Blutlinie

Blutlinie

Band 2 - Privatdetektivin S. Holmes

Enrico Krull


EUR 18,90
EUR 11,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 264
ISBN: 978-3-948379-65-0
Erscheinungsdatum: 28.09.2020
Shandyra versucht sich, verbannt aus England, im Chicago der 1930er-Jahre als Privatdetektivin durchzuschlagen. Eines Tages wird ihr ein lukrativer Fall angeboten, doch von Anfang an tun sich Verstrickungen auf, in die Shandyra immer tiefer hineingerät.
I.

… Chicago im November 1938

Müde und mit einem dicken Schädel, als ob sie sich am Abend zuvor sinnlos betrunken hätte, wachte sie gegen Mittag in ihrer winzigen Dachgeschosswohnung auf. Draußen war es, wie schon die ganzen Tage zuvor, grau in grau, und es schüttete mal wieder wie aus Eimern vom trüben Himmel auf die schmutzigen Straßen und Gassen von Chicago. Das Wetter war typisch für November. Kühl und nass, doch dieses Jahr meinte es Petrus besonders gut mit der Stadt am Michigan-See.
Und das Wetter spiegelte ihre derzeitige Verfassung mehr als deutlich wider. Sie fühlte sich matt und lustlos und am liebsten wäre sie einfach im Bett geblieben und hätte abgewartet, bis sich die Wogen in England gelegt hatten. Das jedoch konnte noch eine ganze Weile auf sich warten lassen. Zeit störte sie nicht, die hatte sie mehr als reichlich zur Verfügung, aber dass sie ausgerechnet in das Land hatte fliehen müssen, das sie fast so wenig mochte wie dieses gottverfluchte Frankreich, stieß ihr ziemlich sauer auf. Doch sie war nun einmal hier und musste das Beste aus ihrer Situation machen. Sie hatte nicht viel aus ihrer Heimat mitnehmen können, einzig ihren geliebten Aston Martin Sport 15/98 aus dem Jahre 1937 und einige persönliche Dinge. Ihr Vermögen war auf Eis gelegt worden und auch ihre Güter und anderen Besitzungen hatte man beschlagnahmt oder unter Treuhand gestellt.
Okay, sie hätte vielleicht nicht versuchen sollen, George VI., König von England, zu beißen, weil sie wissen wollte, wie sein interessant duftendes Blut schmeckte. Zugegebenermaßen eine saublöde Idee. Das war ihr im Nachhinein auch klar. Aber sie mochte diesen König, allein schon wegen seiner Ausstrahlung, und dann war da dieses Verlangen nach Blut, und so war eines zum anderen gekommen. Sie war eben auch nur eine Vampirin mit bestimmten Bedürfnissen. Sie hatte bis zu diesem plötzlichen Verlangen einige Zeit am Hofe des Königs als persönliche Leibwache der beiden Prinzessinnen gedient, wobei ihr Prinzessin Elisabeth etwas lieber war als Prinzessin Margaret.
Doch nachdem sie in einem schwachen Moment, hervorgerufen durch einen zu langen Zeitraum der Blutabstinenz, versucht hatte, den König zu beißen, war sie auf unbestimmte Zeit aus ihrer geliebten Heimat verbannt worden. Es war ihr keineswegs leichtgefallen, England zu verlassen.
Sie war zunächst nach Kanada gegangen, doch dort hatte sie es nicht sehr lange ausgehalten. Es hatte sie zu sehr an ihre verlorene Heimat erinnert und die Kanadier waren ihr einfach viel zu nett. Natürlich hatte sie noch immer Kontakte nach Hause, schließlich hatte sie ja seit dem Weltkrieg nebenbei für den britischen Geheimdienst MI6 gearbeitet. Und der ließ eine wie sie nicht gehen, egal was sie getan oder angestellt hatte. Sie musste eben nur eine Weile das Land verlassen und warten, bis Gras über die Sache gewachsen war oder man sie und ihre besonderen Fähigkeiten wieder benötigte. Sicherlich, sie hätte überall leben und ihre Beute machen können, aber sie liebte dieses Land, in dem sie im Jahre 1060 als sechstes Kind eines Adligen und dessen Mätresse geboren worden war. Doch das waren Erinnerungen aus einem anderen Leben, einer anderen Zeit. Einer Zeit, zu der sie noch ein Mensch gewesen war und nichts von der Welt hier draußen gewusst hatte. Doch das hatte sich nach der Schlacht von Hastings 1066 geändert. Ihre sterbende Mutter hatte sich mit ihr bis zu einem Nonnenkloster durchgeschlagen, wo sie starb und man das Kind als Waise aufnahm. Wohin hätten sie auch gehen sollen? Dort lernte sie Rowena kennen, eine Vampirin, die sie zu einer von ihnen machte, ohne dass es Shandyra bewusst gewesen wäre.
