Die Bruderschaft – Teil 1 und 2

Die Bruderschaft – Teil 1 und 2

F. A. Brodbeck


EUR 21,90

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 216
ISBN: 978-3-99130-495-1
Erscheinungsdatum: 11.04.2024
Der Klosterschüler Laurin und sein stets in naturwissenschaftliche Studien und Experimente vertiefter Lehrer Pipin werden vom Abt auf eine geheime Mission entsandt, um das Kloster vor dem Zugriff und den Brandanschlägen des herrschenden Königs zu schützen.
Teil 1
Die Flucht

Die abendlichen Wüstenwinde setzten langsam ein. Die Stadt Königsberg lag in einem gelblich staubigen Licht, die meisten Bewohner hatten sich wie üblich in ihre Häuser zurückgezogen.
Nur vereinzelt sah man noch Händler, die ihre Stände aufräumten und ihre Waren verstauten. Ein paar Gardisten standen noch an geschützten Stellen Wache, aber die Stadt war leergefegt.
Das Brausen des Windes hatte zugenommen, man hörte die Sandkörner gegen die Mauern prasseln, die Sicht wurde immer schlechter.
Man konnte ihn kaum erkennen, wie er sich, sein Pferd an den Zügeln führend, den Klosterberg hochkämpfte. Er trug einen graublauen Umhang, wie ihn die reisenden Gelehrten oft trugen, sein Gesicht war mit einer Dschallah verhüllt. Das Pferd war nur mit leichtem Gepäck beladen und sträubte sich immer wieder, wenn eine besonders kräftige Windböe über den Klosterberg blies.
Die Gardisten, die das Kloster auf Befehl des Königs bewachten, sahen ihn erst, als er beinahe schon beim Klostereingang angekommen war. Der wachhabende Offizier rief: „Halt, stehen bleiben!!“ – doch die verhüllte Gestalt schien dadurch nur noch mehr angespornt zu werden und eilte auf das Klostertor zu.
Sie riefen noch einmal „Halt!!“, dann gab der Offizier den Befehl, zu schiessen. Die Gestalt sank von mehreren Schüssen in den Rücken getroffen zu Boden, es gelang ihr jedoch noch, mit letzter Kraft einen Botschaftszylinder über das Klostertor zu werfen, bevor sie reglos am Boden liegen blieb.
Der Offizier fluchte und rannte mit ein paar Gardisten näher. Die letzten paar Schritte nahmen sie vorsichtig und der Offizier stiess die reglose Gestalt zaghaft mit seinem Fuss an. Erst als keine Reaktion erfolgte, stiess er heftiger zu. Doch die Einschüsse am Rücken, das mit Blut verfärbte Gewand liessen keine anderen Schlüsse zu, als dass ein Toter am Boden liegen musste.
Sie drehten ihn um und zogen ihm die Dschallah herunter.
Der Schreck fuhr ihnen in die Glieder. Die Gardisten drehten sich um und küssten schnell ihre Amulette. Dem Offizier entfuhr: „Bei den Göttern, ein Bruder. Wir haben einen Bruder getötet!”


Als Laurin am nächsten Morgen den Klostergarten durchquerte, hatte er keine Ahnung, was in der letzten Nacht passiert war. Er war auf dem Weg zu seiner Morgenlektion bei Bruder Pipin.
Bruder Pipin war eigentlich kein richtiger Bruder, da er die Bruderprüfung trotz dreier Versuche noch nicht bestanden hatte. Aber da er schon seit Jahrzehnten im Kloster war, nannte man ihn automatisch „Bruder“.
Er war immer sehr zerstreut und mit hochwichtigen Experimenten beschäftigt.
Bruder Bonifaz hatte Laurin einmal erzählt, dass er auch wegen seiner Zerstreutheit durch die Prüfungen gefallen war. Man habe ihn gefragt, wer der erste Abt des Klosters Königsberg gewesen sei – eine Frage, die jedes Kind beantworten konnte: natürlich Salpinaster – und was er über ihn wisse.
Er habe geantwortet: „Das Kloster ist vor 2250 Jahren von Sal…“ Dann habe er jenen wohlbekannten abwesenden Blick bekommen, die Hände verworfen, dazu „… ja … natürlich!!” ausgerufen und sei zurück zu seinem Experiment geeilt.
