Fragliche Fragmente eines Lebens

Fragliche Fragmente eines Lebens

Zersplitterte Zufälle

Michael Buczak


EUR 15,90
EUR 9,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 46
ISBN: 978-3-99048-841-6
Erscheinungsdatum: 07.09.2017
Alberts Jugend wird geprägt durch ein Picknick im Park mit einem Mädchen, das einst unerreichbar für ihn war. In seinem späteren Leben bringt ein Spaziergang in demselben Park eine unerwartete Begegnung. Ein spannender Weg in Geschichten und Gedichten!
Allein zu zweit


Zuerst lernte Albert sie mit zehn Jahren im Gymnasium kennen. Sie gefiel ihm sofort - schon rein äußerlich. Es sollte sich herausstellen, dass ihr Charakter und ihr gesamtes Wesen sehr anziehend für ihn sein werden. Jahrelang nahm er sich vor, sie ins Kino einzuladen, träumte von einer Bootsfahrt ganz mit ihr allein; doch nichts geschah tatsächlich. Alles spielte sich nur in seinem Kopf ab.



Tagebucheintragung …
Inspiriert
Unsere Blicke begegneten sich
Sie wusste bereits jetzt sie hat mich
In ihrem Inneren lag Magie
Ihr Zauber bahnte sich den Weg zu mir

Für ihre blonden gebundenen langen Haare
Sollte es der letzte Sommer sein

Sie liebte es zu schummeln
Damals noch
Hörte sie auf sich und ihre Intuition

Brach Versprechen
Um die Welt zu erleben
Wie sie ist und ließ
Alle vorgefertigten Pfade hinter sich



Als andere mit ihr redeten, was meistens auf Partys der Fall war, glaubte er seinen Augen kaum.
Womit unterhielt er sie? Wieso lauschte sie seinen Worten? - waren Alberts Fragen, als er Adam mit Vanessa reden sah. Nie ist ihm so etwas passiert, nie unterhielt sie sich mit ihm.




Tagebucheintragung …
Tonalität
Ich will

ihr

etwas Besonderes mitteilen

Sie auf keinen Fall langweilen


Ich halte mich zurück

in der Hoffnung

dass ich mich dadurch

treffsicherer ausdrücke



Dabei hatten sie so viele Gemeinsamkeiten - sie beide liebten Sport und waren begabt darin. Beide waren wirklich gut in der Schule.
Diese Ablehnung war ihm ein Rätsel. Für Albert war es klar, dass er in sie verliebt war und dass sie (nichts) davon wusste. Denn man muss einen Schritt machen, werben, auf der Oberfläche, der Bühne, erscheinen, damit es beim zweiten, der anderen Person, ankommt. Nie verstand er, dass eine Liebe unerwidert bleiben konnte, dass seine Liebe ins Leere ging. Albert war so verletzt, dass er sich gar nicht traute zu träumen, von ihr zu träumen. Er spürte die Realität, wie sie auf ihm wie ein Gewicht lastete.
Während er keinerlei Verbindung zu ihre hatte, hatten alle, die sie mochten, längst wichtige Themen mit ihr, sperrten sich auf Partys in Zimmern ein, um über wirklich lebenswichtige Dinge zu reden.
Immer hoffte er auf ein Zeichen von ihr, das anzeigen würde, dass sie auch etwas für ihn empfindet.
Eines Tages, Jahre später, war Albert bei ihr im Zimmer und sah, dass sie von Kundera „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ las. Da dachte er sich, dass sie alles hat, was die (private) Gesellschaft schätzte. Sie war spontan, lebendig, auf den ersten Blick etwas burschikos, doch zugleich, mit näherem Kennenlernen, weiblich, verführerisch und mit dem gewissen Etwas. Sie konnte sich so ausdrücken, dass man das Geschehene gerne von ihrem Standpunkt aus sah. Egal was sie tat, immer war ehrliche Begeisterung dahinter, die nie schwand.



