Die Toten, die man nicht sterben ließ

Die Toten, die man nicht sterben ließ

Willibald Rothen


EUR 28,90
EUR 23,99

Format: 13,5 x 21,5 cm
Seitenanzahl: 558
ISBN: 978-3-99131-256-7
Erscheinungsdatum: 12.05.2022
Zweiter Weltkrieg, Nachkriegszeit und jede Menge Verwicklungen und Verirrungen, Sigmund Freud, ein Graf, und vieles andere wird mit diesem Roman dem geneigten Leser geboten. Wer kurzweilige und turbulente Geschichten mag, liegt mit diesem Buch richtig!
Eines Tages, es war so um die zwölfte Stunde, die Sonne brannte vom Himmel, da sie keine Wolke davon abhielt, so sie ihre Strahlen widerstandslos auf das Dorf schicken konnte. So sich das Dorf nur durch eigenes Gebäude und ein paar mit dichtem Laube behangenen Bäume Zuflucht für die Bewohner waren. Aber die meisten hatten sich sogar in den Erdkellern zurückgezogen, so sie einen hatten, so hochgradig war die Luft durch die hochstehende und hochsommerliche leuchtende Sonne aufgeheizt. Die Hunde verkrochen sich irgendwo im Schatten ihrer Hütte oder in der Scheune. Die auf der Wiese weidenden Kühe und Kälber waren freiwillig in die Ställe zurückgekehrt oder standen im Schatten einer der wenigen Bäume, mit dem Schwanz nach den Fliegen und Bremsen zu schlagen, die sie zusätzlich peinigten.
Der Bäuerin Geschirrabwasch klapperte noch durch manche Küchentür, doch alsbald verlor sich auch dieser Pegel fraulicher Alltagsarbeit. Denn sie flüchtete in den abgedunkelten Schlafraum, der um vieles kühler. Während sie gleich darauf neben ihrem Mann, der sich gleich, nachdem er sich den Wanst vollgeschlagen hatte, in der Bettkammer verschwand und nun laut schnarchend seinen Träumen zu ergeben. Nun beide im Rhythmus schnarchend um diese große Hitze, sprach doch sogar das Radio von einem Jahrhundertsommer, und der seit den Aufzeichnungen des im Jahre als der heißeste Sommer mit nahezu 40 Grad im Schatten zu verzeichnen wäre.
Aber Gott sei gedankt, der zwischendurch auch ergiebige Regen aus den vorbeiziehenden Wolken entließ. Sonst hätten wir eine Sahelzone, wie ein alter gebildeter Bauer von sich gab. Aber der eine schon ein Vorzeichen des nahen Klimawandels wähnte. Man wurde sich jedoch nicht einig, so oder so, man verglich Jahre selbigen oder fast selbigen Formats. Und in dieser Hitze, auch von den Kindern unbemerkt, denn zu schlafen neben ihren Müttern, Vätern oder Geschwistern selbst in den abgedunkelten Stuben und ließen weder Licht noch Sonne in ihre Zimmern hinein, näherte sich ein offensichtlich sich ein der Narretei verbundenes Auto, besser ein Lastwagen, vollgemalt mit Clown-Gesichtern, fletschenden Löwenmäulern und feuerspeienden Zauberern, dazwischen schlängelte sich eine Riesenschlange mit ihren Zähne zeigenden Giftspritzen