Das Mädchen Fofo

Das Mädchen Fofo

Stergiani Schneck-Tsolakidou


EUR 16,90

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 116
ISBN: 978-3-99131-883-5
Erscheinungsdatum: 28.09.2023
Fofo lebt in einem griechischen Bergdorf und ist mit Herz und Seele Mutter und Ehefrau. Das Schicksal prüft sie und ihre Familie schwer: Ein mysteriöser Mord, ein ausbrechender Weltkrieg und Krankheit in der Familie. Kann sie die Liebe in ihrem Herz bewahren?
KAPITEL EINS


Auf den Stufen ihres Hauses sitzt Fofo, ganz in schwarz, die Schultern nach vorn gezogen. Sie zittert, ihr schwarzes Kopftuch bedeckt fast ihr ganzes Gesicht, das Gesicht mit dem erstarrten Blick, gefühllos, geht verloren in der Leere des mit Schnee bedeckten Hofes. Die ganze Nacht fallen Schneeflocken leicht, ruhig, sie wollen nicht aufwecken, was schläft. Sie hört den Puls des vergangenen Lebens dieses Hauses immer noch so deutlich, so klar. Vergeben, wie auch!! Es ist noch Ende Januar.
Fofos Enkelin nähert sich und umarmt den knochigen Körper ihrer Oma. „Mein gutes Mädchen“, sagt Fofo, „Wie ein reinweißes Bettlaken bedeckt der Schnee die Natur und so das ganze Dorf, aber in diesem Dorf, wo ich immer so geliebt habe, ist nicht alles so unschuldig weiß, hier habe ich meinen Jannos verloren. Warum …? Es gibt nichts Gutes, wo nicht ein bisschen Böses gemischt ist, sagten die alte Griechen. Uden kalon amyges kakou!
Was für eine Ironie des Schicksals, ich habe nie, niemals denken können, dass irgendwann in diesem Dorf, das mein Ein-und-Alles war, dass es so fremd und verbittert wird …“
Warum und wieder warum fragt Fofo und sie findet keine Antwort, was für ein Verbrechen!!!
„Komm, Oma, gehen wir rein, du bist durchgefroren, nicht, dass du uns krank wirst, wir haben dich lieb!“, sagt das Mädchen zu ihrer Oma.
„Es ist gut, mein Sonnenschein, lass uns ins Haus gehen, in der Wärme kann ich dir alles erzählen. Vieles verblasst mit der Zeit, aber die echte Liebe nicht, nicht meine Liebe zu meinem Jannos!!!
Das Böse ist vorbei, die schlimmen Zeiten des Krieges sind vorbei, ja, der Krieg ist etwas, wo die GROSSEN Männer finden, sie haben das Sagen! Sicher, jeder Mensch liebt den Ort, wo sein Anfang ist, die Wurzeln seines Lebens, sein Dasein, so auch ich. Es ist auch schwer für jeden, von Fällen, Zuständen oder Ereignissen des Lebens, die schmerzen, zu erzählen. Es sind Wunden in der psychischen Welt eines jeden, die mit jeder Erzählung bluten.“ (Πικραμένη γιαγιά Φωφώ, pikrameni Jaja Fofo).
Verbitterte Oma Fofo … Sie dreht ihr Haupt nach hinten, sie schaut auf ihren langen Lebensweg, einen Weg mit vielen guten und weniger guten Ereignissen, aber vielmehr noch die schönen Zeiten mit ihrem Jannos! Dieser Anachronismus der vergangenen Zeiten, ahhh!! Diese vergangenen Zeiten, wo sie mit ihrem Jannos gegangen ist.
Oma Fofo saß in einer warmen Ecke mit ihrer Enkelin und erzählt leise. Hin und wieder hält sie den Atem für einige Momente, sie sucht in ihrer Erinnerung die Zeiten, die voller Segen, Glück, Freude und Lachen waren!
„Wo ist das verloren gegangen, das, was man Liebe oder Glück nennt?
Die große, unschuldige, uneigennützige, harmlose Liebe“, träumt Oma Fofo auch mit offenen Augen, in ihrem Gesichtsausdruck spiegelt sich jedes große oder kleine Ereignis aus ihrem abenteuerlichen und komplizierten, auch sehr glücklichem Leben mit ihrem Jannos. Sie als ein einfaches Mädchen und er der Sohn von Tselinga Panos, unmöglich! Nein, nein, es geht nicht.