Tagebucheintragung …
Ferne Prinzessin
Ich habe mein Herz vergeben

ohne Erwiderung ist es vergebens


Du bist mein Fenster zur Welt

Mein Nektar im Leben

Meine Schönheit in Eden

Umringt von dir

bringt in mir

eine Seite zum Vorschein

dabei entdecke ich

mein wahres Sein


Ich bin beruhigter

Mein Herz klopft ruhiger

Ich bin weicher

mein Atem leichter


Wieso können meine Worte sie nicht rühren

ihre Lippen meine nicht berühren

Ich wünschte ich würde sie verführen

Unsere Körper sich spüren



Er war wie gelähmt - fast jahrelang. Erst nach Ende der Schulzeit sollte sich das ändern. Nach der Schule ging sie als Au-pair-Mädchen nach Spanien. Kurz vor ihrer Abfahrt versprach er ihr, sie zu besuchen. Er nahm dieses Versprechen sehr ernst. Etwa ein halbes Jahr später rief er sie an, wann es ihr passt, dass er sie besuchen kommen konnte. Sie antwortete: „Um Ostern herum.“ Ermutigt buchte Albert im Reisebüro einen Flug. Einen Monat vor seiner geplanten Abreise griff er noch mal zum Hörer und sie sagte ihm, dass er sie unmöglich besuchen könne, weil schon zu viele Freunde kommen. Er gab zu verstehen, das Ticket schon gekauft zu haben. (Sie meinte, es wird sehr eng, aber er kann kommen.)
Das Telefongespräch bohrte sich tief in seine Seele. Er hegte Bedenken, ob er das Richtige tue. ‚Bin ich nicht eher eine Last als ein willkommener Gast?‘, dachte er bei sich.

Monika und David holten ihn vom Flughafen ab und als sie ihn umarmten, fiel die Last von ihm ab.
Alle anderen (Philip und Felix, Petra - ihre Mitbewohnerin, …) begrüßten ihn herzlich.
Er wohnte mit ihnen in der Calle Austria in einem Haus mit Innenhof, das ein paradiesisches Gefühl vermittelte.
Die Gruppe machte eine Reise zu einem Berg und fuhr mit dem Zug hin, sie gingen an Dörfern vorbei und entlang der Landstraße waren Weinberge. Nach dem anstrengenden Aufstieg genossen sie die Aussicht und als sie wieder im Tal ankamen, erblickten sie unterwegs ein verschlossenes Eisentor. Dahinter erspähten sie eine Art Bar oder Taverne. Sogleich fiel ihnen auf, als sie näher ans Tor traten, dass sich dahinter - im Gebäude - jemand aufhielt. Schnell stellte sich heraus, dass es sich um den Besitzer handelte.
Monika nahm mit ihrer „flotten Zunge“ sogleich einen beherzten Kontakt auf und sie erschien ihm auf den ersten Blick sympathisch. Sie unterhielt sich weiterhin mit ihm.
Redet Monika, hat man immer das Gefühl - so spontan ihre Einfälle auch klingen - es stecken doch immer ausgereifte Gedankengänge dahinter, die subjektiv angehaucht, doch für den Außenstehenden deswegen nicht befremdlich sind; ganz im Gegenteil, sie erleichtern dem Zuhörer, sich in sie hineinzuversetzen und sie dadurch besser zu verstehen. Diese Empathie löst eine Art persönliche Sympathiewelle aus und man lernt sie als Menschen kennen.
Sie saßen noch eine Weile auf der Terrasse, umgeben von Bäumen, und kippten alkoholische Getränke hinein. Danach verabschiedeten sie sich.
In der Nacht überkam ihn ein Traum …



Dis-Tanz
Fahre mit ihr im Taxi

und halte ihre Hand


Beginne mich zu entschuldigen

und zu rechtfertigen

ob ich überhaupt darf

Sie beginnt zu lachen


Ich hätte zuerst fragen sollen

ob sie einen Freund hat

sagt sie


Beim Halten ihrer Hand

zerrinne ich innerlich

transformiere mich

von Luft zu Wasser

Wandle mich

von geistig zu lebendig



Für den letzten Abend kauften sie viel Alkohol für eine Bowle ein. Für die meisten war es ein feucht-fröhlicher Ausklang der Reise. Albert blieb noch zwei Tage länger. Sie waren zu dritt - Petra, Vanessa und Albert. Sie gingen ins Kino. Der Film war mit englischen Untertiteln. Der Streifen handelte von einem Schriftsteller, der auf einen Mäzen trifft. Dieser ältere Herr berät ihn, welche Bücher seinem Schreibstil entgegenkommen würden.
Anstatt sich diese Bücher zuzulegen, kauft sich der Autor, als Zeichen seines schöpferischen Talents, eine Pflanze - einen Kaktus. Er lässt ihn in seiner Wohnung am Fensterbrett gedeihen.
Nach diesem Abend düste Albert am nächsten Morgen zurück nach Wien.