mit offenem rotem Maule, als würde sie den Beschauer gleich verschlingen. Es schaukelte und wankte die schlecht ausgebesserte Fahrbahn nach dem frostigen Winter, wo man die Frostbeulen nur mangelhaft mit Asphalt zugeschmiert hatte und die allesamt, als man mit den schweren Traktoren und deren Anhängern bei Regen darüberfuhr, um das Wasser in den Untergrund zu quetschen, und den Asphalt aus dem Grund zu spülen.
So er löchrig war wie vor der Ausbesserung und das Schaukeln des Lastwagens zu verstärken, möchte jener noch mit Blattfedern aus vorindustrieller Zeit bestückt sein. Aufgrund seines Alters. Denn der Motor tuckerte vorsintflutlich in die Hitze hinein. Es konnte natürlich auch sein, dass er ebenso wenig der Hitze Herr wurde wie alles Getier und auch die Menschen.
Als das Gefährt die ersten Häuser des Dorfes erreichte, die Ortstafel bereits hinter sich gelassen hatte, blieb es pfauchend stehen, nicht wie eine Lokomotive, sondern aus seinem Kühler, der offen zur Schau gestellt, Dampf entweichen ließ. Der Motor erstarb. Ein halb großes drahtiges mit einem Vollbart bewachsenes Männchen mit einer adeligen Nase und wachsamen Augen entstieg dieser Maskerade von einem bemalten Auto, hüpfte zum Kühler, um mit einem schnellen Griff mittels eines dicken Fäustlings diesen von seinem Überdruck zu befreien, der zischend und mit einer riesigen Dampfwolke ausstoßend sich von seinem Ungemach der enormen Hitze und Überdrucks zu befreien.
Der alte Komiker holte irgendwo eine Gießkanne hervor, machte sich auf das nächstgelegene Haus, um Wasser für sein durstiges Auto und wahrscheinlich auch für sich zu bekommen. Es war ein altes Bauernhaus, das er wohlgefällig musternd mit grünbestrichenen, jetzt jedoch verschlossenen Läden. Einer aus Holz gebauten Scheune, längs des Hauses lief jedoch ein überdachtes Dach vorbei mit Lehm der Boden gestampft, der scheinbar alle Woche einmal mit Wasser abgerieben wurde. Gecleant nannte man das, wie auch noch die Vorfahren gesprochen hatten, und jetzt auch in der englischen Schriftsprache vorkommt.
Die hatten diese Sprache nach England mitgenommen. Das alles wusste der alte Kauz, war er doch jahrzehntelang durch die Welt gezogen. Und jetzt hatte er sich in diesem kleinen hinterwäldlerischen Dorf, wo sich die Füchse noch gute Nacht zu sagen pflegen, ein Häuschen mit alter Tradition gekauft. Um hier seinen Lebensabend zu verbringen. Er hatte genug von einer Welt des Konsums, des lauten Geschreies, der Halbwelt und der Glitzerwelt, denen er beiden einmal angehörte. Er schaute sich im Hof um. Ein Hund kam aus der Scheune gekrochen, um ihn zu begrüßen, mit leisen Pfoten schlich er auf ihn zu, legte sich vor ihn auf den Boden, ihn mit schläfrigen Augen betrachtend.