Ja, Fofo und Jannos! Jannos stand oben auf dem Berg und betrachtete die hügelige Landschaft, die sich in dem langsam zu Ende gehenden Jahr in immer prächtigeren Farben zeigte. „Die Stimme kommt mir bekannt vor“, sagte er zu sich selbst. Es ist die Stimme von Fofo. Gestern Abend hatte er sie gesehen, wie sie im Garten hinter dem Haus das Gemüsebeet gegossen hat. Sie hatte dabei gesungen, ihre samtweiche, melodische Stimme wehte gleich einer milden Brise über den alten Wildrosenbusch, in dem zwei Pärchen Nachtigallen nisteten. Ihre Stimme war so erfrischend und frech zugleich, wie diese kleinen Wesen. Sie ist ein schönes Mädchen. Alle jungen Männer drehten die Köpfe und tuschelten aufgeregt, wenn sie vorbeiging, es ist das Mädchen Fofo … Die Protagonistin für das ganze folgende Geschehen.
Jannos ist ein attraktiver, schön aussehender junger Mann mit seinen dunkelblauen Augen und der immer freundlichen Art. Es ist ein Wunsch für jede Mutter, so einen Schwiegersohn zu haben, es war bekannt in allen umliegenden Orten, der Sohn von Großgrundbesitzer Panos. Die Töchter von gutem Hause haben ihn im Blick, aber …
Wie oft haben die Tanten und Omas versucht, den jungen Jannos über das Heiraten anzusprechen, so viele schöne Mädchen sind an ihm interessiert, aber er hat nur eins im Auge, all seine Gedanken richten sich auf diese hübsche, sechzehnjährige Fofo. Nach langer Krankheit ist ihre Mutter letztes Jahr gestorben, sie sorgt für ihre alte Oma, für den Haushalt und für die Landwirtschaft mit ihrem Vater.
Es mangelte auch nicht an hübschen Frauen, aber er hatte nur Augen für die junge Fofo. Seine Gedanken kreisten nur um sie.
„Was ist los, mein Sohn, willst du nicht zu dem großen Fest in die Stadt?“, fragte Panos, „Da wird auch Marijo sein, die Tochter von Naso, wir gedenken, euch zu verloben.“
„Nettes Mädchen, Vater, aber ich habe kein Lust zum Heiraten, nicht jetzt, noch nicht.“ All seine Gedanken gelten dem Mädchen Fofo. Wochen sind seitdem vergangen, voller Panik und Agonie, bis endlich Jannos den Mut gefasst hat und zu seinem Vater gesagt hat, dass Fofo seine große Liebe ist, es vergeht kein Tag, an dem er nicht an sie denkt. Man widerspricht dem Vater nicht!
Die Augen und das ganze Gesicht von Vater Panos sind wie ein Sturm, er ist aufgestanden und geht aus dem Haus, ohne ein Wort zu sagen, nur der Knall der Türen ist zu hören. Anderes hat er geplant und ganz anders ist es gekommen. Mit viel Geduld und der Kraft ihrer Liebe haben die jungen Leute den sturen Vater umgestimmt. Die Schwiegertochter Fofo mit ihrer Offenherzigkeit und ihrem Charme ist beliebt in der ganzen Verwandtschaft. Vater Panos streichelt seinen langen Bart, schlürft von seinem Tsipouro und beobachtet von der Seite das junge Paar. „Der Junge hat recht gehabt, sie passen gut zusammen, noch ein paar Monate und das Glück ist perfekt, Fofo ist guter Hoffnung. Und tatsächlich wuchs die Familie im Lauf der Jahre prächtig. Fofo gebar drei Töchter und einen Jungen. Natürlich gab man dem Jungen den Namen des Großvaters Panos. Dieser platzte beinahe vor Stolz.
Es ist Frühling, die viele Ziegen und Schafe von Jannos sind verstreut über die hügelige Berglandschaft. Die leichte, frische Luft ist gefüllt vom Geruch frischer Kräuter und Blumen und die Tiere naschen das zarte, grüne Gras.