Der Abt und die aus Mitbrüdern bestehende Prüfungskommission hätten sich hilflos angesehen, dann habe der Abt nur tief geseufzt und die Prüfung wieder abgebrochen.
Pipin war zwar ein schwieriger Lehrer, da er oft vom Thema abschweifte, aber Laurin mochte ihn von allen seinen Lehrern am meisten. Vielleicht lag es auch daran, dass Pipin der einzige Mensch war, der Laurins Mutter je gesehen hatte, als sie ihn damals, nur in Windeln und ein blaues Tuch gehüllt, an der Klosterpforte abgegeben hatte.
Er betrat den alten Klostertrakt, in dem man Pipin, wohlweislich weit entfernt von anderen genutzten Räumen, einen Arbeitsraum zugewiesen hatte. Schon von weitem hörte Laurin, wie Pipin an irgendetwas herumhämmerte und – klopfte.
„So, das sollte genügen“, sagte Pipin gerade, als Laurin den Raum betrat.
Pipin betrachtete ihn kurz mit abwesendem Blick und sagte ohne Begrüssung: „Hier, halte mal.“
Laurin sagte: „Guten Morgen, Bruder Pipin“, als jener ihm eine Schüssel mit einer undefinierbaren graublauen Masse in die Hände drückte.
Hinter ihnen blubberte eine rötliche Flüssigkeit in einem Reagenzglas, aus dem Pipin mit einer langen Pipette hastig eine Probe entnahm, sie mit einem gelblichen Pulver aus einer alten Blechdose auf einer Schale vermischte und dann mit leicht zittrigen Händen und hochkonzentriertem Gesicht eine milchigweisse Flüssigkeit tropfenweise aus einem zylindrischen Metallbehälter hinzufügte. Die Flüssigkeit nahm eine himbeerrote Farbe an, dann begann sich ein ätzender Geruch auszubreiten. Pipin riss Laurin die Schüssel aus der Hand, leerte die Flüssigkeit in einem Zug darüber und vermischte sie anschliessend mit einer Kelle aus Eisenholz.
„Ah … so“, sagte er befriedigt. Dann drehte er eine Sanduhr auf seinem Arbeitstisch um, setzte sich auf einen Holzhocker und stellte die Schüssel sorgfältig vor sich auf den Tisch.
Die graublaue Farbe hatte inzwischen eine orange Tönung erhalten und begann zu leuchten.
Pipin zog ein verklebtes Taschentuch aus seiner Kutte und tupfte sich damit die Schweissperlen von der Stirne.
Laurin hatte sich schon oft gefragt, wie alt Pipin sein mochte. Er schätzte ihn so zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt. Da er noch kein richtiger Bruder war, hatte er auch keine Tonsur oder eine Tätowierung über der linken Augenbraue wie die anderen Mönche. Er hatte verwuschelte, blonde Haare, die ihm bis zu den Augen herunterhingen, war von mittlerer Grösse, etwas beleibt, dazu ein kantiges Gesicht mit freundlichen, manchmal etwas verwirrt blickenden grauen Augen. Im Moment blickten sie hochkonzentriert auf die Sanduhr, die nur noch halbvoll war.
„Nur noch eine halbe Minute …“, murmelte er vor sich hin.
Laurin stand immer noch regungslos neben der Türe. Lange Erfahrungen mit Pipin hatten ihn gelehrt, sich absolut still zu verhalten, da Pipin völlig unberechenbar in seinem Verhalten und seinen Bewegungen war, speziell wenn er mit irgendeinem Experiment beschäftigt war.
Die Masse in der Schüssel begann zu blubbern und zu rauchen und nahm eine leuchtend grüne Verfärbung an.
Pipin nahm einen Luftsprung. „Es hat geklappt – es hat geklappt!!“, rief er voller Freude.
Dann nahmen seine Augen einen gehetzten Ausdruck an. Er liess sie im Zimmer herumschweifen, einen Moment lang wurde Laurin wie ein Stück Vieh gemustert, dann schweifte sein Blick weiter, als ob er ein Opfer suchte. Nachdem er das ganze Zimmer abgesucht hatte, schaute er ziemlich enttäuscht drein. Er öffnete eine Schublade und nahm ein langes Messer hervor. Dann zupfte er den linken Ärmel seiner Kutte zurück und schnitt sich mit dem Messer tief in den Unterarm.
Laurin starrte verblüfft und schockiert auf Pipin, dessen Gesicht inzwischen schmerzverzerrt und bleich geworden war. Pipin war verrückt geworden.
