Der Krieg des Erstgeborenen

Der Krieg des Erstgeborenen

Heldenweg

Jannis Pantelatos


EUR 31,90
EUR 25,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 756
ISBN: 978-3-99131-932-0
Erscheinungsdatum: 21.03.2023
Der Erstgeborene versucht, die Macht über mehrere Welten an sich zu reißen. Vertreter unterschiedlicher Völker tun sich zusammen, um ihn aufzuhalten. Doch mit seinen besonderen Kräften ist der Erstgeborene weit überlegen. Können sie es trotzdem schaffen?
Prolog


Isariel blickte auf den zerfallenden Schwarm. Die Schwarmherrin war von dem Ritter aus Eis und Schnee getötet worden und nun waren die alles vertilgenden Kreaturen, welche wie ein Schwarm Heuschrecken Welten überfallen hatten, um sie leer zu fressen, plötzlich kopflos. Die verschiedenen Splitter verließen den Ort der Schlacht in der Leere. Er konnte genau beobachten, welche Routen sie nahmen. Die meisten würden irgendwo in den endlosen Weiten ihr Ende finden. Doch einige wenige würden auf andere Welten fallen, und dort eventuell von vorne beginnen. Sein Blick folgte dem Fall eines bestimmten Splitters. Dieser würde auf Thornathell einschlagen, doch noch bevor dies geschah, spürte Isariel, wie die Livaren seinen Fall ebenfalls verfolgten. Dies versprach interessant zu werden.