Müde rieb sie mit beiden Händen über ihr Gesicht. Sie hatte doch gestern nichts getrunken, als sie diese hübsche, aber leider etwas einfältige Nutte in ihren Wagen geholt und mit zu sich genommen hatte. Wo war diese Frau eigentlich? Sie sah sich nach ihr um und entdeckte sie halb zugedeckt neben sich auf dem großen Bett. Das Deckbett verdeckte ihr fast noch kindliches Gesicht mit den leicht traurigen Augen.
Scheiße! Hatte sie sie etwa umgebracht? Langsam kamen die Erinnerungen an die letzte Nacht zurück. Sie hatte diese – wie hieß das Mädchen eigentlich noch gleich? … Ach, egal!
Na ja, sie hatte sie auf dem Straßenstrich aufgelesen und mit zu sich genommen. Die 25 Dollar waren nicht verschwendet. Die Kleine hatte ihr eine leidenschaftliche Nacht geschenkt. Auch das Geld für die Pizza und die Flasche Johnny Walker, die leer auf dem Boden neben dem Bett lag, war nicht verschwendet. Es war seit längerem wieder eine Nacht voller Leidenschaft gewesen und sie hatte endlich wieder mal neben einer hübschen Frau einschlafen können. Doch woher hatte sie diesen verdammten Kater – wenn es denn einer war? Sie hatte noch nie wirklich ein Problem damit gehabt, viel Alkohol zu sich zu nehmen. Er wirkte bei ihr eigentlich kaum, und wenn, dann nur für einige Minuten, da sie als Vampirin immun gegen sämtliche Gifte war, die es gab, und Alkohol war ein Gift, wenn man es genau nahm.
Sie stand auf und ging nackt und auf bloßen Füßen geräuschlos um das Bett herum. … Verdammt, die Kleine war wirklich tot. Wie hatte das passieren können? Sie hatte doch nur wenig Blut getrunken, während sie Sex miteinander hatten, jedenfalls nach ihrer Erinnerung. Sie fühlte den Puls, doch die junge Frau war schon seit Stunden tot. Dennoch, sie konnte es sich nicht erklären wieso. Als sie überlegte, wie sie die Leiche ohne Aufsehen loswerden konnte, stieß sie mit ihren Zehenspitzen gegen etwas Kaltes, das unter dem Bett lag. Sie bückte sich danach und hob es auf.
Es war eine Injektionsspritze … und sie war leer. Als sie jedoch daran roch, erkannte sie, was in dem nun leeren Zylinder einmal gewesen war: Heroin! Dieses dumme Mädchen hatte sich, als Shandyra in dem kleinen Bad ihrer Dachwohnung gewesen war, den goldenen Schuss gesetzt. Und durch das Trinken ihres Blutes hatte auch sie etwas von der Wirkung gespürt. Also hatte sie das arme Ding nicht getötet. Doch das machte die Sache auch nicht wirklich besser und auch das Mädchen nicht wieder lebendig. Sie hatte noch immer eine junge, nackte und vor allem tote Frau in ihrem Bett und wenig Lust, die Polizei in ihren privaten Angelegenheiten herumschnüffeln zu lassen. Die meisten Amerikaner waren, was die Liebe zwischen Frauen oder auch Männern anging, nicht gerade aufgeschlossen. Sie waren sogar noch weiter zurück als die Menschen im guten alten Europa.
Sie legte die junge Frau, die halb auf dem Bett, halb außerhalb davon lag, sanft wieder auf die Schlafstätte zurück, bedeckte sie, nachdem sie die leeren graugrünen Augen, die nun ohne jeglichen Funken Leben waren, geschlossen hatte, und ging ins Bad. Sie brauchte erst einmal eine Dusche. Dann konnte sie sich ja noch immer Gedanken machen, was sie mit der Leiche tun sollte. Es trieb sie nichts. Zurzeit hatte sie keinen Fall und der letzte war auch nur so einer dieser typischen Aufträge, die sie gelegentlich an Land zog, untreuen Ehepartnern hinterherspionieren und Bilder machen, am liebsten in eindeutigen und verfänglichen Posen.
Sie mochte diese Art von Aufträgen nicht sonderlich, doch sie sicherten ihr zumindest ein gewisses Auskommen. An ihr Vermögen kam sie ja zurzeit nicht ran. Die letzte Klientin, eine Frau, die nun den Ehebruch ihres Mannes beweisen und so die Hälfte seines Vermögens für sich beanspruchen hatte können, war nach der Scheidung recht spendabel gewesen. Doch davon würde nicht viel bleiben nach Abzug der Unkosten und der Miete für ihre Wohnung und das kleine Büro, das sie angemietet hatte und das in einem Bürohaus ganz oben lag. Und da war ja auch noch Samy, Samantha King, wie sie mit vollem Namen hieß, ihre Sekretärin, eigentlich Mädchen für alles. Auch sie wollte Geld sehen. Sie war ein wenig chaotisch und ab und an etwas tollpatschig, aber Shandyra mochte Samy mit ihren feuerroten langen Haaren, den immer etwas schmollenden Lippen und den smaragdgrünen Augen, die immer neugierig zu sein schienen.
