Obsessed

Obsessed

Michelle Racine


EUR 15,90
EUR 9,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 120
ISBN: 978-3-99107-896-8
Erscheinungsdatum: 11.04.2022
Als Vic ihre erste große Liebe kennenlernt, steht die Welt für sie still. Blind vor Leidenschaft, bemerkt sie zu spät, dass ihr Liebster längst nicht so perfekt ist, wie sie gedacht hat. Wird sie sich und jene, die sie liebt, beschützen können?
1.

Wenn du denkst, dass es nicht mehr schlimmer werden kann, kommt das Schicksal um die Ecke und zeigt dir, wie falsch du damit liegst.
Mein Name ist Vic. Eigentlich Victoria, aber so nennt mich niemand. Ich möchte euch eine Geschichte erzählen. Obwohl das Geschehene schon sehr lange zurückliegt, erinnere ich mich noch an alles, als wäre es gestern gewesen. Ich schätze, manche Sachen kann man einfach nicht vergessen, auch wenn man es noch so sehr versucht. Sie sind einem wie ins Hirn gebrannt. Sie hinterlassen Narben auf der Seele, welche die Zeit nicht heilen kann.
Dies ist eine Geschichte über Liebe und Freundschaft, Besessenheit und Hass. Aber jetzt denkt bloß nicht, dass hier ist so eine hollywoodreife Happy-End-Nummer, bei der am Ende alle lachen, singen und tanzen. Die Realität sieht meistens sehr viel düsterer aus. Woher ich das weiß? Nun, es ist meine Geschichte. Und im Gegensatz zu euch kenne ich das Ende bereits. Wo soll ich nur mit dem Erzählen anfangen? Nun, am besten ist es wohl, wenn ich am Anfang beginne.
Es war einmal …


2.

Endlich Samstag! Dafür dass wir Anfang März haben, ist es wunderschön draußen. Wolkenloser Himmel und strahlender Sonnenschein. Die Bäume und Büsche bekommen langsam erste Knospen. Die Tage werden nun wieder milder, die Nächte hingegen sind noch immer frostig. Mein heutiger Tag hat ziemlich aktiv begonnen. Ich verlasse gerade den Raum, in dem ich mich die letze halbe Stunde mit Bauch-Beine-Po-Übungen gequält habe. Jetzt noch zehn Minuten auf das Laufband, dann habe ich mein heutiges Trainingsprogramm vollendet. Seit drei Monaten gehe ich regelmäßig mit Mike in das örtliche Fitnesscenter namens 24/7-Gym. Dieses Studio gehört zu einer größeren Kette, die im ganzen Land zu finden ist. Dass wir samstags, nachdem wir gemütlich zusammen gefrühstückt haben, gemeinsam zum Sport gehen, ist mittlerweile zu einem festen Ritual geworden. Auch wenn wir es heute erst am Mittag ins Studio geschafft haben. Mike ist mein Freund. Mein erster richtiger Freund. Es mag kitschig klingen, aber er ist meine erste große Liebe. Wir sind heute auf den Tag genau elf Monate zusammen. Kennengelernt haben wir uns vergangenes Jahr auf einer Party.