Die Dunkelklinge


Siebenundsechzig Jahre zuvor

Es war unglaublich selten, dass Tilien die Altvorderen zusammenrief. Zumeist reichte es aus, dass sie sich spürten und ihre Geister zu einer Einheit verschmelzen ließen. Heute hatte die Stimme ihres älteren Bruders etwas Zwingendes, etwas zutiefst Beunruhigtes in sich. Eine Verunsicherung, welche jeden Altvorderen widerspruchslos in die Hallen des Livinos rief. Schweigend ließ Nindorna ihren Blick durch den großen Versammlungsaal gleiten. Sanft und hintergründig konnte sie das Leben spüren, welches aus den Wänden, den Stühlen und dem Tisch auf sie eindrang. Alles in diesem Raum war lebendig. Ein gigantischer Baum war so bearbeitet worden, dass er Wände und Möbel formte. Ein runder Tisch in der Mitte und vierzehn Stühle. Zwölf für die Altvorderen, einer für den Erstgeborenen, welcher bei einer solchen Versammlung immer von einem der Verlorenen verkörpert wurde. Heute würde die Tänzerin die Rolle des Erstgeborenen einnehmen. Einer für den Einäugigen, welcher nur einmal je anwesend gewesen war, als er sie in den Immerwald geführt hatte. Immer wenn Nindorna an diesen Ort gerufen wurde, spürte sie, wie sich eine Melancholie über ihr Gemüt legte. Fünf der Sitze würden für immer leer bleiben. In dem Großen Krieg in welchem Tilien die Livaren gegen die Dämonen geführt hatte, waren diese Fünf getötet worden. Nindorna selbst hatte damals auf Befehl des Erstgebornen zwei ihrer Geschwister ermordet. Die Leere dieser Plätze war ebenso eine Leere in ihrem Herzen, welche sie über die Jahre mit Scham gefüllt hatte. Schweigend und in Schatten gehüllt trat sie an den großen runden Tisch, auf welchem seit so vielen Äonen das Schwert lag, mit welchem Tilien damals den Erstgeborenen bezwungen hatte. Es war eine schlichte einfache Klinge, aus einem einzelnen Stück Jade gefertigt, ihr dunkles Grün hob sich von dem Holz des Tisches ab und verlieh der Klinge trotz ihrer Schlichtheit etwas Erhabenes. Ein einfaches Stück Stein barg all ihre Hoffnung darauf, in ferner Zukunft den Erstgeborenen und seine Dämonische Brut ein für alle Male zu vernichten. Doch wann diese Zukunft eintreten würde, wusste nicht einmal Pornatus. Der Drittgeborene war der Weiseste und Besonnenste Ihres Volkes. Nachdem die Livaren sich im Immerwald niedergelassen hatten, war er es gewesen, welcher gesehen hatte, das Tilien der Jadeklinge nicht würdig war. Es war seine Entscheidung gewesen, dass diese Waffe hier auf ihren rechtmäßigen Träger warten würde, welcher sie nicht nur gegen den Erstgeborenen führen würde, sondern sie in das Herz der Schwärme tragen würde. Tilien fehlte die Entschlossenheit, selbstlos das Richtige zu tun. Selbstlosigkeit gepaart mit einer gütigen und reinen Seele, welche die Fertigkeiten besaß, eine Solche Waffe zu führen. Dies verlangte diese Waffe, eine Anforderung, welcher die unsterblichen Altvorderen bisher nicht gerecht werden konnten. Vorsichtig ließ Nindorna ihre schlanken Finger über das Heft der Jadeklinge fahren. Sie begehrte das Versprechen dieser Waffe ebenso sehr, wie sie es auch fürchtete. Es war ihre Aufgabe für das Volk an die düsteren Orte zu gehen und die dunklen Taten zu vollbringen, welche frei von Ehre oder Moral waren. Taten, welche ein Angehöriger ihres Volkes nicht begehen sollte, welche dennoch notwendig waren. Wenn die Klinge ihr Versprechen einlösen würde, was würde dann aus ihr und ihrem Volk? Wären sie noch notwendig, oder hätten sie und ihre Kinder keinen Platz mehr in einem Volk, welches keine versteckten Messer oder Klingen im Dunkel benötigte? Was würde aus ihr werden? Immer wenn sie von solchen Gedanken geplagt wurde, war sie froh nicht in Pornatus Haut zu stecken. Für sie stellte sich diese Frage nur hypothetisch. Wenn die Jadeklinge ihr Versprechen wahr machen würde, wäre dies ein grandioser Tag für ihr Volk. Wenn es Nindornas Dienste dann nicht