„Aaaah!! Was hast du gemacht, Bruder Pipin!!??“
Das Blut spritzte inzwischen rhythmisch aus Pipins Unterarm und tropfte auf die Tischplatte.
Pipin wurde immer bleicher und bleicher und sank langsam vom Hocker herunter. Laurin war für seine vierzehn Jahre ein kräftiger Junge und es gelang ihm gerade noch, Pipin aufzufangen, bevor dieser mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug.
Pipin verlor langsam die Besinnung. Es gelang ihm gerade noch, „Schnell … die Paste … auftragen …“ zu stammeln.
Laurin fand einen Löffel auf dem Tisch und schöpfte damit etwas von der grünen Paste aus der Schüssel. Inzwischen war der ganze Unterarm blutverschmiert. Laurin nahm Pipins verkrustetes Taschentuch, das auf dem Tisch lag, und wischte die Wunde etwas sauber, dann strich er die Paste mit dem Löffel in die Wunde.
Es fing an zu dampfen und zu blubbern, die Wunde glühte rötlich, dann stoppte die Blutung. Als das Glühen aufhörte, sah die Wunde aus, wie eine Schnittwunde nach einigen Tagen aussehen würde. Eine Kruste hatte sich gebildet.
Bruder Pipin lag immer noch bewusstlos auf dem Boden. Laurin tätschelte ihm vorsichtig die Wangen und rief immer wieder „Bruder Pipin!“, bis dieser schliesslich langsam blinzelte und die Augen öffnete.
„Und? Hat es geklappt?“ waren seine ersten Worte.
„Ich weiss es nicht – sieh selbst.“
Pipin setzte sich benommen auf und betrachtete enttäuscht seinen Unterarm.
„Könnte besser sein“, murmelte er. „Vielleicht sollte ich die Konzentration des Hasenwurzes noch etwas … Gib mir noch etwas von der Paste, mein Junge.“
Laurin gab ihm einen Löffel der Paste. Pipin strich sich damit noch einmal über die Wunde. Es blubberte und dampfte wieder, man sah einen rötlichen Schimmer, aber die Wunde sah danach genau gleich aus. Er schüttelte etwas enttäuscht den Kopf.
Der weitere Morgen war ziemlich ereignislos, ausser dass kurz vor der Mittagspause Bruder Ambrosius, der Abt des Klosters, hereinschaute.
Er bat sie, sich nach dem Mittagessen bei ihm im Büro einzufinden.
Laurin war überrascht. Was wollte wohl der Abt von ihnen?
Er hatte das Büro des Abtes erst einmal gesehen. Das war vor einigen Jahren gewesen, als er Bruder Anselm einen Streich gespielt hatte und dabei erwischt worden war. Bruder Anselm war schon damals der dickste Mönch im Kloster. Seine Kutte hatte kaum Falten, der Stoff war an gewissen Stellen ziemlich strapaziert.
Es war in der Nacht vor dem grossen Sommernachtsfest gewesen, bei dem es immer ein riesiges Festessen gab, als Laurin sich heimlich in Bruder Anselms Kammer schlich und seinen Gürtel gegen einen etwas engeren austauschte. Als Bruder Anselm am nächsten Tag seinen Gürtel anziehen wollte, gelang es ihm nur mit eingezogenem Bauch. So lief er den ganzen Tag mit hochrotem Kopf an all den aufgetischten Köstlichkeiten vorbei und winkte immer ab, wenn ihm jemand eine Kostprobe anbot.
Dem Abt fiel das merkwürdige Verhalten auf und er hatte den Schuldigen bald gefunden. Damals wurde Laurin ebenfalls ins Büro des Abtes zitiert. Er konnte sich nur noch schwach daran erinnern, aber irgendwie war es unheimlich gewesen.
Die Mittagsglocke rief sie zum Essen. Er ging mit Pipin, der noch etwas schwabbelig auf den Beinen war, in den grossen Speisesaal des Klosters. Er befand sich in einem Gewölbe, das an die Küche und den Gemüsegarten angrenzte. Das Kloster war ursprünglich für tausend Brüder gebaut worden, heute lebten noch 53 Brüder und elf Zöglinge im Kloster. Der grösste Teil des riesigen Gewölbes stand deshalb leer.
