Aus den dunkelsten Ecken eines liebevollen Herzens

Aus den dunkelsten Ecken eines liebevollen Herzens

Tino Steinchen


EUR 14,90
EUR 8,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 136
ISBN: 978-3-99064-456-0
Erscheinungsdatum: 21.01.2019

Leseprobe:

Das Beste



Wie geht es Ihnen? Gut? Sind Sie sich da sicher? Und ist gut überhaupt gut genug? Gibt es nicht etwas, das besser sein könnte? Etwas, das Sie ändern würden, wenn Sie es könnten? Natürlich nur, um die Gesamtsituation zu verbessern und vielleicht damit auch Ihre eigene. Ein bisschen mehr Geld jeden Monat wäre doch nicht verkehrt. Mehr Sicherheit durch strengere, ich meine natürlich bessere, Regeln und Kontrollen auch nicht.

Leider müssen wir täglich mit ansehen, wie sich unsere Lebensbedingungen verschlechtern. Oder haben Sie nicht das Gefühl, dass Sie sich immer weniger leisten können? Alles wird teurer, und gleichzeitig sinkt die Qualität. Froh können Sie sein, wenn Sie noch eine Arbeit haben. Und auch bei Vater Staat läuft nicht alles rund. Die Sozialleistungen werden schlechter, das soziale Netz bekommt Lücken, alles schreit nach Sparen.

Und weswegen? Natürlich wegen DENEN. Sie wissen, von wem ich rede. DIE sind schuld daran. Sie nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg. Sie leben auf Kosten des Staates und verschwenden unsere Steuergelder. Wie Maden im Speck leben sie bei uns und haben nicht einmal den Anstand, sich an unsere Kultur anzupassen. Dürfen DIE denn das? Ja, die dürfen das. Aber genau das wollen wir ändern.

Wir werden DENEN zeigen, wo der Hammer hängt. Wir werden DENEN die Gelder streichen und SIE aus unserem schönen Vaterland werfen. Die anderen kümmern sich ja nicht darum, ganz im Gegenteil. Sie sind ja direkt froh darüber, dass DIE in unser Land kommen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe nichts gegen DIE. DIE sollen tun können und dürfen, was SIE wollen. Aber nicht hier.

Vertrauen Sie mir. Wir wissen, was wir tun. Anders als die anderen haben wir die Lösung für alle Probleme. Sind nämlich DIE weg, dann lösen sich auch alle anderen Probleme von selbst. Es gibt dann wieder genug Arbeit, die Sozialleistungen steigen wieder, und Sie haben dann auch wieder viel mehr Geld am Monatsende übrig. Und was müssen Sie dafür tun? Fast nichts, Sie müssen uns nur wählen.

Und dann? Dann werden wir tun, was wir schon in der Vergangenheit getan haben. Unsere Versprechen halten? Seien Sie nicht albern. Bis auf ein paar Änderungen, die wir medienwirksam breittreten, wird sich gar nichts ändern. Zumindest nicht sofort. Denn wir wollen schließlich unseren Lohn einstreichen, dafür, dass wir Ihnen jahrelang Honig ums Maul schmieren mussten.

Wir werden unsere Lage verbessern. Unsere persönliche Lage. Natürlich auf Ihre Kosten, wenn Sie so wollen. Aber erfahren werden Sie das erst viel später. Und wird es Einfluss auf Ihre weiteren Entscheidungen nehmen? Nein, wird es nicht. Weil Sie, und nehmen Sie mir diese Aussage nicht übel, einfach zu naiv sind. Und das nutzen wir aus, schamlos. Aber versuchen Sie nicht, darüber nachzudenken. Denken steht Ihnen nicht. Vertrauen Sie uns.

Wir erfahren alles über unsere Geschichte, erleben sie mit, aber nur wenige von uns lernen tatsächlich aus ihr. Und so sind wir im Strom der Masse gefangen, verdammt unsere Fehler zu wiederholen.