mehr brauchen würde, wäre auch das ein Triumph und sie musste so oder so nicht darüber befinden, ob es Platz für Mörder in einem Volk gab oder nicht. Dies war Aufgabe der Philosophen und der Denker. All dies wusste Nindorna und doch beunruhigte sie der Anblick der Jadeklinge, wie sie einfach so dort auf dem Tisch lag, beunruhigte sie immer wieder aufs Neue, in ähnlichem Maße wie die leeren Plätze im Saal, an welchen sie nicht unwesentlich mitgewirkt hatte. Sie hatte den Neuankömmling in der Halle der Altvorderen nicht bemerkt, bis er ihr seine Hand auf die Schulter legte. Eingehegt in ihre eigenen Gedanken, hatte sie die Seelen ihrer Geschwister ausgesperrt, wie sie es oft tat. Das Dunkel ihrer Seele schien die meisten ihrer Brüder und Schwestern zu verunsichern. So blieb sie häufig allein und stumm. Die Hand auf ihrer Schulter drängte sie jedoch, ihren Geist dem Besitzer jener zu öffnen. Es war Pornatus, er kam immer sehr früh zu einer Zusammenkunft und war einer der wenigen, welche Nindorna ohne Vorbehalte akzeptierten. Pornatus, die Flamme der Weisheit der Livaren, der Oberste ihrer Philosophen und Denker. Er war es gewesen, an welchem Nindorna scheiterte, als der Erstgeborene ihr den Auftrag gab, noch mehr der Altvorderen zu töten und die Manifestation und den Anker ihrer Seelen zu vergiften, aus welchem das Volk jenes Altvorderen geboren wurde und auch jene immer wieder ins Leben fanden, sollten ihre Körper zerstört werden. Es war ihm gleich, wen Nindorna sich dafür suchte, doch sie sollte dem Volk einen ihrer Anführer nehmen, einen Tag nachdem sie ihm den Altvorderen Kahluras genommen hatte. Schon allein der Gedanke an den Sohn des Tilien, jenen Altvorderen, welcher der wahren Jadeklinge am nächsten gekommen wäre, trieb Nindorna Tränen der Scham in die Augen. Sie hatte ihn hinterrücks niedergestochen, als er seine Geliebte retten wollte, welche von Nindorna verschleppt worden war. Er hatte sie nicht einmal kommen sehen und war blind in ihre Falle gelaufen. Als die Altvorderen sich nun versammelt hatten, um Kahluras Tod zu betrauern, war Nindorna unter ihnen gewesen. Wieder hatte niemand sie kommen sehen. Auch diese Erinnerung schmeckte in ihrem Mund wie bittere Galle. Damals hatte sie Stolz empfunden. Sie hatte den Ritter überwunden, welcher mit seiner Tapferkeit ganze Schwärme vor sich hergetrieben hatte, hatte es geschafft sich beim Volk einzuschleichen und ungesehen zwischen den Trauernden zu wandeln. Das Gefühl der Macht und der Überlegenheit hatte sie unvorsichtig werden lassen. Sie wollte sich beweisen und den Livaren schnell eine weitere bittere Niederlage beibringen. Sie konnte sich genau erinnern, welche Verachtung sie für diese schwachen Wesen empfunden hatte. Als sich also eine schmale Gestalt aus der Masse der Trauernden löste, um zurück zu ihrem Seelenteich zu kehren, hatte sie diese Chance wahrgenommen. Der Mann sah aus wie ein Gelehrter, ein Denker, ein Former der Zivilisation. Damals hatte sie nur Verachtung für Philosophen und Denker empfunden. Die Natur hatte klare Vorgaben. Die Starken nahmen sich, was sie brauchten, und beherrschten die Schwachen, welche sich aufgrund ihrer Schwäche unterordnen mussten. Philosophen waren in ihren Augen immer Wesen gewesen, welche mit Ausreden ihre Schwäche als Stärke ausgaben und die natürliche Ordnung so verdrehten, bis sie auf einmal an der Spitze standen. Sobald dies geschehen war, nannten sie es dann Zivilisation und moralisch richtig. Als sie den Philosophen der Livaren ihrer Dunkelheit zuführen wollte, war sie hochmütig geworden. Sie war vor ihm aus den Schatten getreten und hatte seinen Weg blockiert, wohl wissend, das Pornatus sie erkennen musste. Der Altvordere hatte kein Zeichen der Überraschung von sich gegeben und war einfach an ihr vorbeigeschritten. Warum Nindorna ihn nicht sofort niederstreckte, wusste sie nicht. Vielleicht lag es