Die Brüder hatten sich in einer Ecke des Gewölbes in der Nähe des Durchlasses zur Küche mit einigen langen Klostertischen und Bänken eingerichtet. Es gab einen speziellen Tisch für den Abt und die Brüder der Verwaltung und dann weitere Tische für die Garten- und Kräuterbrüder, für die Feld-, Wald- und Wiesenbrüder usw. Etwas weiter entfernt stand auch der Tisch für die Schüler und Schülerinnen des Klosters.
Als sich Laurin dem Tisch näherte, hörte er gerade noch, wie Elvira in ihrer gehässigen Art sagte: „… der weiss ja nicht einmal, wer sein Vater oder seine Mutter ist.“ Sie wurde von ihrer Freundin Alice geschubst und sagte: „ Was ist denn …?“ Dann sah sie Laurin, verstummte und konzentrierte sich plötzlich auf ihr Essen.
Sein Freund Pankraz winkte ihn zu sich hinüber. „Hierher, Laurin, ich habe dir noch ein Stück Braten reserviert … Wo warst du bloss so lange?”
Laurin begann seinen Freunden von seinem Abenteuer mit Pipin zu erzählen. Als er dort angelangte, wo er Bruder Pipins blutverspritzten Unterarm beschrieb, wurde Elvira plötzlich sehr blass und konnte bloss noch mit einer Hand vor dem Mund sagen „ Ich glaube mir ist schlecht …“ und dann rannte sie schon Richtung Toilette, die in der Nähe des Ausganges neben dem Eingang zur Küche lag.
Pankraz prustete vor Schadenfreude. Elvira war nicht sehr beliebt.
Alle Schüler lebten seit zwei Jahren ohne direkten Kontakt zu ihren Eltern im Kloster, abgesehen von gelegentlichen Briefen. Denn vor zwei Jahren hatte König Sigismund, der Herrscher von Salvatien, den Befehl erteilt, das Kloster aus Sicherheitsgründen, wie er sagte, von der Umwelt abzuschotten. Natürlich war die Begründung nur vorgeschoben. Was er wirklich damit bezweckte, war, dass die Brüder den Kontakt mit der Bevölkerung der Stadt und ihren Mitbrüdern in den anderen Klöstern verlieren sollten.
Ebenso wie er die Tempel der Götter vor ein paar Jahren schliessen liess, indem er alle Priester zu Feldarbeit verdonnerte, damit sie ihr segensreiches Wirken, wie er sagte, zum Wohle der Gemeinschaft in der Mutter Natur vollbringen könnten. Nun – ohne Priester in den Tempeln konnten die Bürger auch nicht mehr beten gehen und arbeiteten länger. Dann erhob er eine spezielle neue Steuer zum Unterhalt der Tempel. Die Einnahmen wurden natürlich nie dafür eingesetzt, so verlotterten die Tempel langsam.
Offiziell hätte er sich nie getraut, sich gegen die Bruderschaft oder die Götter auszusprechen, denn einige andere der sieben Könige oder der Truchsess, der Statthalter des Kaiserhauses, wären davon nicht begeistert gewesen.
Die halbe Stadt Königsberg gehörte dem Kloster. Die Klostermauern umgaben den eigentlichen Klosterbesitz mit seinen Wäldern, Feldern und Teichen, zusätzlich wurde den Brüdern von Kaiser Anastasius I. der ganze Königsberg wegen ihrer aussergewöhnlichen Unterstützung des Kaisers überschrieben und das ewige Recht gewährt, im Rat der Könige Einsitz zu nehmen – das hatte zumindest Bruder Pipin Laurin in einer seiner Geschichtsstunden erklärt.
Laurin konzentrierte sich wieder auf sein Stück Braten.
Ein Gongschlag ertönte. Die Brüder erhoben sich.
Laurin stopfte sich noch schnell einen Bissen Braten in den Mund, bevor er sich ebenfalls mit den anderen Zöglingen zum Gebet erhob. Bruder Ambrosius, der Abt, war in diesen Dingen sehr streng. Er sagte ihnen immer: „Wenn wir beten, stehen wir vor dem Antlitz der Götter, also benehmt euch auch so.“ So standen sie denn mit ehrfürchtig gesenkten Häuptern um ihre Tische herum und lauschten dem Mittagsgebet des Abtes. Es war kurz, aber erfrischend und manche der Betenden fühlten sich, als ob ein kleiner göttliche Funke auf sie übergesprungen war.