Über die heiße Mittagszeit ziehen sie sich in den Schatten der alten, urwüchsigen Platanen zurück, deren dicke Äste bis in das klare, frische Wasser des kleinen Bergbaches hängen. Die starke Hitze hat nachgelassen
und die Tiere erheben sich schlaftrunken aus dem Schatten der knorrigen Platane. Der junge Widder geht langsam auf sein weißes Lieblingsschaf zu, als wollte er sagen: „Lass uns einen Spaziergang hinter die Büsche machen, ich habe da ein paar frische, knusprige Kräuter für dich versteckt.“ Der Rhythmus der Natur, er sorgt für sie …
Jannos betrachtet die Tiere und die ländliche Idylle und wirft einen Blick in den Himmel. Er bekreuzigt sich und dankt dem Herrn für seine Gaben, die er ihm geschenkt hat. Er steht auf, sammelt langsam die Herde und führt sie durch das tiefe Tal zum Stall. Ganz vorne gehen die Widder mit ihren großen Glocken um den Hals, die man schon von weitem hört. So wie jeden Abend nimmt er seine Flöte aus dem Jutesack und spielt für seine Fofo und die Kinder. „Was für ein Friede und Harmonie“, denkt er, während sein scharfer, ehrlicher Blick sein kleines Reich streichelt. „Ach, da kommt auch mein Mädchen mit den Kindern“, sagt Jannos zu sich. Auf dem Arm hat sie die kleine Ntina mit ihre rosa Bäckchen und grünblauen Augen. Das Gesicht umrahmt mit blonden, langen Locken.
„Der Vater kommt!“, plappern sie und schauen in seine Richtung. Während er auf seine Familie zugeht, wirft er einen besorgten Blick auf ihr Haus. Opa Panos ist alt geworden und mit dem Alter kamen auch die Krankheiten. Es kommt wohl bald die Zeit, wo er seine Augen für immer schließt. Heute Mittag ist der Opa Panos nach seiner Ruhestunde nicht mehr aufgewacht, es ist so weit!!!!!
Mit den Jahren sind die Kinder gewachsen. Vater Jannos ist stolz auf seinen Sohn und insgeheim denkt er, er sei schon beinahe ein Mann geworden. Jeden Abend trennt er die neugeborenen Lämmer, nachdem sie gestillt worden sind und anschließend melken sie gemeinsam die ganze Herde, Ziegen und Schafe. So lernt der Sohn vom Vater, von Generation zu Generation, so ist die Tradition.
Die Früchte an den großen Feigenbäumen sind reif und die Kinder zerkratzen sich ihre kleinen, weichen Hände, wenn sie sich nach den kleinen, hinter milchigen Blättern versteckten Köstlichkeiten strecken. Einmal die Woche geht Jannos hinunter ins Dorf, um die nötigen Einkäufe für Zuhause und für die weiter oben liegende Berghütte zu tätigen.
Den Sinn des Lebens wird sein Sohn mit dem Lauf der Zeit selber raus finden, darüber haben auch viele Philosophen diskutiert und gezankt, seit ewigen Zeiten.

Einmal die Woche geht Jannos in die Stadt, um die nötigen Einkäufe für Zuhause und für die weiter oben liegende Berghütte zu tätigen. Seine Lasttiere sind vollgepackt, nehmen den Weg Richtung Dorf, von weitem denkt er: „Das ist ein schöner, kleiner, einmaliger Ort auf dieser Welt, etwa zwanzig kleine, gepflegte Häuser, das eine schöne als das andere. Es ist Zeit, die Sonne geht unter, meine vier Hirten werden viel Arbeit haben mit dem ganzen Vieh.“
Mitten im Dorf, in der Nähe von dem großen, steinernen Wasserbassin, steht das Haus von Pfarrer Dimos. So wie bei vielen Häusern ist der Hof von Weinreben umrankt und die dunklen, reifen, hängenden Trauben glänzen in der Spätnachmittagssonne.