Das schwarze Kind



Silbriges Mondlicht flutete mit weichen Strahlen das friedliche Tal. Glitzernd spiegelte der leise vor sich hin plätschernde Fluss das Licht wider und wirkte wie ein zierliches Diadem, das die großen dunkelgrünen Bäume des nahen Waldes umschmeichelte. Eine zärtliche Sommerbrise strich über die goldenen Gräser nahe dem Wasser und ließ sanfte Töne die Nacht durchklingen. Ein Kind, bedeckt von schwarzem, samtenem Fell, stand inmitten dieses Friedens und beobachtete das Wasser, die Bäume, die Gräser und den Mond.

Tränen der Ergriffenheit rannen seine kleinen Backen hinab. Nie hatte es derartige Schönheit und Sanftheit erlebt. Tief in sich fühlte es eine Zufriedenheit, die dem Augenblick eine unvergleichbare Kostbarkeit verlieh. Noch gefangen in dem zeitlosen Moment kam eine Böe auf, spielte mit den Gräsern und neckte das Kind. Mit erfreutem Gekicher folgte das Kind dem Wind. Losgelöst und frei lief es durch die Wiesen.

Tränen des Windes traten in seine Augen. Vergnügt hüpfte es den Waldrand entlang und streifte mit seinen Händen immer wieder über die Ähren der Gräser. Sommer lag in der Luft und Sorglosigkeit. Plötzlich packten kräftige Hände das Kind und zogen es in das Dunkel des Waldes. Nicht sicher, was gerade geschehen war, blickte sich das Kind verstört um.

Tränen der Verwirrung zeigten sich an seinen Wimpern. Ein Mann kniete über ihm und sah es durchdringend an. Das Kind wusste nicht, wie es reagieren sollte. Es lächelte den Mann freundlich und doch unsicher an. Mit einer Hand strich der Mann zärtlich über die samtene Wange des Kindes. Doch als es sich aufzusetzen versuchte, wurde das Kind abrupt von dem Mann wieder auf den Boden gepresst.

Tränen der Verstörung sammelten sich an seinen Augenlidern. Das Kind wusste nicht, warum der Mann es einerseits grob auf den Boden presste und andererseits zärtlich berührte. Es sah nur ein merkwürdiges Verlangen in seinen Augen. Wieder strich er mit seiner Hand über den jungen Körper, diesmal fordernd und nicht mehr zärtlich. Unbehagen wuchs in dem Kind, aber seine Versuche, sich zu befreien, blieben erfolglos.

Tränen der Angst liefen an seinen Schläfen zu Boden. Der Mann hatte es fest im Griff und presste es hart auf den Waldboden. Das Kind versuchte im Gesicht des Mannes eine Erklärung für sein Handeln zu finden. Es fand keine. Mit schnellen, groben Rissen entkleidete der Mann das Kind, das immer noch verwirrt und ängstlich zu verstehen versuchte. Erst als der Mann seine Hosen öffnete, überkam das Kind eine schreckliche Erkenntnis.

Tränen der Panik flossen wie ein Fluss aus seinen Augen. Immer wieder fragte sich das Kind, warum der Mann so etwas tun konnte. Doch kein Grund schien ihm verständlich, kein Grund konnte eine solche Tat rechtfertigen. Wieder suchte es in den Augen des Mannes nach dessen Beweggründen, genauer und eindringlicher. Dieses Mal sah das Kind das rücksichtslose Verlangen noch deutlicher, war es übermächtig nicht nur in den Augen, sondern auch in dem Mann selbst.

Tränen des Verständnisses lösten die Angst und die Verwirrung ab. Der Mann war nicht Herr seiner selbst, so viel hatte das Kind erkannt. Er war seinen Trieben ausgeliefert und suchte nur dessen Befriedigung. Der Schmerz, den er dabei anderen beibrachte, stand hinter diesem übermächtigen Gefühl zurück und konnte sein Handeln nicht erreichen. In diesem Moment des Verstehens beschloss das Kind, dem Mann zu helfen.
Tränen der Güte glitzerten in seinen sanften Augen. Die Blicke des Mannes und des Kindes trafen sich und schufen einen Moment, der die Ewigkeit berührte. Sanft streichelte nun das Kind den Mann, der ein fast schüchternes Lächeln zeigte. Das Kind würde ihn von seinem Schicksal befreien. Er sollte nicht gefangen und nicht mehr dazu gedrängt sein, anderen Schmerzen zuzufügen. Er sollte frei sein.