Gestärkt von Mahlzeit und Gebet verliessen die Brüder und ihre Schüler den Speisesaal, während die Küchenbrigade bereits die Teller und Schüsseln einsammelte.
Jetzt kam eigentlich Laurins liebste Zeit. Die beiden Stunden nach dem Mittagessen waren für alle Schüler frei. Bei schönem Wetter gingen sie zusammen zum Klostersee baden oder in den Klosterwald spielen. Nur heute musste Laurin sich zum Büro des Abtes begeben. Bruder Pipin wartete schon am Ausgang auf ihn und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum ältesten Klostertrakt, wo sich das Büro des Abtes über den ganzen obersten Stock erstreckte.
Der alte Klosterteil war irgendwie unheimlich. Immer wenn Laurin dorthin musste, fühlte er sich beobachtet. Es schien ihm, als ob ihm die Statuen an den Säulen mit ihren Blicken folgten, ja, er hätte schwören können, dass sie sich sogar leicht bewegten, was natürlich völlig lächerlich war. Oder nicht?
Deshalb war er froh, dass er Bruder Pipin an seiner Seite hatte. Obwohl der heute merkwürdig wortkarg war. Normalerweise plapperte er über irgendeinen Nachtfalter, den er im Gemüsegarten gesehen hatte, oder schwärmte von seiner Lieblingsblume, der äusserst seltenen „Königin der Nacht“ – und das stundenlang. Nur heute schien er etwas niedergeschlagen. Laurin blickte ihn aus den Augenwinkeln an.
Da war es. Er hatte tatsächlich gesehen, wie sich eine der Steinschlangen am Sockel des heiligen Titokletian bewegt hatte.
Starr und mit offenem Mund blieb er stehen, bis ihn Pipin mit einem Schubs zum Eingang beförderte. „Nicht vor den Statuen stehen bleiben“, murmelte er. „Du solltest doch jetzt langsam wissen, dass sie zur Verteidigung des Klosters aufgestellt wurden.“
„Zur Verteidigung?“, fragte Laurin, völlig überrascht. „Statuen?“
Pipin lächelte leicht. „Nicht nur Statuen, das kannst du mir glauben …“
Sie kamen zur grossen Treppe, die zum Geschoss des Abtes führte.
Alles war sehr prunkvoll angelegt, aber man sah, dass das Kloster in den letzten Jahrzehnten an Einfluss verloren hatte. Es wirkte etwas vergilbt. Nur fiel Laurin jetzt auf, dass überall irgendwelche Statuen standen. Es mussten hunderte im ganzen Gebäude sein.
„Nun komm schon, wir können den Bruder Abt nicht warten lassen.“ Pipin schubste ihn erneut leicht die Treppe hoch.
Bruder Meinardus, der Sekretär des Abtes, sass wie üblich im Vorzimmer und war wohl in wichtige Dokumente vertieft, er schaute jedenfalls erst auf, als sich Pipin räusperte.
„Ach, Bruder Pipin und Laurin.“ Er lächelte sie freundlich an. „Ihr werdet bereits erwartet. Geht einfach rein.“ Er nickte mit dem Kopf auf die grosse, dunkle, prachtvoll verzierte Eisenholztür hinter sich.
Pipin schubste Laurin sanft zur Türe hin und öffnete sie.
Es war schon einige Jahre her, seit Laurin im Zimmer des Abtes gewesen war, und irgendwie hatte er sich damals die Umgebung gar nicht merken können, er war viel zu aufgeregt gewesen.
Der eine Teil des riesigen Raumes lag beinahe im Dunkeln, da die Fensterläden dort verschlossen waren. Man konnte trotzdem erkennen, dass alles sehr prunkvoll ausgestattet war. Alte, goldgerahmte Bilder hingen an der Wand und ein paar kleinere Handzeichnungen über der Sitzgruppe, die um einen kleinen, eleganten Tisch angeordnet war.
Ein riesengrosser Schrank mit vielen Verzierungen und Figuren, die sich bewegten … Die sich bewegten? Laurin blickte ein zweites Mal hin. Er musste sich wohl getäuscht haben. Er hätte schwören können, dass der Mönch mit dem Schwert gerade noch den Kopf bewegt hatte. Er schüttelte den Kopf und bemerkte, dass Pipin inzwischen bereits näher zum alten Arbeitstisch des Abtes getreten war, der im anderen helleren Teil des Raumes war. Hastig folgte er ihm und stellte sich neben ihn, um den Abt zu begrüssen.

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