„Du bist ein guter Hund“, sagte der alte Kauz mit warmer Stimme und hielt ihm seine Hand hin. Der Hund erhob sich auf seinen Vorderpfoten und schleckte ihm die Hand. Dafür streichelte er über seinen Kopf, wobei der Hund wieder versuchte seine Hand zu schlecken. Und der Alte sagte: „Wenn alle so gute Geschöpfe in diesem Ort, dann habe ich das Paradies gefunden.“ Der Hund jaulte leise, als hätte er ihn verstanden, um ihm zu sagen: „Ja, das hast du.“ Die Tür zum Haus stand offen, er sah in den Vorraum durch eine weitere offene Tür in die Küche und durch das Fenster konnte er das Haus durchblicken bis auf Straße hinaus und so sein Auto auf der etwas in ihrem Verlauf niederen Niveau der Straße stehendes Vehikel ersehen. Jetzt fiel ihm wieder der Grund seines Besuches in dem Hause ein. Wasser. Sollte er oder sollte er nicht ungefragt dem Brunnen sein Wasser entnehmen, der sich im Hofe dafür darbot?
Wie einstens auf einer Kette hing der Wassereimer auf einem runden Gehölz mit einer Kurbel verbunden und darüber ein Dach, mit tönernen Ziegeln bedeckt, um das Gehäuse, das gänzlich aus parabetthohem Holze bestand, zu schützen. Er besah seine Gießkanne, der jedoch die Rose darauf fehlte, wozu auch. Sie war nicht zum Gärtnern gedacht, sondern durch ihre Form der Sättigung des übergelaufenen Wassers des Kühlers zu diesem.
Er fand, dass es jedenfalls ein schlechtes Bild von ihm und für ihn abgeben würde, so er den Brunnen ungefragt Wasser entnehmen sollte, wenn auch nur einen Eimer voll und somit das Wasservolumen, was der Brunnen in sich trug, kaum merkbar verringern würde. So nahm er seine Gießkanne in die Hand, um zur offenen Flurtüre zu gehen, verfolgt von einem Hund, der nicht daran dachte, als Wachhund den Gast zu melden. Konnte ja auch ein Einbrecher sein, aber nein, Einbrecher benehmen sich anders, mochte wohl der Hund gedacht haben.
Als sie den Flur durchschritten und durch die offenstehende Tür in die Küche gelangten, war sie leer, die Tür, die wahrscheinlich in das Schlafzimmer führte, war verschlossen, nur Schnarchgeräusche von absonderlicher Stärke drangen durch die Tür. „Gehen wir“, sagte der Mann zu dem Hund, den Finger auf den Mund legend, fast flüsternd, um die Küche und Flur zu verlassen, um sich wieder zu dem Brunnen zu begeben.
Er nahm den Eimer von dem Randbalken des von vier Seitenteilen umfassten Gehäuses und ließ ihn langsam zur Wasseroberfläche niedersinken mittels der Kurbel verlangsamt und der Schwerkraft folgend. Nachdem der Kübel vollgelaufen war, zog er ihn mittels der Kurbel wieder an den Randbalken zu ziehen aus der Mitte des schaukelnden Eimers. Der Hund stand mit heraushängender Zunge neben dem Wasserholer. „Du hast Durst“, sagte er freundlich zu dem nach Wasser gierenden Hund. Trotzdem trank er selbst noch einige tiefe Züge aus dem frischen Wasser, um sich dann dem Hund zu widmen bzw. ein Gefäß aller Art zu suchen, um den Hund mit Wasser zu versorgen. Er entdeckte ein altes, abgeschlagenes Reindl, das vor dem Hühnerstall stand, wahrscheinlich als Futtergefäß gedacht für die ehemals kleinen Hühnerkinder.