Eine einzelne Träne der Liebe zierte das Gesicht des Kindes. Wieder schritt es durch die Gräser und streichelte mit seiner Hand die Ähren. Doch hüpfte es nicht mehr, sondern schritt bedächtig. Es hatte dem Mann ein Geschenk gemacht, das ihm Erlösung brachte. Sein Gesicht hatte sich gelöst, war mit einem Lächeln zu Boden gesunken. Das Verlangen war gewichen, aus seinem Körper, aus seinem Geist und aus seiner Seele.

Der Mann lag tot unter den mächtigen Bäumen des Waldes, im silbernen Zwielicht des Mondes. Er hatte das Geschenk des Kindes, das Geschenk des Todes, kommen sehen, doch hatte es ihn nicht geängstigt, hatte er doch erhalten, was er immer gesucht hatte: Frieden.










Der Bauer



Ganz sanft schlug das kleine Herz in seiner Hand. Die Augen, dunkel und glänzend, blickten fragend zu ihm auf. Ein quiekender, süßer Laut drang vom Schnabel an seine Ohren. Weiche Daunen schmiegten sich an ihn, während der Kopf langsam nach unten in den Schlaf sank. Die Augen schlossen sich, und der Atem wurde friedlich. In diesem Moment wusste er, dass sie alle sein Herz berührt hatten.

Vorsichtig legte er das Küken zu seinen Geschwistern und verließ den Verschlag. Während er behutsam die Tür schloss, um sie sicher für die Nacht zu wissen, blickte er noch einmal über sie hinweg. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und ein dunkler Blick, als er ihn gen Wald schickte. Dort lauerten Gefahren, vor denen er seine Kleinen schützen musste, wilde Tiere, die sich an ihnen vergreifen würden.

In den Strahlen der aufgehenden Sonne öffnete er den Verschlag wieder. Wild schnatternd begrüßten ihn seine Kleinen und doch nicht mehr so Kleinen. Schnell war die Zeit vergangen und hatte aus den Küken strahlend weiße Gänse werden lassen. Groß und eindrucksvoll drängten sie hinter ihm aus dem Verschlag und eroberten die Wiese, auf der sie jeden Tag den Sommer erlebten.

Sorgenlos gingen sie, einer nach der anderen, von einer Ecke der Wiese zur anderen. Furchtlos standen sie auch oft im Schatten des Waldes, wo ihnen schon einige Male eines ihrer Geschwister genommen worden war. Doch das schreckte sie nicht, waren Sorge und Angst nicht in ihren Herzen, nur die Freude und das Leben. Er hatte es aufgegeben, sie von dort zu vertreiben, und hoffte, dass sie alt genug waren, um sich zu verteidigen.

Schwer wurde sein Herz, als er auf die Wiese trat. Der Herbst hatte Einzug gehalten, und nun war es Zeit. Er erinnerte sich an all die schönen Stunden, die er mit seinen Kleinen verbracht hatte. Gelacht hatte er, geschimpft und gespielt. Sie hatten ihn berührt, sein Herz, seinen Geist, seine Seele. Hatten ihm die Kraft und Inspiration gegeben, Wort um Wort zu schreiben, von ihnen, von ihrer Freude, von ihrer Kraft.

Und doch, so sehr er sie auch liebte, war es an der Zeit. Sie waren, was sie waren. Und er war, was er war. Sie, die Gänse, er, der Bauer. Ihre Existenz war einem Zweck gewidmet, einem Zweck, der es forderte, dass sie ihr Leben hingaben. So lag es nun in seinen Händen, zu tun, was getan werden musste, um zu vollenden, was er begonnen hatte. Die eine oder andere Träne ging mit ihnen, ohne dass sie wussten, was geschah.

