Die Könige aus dem "Haus der Bäume" – Liebe und Leid

Die Könige aus dem "Haus der Bäume" – Liebe und Leid

Band 1

Johanna Maurer


EUR 32,90

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 794
ISBN: 978-3-99146-284-2
Erscheinungsdatum: 15.02.2024
Die Zeit für die Machtübergabe im Elbenreich „Haus der Bäume“ ist nahe. Werden die Götter den zukünftigen Königen freundlich gewogen sein oder wird es anders kommen, als Königin Gurjana denkt? Denn die „Schwarzen Männer“ treiben ihr Unwesen in den Wäldern.
EINLEITUNG: SCHÖPFUNGSMYTHOS DERELBEN VON PELEGORN


Ein jedes Volk hat seine Geschichte. Ein jedes Volk erinnert sich in Erzählungen und Sagen von Generation zu Generation, woher seine Welt und es selber kamen. Ein jedes Volk, eine jede Welt, ein jedes Universum hat seinen Ursprung in der Vergangenheit. Im ersten Augenblick einer längst vorübergezogenen Ewigkeit liegt der Anfang von allem und jedem.

Es ist ein kalter Tag zu Beginn des ersten Winterlumnos und dazu schneit und regnet es abwechselnd im Dauermodus. Langsam macht sich eine leichte Aufregung bei den Kindern breit und eine stille Freude schleicht sich bei den Erwachsenen in die Herzen. Die Hohe Zeit hat begonnen und mit ihr rückt das Geburtsfest der Götterkinder näher und näher und gerade der Nachwuchs sehnt es sich herbei, denn sie hoffen auf reiche Gaben. Was mögen die Boten der Götter ihnen wohl als Geschenk in die Stube legen? Untereinander flüstern sich die beiden Königskinder ihre geheimsten Träume ins Ohr und in Gedanken flechten sie ihre Wünsche ins Gebet mit ein: „Lieber Hirsch, lieber Wolf, ich hätte so gerne ein Paar neue Winterstiefel mit Stickerei am Schaft. Genau die, welche ich auf dem Wintermarkt gestern gesehen habe“, bittet Jamena, und Thelekos fragt: „Lieber Wolf, lieber Hirsch, könntet ihr mir einen Sattel aus rotem Leder bringen? Der würde meinem grauen Pferdchen so gut stehen.“
Es ist die Zeit der Wünsche für die Kinder und Halbwüchsigen und die Zeit der Geschichten für alle Elben. Traurige und spannende, lustige und gruselige, und fast jeden Nachmittag sammelt sich eine kleine Schar von neugierigen Zuhörern und Lauscherinnen in der Bibliothek vom Palast. Alle Kinder der Bediensteten dürfen in den vier Dekaren vor dem Hohen Fest dort hinein und der alte Bibliothekar erzählt frei heraus oder liest ihnen aus einem dicken Buche vor.
Und jedes Jahr berichtet er zuallererst von der Geschichte ihres Volkes. Vom Entstehen ihrer Welt und von ihrem Werden. Angefangen mit dem ersten Blinken der Funken, mit dem ersten Gedanken der Götter, bis hin zur Vollendung der Schöpfung aller Dinge und allen Lebens alleinig durch ihren Willen.
Die meisten der Kinder haben den Mythos über die Entstehung schon öfters gehört und doch kommen sie immer wieder zu der Eröffnungslesung. So auch heute, und auf dem Teppich, in Nestern aus Kissen und Decken hocken und liegen zwei Dutzend Jungen und Mädchen, vom Viertklässler, für die ganz Kleinen ist der Mythos zu kompliziert, bis hin zu den Jährlingen, die nächsten Herbst das Jahrhaus besuchen werden. Einerseits freuen sie sich darauf, endlich der Welt der Erwachsenen anzugehören, andererseits blicken sie ein wenig traurig, denn sie werden an diesem Hohen Fest ein letztes Mal Geschenke auspacken.