Das Tratschen mit Papa Dimos ist immer ein Spaß und eine Freude für beide. Der Freund und ständige Begleiter von Jannos, sein Hund, streckt sich mit seinen alten Beinen und hört ganz genau hin, wie wenn er verstehen könnte, worüber sie sich unterhalten, der schlaue Arko. „Wie gehen die Geschäfte, Jannos?“, fragte Pater Dimos. „Gut und gesegnet“, sagt Jannos, „Ich bin zufrieden.“ Beide sind gottesfürchtig, anständig und beliebt im ganzen Dorf und von allen sehr geschätzt. Papa-Dimos’ Miene verfinstert sich und er spricht zu Jannos:
„Weißt du, Jannos, man sagt, weit im Bosporus herrscht Krieg. Menschen werden geschlachtet, Frauen und Kinder werden deportiert, werden wie Vieh auf Schiffscontainer nach Griechenland gebracht. Es sind unsere Leute, Christen; Griechen, die seit vielen Jahren und Generationen dort leben, in den Poli, Konstantinopel, sie lassen alles zurück, kommen nur mit dem Leben davon. Prosfyges, so nennt man sie, die werden in vielen Orten untergebracht …“ „Wir werden sie willkommen heißen, Menschen Gottes sind die auch. Es wird eine Lösung geben, dieses Jahr war sehr ertragreich für alle, der Allmächtige vergisst niemanden. Es wird niemand hungern müssen.“
Heute ist der 28. August. Morgen ist ein großes Fest, Tag des heiligen Prodromus. Es ist auch der Tag, an dem man berechnen kann, wie die Weinlese, das ganze Korn und all die Milchprodukte werden, es ist ein gutes Jahr, gelobt sei sein Name, Jannos hat sich verabschiedet und geht seinen Weg nach Hause, seine Fofo wartet. Die gegenseitige Liebe, Respekt und Achtung ist groß, sie schätzen und respektieren ihr ganzes Hab und Gut, die Tiere, die Natur, das fühlt auch ihr bester Freund, der Hund Arko. Die Kinder spielen am nahegelegenen Bach. Sie lassen kleine weiße Kieselsteine springen und schubsen die kleinen Krebse, die sich erschreckt in ihre kleine Höhlen zurückziehen. Glückliche Kindheit, in dieser leichten, frischen Naivität spiegelt sich die ganze Harmonie der Familie. Das Herrenhaus ist vortrefflich. Großer Hof, ein großer Gemüsegarten und viele Obstbäume. Fofo ist eine gute Hausfrau, es ist alles organisiert, zu jeder Jahreszeit hat sie das passende Gemüse und saftige Früchte. Die Mädchen helfen nach der Schule im Haushalt mit. Jannos sitzt mit seinem Sohn abends zusammen, er zeigt und erklärt all die Sterne am Himmelszelt und lehrt ihn, die Zeichen des Wetters zu verstehen. „Schau, Panagi, dort Richtung Tal, hinter der Bergschlucht, färbt sich der Himmel rötlich.“ Wahrscheinlich gibt es morgen schlechtes Wetter, und so war es. Wenn der Mensch nahe an der Natur lebt, mit offenen Augen und wachem Verstand an das Universum, wird er lernen, die Welt zu verstehen. So lernt Panagi von seinem Vater, die Natur zu respektieren und so in Einklang und Freude damit zu leben. Gott sei Dank. Ein leckeres Düftchen zog über die Veranda und umschmeichelt ihre Nasen. Mama Fofo hat sich mal wieder selbst übertroffen. Es gibt frische, knusprige, warme Tiroppita. Die ganze Familie sitzt am Tisch, Lachen und Unterhaltung, Jannos sagt kein Wort, er schaut sich nur um. Die Mädchen plappern und unterhalten sich mit ihrer Mutter. Es ist ein fröhliches Zusammensein. Nur Jannos wirkt etwas nachdenklich. Er schaut durch das Fenster und denkt. Der Winter wird etwas früher kommen, die Zugvögel machen sich bereit für ihre weite Reise. Auch die Hunde muss man bereit für den Winter machen. Sie bekommen am Hals ein Stachelband, es ist zum Schutz gegen die Wölfe. Über die Winterzeit kommen die Wölfe von den Bergen bis nach unten in die Nähe des Dorfes, bis in die Ställe von Jannos, sie sind hungrig und gefährlich. Wie gut, dass er so gute Hunde hat. Fofo macht, wenn sie für die Familie Brot bäckt, auch für die Hunde etwas Spezielles, ihre Leckerei.