Eintrag ins Tagebuch …
Das
Die Sonne in Wien ist zart
ihre Strahlen dringen nicht durch
die kalte Luft
Das Tageslicht
lässt die Haut nur erahnen
wie schön es schon sein könnte

Der Donaukanal
ist wie ein Fließband
eingebettet im Flussbett -
nie über den Rand kommend
hat kein lautes Geräusch
gerade mal ein Plätschern

In Malaga das Meer
Kraftvolles Hin und Zurück
Schaut man den Wellenumbrüchen hinterher
einnehmend - der Rausch des Meeres
danach die Ruhe



Als Vanessa zwei Monate später in Wien ankam, begrüßte er sie mit einem Picknick im Augarten.
Er bat sie, ihre Augen zu schließen. Sie saß mit abgewinkelten Beinen da, die zur Seite geschoben wurden. Er sagte, sie könne die Augen wieder öffnen. Ihr entkam ein Lächeln, das ihn dazu ermunterte, ihr zu sagen, was er sich vorgenommen hatte. Er nahm all seinen Mut zusammen und presste „Te quiero“ heraus. Er befürchtete, dass sie sich wegdreht, um ihre Sachen zu packen, und weggeht, doch, zum Glück täuschte er sich und aus ihrem Mund kamen die Worte: „So romantisch hätte ich dich gar nicht eingeschätzt.“ Er traute sich nicht, ihr etwas zu entgegnen, denn Albert wollte die Stimmung nicht zerstören. Nach einer Weile des Schweigens erzählte er ihr über seine Zweifel, seine Fragen, wie zum Beispiel, ob man auf seine Intuition zurückgreifen darf, oder, ob die Gewissheit aus etwas Anderem wie etwa der Erfahrung entspringen muss. Er erzählte ihr vieles, was er bislang für sich behielt, und nachdem er zu Ende geredet hatte, gab sie auf seine letzte Bemerkung zum Besten, dass der Gedanke, vertrauenswürdig zu sein, wenn man eisern schweigt, zwar stimmt, aber man sich immer eine Version zurechtlegen sollte, wie man es jemandem erzählt, damit einen die Last des Schweigens nicht erdrückt.
So redeten sie weiter, bis es an der Zeit war, zu gehen. Da sie ganz in der Nähe wohnte, begleitete er sie nach Hause. Albert küsste sie auf die Wange und wollte sie noch einmal auf die Wange küssen; doch plötzlich vertiefte er sich in ihre Augen, sie musterte ihn ihrerseits genau, und es entstand ein magisches Band zwischen ihnen, das sich erst löste, als sie sich aufhörten zu küssen.
Sie trafen sich danach jeden Tag und eines Tages teilte sie ihm mit, dass sie klettern gehen will. Im selben Atemzug fragte er sie, ob sie etwas dagegen hätte, wenn er auch mit von der Partie wäre? Er erinnerte sich an die schönen Stunden, als er auf Bäume kraxelte. Noch während er in Gedanken versunken war, antwortete sie: „Sicher, klar.“
Stunden nach dem Gespräch überkamen ihn auf einmal Zweifel, dass er ihr ihre Freiheit nicht lasse, dass sie seine Frage als Akt der Kontrolle sehen könnte. Er beruhigte sich dann sogleich und flößte sich ein, dass er sie schon gefragt hatte und es somit schon passiert, Realität geworden war, und er in Wahrheit ziemlich froh darüber war, dabei zu sein.
Schon in den ersten Kletterstunden lernten sie Antonia und Philipp kennen. Nach dem Klettern gingen sie regelmäßig zum Wirten Hans - die Frauen auf ein paar Gläschen Rotwein und die Männer, um Wieselburger zu trinken.

Sie spazierten an jenem späten Nachmittag durch die engen Gassen Wiens. Sie unterhielten sich über Monika - ihre beste Freundin. Abends gingen sie gemeinsam weg. Sie waren im Flex, sie war wegen der Musik dort, er, um ununterbrochen zu tanzen.
Als sie nebeneinander tanzten, übertrug sich ein Impuls direkt auf seine Zunge und er küsste Vanessa flüchtig, das machte ihn süchtig. Er berührte sie mit seiner Hand am Rücken, glitt hinunter; sie machten ein paar Schritte zur Wand, bis sie anstießen, und küssten sich leidenschaftlich. Sie löste sich dann von ihm und flüsterte Albert zu: „Willst du etwas erleben?“ Er war neugierig und nickte. Sie nahm ihn an der Hand, sie überquerten die Brücke, rannten Richtung Augarten und als beide an der Mauer standen, sagte sie: „Los geht’s!“ Sie kletterten über die in zwei Metern Höhe angeordneten Ziegel. Der Park war ganz leer, nur sie beide.
Sie legte sich mitten auf die Wiese, er legte sich auf sie, küsste ihren Hals und begann, sie langsam auszuziehen.