In einem bequemen Sessel sitzt der alte Bibliothekar und neben ihm auf einem kleinen Tischchen steht ein Glas mit Wein. Erzählen trocknet die Kehle aus und gerade bei einem langen Kapitel wie dem heutigen ist es ratsam, die Stimme zwischendurch ein wenig zu ölen.
„Ruhe, darf ich um Ruhe im Saale bitten“, tönt seine sonore Stimme durch den großen Raum und das Kichern und Plappern verebbt.
„Ich heiße euch alle willkommen zum Beginn der Zeit der Geschichten. Mögen eure Ohren wach sein und euer Verstand anwesend“, Gelächter bei dem schon älteren Nachwuchs, „denn wie immer erinnere ich zu Anfang der Hohen Zeit an den Ursprung des Elbenvolkes, und woher ihr kommt, dürft ihr niemals vergessen.“
Und der Bibliothekar beginnt, ein Buch ist unnötig, er hat die Wörter schon hundertmal gesprochen, er vergisst nie etwas.

„Alles war grau. Pelegorn, oder das, woraus Pelegorn einst werden sollte, war grau, hellgrau, mittelgrau, dunkelgrau. Nebel, Wolken und Dunst in jeglichen vorstellbaren Grautönen. Das Grau war formlos, fließend, ineinander wirbelnd, ohne Anfang, ohne Ende, gestaltlos, unfassbar, ungreifbar, verschwamm vor den Augen und es gab kein Oben, kein Unten, kein Links, kein Rechts, kein Vorne, kein Hinten. Mit einem Male tut sich was und „Zisch“, ein winziger Blitz funkt auf inmitten des Grau, und dann ein zweiter. Immer und immer wieder und sie tanzen umeinander und jagen sich und hüpfen von einer Schattierung in die nächste. Inana und Morojo in Form von göttlichen Funken erschienen eines Tages im Grau und sie kamen aus einer anderen Dimension oder Welt oder Sphäre oder Zeit. Ihr alle kennt den Namen ihrer Heimat. Wer kann den mir sagen?“
Flugs zeigen eine Menge Finger zur Decke und da der Bibliothekar keinen von den Schlaubergern bevorzugen möchte, dirigiert er mit den Händen, als hätte er einen Chor vor sich stehen.
„Wir nennen sie die Erste Welt“, ruft die ganze Bande gemeinsam, die meisten wussten sowieso, was kommt, und er nickt wohlgefällig, bevor er weiterspricht:
„Seit ungenannten Zeiten schlüpfen die Götter durch die Tore zwischen den unzähligen Welten und sie fanden und finden und werden in Zukunft Orte finden, in denen sie mit ihrer Schöpferkraft eine Veränderung erwirken.
Nun waren sie hier im Grau, und ich möchte bemerken, dass es zwei Dinge schon immer gab. Ewig bestehen die Tore und ewig sind die göttlichen Funken, man möchte sagen, sie gehören irgendwie zusammen. Beide existieren ohne zeitlichen Anfang und ohne zeitliches Ende. Für unseren kleinen Verstand unverständlich und unerklärbar. Aber vielleicht wird ja irgendwann einer von euch ein studierter Diener der Götter und entdeckt den Zeitpunkt der Entstehung.“
Grinsen bei einigen Kindern im Publikum, bei den meisten Heranwachsenden im Umfeld vom Palast gehen die Berufswünsche eher in Richtung Jägerdasein und Handwerk. Das, was sie jeden Tag um sich herum haben.
Unbeeindruckt fährt der alte Elbe fort mit seinen Worten.