So ist es von jeher die Bestimmung des Bauern und seiner Tiere. Er liebt sie, und trotzdem weiß er, dass er sie töten wird. Und nichts weniger haben sie verdient, denn würde er sie nicht lieben, würde er ihr Leben nicht ehren.










Der perfekte Moment



Bald, so tröstete er sich, würde er ihn wiedersehen. Leider war Geduld nie eine seiner Stärken gewesen. Deshalb quälte ihn die Wartezeit ein wenig, auch wenn es eine süße Qual war. Er beendete seinen unruhigen Spaziergang, der ihn ohnehin nur wenige Schritte weg und dann wieder zurück an seinen Ausgangsort brachte. Angespannt setzte er sich auf die kleine Sitzbank und schloss seine Augen.

Sofort kehrte die Erinnerung an ihr letztes Treffen zurück. Seine dunklen Augen, die in seine Seele geblickt hatten. Sein männlicher Duft, der ihn vollkommen durchdrungen hatte. Seine tiefe Stimme, die ihn hatte erschauern lassen. All das hatte er nicht vergessen können. Es hatte ihn seit jenem Tag nicht mehr ruhen lassen. Alles, was er getan hatte, hatte diesen Augenblick als Grund. Und nun war er hier, bei ihm.

Nur noch wenige Augenblicke waren es, die ihn von ihm trennten. Es erschien ihm aber wie eine Ewigkeit, dort auf der Bank zu warten. Doch alles, was er getan hatte, alles, was er geplant hatte, alles, was sein würde, musste im richtigen Moment geschehen. Es sollte perfekt sein. So perfekt wie ihr erstes Treffen. Einzig, dass diese Verbindung, dieses Band, das er zwischen ihnen gefühlt hatte, nicht mehr da sein könnte, machte ihn unsicher und nervös.

Dann jedoch öffnete er die Augen. Dort stand seine Liebe in der dunkelgrünen Sommerwiese. Ihre Blicke trafen sich, und es war wie bei ihrem ersten Treffen. Ein Zittern erfasste ihn, als sein Angebeteter sich ihm näherte. Stolz und ohne Zweifel schritt dieser durch das Gras. Trotz weicher Knie stand er auf. Seine wackeligen Schritte konnten nicht mit den kraftvollen seiner Liebe mithalten. Doch all das war in diesem Moment nicht wichtig.

Von Angesicht zu Angesicht standen sie kurz still gegenüber, bevor sich ihre Lippen trafen. Sanft glitt Wange an Wange aneinander vorbei, während sich ihre Körper näherten und schließlich in einer Umarmung verschmolzen. Doch blieb es dieses Mal nicht dabei, lief er dieses Mal nicht davon, ließ er sich dieses Mal von seiner Liebe hinwegtragen. Keine Zweifel, keine Angst, kein Bedauern, nur Liebe war es, was er fühlte, als er von seinem Liebsten genommen wurde.

Helles, sanftes Licht erfüllte ihn, als er ihn in sich spürte. Er wusste, dass es ihn sein Leben kosten würde, doch auch das hatte keine Bedeutung, hatte keinen Platz in ihrer Vereinigung. Es war perfekt. Ein Moment in seinem Leben, in dem er war, wie er war. Dann war dieser auch schon vorbei, und kraftlos sank er zu Boden. Er spürte, wie das Leben, sein Blut, aus ihm floss. Mit Tränen in den Augen blickte er zu seiner Liebe auf, die still über ihm wartete.

Die Augen des Hengstes blickten ratlos in die seinen. Wie konnte er auch verstehen, dass Menschen und Pferde nicht füreinander geschaffen waren. Vorsichtig stupste dieser ihn mit seiner Schnauze an. „Steh doch auf, wir wollen miteinander laufen“, schien seine Liebe zu sagen, als ein leises Wiehern über seine Lippen glitt. Ein letztes Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes, bevor er seine Augen für immer schloss.