Jetzt, da die Kleinen eine Größe erreicht hatten, wo man das Futter auf die Erde streuen konnte, war es unnötig geworden. Besagtes Gefäß nun holte der selbst Wasserbenötigte es zu dem Brunnen und wusch es einmal von dem angesammelten Dreck in seinem Inneren aus, bevor er in den nun reinen Behälter für des Hundes Durst mit frischem Wasser befüllte. Und der schleckte und schleckte, sodass alsbald der Behälter wieder leer und der Hund es noch reinschleckte, sollte sich noch ein Tropfen irgendwo versteckt haben. Allerdings bildete sich rings um das Reindl eine Lache Wasser, was jedoch von der trockenen Erde rasch aufgesogen wurde, sodass nur noch dunkle Ränder um das Gefäß herumliefen. „Aha“, sagte der Alte, „es ist undicht.“ Der Hund sah ihn mit wissenden Augen an, und der Alte befüllte mit neuem Wasser das Reindl und der Hund schleckte und schleckte bis auf den letzten Tropfen.
Nachher sah er den Alten mit bittenden Augen an, das hieß: „Gib mir noch zu trinken.“ Und der Alte befüllte das Reindl ein drittes Mal mit Wasser, der Hund dankbar zu ihm aufschaute und schleckte und schleckte, wobei der Rand um sein Trinkgefäß immer größer und größer wurde. Aber es sich begab, dass Hund und das Auslaufloch sich aufgrund des gleichzeitigen Durstenden und das geleerte Gefäß sich zusammenfanden, um eine Wiederbefüllung nicht nötig hatten. Denn der Hund schleckte sich nochmals die Zunge, um dem Alten nun bekanntzugeben, er hätte sich mit frischem Wasser nun den Bauch gefüllt und wollte nun kein Wasser mehr.
So nahm nun der Alte seine gefüllte Gießkanne, um sich zu seinem Rostwagen zu begeben, um nun dessen dürstenden Motor bzw. dessen Kühlung das Wasser zu verabreichen. Der Hund folgte dem wasserholenden Mann mit gesenktem Kopf. Der Motor gluckste noch hie und da, bis ihn der Alte mit neuem Wasser befüllte. Zwischendurch startete er den Motor, so noch Wasser in dem offenen ausdampfenden Schraubverschluss, noch nachzufüllen. Der Motor lief wieder ruhig, der Alte verstaute die Gießkanne wieder, woher er sie genommen hatte, setzte sich ans Lenkrad und fuhr los, begleitet von dem Hund, der sein erster Freund in seinem von ihm vorgesehenen Dorf geworden zu sein, denn er lief lange dem fahrenden Vehikel neben ihm her, um seine Loyalität zu bekunden.
Erst als die Häuser dichter wurden, um eine Gasse zu bilden, ließ er ab und lief zurück nach Hause, um sich wahrscheinlich wieder im Schatten der Scheune zu verkriechen. Doch kein Mensch war ihm und seinem Vehikel noch begegnet. In welch einer Hitze war er schon in Scheinwerferlicht gestanden mit glitzerndem Gewand, bedeckt noch dazu behütet, entweder mit einem kreisrunden Hut auf dem Kopf mit dem Zauberstab in der einen Hand, und Hasen im Zylinder in der anderen, dem er unzählige Hasen gebären ließ. Natürlich in Weiß.
Gerade jedoch lief eine weiße Henne über die Straße verfolgt von einem ebenso weißen federgeschmückten Hahn, der, als er sie einholte, sie sogleich zu begatten versuchte. Na ja, dachte er, haben die Menschen das von den Tieren oder die Tiere von den Menschen. Es wird wohl das Erste sein.
Der Makler hatte ihm einen Plan des Dorfes gegeben, nun fuhr er die Hauptstraße entlang, bis an die Kirche, sagte der Makler, nachdem er das Geld verwahrt hatte, das er ihn für das Haus bezahlt hatte. Ein lächerlicher Preis, fand der Weltgewandte. Ein paar Tage im Hotel zu wohnen in San Reno hätten dazu nicht ausgereicht. Aber er zeigte ihm auch Fotos von mehreren Häusern, die ihm angeboten wurden zu verkaufen, meistens alte Bauernhäuser in einem verlorenen Winkel des Landes. Idyllisch gelegen, in der Einschicht von Obstbäumen umsäumt. Aber so weit wollte er seinem Leben nicht entfliehen. So fand er das Haus in einem kleinen Dorf, wo der Makler behauptete, dass es zu dem freundlichsten des ganzen Landes zählt, denn es gab keine Reichen unter den vielen Kleinbauern, wo jeder jedem half und die sich ihre Ursprünglichkeit erhalten haben.