an der Selbstverständlichkeit, mit welcher Pornatus einfach an ihr vorbeiging, als könne sie ihm nichts anhaben. Für seine schwächliche Gestalt, hatte er einen schnellen und zielstrebigen Gang und Nindorna hatte sich beeilen müssen, um zu ihm aufzuschließen. Als sie gerade wieder mit ihrem Opfer auf derselben Höhe war, um ihn ansehen zu können, hatte Pornatus sie angesprochen. Nindorna konnte sich an jede Einzelheit dieser Situation erinnern, war es doch der Tag, an welchem sie die Bande zum Erstgeborenen durchtrennt hatte, und ihre Reue fand. Pornatus war nicht langsamer geworden und hatte sie mit einem müden traurigen, dennoch seltsam durchdringendem Blick mit seinen tiefbraunen Augen angesehen. Schon damals hatten sie den Ausdruck getragen, mehr zu wissen. „Ich kann sehen, dass du stolz darauf bist, triumphiert zu haben. Doch antworte mir, bevor du auch mich niederstreckst, bist du glücklich damit?“ Diese simple Frage, so ruhig und nüchtern gestellt, verlangte nach der Wahrheit. Nindorna war schon kurz davor gewesen zu antworten, dass nichts sie glücklicher machen würde, als sie sich diese Frage tatsächlich stellen musste. War sie glücklich mit dem, was sie tat? Tief in ihrem Herzen hatte sie damals schon gewusst, dass solche schwarzen Taten die Seele verstümmelten. Nein, sie war nicht glücklich. Doch was würde das ändern? Diese Frage hatte sie sich gestellt, bis Pornatus Finger sie sanft an der Stirn berührten. Kurz hatte sie Teil an seinem Komplexen Verstand, welcher so viel größer war als der ihre oder der des Erstgeborenen. Es hatte sich angefühlt, als wäre sie weit in die Luft emporgehoben worden, an einen Ort, von wo aus sie so viel weiter über die Welt blicken konnte. Plötzlich ergaben die großen Zusammenhänge alle einen Sinn. Plötzlich war die Welt so viel größer und weiter als vorher. Sie kam sich in ihrem eigenen Verstand, welcher so wenig überblickt hatte, augenblicklich klein und unbedeutend vor. Sie sah die Welt und die Geschehnisse mit anderen Augen. Noch heute kam ihr das Gefühl des geklärten Verstandes, welcher so viel größer war, unwirklich vor. Die Erkenntnisse, welche sie in diesen wenigen Sekunden erlangte, hingegen, brannten bis heute weiter. Von diesem Tag an, war Pornatus ihr neuer Herr und der Erstgeborene mit seinen Schwärmen aus Dämonen war der Feind geworden. Die Dunkelklinge hatte die Seiten gewechselt. Noch heute, nach so vielen Jahren, war er ihr Mentor, ihr Beschützer und Herr. Damals hatte er sie vor der Rache des Tilien verteidigt und den Livaren ihren Wert erläutert. Heute lenkte er ihre Schritte und sorgte dafür, dass Nindorna die tiefste Dunkelheit wieder loslassen konnte, welche sie in ihr Herz einließ, während sie Aufgaben für ihr Volk erledigte.
Ruhig standen sie eine kurze Zeit zusammen, während Nindorna all die aufwallenden Gefühle in ihrem Innern stumm unter Kontrolle brachte, bevor sie den Geist ihres Bruders in den ihren einließ. Pornatus war wie eh und je wie ein wärmender Sonnenstrahl. Sein Geist erleuchtete den ihren auf angenehme Weise, vertrieb Unsicherheiten und brachte beruhigende Klarheit. Der Austausch zwischen ihnen war schnell, erfolgte ohne Sprache oder gedachte Worte. Im Bruchteil einer Sekunde wusste Nindorna warum Tilien den Rat einberief. Auf einer großen Scherbe im Sternbild, welches die Sterblichen den Stab des Magus nannten, war ein neuer Schwarm erschienen. Die Scherbe nannte sich Toranthell und lag auf einem der Ankerpunkte des Systems. Ein beunruhigender Aspekt. Würde der Schwarm die Bevölkerung dort überwältigen oder assimilieren können, wäre spontan das gesamte System in Gefahr. Das Volk musste nun entscheiden, ob sie sich in die Belange der Sterblichen einmischen sollten. Für den Immerwald ging augenblicklich keine konkrete Gefahr aus, dennoch war ein Schwarm, welcher eine Großscherbe fraß, ein guter Grund zum Handeln. Toranthell