„Munter drehen und kreisen und rotieren die Funken durch das Grau. Wer von euch schon mal Irrlichter im Moor sah, dem kann ich sagen, so ähnlich müsst ihr euch das vorstellen. Mitten in einer wabernden Nebelpampe blinkt und schimmert es, springt auf und nieder, fitscht von einer Seite zur anderen. Die Sinne verwirrend, das Auge irritierend, aber diese Lichter haben keine bösen Gedanken. Sie verführen den Wanderer nicht auf Abwege in den tiefen Morast, sondern sie tragen den Gedanken zur Erschaffung unserer Welt in sich.
Wer aufmerksam lauscht, kann sie sogar mit leisem Stimmchen wispern hören, immer und immer wieder, in einer unendlichen Abfolge – Wir waren, wir sind, wir werden sein. Wir schaffen und erschaffen, aus Unfertig wird Fertig. Ein jeglicher Gedanke in uns ist gleich ein Schritt zum Werden. Aus Nebel werde Land, aus Dunkel werde Licht, aus unserem Willen werde Pflanze, werde Kreatur, werde Elbe.“
Beim letzten Satz senkt er seine Stimme zu einer beschwörenden Tonlage und die Kleinsten schauen ihn mit großen Augen an. In ihrer kindlichen Fantasie meinen sie, tatsächlich die Worte von zwei herumschwirrenden Götterfunken zu vernehmen, wobei ein bisschen Magie von seiner Seite aus die Illusion perfektioniert.
„Wo sollen die Götter mit ihrem Werk anfangen? Es gibt so viel, was sie erschaffen wollen. Aber sie sind ja bereits Meister im Aufbau von Welten und sie wissen genau, was als Erstes vonnöten ist in einer Sphäre wie dieser hier. Irgendeine Struktur muss in die formlosen grauen Massen hinein als Basis für die Anfertigung eines neuen Universums.
Allein durch die Kraft ihrer Gedanken verwirbelt sich ein Teil des Grau in wabbelige Kugeln aller Größen und mit ihren Händen ballen sie die bis gerade noch gestaltlosen Wolken zusammen. Es sind die Urformen der Sterne, der Sonne und von Pelegorn mit seinem Mond“, dabei reckt er seine zwei Hände nach oben und tut, als wenn er selber die Nebelbänke zusammenschieben würde, um sie zwischen den Handflächen zu formen.
„Hei, was haben Inana und Morojo doch für einen Spaß mit den Wolkenkugeln. In ihrem Übermut der Schöpfung rollen sie die Bälle mit Schwung durch den endlosen Raum. Sie sausen kreuz und quer zielgerichtet aufeinander zu und knapp aneinander vorbei. Prallen die Kugeln aufeinander, zerstieben sie in tausend kleinste Fetzen und Puderwölkchen. Puff macht es und die gerade entstandenen Gebilde zerfließen dahin und erneut pressen die Götter riesige Murmeln aus den Nebelschwaden zusammen, nur um sie wieder mit einer anderen abzuschießen.
Ein heilloses Durcheinander herrscht in der Weite und für eine Weile haben Morojo und Inana ihre kindliche Freude an dem Spiel mit den Himmelskugeln. Schließlich ist es genug der Rumalberei, denn immerhin sind sie die Schöpfer und mit dem nötigen Ernst nehmen sie ihre Arbeit wieder auf.
Eifrig werkeln sie nun an der Gestaltgebung der Himmelskörper und an der Sphäre, in der sie schweben sollen.
Ihrem Wunsche nach erhält nun jede Kugel ihren Platz und somit schaffen sie Bestand und Bestehenbleiben.
Wie festgeklebt hängt nun ein jeder Stern, und auch Pelegorn, völlig unbewegt und starr in der grauen Suppe.“
Stille im Raume, alle Augen hängen an seinen Lippen und der Bibliothekar nimmt ganz gelassen erst mal einen großen Schluck Wein.
„Aber dann gibt es ja gar keinen Tag und keine Nacht“, bemerkt ein kleines Mädchen schlauerweise. Genau für einen solchen Gedankengang machte er die Pause. Damit prüft er, ob sie ihm auch aufmerksam folgen.
