Soldaten. Er zog mit kreischendem Gebrüll den Dolch hinaus und stürzte auf das Prinzlein los.
Schützend warf sich die Mutter über die Wiege und schrie in Heidenangst: „Nur über meine Leiche!“
Der Monarch, der den Tumult vernommen hatte, war eingetreten und verschaffte sich schnell einen Überblick. Während er seinem angenommenen Sohn Trevor tadelnd den Dolch aus der Hand gezerrt und diesen auf den Tisch geschmettert hatte, witterte die Königin ihre Möglichkeit zu flüchten. Ruckzuck packte sie den königlichen Sprößling und verschwand im Nebenzimmer. Das Leben des Kronprinzen stand abermals auf Messers Schneide. Die Angestellten fürchteten die Rache des Satans und verlangten den Tod dieses Sprosses. Ratlos sank der König, die Krone resigniert auf den Boden fallen lassend, in die Knie. Seine Augen starrten mit aufgerissenem Blick auf alle vier Wände.
Wahrlich – der Fürst der Finsternis hatte ganze Arbeit getan. Bedrohliche, pechschwarze Buchstaben übersäten die weißen Tapeten und stachen monströs hervor. Wo man hinzublicken vermochte, formte sich immer derselbe Horror-Name;
PRINZ ECLIPSE.
Da nutzte auch das Wegreiben mit dem noblen Ärmelaufschlag des Königs nichts. Zentimeterdick klebte die Schrift an den Wänden. Das Vaterherz wimmerte vor Schmerz. Seine Leute verlangten, daß sein einziges Blut hingerichtet werden sollte. Wäre da nicht ein kluger Kopf unter den Anwesenden gewesen, hätte man – wie schon viel zu oft – einen unschuldigen Säugling getötet. Das neue Gesetz war in Kraft getreten, und der Schreiberling las es allen laut vor. Noch immer glaubten die hier Anwesenden, die Botschaft hätte der Satan eigenhändig an die Wand geschmiert. Deshalb mußte der König eine Gegenleistung vollbringen. Sie lautete: Entweder man eliminiere den Säugling – oder der sündhafte Erdenbürger trage den Satansnamen bis an sein bitteres Lebensende.
Alle hegten großes Mitleid mit dem König, außer einer. Trevor. Das eingeschlichene Familienmitglied weidete sich ungemein an der Hilflosigkeit seines Ziehvaters Zwar hätte er den Stiefbruder Eclipse liebend gern tot gesehen. Aber was noch nicht ist, kann noch werden.
Auf Zehenspitzen schlich der eifersüchtige Junge am Abend ins Prinzengemach. Wutentbrannt starrte er in die leere Wiege und feilte weiter an seinem Haßgedanken herum. Der erste Stein der Vernichtung war gelegt. Bevor der Bastard nach dem zweiten Stein fassen konnte, erlitt er jedoch einen Dämpfer. Das Amulett, welches er absichtlich verändert hatte, hing erneut über der Wiege, ausgebessert, ohne Ecken und Kanten. Darunter befand sich ein gigantisches Buch, dessen Umschlag mit glitzernden, schimmernden Goldsternen durchwirkt war. Doch damit nicht genug. Das neu umrahmte Amulett, das zusätzlich noch einen schmalen Silberstreifen über den sieben Buchstaben aufzuweisen hatte, paßte auf den Deckelumriß wie ein Schlüssel zu seinem Schließfach. In schnellster Eile packte er das Amulett und setzte es in die Mulde ein. Kaum verspürte der Buchdeckel den Gegenstand, zog er den wie ein Magnet nach unten. Dem jungen Mann schlotterten ganz schön die Knie. Am liebsten wäre er davon gerannt. Jedoch sein Ehrgeiz war stärker. Das Buch bebte und eine potente, tiefe Stimme leierte einem Reim hinunter:
„Mein ausgewählter Gebieter! Setzt den Leuchtpfeil in diese Mulde ein!
So wird meine geheime Schrift für ewig lesbar sein!“

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