Was sie aber besonders an ihr mochte, war ihre ehrliche, wenn auch manchmal nervige Art, und vor allem, dass sie lesbisch war. Sie hatten schon den einen und anderen heißen Sex im Büro miteinander gehabt, aber Samy wollte sich nicht binden und Shandyra wollte nicht für immer in den USA verweilen. So hatten sie beide das, was sie wollten, ohne in irgendeiner Weise eine Verpflichtung der anderen gegenüber eingehen zu müssen.
Shandyra hatte sich inzwischen fertig gemacht und auch die Kopfschmerzen waren verflogen, dennoch hatte sie schlechte Laune. Eigentlich hatte sie vor, die Tote in ihrem Bett in der nächsten Nacht heimlich irgendwo im Michigan-See zu entsorgen, doch nun, da sie wieder vor dem Bett stand, fand sie es gegenüber dem armen Mädchen, das viel zu jung gestorben war, nicht richtig. Auch sie hatte Träume gehabt, die sich nun nie erfüllen würden, hatte ein Leben in Liebe und Glück gesucht und verdient. Doch nun war sie tot, würde niemals die Liebe ihres Lebens finden. Shandyra wollte ihr wenigstens einen letzten Akt der Menschlichkeit erweisen. Sie würde später Claire Ferguson, einen Detective vom hiesigen Polizeirevier, anrufen und ihr das Ganze erklären. Es gefiel ihr zwar nicht, aber so bekam das Mädchen wenigstens ein anständiges Begräbnis, und vielleicht würde ja auch jemand dafür bestraft werden, der ihr das Zeug verkauft hatte. Sie hoffte nur, dass man nicht ihr dafür die Schuld geben und sie im Endeffekt für etwas zu belangen versuchen würde, mit dem sie nichts zu tun hatte. Diese Claire Ferguson war keine Freundin von Privatschnüfflern, wie sie einer war. Doch sie war fair und nicht auf den Kopf gefallen. Eine seltene Begabung bei Amerikanern, wie Shandyra fand. Zumindest war das ihr Eindruck von der Frau gewesen, als sie sich das erste Mal über den Weg gelaufen waren.
Sie schlug noch einmal die Decke zurück und beugte sich über das Mädchen. Sie wollte sehen, ob die beiden Bissmale am Hals der jungen Frau noch zu erkennen waren, ob sie vergessen hatte, die beiden kleinen, verräterischen Wunden mit ihrem Speichel zu versiegeln. Sie waren nicht zu erkennen, wenn man nicht über die sensiblen Augen eines Vampirs verfügte. Gut!
„Es tut mir leid, Kleines, wirklich leid, dass du kein gutes Leben hattest“, murmelte sie in einem Anflug von Bedauern. Sie hauchte der Toten noch einen Kuss auf die bleichen, kalten Lippen, dann bedeckte sie sie wieder und verließ ihre kleine Dachgeschosswohnung, um ins Büro zu fahren. Auf dem Weg nach unten – sie wohnte ja im sechsten Stock eines alten Mietshauses – kam ihr Mister Daniels entgegen.
„Ah, genau zu Ihnen wollte ich, junge Dame!“, rief ihr der alte, leicht gebeugt gehende Mann zu. Tja, das mit dem „jung“ war bei ihr so eine Sache, aber darüber wollte sie ihn nun wirklich nicht aufklären, auch wenn sie wie eine Frau um die Mitte zwanzig aussah. Das lag daran, dass sie Anfang zwanzig gewesen war, als sie gestorben und danach als Vampirin und völlig verwirrt und verunsichert wieder erwacht war.
Sie blieb stehen und wartete, bis der kleine, leicht dickliche Mann mit der Halbglatze und den abgetragenen Sachen zu ihr aufgeschlossen hatte.
„Was verschafft mir denn das besondere Vergnügen Ihrer Gegenwart, Mister Daniels?“, fragte sie in ihrer typischen, auf Amerikaner unterkühlt wirkenden britischen Art.
„Dass ihr Briten immer so verdammt höflich sein müsst, da kommt man sich ja immer so unterlegen vor“, murmelte er.
„Das liegt wohl daran, dass ihr verdammten Amerikaner es auch seid“, konterte Shandyra grinsend.
„Wirklich? Und ich dachte, wir hätten 1783 gewonnen“, frotzelte er zurück.
„Ich würde sagen, wir haben euch gewinnen lassen, aus reinem Eigennutz. Damit wir euch loswerden konnten“, lachte Shandyra leise, um nicht ihre spitzen Fangzähne zu zeigen.
Mister Daniels lachte aus vollem Halse. Dieses Spielchen trieben sie immer, wenn sie sich trafen. Er konnte diese Engländerin gut leiden, doch er war auch der Hausverwalter, und zu seinen Aufgaben gehörte es, die monatliche Miete einzutreiben. Und sie war mal wieder um eine Woche im Verzug.
„Miss Holmes. Ich …“, begann er.