„Ach, da haben wir ja eine Blitzmerkerin unter uns, und genau das Problem erkannten die Götter ebenfalls ein wenig später. Aber alles der Reihe nach. Jetzt dachten sie erst mal, so ist es schon besser, wenn alles seine Ordnung hat, denn nur in der Ordnung gedeiht, was man schaffen möchte. Jedoch, nach einer Weile gefällt ihnen ihr Werk nicht mehr so recht, denn es erscheint ihnen einfach zu leblos. Unzufrieden huschen sie zwischen den Bällen hindurch.
Schier endlos breitet sich eine immer noch graue und lichtlose und öde Welt um sie herum aus. Zwar gibt es jetzt die wabernden Nebel und darin die kleinen und großen Kugeln, Formen, an denen das Auge sich festhalten kann, aber sie wirken wie angenagelt in der weiten Leere.
Was fehlt, ist ein Tanzen und Drehen, Lebendigkeit wäre nett anzuschauen. Vielleicht sollten sie es doch mit vorsichtiger Bewegung innerhalb bestimmter Grenzen versuchen. Zaghaft stoßen sie mit den Fingern ein paar Kugeln an. Bloß nicht zu viel Kraft aufwenden und sie müssen aufpassen, wohin sie rollen, sonst knallt es wieder. Nur geradeaus schubsen erweist sich auf die Dauer als äußerst unpraktisch, weil sie hinterherlaufen müssen, und zudem besteht jederzeit die Gefahr eines Zusammenpralls.
Eine kreisförmige Bewegung ist die Lösung und mit ihren Gedanken formen sie runde und elliptische Bahnen und setzen die Wolkenbälle darauf. Ein kleiner Stups mit den Fingern und der immerwährende Reigen aller Himmelskörper startet seinen Lauf.
Ein kompliziertes System mit unzähligen Globen entsteht, von unermesslich groß bis hühnereiklein, und ein besonders dicker Brocken dreht sich um seine eigene Achse in der Mitte. Drumherum tanzen die anderen Ringelreihen und die Gesetze von Schwerkraft und Fliehkraft, die Götter sind bewandert in der Physik, halten die wattigen Körper fest auf ihren Gleisen. Gemäß dem göttlichen Wunsche ziehen die Kugeln nun auf den Himmelsstraßen dahin und zusätzlich rotieren sie um sich selber. Morojo war von der Kreiselbewegung entzückt, als er sie zufällig bei einer Murmel entdeckte, und fand, diese gehöre mit eingebaut.
Hier und da müssen sie noch mal eingreifen und die eine oder andere Umlaufbahn von einem Stern korrigieren und die Laufzeit von Pelegorns Mond wird neu justiert, aber danach sind sie äußerst angetan von ihrem gelungenen Weltenwerk. Das System ist perfekt und alles bewegt sich im Gleichklang, mal abgesehen von den etwas eigenwilligen Kometen und Asteroiden. In schönster Harmonie ziehen die großen und kleinen Kugeln aneinander vorbei und immer rund und immer rund. Voller Freude über das gelungene Zusammenspiel huschen sie kreuz und quer als blitzende Lichtstreifen von Stern zu Stern.
Doch es tut sich ein Manko auf. Jedes Mal, wenn sie sich nach der Hüpferei irgendwo niederlassen möchten, um zu pausieren, ist da kein geeigneter Ort. Natürlich ist es ihnen möglich, ganz nahe über der Oberfläche eines Nebelballes zu schweben, aber sich darauf setzen, funktioniert nicht. Obwohl sie ja schon federleicht sind, sinken sie ein und hindurch und wer will schon Jahre damit verbringen, längs durch einen Planeten zu rutschen oder seiner Kawastasse hinterher zu schwimmen? Gepresste Nebelmasse bleibt durchlässig, egal wie sehr sie die auch quetschen und quetschen.