war den Livaren eine völlig unbekannte Scherbe und erforderte insofern ein vorsichtiges Vorgehen. Jenes würde heute besprochen werden. Durch ihre Verbindung hatte Nindorna Pornatus Sorge so deutlich gespürt, als wäre es ihre eigene. Kurz verharrten sie beide für einen weiteren Moment, er mit seiner Hand auf ihrer Schulter, sie mit ihrer Hand auf seiner, bis die stumme Gemeinschaft durch das Eintreffen einer weiteren Person gestört wurde. Tiliens Eintreffen wurde begleitet von der leisen Ungeduld, welche der Jüngere so oft an den Tag legte. Ohne ein Wort zu sprechen, schritt er an Nindorna vorbei, eine Geste, welche durch das fehlende Aufnehmen einer mentalen Verbindung seine Verachtung besser transportierte, als Worte es gekonnt hätten. Plötzlich war es Nindorna unangenehm so mit Pornatus im Raum zu stehen. Hastig streifte sie seine beruhigende Hand von ihrer Schulter und eilte zu dem für sie vorgesehenen Platz im Saal.
Einer nach dem anderen trafen alle verbliebenen Altvorderen ein. Den Abschluss machte, das Gesicht hinter einer bunten wutverzerrten Maske verborgen, die schlanke sinnliche Gestalt der Tänzerin, welche heute den Erstgeborenen verkörpern würde. Nindorna ließ ihren Blick über den Körper der maskierten Frau gleiten und fragte sich bestimmt zum hundertsten Mal, warum die Einsamen immer nur den Erstgeborenen verkörperten und niemals einen der anderen Altvorderen, welche dem Rat nicht mehr beiwohnen konnten. Pornatus hatte ihr einmal erklärt, es ginge darum, symbolisch den Platz des Erstgebornen zu besetzen, obwohl er lebendig war. Sein Platz war vergeben und konnte nicht von ihm eingefordert werden, wohingegen die Plätze der anderen für immer für sie freigehalten werden würden. Dies war einer der wenigen Punkte, in welchen sie Tilien zustimmte. Sinniger wäre es, alle Plätze neu zu besetzen oder sie einfach zu entfernen. Weniger Kraft auf Symbolischen Unfug zu vergeuden und mehr Zeit für echte Probleme zu schaffen. Tilien äußerte diese Bedenken jedoch niemals ernsthaft, war es doch Lyradra, die Frau seines verstorbenen Sohnes, welche im Rat darauf bestand die Plätze freizuhalten. Ihr würde Tilien niemals widersprechen. Nachdem die Tänzerin sich elegant auf ihrem Platz niedergelassen hatte, die langen Beine über die Lehne des Stuhles geworfen, erteilte sie Tilien höhnisch das Wort. Nindorna wollte lieber gar nicht wissen, wie der Zweitgeborene sich fühlen musste, von einer Einsamen so herablassend die Erlaubnis zu bekommen, das Wort an seine Geschwister zu richten. Es war schon seit jeher so, dass der Erstgeborene ihr Anführer, ihr Lenker war. Da die Einsamen diesen nun verkörperten, hatten sie den Vorsitz über den Rat. Die Einsamen gehörten keiner Kaste, keinem Seelenteich eines Altvorderen an, sie waren Ausgestoßene aus dem Reich des Volkes. Verbargen ihr Antlitz hinter Masken und Rollen, da sie im Volk der Livaren keinen eigenen Platz mehr besaßen; sie wurden bewundert und mit angstvoller Verachtung gleichermaßen bedacht. Jetzt musste der stolze Tilien, welcher seit jeher die Stimme der Altvorderen war, sich von einer Einsamen das Wort erteilen lassen. Trotz dieser immer wiederkehrenden Demütigung ließ Tilien sich nichts anmerken, als er seinen Geist ausstreckte, um eine Einheit mit seinen Brüdern und Schwestern bilden zu können. Sobald Nindorna ihren Geist dem Chor der Altvorderen beifügte, wurde sie von Tiliens Charisma gepackt. Er sprach von einer Bedrohung, welche bei der Wurzel gepackt werden musste, zerstört, bevor sie wachsen konnte. Er sprach davon, die Seelenteiche drei der Altvorderen nach Toranthell verlegen zu lassen, damit diese den Kampf gegen die Schwärme sofort aufnehmen konnten. Er hatte auch schon Namen im Kopf. Dass die Wahl auf sie fallen würde, war Nindorna klar gewesen. Immer wenn es ans Töten ging, war sie und ihr Seelenvolk gefordert, doch das Tilien ihr Kurani an die