Es war diese Art von Party, bei der sich der Gastgeber ordentlich ins Zeug legt, um Leuten zu imponieren, die er teilweise nicht kennt und von denen er den Rest nicht wirklich leiden kann. Barkeeper, Catering, DJ, Lichtshow und professionelle Tänzer inklusive. Eigentlich hatte ich an diesem Abend keine Lust auszugehen, aber ich hatte es meiner besten Freundin Sarah versprochen. Ich kann mich zwar nicht mehr dran erinnern, wer der Gastgeber war, aber ich weiß noch, dass Sarah mich regelrecht angebettelt hatte, mit zu gehen. Der Kerl auf den sie damals abgefahren war – ich glaube, Steve war sein Name –, sollte auch dort sein. Und ich erinnere mich daran, dass Mike mir sein Bier über meine weiße Bluse geschüttet hat. Er hatte sich mit jemandem unterhalten und dabei so hektisch mit den Armen gerudert, dass er mir kurzerhand eine ausgiebige Bierdusche verpasste. Rückblickend betrachtet, war es wohl keine so tolle Idee, auf eine Party eine weiße Bluse anzuziehen. Denn kaum hatte das Bier meine Bluse berührt, war sie auch schon komplett durchsichtig. Dass ich ausgerechnet heute einen roten BH drunter trug, verbesserte die Situation nicht gerade. Im Gegenteil. Er zog die Blicke der umstehenden Partymeute natürlich nahezu magisch an. So viel Aufmerksamkeit wird mir normalerweise nicht entgegengebracht. Beschämt und um den abschätzigen und lüsternen Blicken zu entkommen, rannte ich ins Badezimmer. Mir war das Ganze so peinlich, dass ich dagegen ankämpfen musste, in Tränen auszubrechen. Während ich also versuchte, mich zusammenzureißen und irgendwie diese doofe Bluse trocken zu bekommen – gibt es hier denn nirgends einen beschissenen Föhn? –, hörte ich ein zögerliches Klopfen an der Tür. „Hey, hier ist der Typ, der dir das Bier übergeschüttet hat. Darf ich reinkommen?“, fragte eine schüchterne Stimme. „Was will der denn jetzt von mir?“, fragte ich mich. Ohne etwas zu sagen, öffnete ich ruckartig die Tür, was ihn zu erschrecken schien. Ich wollte ihn gerade fragen, was er von mir wollte,als ich sah, dass er mir seinen Pullover, den er über seinem T-Shirt getragen hatte, entgegenstreckte. „Das mit deiner Bluse tut mir leid. Wenn du möchtest, kannst du gerne meinen Pullover anziehen“, sagte er und sah dabei so zerknirscht aus, dass ich schlagartig nicht mehr wütend war. Im Gegenteil, ich musste sogar ein wenig über ihn schmunzeln. „Ja, danke. Ich glaube, die Bluse ist nicht mehr zu retten“, sagte ich, nahm den Pullover und schloss die Badezimmertür. Jetzt, als meine Wut etwas verraucht war, fiel mir erst auf, wie gut er eigentlich aussah. Er war ziemlich groß, ich schätzte 1,85 cm. Er hatte welliges schwarzes Haar, war weder braun gebrannt noch zu blass. Seine Augenfarbe konnte ich in dem diffusen Licht nicht erkennen, aber die Form seiner Augen passte perfekt zum Rest seines Gesichts. Seine Nase war leicht krumm, wahrscheinlich wurde sie in der Vergangenheit mal gebrochen. Hohe Wangenknochen, volle Lippen. Und diese Stimme – dunkel und rauchig. Komplett in Gedanken versunken, fing ich an, meine Bluse aufzuknöpfen. Als ich sie ausgezogen hatte, sah ich sie mir nochmal an und beschloss, sie wegzuwerfen, der Fleck würde morgen sowieso nicht mehr rausgehen. Also Mülleimer auf, Bluse rein und Eimer wieder zu. Ich nahm den Pullover vom Handtuchhalter neben dem Waschbecken, wo ich ihn zwischenzeitlich abgelegt hatte, und war erstaunt, wie weich er war. Was das wohl für ein Stoff war? Ich zog ihn an und war verwundert darüber, wie gut er saß. Er schmiegte sich regelrecht an meinen Körper. Das intensive Azurblau schmeichelte meinem Teint und brachte meine Augen sehr schön zur Geltung. Das Parfüm von dem Typ klebte noch daran und es roch einfach himmlisch. Ich hatte zwar wenig Lust, zur Party zurückzugehen, aber ich konnte mich auch schlecht die ganze Nacht hier einsperren. Also überwand ich mich dazu, das Badezimmer zu verlassen. Vor der Tür stand noch immer der zerknirschte Bierschütter. Als er mich bemerkte, drehte ich mich einmal kunstvoll im Kreis und fragte ihn, ob ich so wieder partytauglich sei. Für ein paar Sekunden