Für die weitere Entwicklung braucht es eine feste Kruste, auf der ein jeglich Ding, was immer sie noch im Laufe der Schöpfung sich erdenken, stehen kann, und somit muss ein stabiler Untergrund her.
Ohne dem würde alles, was Gewicht hat, in dem weichen bodenlosen Grund eintauchen und wie in einem tiefen zähen Morast verschwinden. Auf Nimmerwiedersehen verschluckt, allerdings mit dem Unterschied, dass es irgendwann auf der anderen Seite wieder zum Vorschein kommt.
Es kostet die Götter einiges an Überlegung, um eine praktikable Lösung zu finden. Bislang enthielten die Sphären, in denen sie wirkten, feste Materie in irgendeiner Form, aber hier? Hier müssen sie von der Pike auf anfangen. Oder?
Oder sie schaffen die nötige Substanz herbei. Drum herum, verbunden durch die Tore, existieren ja bereits tausende von Universen. Gut gedacht, jedoch eine Aufgabe, welche selbst von Göttern kaum zu bewältigen ist. Es würde Millionen von Äonen dauern, genügend Steine und Erden und Metalle heranzutragen. Zudem können sie auch nicht beliebig viel Zeug woanders mopsen. Es würde dort in den Welten fehlen und zu Irritationen führen. Was sollen die Bewohner denken, wenn mit einem Male ihre Sterne fort sind, oder der Nachbarplanet?
Nein, dies Vorgehen ist völlig ausgeschlossen und ein anderer Plan muss her. Der Funke Inana dümpelt freudlos und leicht missgelaunt durch das Grau. Ihre Strahlkraft hat nachgelassen und sie ist müde vom Dauerfliegen. Ein Blick zur Seite und sie sieht Morojo. Der hat noch Energie und vor lauter Anstrengung, eine hilfreiche Idee zu finden, glüht sein Licht und winzige Blitze fitschen aus seinem großen Funken heraus. „Der schmilzt gleich, wenn der so weitermacht“, denkt sie und im selben Augenblick hängt Inana zitternd vor Aufregung im Weltenraum. Das ist es! Die Lösung! Ein einfacher chemischer Prozess. Schmelzen und Abkühlen und hoffen, dass eine feste Kruste sich dabei bildet. Aber wie schmilzt man Wolkengespinste?“
Fragend blickt der Bibliothekar in die Runde und diejenigen, welche zum x-ten Male hier sitzen, rufen im Chor: „Im Backofen mit Feuer und Wärme.“ Für die Neulinge vertieft er die Erklärung.
„Ihr kleinen Leckermäuler mögt doch alle Zuckerwatte. Und was passiert, wenn man die erwärmt? Natürlich nur ein wenig, sonst verbrennt die zarte Masse mit einem Wusch. Der Zucker verflüssigt sich und beginnt zu tropfen und daraus werden nach dem Abkühlen Zuckerklümpchen.
Inana und Morojo rücken eng aneinander und vereinen sich zu einem großen Funken und mit der ihnen innewohnenden göttlichen Energie und voller Konzentration auf den einen Gedanken lodert ein prächtiges Schmiedefeuer auf. Gut temperiert und gleichmäßig muss es brennen, denn auch das beste Metall gebiert kein gutes Schwert, wenn zu heiß geschmiedet.
Vorsichtig senken sie sich in die Wolkenbälle hinein und ihre Hitze lässt die graue Masse von innen heraus blubbern und fließen. Drehen, drehen und drehen, schnell und gleichmäßig, damit die Kugelform bestehen bleibt. Die ersten Ergebnisse sind recht zufriedenstellend, wenn dabei auch ein paar unförmige Knubbel entstanden sind. Abfall, den sie in den weiten Raum schleudern und den wir heute als Meteoriten bezeichnen. Auf unberechenbaren Bahnen ziehen sie dahin, kommen und gehen, manche Wissenschaftler behaupten sogar, sie würden durch Tore die Sphären wechseln. Aber dazu solltet ihr eure Lehrer in der Schule befragen.