Der erste Schnee ist gefallen, auf die fernen Bergspitzen ist die weiße Krone aufgesetzt. Fofo blickt ein bischen stolz in ihren Garten. Er ist voll mit gutem Wintergemüse. Auch hatte sie während des Sommers Fische luftgetrocknet. Eine wahre Delikatesse in der Winterzeit!
Die Schafe und Ziegen sind geschoren. Jannos bringt die Wolle in die Weberei in der Stadt. Sie fertigen daraus einen dicken, filzigen Stoff, aus dem die Wintermäntel für die Schäfer genäht werden. Sie halten warm und kein Schnee oder Wasser kann sie durchdringen.
Jannos gibt seiner Frau den Flachssack. „Ich brauche Salz für die Tiere, es war zu warm letzte Woche, die brauchen es, da drüben, über die weißen Felsen werde ich es zerstreuen.“ Und so macht er sich auf den Weg zum Stall, der weit oben in Richtung Berge lag.
Er wirft einen Blick zurück und schmunzelt über seine spielenden Töchter. Auf dem Weg macht er immer eine Rast und geht in die Kirche, die dem heiligen Georg geweiht ist. Er geht hinein, zündet eine Kerze an und hält für einen Moment inne. „Er wird uns beschützen“, denkt er und macht sich wieder auf den Weg. In ein paar Tagen ist das Fest des heiligen Dimitrius. Es wird immer ein großes Fest und viele Leute aus den umliegenden Dörfern werden kommen. Sie werden feiern, tanzen und beten. Jannos freut sich sehr darauf, brachte es doch etwas Abwechselung in den oftmals harten Alltag. Hinterm Haus, etwas abgelegen, ist der Hühnerstall. Hühner, Gänse, Enten, Truthähne. Nicht zu vergessen die zwei stolzen Hähne, die mit ihrem Geschrei die ganze Nachbarschaft morgens wecken. In der Nähe ist auch ein paar Meter daneben ein kleines, umzäuntes Gehege für die drei Zuchtschweine. Es ist Mitte Dezember und Winterzeit ist Schlachtzeit. Sie werden ihren Zweck bald erfüllt haben und Fofo wird in ihrer Küche viele schmackhafte Spezialitäten aus ihrem Fleisch zubereiten. Alle freuen sich auf dieses Ereignis, auch auch wenn dem Einen oder Andren die Tiere doch ein bisschen Leid taten. Aber so ist es nun einmal.
Es ist Anfang Dezember, Nikolaustag, die schwierigen Tage haben begonnen für alle Viehhalter, es ist die Zeit, wo die Schafe und Ziegen gebären, Zwillinge oder Drillinge, was für hübsche Neugeborene!
Fofo hat einen besonderen Platz zurecht gemacht, eine geschützte Ecke mit viel Stroh, für die schwächeren, kleinen Neulinge, die meckern die ganze Zeit, so wie alle Babys auf dieser Welt. Sie suchen nach Mama, Liebe und Geborgenheit.
Während dieser eisigen Winternächte versammeln sich immer in einer warmen, guten Stube Freunde und Verwandte und gehen von Haus zu Haus, um sich zu unterhalten. Die Mädchen lernen von den Mamas feine, verschiedene Handarbeiten, Stricken, Sticken, Spinnen mit der Wolle der Schafe, die im Frühling geschoren worden. Die Männer sprechen über Politik, das kommende Jahr. Sie rauchen ihren fein geriebenen Tabak und trinken den selbst gekelterten Wein.