Unvernünftig scheint es, was wir aus Liebe tun, doch ist es in Wirklichkeit das Einzige, das in unserem Leben Bedeutung hat.

Das Beste



Wie geht es Ihnen? Gut? Sind Sie sich da sicher? Und ist gut überhaupt gut genug? Gibt es nicht etwas, das besser sein könnte? Etwas, das Sie ändern würden, wenn Sie es könnten? Natürlich nur, um die Gesamtsituation zu verbessern und vielleicht damit auch Ihre eigene. Ein bisschen mehr Geld jeden Monat wäre doch nicht verkehrt. Mehr Sicherheit durch strengere, ich meine natürlich bessere, Regeln und Kontrollen auch nicht.

Leider müssen wir täglich mit ansehen, wie sich unsere Lebensbedingungen verschlechtern. Oder haben Sie nicht das Gefühl, dass Sie sich immer weniger leisten können? Alles wird teurer, und gleichzeitig sinkt die Qualität. Froh können Sie sein, wenn Sie noch eine Arbeit haben. Und auch bei Vater Staat läuft nicht alles rund. Die Sozialleistungen werden schlechter, das soziale Netz bekommt Lücken, alles schreit nach Sparen.

Und weswegen? Natürlich wegen DENEN. Sie wissen, von wem ich rede. DIE sind schuld daran. Sie nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg. Sie leben auf Kosten des Staates und verschwenden unsere Steuergelder. Wie Maden im Speck leben sie bei uns und haben nicht einmal den Anstand, sich an unsere Kultur anzupassen. Dürfen DIE denn das? Ja, die dürfen das. Aber genau das wollen wir ändern.

Wir werden DENEN zeigen, wo der Hammer hängt. Wir werden DENEN die Gelder streichen und SIE aus unserem schönen Vaterland werfen. Die anderen kümmern sich ja nicht darum, ganz im Gegenteil. Sie sind ja direkt froh darüber, dass DIE in unser Land kommen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich habe nichts gegen DIE. DIE sollen tun können und dürfen, was SIE wollen. Aber nicht hier.

Vertrauen Sie mir. Wir wissen, was wir tun. Anders als die anderen haben wir die Lösung für alle Probleme. Sind nämlich DIE weg, dann lösen sich auch alle anderen Probleme von selbst. Es gibt dann wieder genug Arbeit, die Sozialleistungen steigen wieder, und Sie haben dann auch wieder viel mehr Geld am Monatsende übrig. Und was müssen Sie dafür tun? Fast nichts, Sie müssen uns nur wählen.

Und dann? Dann werden wir tun, was wir schon in der Vergangenheit getan haben. Unsere Versprechen halten? Seien Sie nicht albern. Bis auf ein paar Änderungen, die wir medienwirksam breittreten, wird sich gar nichts ändern. Zumindest nicht sofort. Denn wir wollen schließlich unseren Lohn einstreichen, dafür, dass wir Ihnen jahrelang Honig ums Maul schmieren mussten.

Wir werden unsere Lage verbessern. Unsere persönliche Lage. Natürlich auf Ihre Kosten, wenn Sie so wollen. Aber erfahren werden Sie das erst viel später. Und wird es Einfluss auf Ihre weiteren Entscheidungen nehmen? Nein, wird es nicht. Weil Sie, und nehmen Sie mir diese Aussage nicht übel, einfach zu naiv sind. Und das nutzen wir aus, schamlos. Aber versuchen Sie nicht, darüber nachzudenken. Denken steht Ihnen nicht. Vertrauen Sie uns.

Wir erfahren alles über unsere Geschichte, erleben sie mit, aber nur wenige von uns lernen tatsächlich aus ihr. Und so sind wir im Strom der Masse gefangen, verdammt unsere Fehler zu wiederholen.