„Jaja, ich weiß schon, was Sie sagen wollen, und ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mir wieder einmal etwas Zeit gelassen haben. Dafür habe ich auch schon die Miete hier für Sie. Ich war gerade auf dem Weg zu Ihnen“, log sie mit einem äußerst charmanten Lächeln. Sie hasste es, so zu Kreuze kriechen zu müssen. Eigentlich hatte sie mit dem Geld eine ganz andere Rechnung begleichen wollen, doch da musste Samy eben etwas warten und sich mit der Hälfte zufriedengeben.
„400 Dollar, stimmt genau, Miss Holmes. Und arbeiten Sie gerade an einem interessanten Fall?“, wollte er neugierig wissen.
„Das wird sich zeigen, Mister Daniels, das wird sich zeigen. Wenn Sie mich nun entschuldigen würden, der Fall wartet“, lächelte sie freundlich, während sie sich an ihm vorbei zum Ausgang des Hauses begab.
„Viel Erfolg, Miss Holmes!“, rief er ihr noch hinterher, während er das Geld nachzählte.
„Tja, wäre schön, überhaupt einen Fall zu haben“, murmelte sie seufzend in sich hinein. Sie war nicht gerade bekannt und die Klienten gaben sich auch nicht im Wechsel die Klinke in die Hand, um sie mit Aufträgen zu überschütten.
Vielleicht sollte ich mir doch eine anständige Arbeit besorgen, seufzte sie innerlich.
Sie setzte ihren schwarzen Fedora auf, ohne sich jedoch die Mühe zu machen, ihre langen, welligen, platinblonden Haare darunter zu verbergen. Sie schnürte den schwarzledernen, fast knielangen Trenchcoat enger um ihren Körper, als sie spürte, wie der Wind in den offenen Kragen pfiff, und zog sich ihre Lederhandschuhe über. Ihr Aston Martin 15/98 Short Zweisitzer stand auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Sie liebte diesen Wagen, der ganz in Schwarz gehalten war und blutrote Radkappen sowie rotes Leder auf den Sitzen und im Innenraum hatte. Dass sie mit geschlossenem Verdeck fahren musste, war nicht zu ändern, dennoch ärgerte es sie. Sie stieg ein und startete den Wagen. Sie brauchte etwa eine Viertelstunde bis zu ihrem Büro nahe dem Hafen. Trotz des Wetters war auf den Straßen einiges los und es war für sie immer noch etwas unverständlich, warum die Amerikaner auf der falschen Seite fuhren. Aber in diesem Land, auf diesem Kontinent, lief so einiges falsch, wie sie fand.
Da war das Fahren auf der falschen Straßenseite noch das geringste Problem.
Dennoch kam sie zügig durch den Verkehr und stellte ihren Wagen in dem nahen Parkhaus auf ihrem Stammplatz ab. Der Regen war inzwischen stärker geworden und prasselte nun förmlich auf sie hernieder, so dass sie sich beeilte, in das Bürogebäude zu kommen, wo sie mit dem Fahrstuhl bis in den siebenten Stock fuhr. Auf der mit milchigen, großen Scheiben versehenen und in dunklem Braun gestrichenen Holztür stand in einem leichten Bogen Privatdetektivin S. Holmes. Es war ihr Büro, klein, aber ihres. Sie konnte durch die geschlossene Tür deutlich hören, wie etwas aus Glas zu Bruch ging und Samy in ihrem typischen Dialekt, der sie als Landei verriet, vor sich hin fluchte.
Shandyra, die sich sonst immer über Samys Tollpatschigkeit amüsierte, konnte ihr diesmal nicht wirklich etwas abgewinnen. Schließlich wacht man nicht jeden Morgen neben einer Frau auf, mit der man Sex hatte und die dann einfach tot daliegt.
Schlecht gelaunt öffnete sie die Tür und ließ sie deutlich hörbar hinter sich ins Schloss fallen.
Samy sah erschrocken auf.
„Oh, du bist das, Chefin. War wohl ’ne lange Nacht, wenn du so spät ins Büro kommst“, grinste sie zweideutig.
„So kann man das auch sehen“, brummte Shandyra zurück.
Samy stutzte. „Habe ich was Falsches gesagt?“, fragte sie vorsichtig, während sie die Scherben der Vase in den Eimer warf, wo sie noch einmal laut schepperten. Sie zog sich ihren viel zu engen, knielangen grauen Rock wieder zurecht und richtete ihre weiße, nicht ganz blickdichte Bluse zurecht, wobei sie bewusst die beiden oberen Knöpfe öffnete, damit Shandyra einen besseren Blick auf ihre großen, festen Brüste bekam, auf die sie sehr stolz war. Sie wusste, Shandyra liebte ihre beiden Argumente, und außerdem wollte sie ihren Lohn für den letzten Monat, denn den schuldete ihre Chefin ihr noch immer. Und sie hatten schon den neunten November.
Shandyra hängte ihren Trenchcoat an den Haken und ihren Hut darüber, dann ging sie durch die zweite Tür in das eigentliche Büro, ohne Samy noch eines weiteren Blickes zu würdigen.
Samy sah ihr verwirrt hinterher. Sie arbeitete jetzt schon seit einem halben Jahr für diese mehr als attraktive Engländerin und hatte sich schon an einiges gewöhnt, doch noch nie hatte sie sie so ohne ein „Guten Morgen“, auch wenn es schon recht spät war, stehen gelassen.