Die Namenstage von Fofo und Jannos stehen vor der Tür. Am sechsten Januar der von Fofo und einen Tag später der von Jannos. Es wird wie immer ein großes Fest. Die Vorbereitungen sind in vollem Gange. Verwandtschaft, Freunde, Bekannte, Papa Dimos; mit Kreuz und Weihwasser wird er das Haus, Hof, Menschen und Tiere segnen, danach geht es los mit dem Fest. Die Töchter schwingen sich flink, elegant und immer mit einem freundlichen Wort zwischen die Gäste und bieten die selbstgemachten Leckereien und natürlich den eigenen Wein an und selbstgebrannter Tsipouro rinnt durch die durstigen Kehlen. Die Unterhaltung ist in Hochstimmung. Papa-Dimos blickt auf das lustige Treiben. Vor allem auf die hübschen, anmutigen Töchter von Jannos und Fofo und sagt: „Was meinst du, Jannos, es ist Zeit, die Töchter sind reif, in heiratsfähigem Alter, es gibt im Dorf und in der Umgebung viele junge, nette, attraktive Männer.“ Jannos schaut zu Fofo, sie erwidert seinen Blick und Jannos weiß, sie denkt das Gleiche. Sie verstehen sich auch ohne Worte. Die Liebe und das Vertrauen sind so groß! Es ist noch Mitte Januar, Mama Fofo bereitet die Wasilopitta vor, so wie jedes Jahr, es ist ein freundliches Fest für die Familie und die ganzen Hirten mit ihren Familien. Mal sehen, wer wird der Glückliche sein, in diesem Wasilopitta-Kuchen ist eine Goldmünze versteckt, die Spannung ist groß!
Alle sind versammelt um den runden, großen Tisch. Jannos zeichnet ein Kreuz mit dem Messer auf den Kuchen und jetzt schneidet er für jeden ein Stück ab. Alle warten und es sucht jeder in seinem Teller, auf einmal sagte die kleine Marigo, die Tochter von Hirte Ntino, die Spannung ist jedem am Gesicht zu sehen: „Hier, ich habe es, es ist meine, es ist meine!“ Das Mädchen tanzt von Freude, Jannos küsst das Kind auf seine Stirn, auch Fofo wünscht jedem ein glückliches, gesegnetes neues Jahr.
Jeder bekommt ein Geschenk als Dankeschön und als Wertschätzung für ihre Arbeit. Fofo schenkt jedem noch ein Gläschen Tsipouro ein. Sie heben ihre Gläser und trinken auf ein gutes, neues Jahr und wünschen sich gegenseitig viel Glück.
Die Tage vergehen mit viel Arbeit und Sorgen um die Neugeborenen, Schwachen, Kleinen. Jeden Tag bekommen sie von Fofo oder den Töchtern zusätzlich Milch. Gierig schmatzend saugen sie die Milch aus den Flaschen, um ihren Hunger zu stillen.
Draußen tobt der Wind, pfeift zwischen den dicht geflochtenen Zweigen der Zypressen. In den alten wuchtigen Platanen drängen sich die kleinen Nester der Spatzen eng aneinander, um sich gegenseitig vor der eisigen Kälte zu schützen.
Diese alten Platanen könnten vieles sagen, Geschichten und Geschichte!!! Im Frühling kommen die jungen Mädchen und Männer vom Dorf an den nahegelegenen Brunnen zum Wasserholen.
Der erste Flirt, das erste Herzrasen und vielleicht der erste Kuss, mit Scham und roten Bäckchen. Sie richten ihre Blicke nach unten und gehen mit dem Wasserkrug heim, mit dem seltsamen, unbekannten Wirrwarr an Gefühl. Bevor es dunkel wird, sind alle Mädchen zu Hause, füllen die Petroleumlampe und putzen das Glas, so ist es heller im ganzen Haus. Die Petroleumlampen geben ihr wohliges Licht, in der Winterszeit wird es schnell dunkel.
Die Fastenzeit ist da. Jeden Freitag geht die Familie zu Papa-Dimos in die Kirche. Es sind die Feiertage vor Ostern, es wird die Mutter Gottes gepriesen. In der Wohnstube brennt Tag und Nacht der große Ofen. Draußen fällt der Schnee dicht, der alles in ein weißes Tuch hüllt. Die Nachbarinnen sind gekommen, jede mit ihrer Handarbeit. Fofo strickt gerade für ihren Jannos und für den Sohn Panagi warme Wollsocken, sie beobachtet ihren Sohn, er wird langsam zum Mann, es ist sein erster Bart, ganz weich, zu sehen. Ein gutaussehender Mann und ein guter Mensch, sie ist gottfroh. Frau Maro hat viele schöne Handarbeitssachen extra für Lenio, sie ist sehr geschickt beim Häkeln. In einer Ecke ist der Webstuhl aufgestellt, die Mädchen weben mit bunter Farbe schöne Teppiche und Wolldecken. Es ist immer eine Gastfreundschaft zu fühlen in diesem Haus. Es ist spät geworden, jeder sagt Kalinichta und geht nach Hause.

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