Zu zweit

Albert und seine Arbeitsphilosophie



Keines von Alberts Worten wird einfach nur auf sein Gegenüber geschleudert. Er verhält sich aber auch nicht so, dass jedes Wort auf die Waagschale gelegt wird. Auf jeden Fall schafft es dieser Mann, sich präzise und gleichzeitig mit Pep und Schwung auszudrücken.
Jedes gesagte Wort ergibt Sinn. Er reagiert schnell auf sein Gegenüber und weiß Argumente zu entkräften, indem er es als Klischee oder vorschnelles Urteil abtut. Auch das gesamte Gespräch hat Hand und Fuß. Nicht streng logisch, wie es ein Mathematiker verstehen würde, aber intuitiv sowie assoziativ, ohne jemals esoterisch zu werden.
Immer war Albert seinen Landsleuten an Professionalität voraus. Er hatte eine klare Vorstellung, wie was zu laufen und wie was zu funktionieren hat. Wenn sich Albert einer Sache annimmt, will er bis zum Kern durchdringen und dabei jede Einzelheit und jedes Detail verstehen. Erst dann setzt er alles zusammen, verknüpft alle Elemente und findet allgemeine Erklärungen.
Studiert er seine Unterlagen, braucht er vollkommene innere Ruhe und Stille. Außerdem will er ungestört arbeiten.
Spricht er mit Kollegen, gibt er seine Erkenntnisse erst preis, wenn er merkt, dass sein Gesprächspartner einiges aufbieten kann. Albert verrät eine kleine Verständnissache und wartet ab, ob sein Gegenüber darauf eingeht. Äußert sich der Kollege tatsächlich über dieses Detail - auf das Albert alle Antwortmöglichkeiten weiß, wobei er alle eventuellen Szenarien kennt, kommt erst der Stein ins Rollen. In diesem kurzen Gespräch ist Albert unschlagbar. Da blüht er auf und sein Gegenüber geht ein.

Seinen Kollegen ist Albert suspekt. Gerne wird er belächelt, und gibt es mal kein Thema, ist er Gesprächsstoff. „Wie kann einen normalen Menschen Papierkram derart einnehmen?“, fragen sie sich. Er hingegen findet, dass man davon überzeugt sein muss, was man macht. (Rede ich schlecht über meine Arbeit, bedeutet das doch nur, dass ich nicht dahinterstehe.)
Kollegen sind der Meinung, dass er kein Mensch ist, weil er keinerlei Hobbys, Leidenschaften oder Interessen hat. Ist jemand von seiner Arbeit begeistert, denkt Albert sich oft, stellt die Arbeit keine Mühe, sondern ein Vergnügen dar. Kurzum braucht man nach Alberts Einschätzung keine Hobbys, um sich abzulenken, denn Arbeit und Leidenschaft sind ein und dasselbe.
Alberts neuer Vorgesetzter Manfred hatte kein Vertrauen zu ihm. Immer behielt Manfred die wichtigen Informationen für sich - jeder an der Gerüchteküche Beteiligte wusste mehr. Beim vorherigen Vorgesetzten gab es immer eine große Anspannung bei der Arbeit, doch immer hielt Albert dem Druck stand. Nun kam er sich wie das letzte Rädchen vor, das zwar immer seine ihm übertragenen Aufgaben ordentlich erfüllte. Doch schien es ihm, als ob er nur die nicht nennenswerten Krümel abbekommen würde. Von seinem Schreibtisch aus sah Albert immer wichtige Kunden und Geschäftspartner ein- und ausgehen. Er erfuhr immer, weswegen sie hier waren, allerdings nie, worum es im Detail ging.
Nie begegnete ihm der Chef auf Augenhöhe. Immer kam es Albert vor, als wäre er mindestens drei Ebenen unter ihm. Auch was er von Manfred über das geschäftliche Treiben erfuhr, war nur die offiziellste Version der Wahrheit. Seinesgleichen erzählte der Vorgesetzte ehrlich, was Sache ist, und sprach in aller Klarheit seinen Standpunkt aus. Albert hatte so seine Theorien, wieso der Chef kein Vertrauen hatte. Er vermutete, dass Manfred ihn für indiskret hielt. Über den wahren Zustand der Abteilung erfuhr Albert nur mehr noch zufällig. Hin und wieder kam ihm ein Gerücht zu Ohren.

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