Das schwarze Kind



Silbriges Mondlicht flutete mit weichen Strahlen das friedliche Tal. Glitzernd spiegelte der leise vor sich hin plätschernde Fluss das Licht wider und wirkte wie ein zierliches Diadem, das die großen dunkelgrünen Bäume des nahen Waldes umschmeichelte. Eine zärtliche Sommerbrise strich über die goldenen Gräser nahe dem Wasser und ließ sanfte Töne die Nacht durchklingen. Ein Kind, bedeckt von schwarzem, samtenem Fell, stand inmitten dieses Friedens und beobachtete das Wasser, die Bäume, die Gräser und den Mond.

Tränen der Ergriffenheit rannen seine kleinen Backen hinab. Nie hatte es derartige Schönheit und Sanftheit erlebt. Tief in sich fühlte es eine Zufriedenheit, die dem Augenblick eine unvergleichbare Kostbarkeit verlieh. Noch gefangen in dem zeitlosen Moment kam eine Böe auf, spielte mit den Gräsern und neckte das Kind. Mit erfreutem Gekicher folgte das Kind dem Wind. Losgelöst und frei lief es durch die Wiesen.

Tränen des Windes traten in seine Augen. Vergnügt hüpfte es den Waldrand entlang und streifte mit seinen Händen immer wieder über die Ähren der Gräser. Sommer lag in der Luft und Sorglosigkeit. Plötzlich packten kräftige Hände das Kind und zogen es in das Dunkel des Waldes. Nicht sicher, was gerade geschehen war, blickte sich das Kind verstört um.

Tränen der Verwirrung zeigten sich an seinen Wimpern. Ein Mann kniete über ihm und sah es durchdringend an. Das Kind wusste nicht, wie es reagieren sollte. Es lächelte den Mann freundlich und doch unsicher an. Mit einer Hand strich der Mann zärtlich über die samtene Wange des Kindes. Doch als es sich aufzusetzen versuchte, wurde das Kind abrupt von dem Mann wieder auf den Boden gepresst.

Tränen der Verstörung sammelten sich an seinen Augenlidern. Das Kind wusste nicht, warum der Mann es einerseits grob auf den Boden presste und andererseits zärtlich berührte. Es sah nur ein merkwürdiges Verlangen in seinen Augen. Wieder strich er mit seiner Hand über den jungen Körper, diesmal fordernd und nicht mehr zärtlich. Unbehagen wuchs in dem Kind, aber seine Versuche, sich zu befreien, blieben erfolglos.

Tränen der Angst liefen an seinen Schläfen zu Boden. Der Mann hatte es fest im Griff und presste es hart auf den Waldboden. Das Kind versuchte im Gesicht des Mannes eine Erklärung für sein Handeln zu finden. Es fand keine. Mit schnellen, groben Rissen entkleidete der Mann das Kind, das immer noch verwirrt und ängstlich zu verstehen versuchte. Erst als der Mann seine Hosen öffnete, überkam das Kind eine schreckliche Erkenntnis.

Tränen der Panik flossen wie ein Fluss aus seinen Augen. Immer wieder fragte sich das Kind, warum der Mann so etwas tun konnte. Doch kein Grund schien ihm verständlich, kein Grund konnte eine solche Tat rechtfertigen. Wieder suchte es in den Augen des Mannes nach dessen Beweggründen, genauer und eindringlicher. Dieses Mal sah das Kind das rücksichtslose Verlangen noch deutlicher, war es übermächtig nicht nur in den Augen, sondern auch in dem Mann selbst.

Tränen des Verständnisses lösten die Angst und die Verwirrung ab. Der Mann war nicht Herr seiner selbst, so viel hatte das Kind erkannt. Er war seinen Trieben ausgeliefert und suchte nur dessen Befriedigung. Der Schmerz, den er dabei anderen beibrachte, stand hinter diesem übermächtigen Gefühl zurück und konnte sein Handeln nicht erreichen. In diesem Moment des Verstehens beschloss das Kind, dem Mann zu helfen.
Tränen der Güte glitzerten in seinen sanften Augen. Die Blicke des Mannes und des Kindes trafen sich und schufen einen Moment, der die Ewigkeit berührte. Sanft streichelte nun das Kind den Mann, der ein fast schüchternes Lächeln zeigte. Das Kind würde ihn von seinem Schicksal befreien. Er sollte nicht gefangen und nicht mehr dazu gedrängt sein, anderen Schmerzen zuzufügen. Er sollte frei sein.