Nun kam die Kirche, davor rechts abbiegen, ein Stück geradeaus bei der ersten Straße rechts, und da lag das Häuschen mit einer riesigen mit Weinreben bewachsener Laube. Noch verwehrte ihn das hölzerne Hoftor, das seiner Meinung nach schon bessere Zeiten gesehen hatte, wie er vermeinte, auch die Einfahrt. Die Schlüssel, meinte der Makler, wären bei der Nachbarin rechts vom Haus abzuholen, und gleich ihn vor ihr zu warnen, aber sie habe das Herz am rechten Fleck, und er möge den ersten Eindruck von ihr nicht auf die Waage legen. Er klopfte an die Haustür, denn es gab kein Hoftor, das man öffnen musste, nur noch gemauerte Pfeiler, wo noch rostig die Angeln herausschauten, wo ehemals ein Tor angebracht gewesen war, alles andere war von einer niederen Hecke umzäunt. Er klopfte lauter, eine Stimme näherte sich der Tür. „Ich habe Sie schon gesehen und gehört“, krächzte eine alte Stimme. Die Tür wurde geöffnet. Ein kleines verhutzeltes Weiblein lächelte ihn an, wobei ein paar Ruinen von einem einstigen Gebiss sich ihrer entblößten, um sich als Nachhut ihrer gesammelten und jetzt verlorenen Zähne darzustellen.
Es gelang ihm ob seines Erschreckens gleichsam ein Lächeln hervorzuwagen, wobei seine zwei goldenen Schneidezähne wie die Verhöhnung ihres lückenhaften Gebisses wie eine Fron auf sie wirken musste. So verschloss er schnell wieder seinen Mund, als hätte er etwas zu verbergen. Auch ihr Lächeln verlor sich mit dem Schließen des Mundes. „Sie sind ein feiner und reicher Herr“, kam es daraufhin aus ihrem Munde, „meinte der Makler, nur ein bisschen sonderbaren Gehabens.“ Wie gebildet diese alte, fast hätte er gedacht Hexe, verwarf aber diese Bezeichnung für diese alte mütterliche Frau Gedanken.
Er zupfte wieder an seinen zwei gummierten Hosenträgern, die seine Hose auf der richtigen Höhe hielten, und nicht einmal, wenn er sie nach vorne dehnte, um die Hose auf ein anderes Niveau zu heben, war sie doch im Schritt zusammengenäht. Und er zog immer daran, wenn er etwas für ihn Unangenehmes erfahren musste. Und jetzt war wieder einer dieser Fälle eingetreten, wo er immer wieder das Gummiband spannen und entspannen ließ. Auf einmal sagte sie rüde: „Sie wollen die Schlüssel, aber die werde ich Ihnen nicht geben, denn Sie wissen ja nicht, welcher wo passen würde. Wissen Sie, ich war fünfzig Jahre von hier weg, und was diese Dörfler wissen, hat ihnen mein Vater anerzogen.“ „Daher die gebildete Sprache“, dachte der neue Hausnachbar.
Als sie auf den Wagen zuschritten, sie mit einem Stock in der einen Hand, mit ihm auf diese riesengroße Schlange zeigend: „Das ist sicher eine Anakonda mit ihrem grässlichen Maul und der Papagei ist ein Ara, den es nur in Australien gibt, und die vielen Lianen, die sich um die Kapuzineraffen schlingen. Tiger, Löwen und jegliches andere Getier aus dem Urwald sind hier aufgemalt, wie grässlich all diese Viecher. Was für ein verrückter Maler hat diese Ungeheuer hier dazu noch mit diesen schrillen Farben aufgemalt.“ Er zupfte abermals an seinen aus Gummi gefertigten Hosenträgern, um sie wieder in ihre ursprüngliche Lage zu bringen.