starrte er mich regelrecht an, was meinem Ego ziemlich gut tat. „Du siehst toll aus. Um ehrlich zu sein, steht dir der Pullover besser als mir“, brachte er hervor, bevor er den Blick von mir nahm. Schweigend gingen wir zusammen zurück zur Party, direkt auf die Bar zu. Ich brauchte jetzt definitiv einen Drink. An der Bar bestellte ich mir einen Wodka Cranberry und er sich ein neues Bier, diesmal in der Flasche. „Wäre nett, wenn dein Bier jetzt auch in der Flasche bleiben würde“, sagte ich und zwinkerte ihm zu. Er lächelte, wir prosteten uns zu und tranken jeder einen Schluck. Ich konnte fühlen, wie der Alkohol meine Kehle hinunterfloss und ich augenblicklich wieder etwas lockerer wurde. Er entschuldigte sich nochmal bei mir, woraufhin ich erwiderte, dass er sich keine Sorgen machen solle. Ihm müsse nur klar sein, dass ich den Pullover nun behalten würde. In Anbetracht der Tatsache, dass er mir besser stehe als ihm und er mir ein neues Oberteil schulde, sei das in Ordnung, antwortete er mir. Und so verging der Abend. Wir unterhielten uns über alles Mögliche, gönnten uns weitere Drinks, lachten viel und schließlich brachte er mich nach Hause. Bevor ich in der Haustür verschwand, fragte er mich noch nach meiner Nummer, die ich ihm nur zu gerne geben wollte. Ich war noch nicht in meiner Wohnung im vierten Stock angekommen, als er mir auch schon eine Nachricht geschickt hatte. „Gute Nacht Pullover-Mädchen. Jetzt bin ich fast froh, dass ich dir mein Bier übergeschüttet habe. Ich hoffe, wir sehen uns wieder. LG Mike.“ Mike – erst jetzt fiel mir auf, dass ich ihn die ganze Nacht nicht nach seinem Namen gefragt hatte. Und er kannte meinen Namen auch nicht. Das musste ich ändern. Ich antwortete ihm sofort. „Pullover-Mädchen hier. Ist zwar schade um die Bluse, aber ich bin auch froh, dass das passiert ist. Der Pullover ist ein guter Ersatz;) Ich bin mir sicher, dass wir uns wiedersehen werden. LG Victoria, alias das Pullover-Mädchen.“ In meiner Wohnung zog ich als Erstes meine Schuhe aus. Ich liebe Pumps, aber nach ein paar Stunden sind sie einfach verdammt unbequem. Ich fühlte regelrecht, wie meine Füße sich freuten, als ich die Absätze gegen meine bequemen, plüschigen Hausschuhe tauschte. Taumelnd, wahrscheinlich hatte ich doch den ein oder anderen Drink zu viel, schleppte ich mich ins Badezimmer, wo ich mich abschminkte und mir die Zähne putzte. Im Schlafzimmer tauschte ich Jeans gegen Pyjamahose. Eigentlich hätte ich den Pullover auch ausziehen sollen. Aber er war noch immer so schön weich und roch nach Mike. Ich beschloss, ihn anzubehalten und legte mich ins Bett. Fuck! Plötzlich fiel mir ein, dass ich mich gar nicht von Sarah verabschiedet hatte. Ich schrieb ihr schnell eine Nachricht. „Hey Süße. Sorry, ich bin schon zu Hause, habe auf der Party jemanden kennen gelernt. Ich erzähle dir morgen mehr. Hab dich lieb.“ Um ehrlich zu sein, hatte ich Sarah auf der Party ziemlich schnell aus den Augen verloren. Aber das war nichts Neues. Sarah war im Flirtmodus, da blendete sie alles andere aus. Wegen des Alkohols dauerte es nicht lange, bis ich tief und fest eingeschlafen war. Am nächsten Morgen wurde ich durch das Klingeln meines Handys geweckt. Viel zu früh! Ich warf einen Blick auf den Wecker, es war gerade mal halb neun. Mein Kopf dröhnte, es fühlte sich an, als würden tausende kleine Menschen auf noch kleineren Schreibmaschinen in meinem Kopf rumhämmern. Wehe, der Anruf war nicht wichtig. Ich schaute auf das Display und war schlagartig wach. MIKE RUFT AN war in dicken Lettern darauf zu lesen. Für einen kurzen Moment überlegte ich, ob ich es einfach klingeln lassen sollte. Andererseits, jetzt wo ich schon mal wach war, konnte ich auch rangehen. „Guten Morgen, Pullover-Mädchen“, sagte er sofort, nachdem ich den Anruf angenommen hatte. Er hörte sich fit und gut gelaunt an. Offenbar hatte ihm der Alkohol gestern nicht so zugesetzt. „Wieso zur Hölle bist du schon wach?