Eine einzelne Träne der Liebe zierte das Gesicht des Kindes. Wieder schritt es durch die Gräser und streichelte mit seiner Hand die Ähren. Doch hüpfte es nicht mehr, sondern schritt bedächtig. Es hatte dem Mann ein Geschenk gemacht, das ihm Erlösung brachte. Sein Gesicht hatte sich gelöst, war mit einem Lächeln zu Boden gesunken. Das Verlangen war gewichen, aus seinem Körper, aus seinem Geist und aus seiner Seele.

Der Mann lag tot unter den mächtigen Bäumen des Waldes, im silbernen Zwielicht des Mondes. Er hatte das Geschenk des Kindes, das Geschenk des Todes, kommen sehen, doch hatte es ihn nicht geängstigt, hatte er doch erhalten, was er immer gesucht hatte: Frieden.










Der Bauer



Ganz sanft schlug das kleine Herz in seiner Hand. Die Augen, dunkel und glänzend, blickten fragend zu ihm auf. Ein quiekender, süßer Laut drang vom Schnabel an seine Ohren. Weiche Daunen schmiegten sich an ihn, während der Kopf langsam nach unten in den Schlaf sank. Die Augen schlossen sich, und der Atem wurde friedlich. In diesem Moment wusste er, dass sie alle sein Herz berührt hatten.

Vorsichtig legte er das Küken zu seinen Geschwistern und verließ den Verschlag. Während er behutsam die Tür schloss, um sie sicher für die Nacht zu wissen, blickte er noch einmal über sie hinweg. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und ein dunkler Blick, als er ihn gen Wald schickte. Dort lauerten Gefahren, vor denen er seine Kleinen schützen musste, wilde Tiere, die sich an ihnen vergreifen würden.

In den Strahlen der aufgehenden Sonne öffnete er den Verschlag wieder. Wild schnatternd begrüßten ihn seine Kleinen und doch nicht mehr so Kleinen. Schnell war die Zeit vergangen und hatte aus den Küken strahlend weiße Gänse werden lassen. Groß und eindrucksvoll drängten sie hinter ihm aus dem Verschlag und eroberten die Wiese, auf der sie jeden Tag den Sommer erlebten.

Sorgenlos gingen sie, einer nach der anderen, von einer Ecke der Wiese zur anderen. Furchtlos standen sie auch oft im Schatten des Waldes, wo ihnen schon einige Male eines ihrer Geschwister genommen worden war. Doch das schreckte sie nicht, waren Sorge und Angst nicht in ihren Herzen, nur die Freude und das Leben. Er hatte es aufgegeben, sie von dort zu vertreiben, und hoffte, dass sie alt genug waren, um sich zu verteidigen.

Schwer wurde sein Herz, als er auf die Wiese trat. Der Herbst hatte Einzug gehalten, und nun war es Zeit. Er erinnerte sich an all die schönen Stunden, die er mit seinen Kleinen verbracht hatte. Gelacht hatte er, geschimpft und gespielt. Sie hatten ihn berührt, sein Herz, seinen Geist, seine Seele. Hatten ihm die Kraft und Inspiration gegeben, Wort um Wort zu schreiben, von ihnen, von ihrer Freude, von ihrer Kraft.

Und doch, so sehr er sie auch liebte, war es an der Zeit. Sie waren, was sie waren. Und er war, was er war. Sie, die Gänse, er, der Bauer. Ihre Existenz war einem Zweck gewidmet, einem Zweck, der es forderte, dass sie ihr Leben hingaben. So lag es nun in seinen Händen, zu tun, was getan werden musste, um zu vollenden, was er begonnen hatte. Die eine oder andere Träne ging mit ihnen, ohne dass sie wussten, was geschah.