„Was zupfen Sie immer an Ihren Hosenträgern, die sind ja schon ganz speckig von dem immerwährenden Zupfen ihrer ungewaschenen Hände.“ Die Lehrerin kam nun durch, wahrscheinlich war sie auch eine, fand er. Er beließ seine Hände, wo sie derzeit waren, nämlich in der Hosentasche. Aber auch das schien sie nicht zu goutieren. Wenn man mit einer Dame geht, hat man keine Hände in den Hosentaschen. Er entfernte sie aus seinen Hosentaschen und trug sie vor sich her. In ihr Gehen hinein und das bemalte Auto betrachtend, sagte sie: „Nehmen Sie einmal diesen Schlüssel!“ Sie drückte ihm einen großen, scheinbar noch handgemachten Schlüssel in die Hand und sagte: „Probieren Sie.“ Er drückte den Bart hinein und probierte den Schlüssel zu drehen, wie man Schlüssel beim Aufsperren eben dreht – von links nach rechts. „Der passt nicht“, sagte er. „Der passt“, sagte sie, griff nach dem Schlüssel, und das Tor, besser gesagt Gartenstück, stand offen. Nun gab sie ihm noch einen größeren Schlüssel und sagte, das wäre der Schlüssel für das größere zweiflügelige Tor. Er probierte und es knackte, als er aufschloss. „Gut“, sagte sie. „Und nun weiter das Hausschloss, das Schlüsselschloss für den Keller, der Schlüssel für die Speisekammer und aus fertig“, sagte sie, während sie ihm die Schlüssel überließ, um noch zu fragen: „Haben Sie sich alle gemerkt?“
Der Alte wähnte, dass sie ihn für einen vollkommen nach schulmeisterlicher Art Trottel hielt. Bevor sie ging, sagte sie: „Verstecken Sie das Auto in der Scheune, es ist dort Platz genug, denn den Kuhwagen hat sich ein Bauer von da oben ausgeborgt“, und dabei machte er eine handanzeigende Richtung zum oberen Hügel, wie er erfuhr, so hießet und dies erst später in seinen Wortschatz aufzunehmen. Dort standen ein paar Keuschler-Häuser, armselig und klein. Da zwei Räder von seinem Kuhwagen gebrochen waren und er nur eines in Reserve hatte, sagte sie, aber er wahrscheinlich nicht einmal eins beim Wagner bezahlen könnte. Sie drehte sich nochmals um, um zu sagen: „Um fünf Uhr sind Sie bei mir eingeladen zum Fünfuhrtee.“ Er nickte gottergeben. „Aber kommen Sie dem Anlass entsprechend angezogen“, befahl sie noch.
Als sie ging, schaukelte ihr rückenlanges Kopftuch noch hin und her. Er öffnete das Scheunentor, dann das Gartentor, maß mit einem in der Scheune gefundenen Lattenstück die Höhe des Autos, dann die Höhe der Laube und konnte so in die Scheune ohne Probleme einfahren. So kramte er aus den vollbepackten Wagen seine Wäsche hervor, begab sich daraufhin in das Zimmer, um seine gewandlichen Utensilien in den leeren Kästen darin unterzubringen. Es war alles da außer dem Kuhwagen, den er bei Gott nicht brauchte, und sich in seinem unerfüllten Gehirn der Gedanke sich breitmachte, ihm, da es sich offensichtlich um einen armen Keuschler handelte, gleich zu überlassen. Natürlich gratis – geschenkt würde man sagen.
Es würde seine erste gute Tat in seiner neuen Heimat werden. Es gab ein Lavoir mit Waschstuhl, darüber einen Spiegel, einen Wasserkrug, einen fast neuen Ofen mit Kacheln verkleidet, der auch im Winter Wärme versprach. Eine Kredenz mit vielen Häferln, Tellern und Tassen darin, einen soliden Bauerntisch mit einer Eckbank, darüber ein Herrgottswinkel, wo der Gekreuzigte vornüber geneigt in der Ecke hing, begleitet von zwei Hinterglasmalereien. schwarz gerahmt Maria und Josef. Über dem Tisch hing eine Petroleumlampe, die man je nach Gebrauch ein Stück runter oder höher ziehen konnte. Davor vor dem Tisch noch an jeder Seite ein Stuhl und alles blitzsauber.

Das könnte ihnen auch gefallen :

Die Toten, die man nicht sterben ließ

Wolfgang Schrammel

Das Leben im Wandel der Zeit

Weitere Bücher von diesem Autor

Die Toten, die man nicht sterben ließ

Willibald Rothen

Die toten Kinder vom Moore

Die Toten, die man nicht sterben ließ

Willibald Rothen

Themen, die das Leben schreibt

Buchbewertung:
*Pflichtfelder