“, fragte ich ihn und bemerkte, dass meine Stimme den typischen Durchgemachte-Nacht-Klang angenommen hatte. Am Morgen nach einer durchfeierten Nacht ist meine Stimme immer sehr viel dunkler als gewöhnlich und extrem kratzig. Das schien ihm auch aufgefallen zu sein. Ich konnte ihn kichern hören bevor er wieder zu sprechen begann: „Da hört sich aber jemand verkatert an. Ich rufe an, weil ich dich fragen wollte, ob du mit mir frühstücken gehen willst.“ Und ob ich das wollte. Nur war ich mir aktuell noch nicht sicher, ob mein Magen etwas bei sich behalten würde. „Ein deftiges Frühstück ist bei einem starken Kater das beste überhaupt“, sagte er, als ich nicht antwortete. Als könnte er meine Gedanken lesen. Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob diese Aussage wirklich zutraf. „Vielleicht hast du recht. Und ein Kaffee bewirkt bestimmt Wunder. Wann? Wo?“, fragte ich ihn. Er erkundigte sich ob ich das DUTCHMENS PANCAKE HOUSE kenne. Na klar kannte ich das. Dort gab es die weltbesten Pfannkuchen. Früher war ich mit meiner Familie jedes Wochenende dorthin gegangen Wir verabredeten uns also für 10 Uhr. Das gab mir genug Zeit, um unter der Dusche einigermaßen wach zu werden. Anschließend föhnte ich mir die Haare, putzte mir die Zähne und versuchte alles Mögliche, um weniger wie ein Zombie auszusehen. Ich brauchte unbedingt eine Kopfschmerztablette. Im Badezimmerschrank fand ich einen letzten Blister. Ich drückte mir eine Tablette heraus, füllte einen Becher mit Wasser und schluckte die Tablette Anschließend schlüpfte ich in die Jeans, die seit heute Nacht auf meinem Fußboden lag, und zog mir ein Sweatshirt über. Ein weites, weißes mit der Aufschrift HARD ROCK CAFÉ Sarah hatte mir dieses Sweatshirt vor ein paar Jahren aus Paris mitgebracht. Als ich mit meinem Aussehen einigermaßen zufrieden war, schnappte ich mir Handy, Geldbeutel und Schlüssel, schmiss alles in meine Handtasche und verließ die Wohnung. Das DUTCHMENS PANCAKE HOUSE befand sich in einem größeren Gebäudekomplex in der Innenstadt und war nicht weit von meiner Wohnung entfernt, also machte ich mich zu Fuß auf den Weg. Obwohl ich ein paar Minuten früher da war, wartete er bereits auf mich. Er sah mich auf sich zukommen und schenkte mir ein strahlendes Lächeln. Auf einmal war mein Kater wie weggeblasen und ich war einfach nur glücklich. Zur Begrüßung umarmten wir uns. „Du siehst nicht so fertig aus, wie ich vermutet hatte“, schmeichelte er mir. Ich machte einen Knicks und bedankte mich für das Kompliment. Als wir hineingingen, hielt er mir die Tür auf. Die Geräusche eines gut besuchten Cafés drangen hinaus auf die Straße – klapperndes Geschirr und die Stimmen von sich unterhaltenden Gästen. Die Wände im Innern waren lindgrün gestrichen, dunkles Parkett. Die Möbel waren in verschiedenen dunklen Holztönen gehalten. Wir hatten Glück und fanden noch einen kleinen Tisch etwas abseits des Trubels. Obwohl das DUTCHMENS PANCAKE HOUSE gut besucht war, dauerte es nicht lange, bis uns eine gut gelaunte Kellnerin die Speisekarten brachte. „Kann ich euch schon was zu trinken bringen?“, fragte sie uns. Ihre Stimme war sehr hoch, wirkte fast wie die eines kleinen Mädchens. Das Namensschild an ihrem Shirt verriet uns ihren Namen – Eva. Sie war groß, etwas zu dünn und trug einen schwarzen Pixie Cut. Die komplett in Schwarz gehaltene Uniform ließ sie noch blasser wirken, als sie ohnehin schon war. Ich bestellte mir einen großen schwarzen Kaffee und Mike nahm einen grünen Tee. Ich wusste bereits, auch ohne in die Karte zu sehen, was ich essen wollte. Seit ich ein kleines Mädchen war, hatte ich meine Bestellung hier nie geändert. Mike studierte die Speisekarte einen kurzen Moment und wusste es dann auch. Als Eva mit unseren Getränken zurückkam, bestellten wir gleich unser Essen. DUTCHMENS PANCAKES mit Schokocreme, Speck und Ahornsirup für mich und DUTCHMENS PANCAKES mit Ei und Speck für Mike. „Speck mit Schokocreme? Das kann man doch nicht essen.