War wohl doch keine so tolle Nacht. Tja, hätte Shandyra sie gestern gefragt, ob sie was vorhat, sie hätte alles stehen und liegen gelassen. Diese Engländerin, so kühl sie auch manchmal wirkte, war eine absolute Offenbarung in puncto Sex. Sie überlegte kurz, ob sie noch einen dritten Knopf öffnen sollte, nur um ganz sicher zu gehen, dass sie ihr Geld bekam und nicht Gefahr lief, Shandyras Zorn auf sich zu ziehen. Sie entschied sich dann jedoch dagegen, sie zeigte schon jetzt mehr als nötig. Sie wartete noch einen kurzen Moment, um ihrer Chefin zu folgen. Der Augenblick wollte richtig gewählt sein.
Noch einmal die weiße Bluse straffgezogen, damit man auch ja sah, was sie hatte, und dann ging sie hinter Shandyra in das Büro, in dem sich nicht mehr als drei schwere, dunkelgrüne Sessel und ein wuchtiger Schreibtisch nebst Stehlampe befand. Einige Bilder hingen an der Wand, von denen sie noch nicht einmal wusste, ob Shandyra sie hingehängt hatte oder ob sie noch von einem der Vorbesitzer des Büros oder gar dessen Vorgänger stammten.
Der Raum lag im Halbdunkel und es war kühl. In der Luft hing kalter Rauch, der von der Zigarette stammte, die Shandyra sich angesteckt, jedoch nach zwei Zügen in einem ansonsten leeren Aschenbecher wütend ausgedrückt hatte.
Oh, oh, das sah wirklich nicht gut aus. Shandyra rauchte nie, es sei denn, sie war besonders schlecht drauf. Vielleicht sollte ich mich ganz ausziehen, um wenigstens ein Viertel meines Lohnes zu bekommen, überlegte Samy kurz. Doch das war dann selbst für sie schon zu weit aus dem Fenster gelehnt.
„Bevor du fragst: Nein!“, fauchte Shandyra sie gereizt an. „Ich hab doch noch gar nichts gesagt“, verteidigte Samy sich getroffen. „Deine oberen beiden Knöpfe sind offen, das machst du immer, wenn du Geld haben willst!“, fuhr sie Samy an.
„Als ob es dich je gestört hätte, mir auf die Titten zu starren oder sie gar in die Hände zu nehmen“, beschwerte Samy sich beleidigt. Shandyra seufzte vernehmlich auf.
„Du hast ja Recht, Samy, tut mir leid“, meinte Shandyra beschwichtigend.
„Schon gut. Was ist denn los mit dir, Chefin? War die Kleine letzte Nacht so schlecht?“, fragte sie. Samy umrundete mit einem gekonnten, aber nicht aufgesetzt wirkenden Hüftschwung den Tisch und setzte sich mit ihrer rechten Pobacke direkt vor Shandyra darauf. Sie beugte sich ein wenig zu der sitzenden Shandyra und sah sie offen an.
Shandyra sah auf Samys einladende Oberweite. „Das jetzt nicht. Sie war wirklich gut … nur war sie heute Morgen leider ein wenig tot, als ich aufwachte“, meinte Shandyra resigniert.
„Was? Du hast sie doch nicht etwa völlig ausgesaugt?“, fragte Samantha und sah sie dabei entsetzt an.
Shandyra hatte für einen Augenblick vergessen, dass Samy ihr Geheimnis kannte, schließlich hatte sie schon einige Male zugebissen und beim Bürosex von Samys Blut getrunken. Samy störte dies nicht weiter, sie fand es sogar irgendwie erregend, wenn sie Shandyras Zähne an ihrem Hals spürte, während sie dabei ihren Orgasmus hatte. Es hatte etwas Verbotenes, etwas Verruchtes und Gefährliches, was sie richtig anmachte.
„Nein, natürlich nicht! Für was hältst du mich? … Ähm, vergiss die Frage! … Nein, sie hatte sich vor dem Sex, ohne dass ich es bemerkte, Heroin gespritzt. Die Kleine war nicht älter als neunzehn!“, meinte Shandyra bedrückt. Samy beugte sich noch weiter vor, nahm Shandyras Kinn in ihre Hand und zwang sie so, ihr in die Augen zu sehen, dann gab sie ihr einen längeren, zärtlichen Kuss.
„Danke, das habe ich gebraucht“, flüsterte Shandyra. „Geld gibt es aber trotzdem keines. Ich musste meine Miete bezahlen, die war überfällig“, fügte sie dann mit Bedauern hinzu.
„Ach, ich zahl wohl keine Miete, oder was?“, meinte Samy leicht säuerlich.
„Schon gut, hier, das sind meine letzten hundert Dollar.“ Sie gab Samy die zerknüllten Scheine. „Und was ist mit dir?“, fragte Samy. Sie wusste, wenn Shandyra sagte, es seien ihre letzten, dann waren es auch ihre letzten hundert Dollar. „Ich komm schon klar“, meinte Shan abwinkend. Samy nahm die Hälfte der Zehndollar-Noten und stopfte sie Shandyra in den Ausschnitt ihrer Bluse.
5 Sterne
Leseempfehlung  - 10.07.2021
Marcus