Übung macht den Meister und sie verbessern ihre Vorgehensweise und die anschließenden Ergebnisse können sich sehen lassen. Makellos rund und glatt und glänzend schwebt nach einigen tausend Jahren eine große Anzahl an Himmelskörpern durch die endlose Weite. Ein paar lassen sie weiterhin als Nebel bestehen und dazu gehört auch unser Mond. Warum, fragt ihr? Weil es ihnen so gefällt.
Hinter jeder grauen Färbung verbirgt sich ein anderes Element und jede Farbtönung wird zu etwas anderem und gemischt ergeben sie interessante neue Schöpfungen. Unter dem Druck ihrer Hände und der Wärme ihrer Funken entstehen alle bekannten Mineralien, Metalle, sämtliche Erde und die edlen Steine.
Inana ist glücklich, endlich kann sie sich niederlassen und verschnaufen, und gemeinsam mit Morojo betrachtet sie die Schöpfung der kalten Dinge.
Gold- und Silberadern, grüngesprenkelte Kupferablagerungen, glatter Basalt, feingezeichnete Marmorschichten, splittriger grauer Schiefer und glimmender Spat und dazwischen liegen versteckt Diamanten und glänzende Edelsteine.
An deren Blitzen und Funkeln, was zu dieser Zeit nur im Götterlicht sichtbar ist, hat besonders Inana ihre Freude und sie beschließt, in einige der Steine etwas göttliche Magie einfließen zu lassen.
Sie webt die Gesten und spricht die Worte und erschafft die Siberyl in all ihren Varianten und gibt einem jeden seine nützliche Eigenschaft. Jedoch, noch sind sie grau in grau und ohne die ihnen heute typischen Farben. Schlichte und doch perfekte kristalline Strukturen mit einem Hauch der Ewigkeit innendrin.“
An dieser Stelle macht der Bibliothekar eine Pause, erfahrungsgemäß ist nach diesem Abschnitt garantiert ein Zuhörer dabei, der mal auf die Toilette gehen möchte.
Warum sollte es heute anders sein, und prompt springen einige der Jüngeren auf und mit einem „Ich muss mal wo hin“ entschwindet ein kleiner Pulk durch die Tür in das Seitengemach, dem die nützliche Örtlichkeit angegliedert ist.
Die verbliebenen Jungen und Mädchen recken und strecken sich und zu ihrer Erfrischung bringt Almuth Saft und Knabbergebäck, damit das werte Publikum bei Laune bleibt.
„So, alle wieder da? Alle mit Essen und Trinken versorgt? Weiter in der Geschichte“, ruft der alte Elbe und klatscht in die Hände.
„Jetzt kommt das mit dem Licht, den Teil finde ich am schönsten“, raunt ein Jährling seinem Nachbarn ins Ohr und dann klappt er schnell den Mund zu, denn er hält den ganzen Verein auf.
„Eine lange Zeit geht dahin und das neue Universum besteht jetzt aus grauen formlosen Nebelschwaden, in denen runde Kugeln aller Größen ihre Bahnen ziehen. Schön anzuschauen, das Ebenmaß der Bewegung und die sich abwechselnden Graufarben. So viele Nuancen, unzählige Zwischentöne und doch alles grau und dazu ein immer gleichbleibender diffuser Schimmer. Stetiges Dämmerlicht allerorten, nur dort, wo ihre Funken aufblitzen, ist strahlende Helle zumindest in einem kleinen Umkreis.
Es wäre schön, überall und in jeder Ecke und auf jeder Kugel Hell und Dunkel zu haben. Ein von sich aus leuchtendes Objekt wollen sie kreieren, das den gesamten weiten Raum mit Licht erfüllt.

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