“ Er sah mich skeptisch an. Ich lachte und sagte ihm, dass er es erst probiert haben müsste, um urteilen zu können. Während wir auf unser Essen warteten, unterhielten wir uns über verschiedene Dinge. Zum Beispiel über unsere Jobs – er war Kurierfahrer bei einem größeren Lieferdienst, ich arbeitete im Kundendienst eines Modegeschäfts. Er erzählte mir, dass er früher mal einen Hund gehabt hatte – Spike –, den er leider abgeben musste, weil er eine Allergie entwickelt hatte. Ich hätte stundenlang hier sitzen und ihm beim Reden zuhören können. Nach einer Weile kam Eva wieder an unseren Tisch und servierte unser Frühstück. Sofort stieg mir der Duft von Speck und Pfannkuchen in die Nase. „Und wie isst du das jetzt?“, fragte mich Mike. Anstatt zu antworten, zeigte ich es ihm. Ich schnitt ein Stückchen Pfannkuchen ab, schmierte etwas Schokocreme darauf, dann zerkleinerte ich den Speck und legte diesen auf die Schokocreme. Zu guter Letzt träufelte ich Ahornsirup obendrauf und schob mir den Bissen in den Mund. Das schmeckte so himmlisch. Mike sah noch immer etwas skeptisch aus. Ich bot ihm an, dass er es ja mal versuchen könne und schob ihm das Gläschen mit Schokocreme entgegen. Er tat es mir gleich und zögerte kurz, bevor auch er sich die Gabel in den Mund schob. Er kaute, schluckte und verzog das Gesicht. Ich musste kichern, er sah dabei so süß aus. Weitgehend schweigend – mit vollem Mund spricht man schließlich nicht – verzehrten wir unsere Pfannkuchen und unterhielten uns danach weiter. Es war erstaunlich einfach, sich mit ihm zu unterhalten. Wir merkten gar nicht, wie die Zeit verging. Auf einmal stand Eva an unserem Tisch und bat uns darum, abkassieren zu dürfen, da ihre Schicht gleich zu Ende sei. Ein kurzer Blick auf die Uhr ließ mich wissen, dass es schon nach 13 Uhr war. Ich kramte gerade in meiner Handtasche nach meinem Geldbeutel, als Mike mir signalisierte, dass er die Rechnung übernehmen wollte. Ich bedankte mich mit einem herzlichen Lächeln. Wenig später verließen wir das Café und gingen noch eine Weile im angrenzenden Stadtpark spazieren. Er erzählte mir von seiner Kindheit, die er mit seiner Familie im Ausland verbracht hatte. Er, seine Eltern und seine Zwillingsschwester. Auf seine Frage, ob ich Einzelkind sei oder mit Geschwistern aufgewachsen war antwortete ich ihm, dass ich mit Geschwistern aufgewachsen war – einer jüngeren Schwester namens Michelle und einem älteren Bruder namens Sven. Unsere Eltern – Mina und Jürgen – komplettieren unsere Familie. Wir wollten uns gerade auf eine Bank setzen, als sein Handy klingelte. Er warf einen kurzen Blick auf das Display und drückte den Anruf weg. Doch kaum war der Anrufer aus der Leitung geschmissen worden, klingelte es erneut. „Ist schon ok. Du kannst ruhig drangehen. Es scheint wichtig zu sein“, sagte ich und lächelte ihm zu, um meine Worte zu untermauern. „Dauert auch nur einen kleinen Moment“, sagte er und ging ein Stück zur Seite. Solange er telefonierte, schaute ich mich im Park um. Eltern mit Kindern, Spaziergänger mit Hunden. Das gute Wetter schien die Leute regelrecht aus dem Haus zu treiben. Auf einmal stand er wieder neben mir und sah irgendwie geknickt aus: „Hey, sei mir bitte nicht böse. Das war mein Chef. Ein Kollege ist ausgefallen und ich muss seine Schicht übernehmen. Ich muss leider sofort los“, sagte er und seufzte dabei. „Das macht doch nichts. Wir können das Treffen gerne wann anders fortsetzen.“ Ich beschloss, noch etwas im Park zu bleiben. Daher verabschiedeten wir uns mit einer Umarmung und Mike gab mir einen zärtlichen Kuss auf die Wange. Ich sah ihm hinterher, wie er den Park eiligen Schrittes verließ. Ich konnte es noch gar nicht fassen. Ich hatte bisher kein Glück mit Männern gehabt. Meistens verschwand ich einfach in der Menge und hatte das Gefühl, von niemandem wahrgenommen zu werden. Und dann kam dieser gut aussehende Kerl, leerte sein Bier über mir und schien genauso an mir interessiert zu sein wie ich an ihm. Glücklich lächelnd saß ich auf der Parkbank und gab mich meinen Tagträumen von einer möglichen Zukunft mit Mike hin. Die Zeit verging und im Handumdrehen brach die Dämmerung an, sogar die Straßenlaternen waren zwischenzeitlich eingeschaltet worden. Noch immer ganz in meine Träumereien versunken, machte ich mich auf den Weg nach Hause und konnte es kaum erwarten, ihn wiederzusehen.