Spannend geschrieben. Lebhaft und mitreißen schaft es auch der zweite Band den Leser mitzunehmen.Klare Leseempfehlung!

4 Sterne
Wieder sher gut.  - 27.10.2020
Patric

Wer den ersten Band gelesen hat muss auch dies Buch lesen. Es ist noch packender.

5 Sterne
Sehr spannend geschrieben - 12.10.2020
Emil 20

Wenn man erst mal anfängt zu lesen fällt es sehr schwer das Buch wieder wegzulegen. Das Buch ist sehr spannend und lebensecht geschrieben ,einfach faszinierend. Man fühlt sich beim Lesen als ob man selbst die Hauptperson ist . Der Autor versteht sein Handwerk .

5 Sterne
Sehr empfehlenswertes Buch - 12.10.2020
Carmen

Blutlinie Band 2 ist sehr spannend und lebendig geschrieben. Ein großes Lob an den Autor, weiter so

5 Sterne
Sehr empfehlenswertes Buch - 12.10.2020
Carmen

Blutlinie Band 2 ist sehr spannend und lebendig geschrieben. Ein großes Lob an den Autor, weiter so

5 Sterne
Wieder sher gut.  - 12.10.2020
Patric

Wer den ersten Teil gelesen hat muss diedes hier lesen. Absolut lesenswert.

5 Sterne
Wieder sher gut.  - 12.10.2020

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