Seite stellen würde hatte sie nicht erwartet. Kurani war fast die Jüngste ihres Volkes und hatte sich ihren Platz unter den Altvorderen hart erkämpfen müssen. Sie war in keiner Fassette überragend, doch verband sie Kuranis biotischen Eifer, mit Pornatus wissenschaftlicher Neugier und Rahnahdaras Macht über die Winde der Magie. Was Kurani jedoch meistens ausschloss, war dass sie keine Kämpferin war. Sie war eine Altvordere und somit den meisten Sterblichen an Macht weit überlegen, doch war ihr Körper so zart und zerbrechlich, dass sie auf dem Schlachtfeld nichts verloren hatte. Nindorna hatte zwar eine ähnliche körperliche Gestalt, würde dennoch Angriffen widerstehen, welche von Kurani nichts übriglassen würden. Sie würde auf ihre jüngere, so temperamentvolle Schwester achtgeben müssen. Kurani selbst schien mit ihrer Wahl glücklich zu sein. Nindorna wusste, dass Kurani schwer darunter litt, keine Eigenschaft zu besitzen, welche nicht von einem der Geschwister übertroffen wurde. Sie hatte sich das Fliegen beigebracht und schien sich in der Geschwindigkeit zu verlieren, doch war Nindorna wesentlich geschickter und mit wesentlich besseren Reflexen ausgestattet als ihre Schwester. Sie würde sich nicht am Fliegen versuchen, schon allein, um Kurani dies nicht wegzunehmen, doch wenn sie es wirklich wollte, wäre sie wahrscheinlich besser als ihre Schwester. Nindorna mochte Kurani und stimmte dieser Wahl zu, doch als Tiliens zweite Wahl auf Rahnadahra fiel, war Nindorna sehr beunruhigt. Rahnadahra war die Jüngste der Altvorderen und noch aufbrausender als Kurani. Sie galt als Liebling des Lachenden und ließ sich von niemanden etwas befehlen. Oft hielt sie sich nicht einmal an Tiliens Anweisungen. Wie Nindorna diese Mission mit diesen beiden leiten sollte, war ihr nicht wirklich klar. Leiten würde sie diese Mission. Sie war die einzige dieser Gruppe, welche als wirklich erfahren im Umgang mit Nichtlivaren war, sie hatte schon oft Krieg auf Scherben geführt, welche nicht dem Volk gehörten. Kurani und Rahnadahra hatten keinerlei solche Erfahrung. Trotz ihrer Bedenken schwieg Nindorna. Es war ihre Aufgabe zu dienen, wie der Rat es beschließen würde. Wenn sie Probleme mit der Entscheidung hatte, war es ihrem Unvermögen geschuldet. Sie würde diese Aufgabe also so gut, wie es ihr möglich war, erledigen. Der Rat verhandelte, bis die Tänzerin ihnen das Wort wieder entzog. Sie gab es, als alle verstummt waren, allein an Pornatus weiter, welcher seine Bedenken ob der Verlegung der Seelenteiche aussprach. Wenn der Krieg nicht zu ihren Gunsten verlief, wären die Altvorderen verloren, wenn ihre Seelenteiche an den Feind fielen. Ohne eine Verlegung konnten sie zwar kaum neue Generationen ihres Seelenvolkes auf diese Scherbe rufen, da alle über den Immerwald erfolgen mussten, doch sie wären im Fall der Fälle selbst sicher. Tiliens hitzige Antwort wurde von der Tänzerin abgewürgt, welche ihm zu schweigen gebot. Mit einer harschen Geste bestimmte die Einsame, dass die Seelenteiche bis auf weiteres nicht verlegt werden würden und erklärte diesen Punkt für entschieden. Schweigen legte sich wie ein Paukenschlag über die versammelten. Noch nie hatte ein Einsamer die Macht genutzt, tatsächliche Entscheidungen zu treffen. Doch solange sie den Erstgeborenen verkörperten, hatten sie die theoretische Macht und, wie Tilien soeben bewies, als der das Haupt senkte, um seine Unterordnung zu bezeugen, wurde sie akzeptiert. Wie vom Donner gerührt starrte Nindorna den Zweitgeborenen an, somit war es beschlossene Sache, Kurani Rahnadahra und sie würden nach Toranthell reisen, um dort gegen den Schwarm zu kämpfen, doch die Verbindung zum Immerwald aufrechterhalten. Wortlos stand Nindorna auf. Sie musste Vorbereitungen treffen.

Das könnte ihnen auch gefallen :

Der Krieg des Erstgeborenen

Maiko FL

Der sichere Hafen

Buchbewertung:
*Pflichtfelder