So ist es von jeher die Bestimmung des Bauern und seiner Tiere. Er liebt sie, und trotzdem weiß er, dass er sie töten wird. Und nichts weniger haben sie verdient, denn würde er sie nicht lieben, würde er ihr Leben nicht ehren.










Der perfekte Moment



Bald, so tröstete er sich, würde er ihn wiedersehen. Leider war Geduld nie eine seiner Stärken gewesen. Deshalb quälte ihn die Wartezeit ein wenig, auch wenn es eine süße Qual war. Er beendete seinen unruhigen Spaziergang, der ihn ohnehin nur wenige Schritte weg und dann wieder zurück an seinen Ausgangsort brachte. Angespannt setzte er sich auf die kleine Sitzbank und schloss seine Augen.

Sofort kehrte die Erinnerung an ihr letztes Treffen zurück. Seine dunklen Augen, die in seine Seele geblickt hatten. Sein männlicher Duft, der ihn vollkommen durchdrungen hatte. Seine tiefe Stimme, die ihn hatte erschauern lassen. All das hatte er nicht vergessen können. Es hatte ihn seit jenem Tag nicht mehr ruhen lassen. Alles, was er getan hatte, hatte diesen Augenblick als Grund. Und nun war er hier, bei ihm.

Nur noch wenige Augenblicke waren es, die ihn von ihm trennten. Es erschien ihm aber wie eine Ewigkeit, dort auf der Bank zu warten. Doch alles, was er getan hatte, alles, was er geplant hatte, alles, was sein würde, musste im richtigen Moment geschehen. Es sollte perfekt sein. So perfekt wie ihr erstes Treffen. Einzig, dass diese Verbindung, dieses Band, das er zwischen ihnen gefühlt hatte, nicht mehr da sein könnte, machte ihn unsicher und nervös.

Dann jedoch öffnete er die Augen. Dort stand seine Liebe in der dunkelgrünen Sommerwiese. Ihre Blicke trafen sich, und es war wie bei ihrem ersten Treffen. Ein Zittern erfasste ihn, als sein Angebeteter sich ihm näherte. Stolz und ohne Zweifel schritt dieser durch das Gras. Trotz weicher Knie stand er auf. Seine wackeligen Schritte konnten nicht mit den kraftvollen seiner Liebe mithalten. Doch all das war in diesem Moment nicht wichtig.

Von Angesicht zu Angesicht standen sie kurz still gegenüber, bevor sich ihre Lippen trafen. Sanft glitt Wange an Wange aneinander vorbei, während sich ihre Körper näherten und schließlich in einer Umarmung verschmolzen. Doch blieb es dieses Mal nicht dabei, lief er dieses Mal nicht davon, ließ er sich dieses Mal von seiner Liebe hinwegtragen. Keine Zweifel, keine Angst, kein Bedauern, nur Liebe war es, was er fühlte, als er von seinem Liebsten genommen wurde.

Helles, sanftes Licht erfüllte ihn, als er ihn in sich spürte. Er wusste, dass es ihn sein Leben kosten würde, doch auch das hatte keine Bedeutung, hatte keinen Platz in ihrer Vereinigung. Es war perfekt. Ein Moment in seinem Leben, in dem er war, wie er war. Dann war dieser auch schon vorbei, und kraftlos sank er zu Boden. Er spürte, wie das Leben, sein Blut, aus ihm floss. Mit Tränen in den Augen blickte er zu seiner Liebe auf, die still über ihm wartete.

Die Augen des Hengstes blickten ratlos in die seinen. Wie konnte er auch verstehen, dass Menschen und Pferde nicht füreinander geschaffen waren. Vorsichtig stupste dieser ihn mit seiner Schnauze an. „Steh doch auf, wir wollen miteinander laufen“, schien seine Liebe zu sagen, als ein leises Wiehern über seine Lippen glitt. Ein letztes Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes, bevor er seine Augen für immer schloss.

Unvernünftig scheint es, was wir aus Liebe tun, doch ist es in Wirklichkeit das Einzige, das in unserem Leben Bedeutung hat.

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