3.

„Meine Güte, Vic! Wo zur Hölle warst du?“, schrie mir Sarah ihre Frage entgegen, kaum dass ich in meine Straße eingebogen war. Sie kam auf mich zugerannt und erdrückte mich fast, so fest umarmte sie mich. Perplex erwiderte ich ihre Umarmung. „Ich war unterwegs. Frühstücken, dann im Park“, stammelte ich mit hörbarer Verwirrung in der Stimme. Sarah ließ mich los und sah mich entgeistert an: „Ich habe mir echt Sorgen gemacht. Wir haben uns auf der Party nicht mehr gesehen. Und das Letzte, was ich von dir wusste, war, dass du nach Hause bist und jemanden kennen gelernt hattest. Dann konnte ich dich heute den ganzen Tag über nicht erreichen. Es ging immer sofort die Mailbox dran. Da hätte ja sonst was passiert sein können“, sagte sie in einem Ton, der mich wissen ließ, dass sie sich ernsthaft Sorgen gemacht hatte. Komisch … mein Handy hatte gar nicht geklingelt. Ich nahm es aus der Handtasche. „Tut mir leid. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass mein Akku leer ist“, sagte ich und fragte sie, ob sie mit reinkommen wollte, dann würde ich ihr alles erzählen, was seit der Party passiert war. Die Aussicht auf Informationen über den mysteriösen Kerl, den ich kennen gelernt hatte, besänftigte sie sofort. Sie hakte sich bei mir ein und wir gingen die Straße bis zu meinem Haus hinunter. In der Wohnung angekommen, schloss ich zuerst mein Handy an das Ladekabel im Schlafzimmer an. Dann ging ich rüber ins Wohnzimmer, wo Sarah es sich bereits auf meinem Zweisitzer-Sofa gemütlich gemacht hatte. Ich setzte mich zu ihr. Ungeduldig sah sie mich an: „Jetzt erzähl schon. Wie heißt er? Wie sieht er aus? Ist er gut im Bett?“, fragte sie mich mit einem Augenzwinkern. „Ach, halt die Klappe“, sagte ich lachend und boxte ihr spielerisch gegen die Schulter. „Können wir uns erst mal um etwas Wichtigeres kümmern?“, fragte ich sie. „Was gibt es Wichtigeres als heiße Kerle und Sex?“ Sie fing an zu lachen, kaum dass sie diese Worte ausgesprochen hatte. Auch ich musste lachen. Das war typisch Sarah – je schmutziger und intimer die Details, desto besser. „Essen! Ich habe seit dem Frühstück nichts mehr gegessen und merke grad, dass ich am Verhungern bin“, sagte ich und hielt mir meinen knurrenden Bauch. Noch immer lachend, zückte sie ihr Handy und rief bei BEST PIZZA IN TOWN an und bestellte Pizza.
5 Sterne
Fesselnd - 07.05.2022
Breier, Yvonne

Habe das Buch auf einen Schlag fertig gelesen. Die Geschichte zieht einen sofort in ihren Bann. Am Ende stellte sich mir die Frage, wie geht es weiter? Hoffe, dass es eine Fortsetzung gibt. Würde auch gerne noch andere Romane von der Autorin lesen.

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